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x° 224, 24. September 1932. Redaktioneller Teil. — Sprechsaal. Börsenblatt f. b.Dtschn Buchhandel. und Ausland übernahm der Jubilar 1888 das angesehene väterliche Geschäft. Mit Umsicht und Tatkraft hat er es dann verstanden, die Firma Heinrich Schräg zu ihrer heutigen Bedeutung zu ent wickeln. Die Herausgabe zahlreicher Werke zur Geschichte und Kunst Altnürnbergs war ihm als warmem Freund der Stadt ein ver legerisches Bedürfnis. Viele Jahre hat er in einflußreichen Ämtern dem Bayerischen Buchhändlervcrein und dem Verein Deutscher Bahn- hvfsbuchhändler Arbeitskraft und Rat zur Verfügung gestellt. Auch im gesellschaftlichen und offiziellen Leben der alten Reichsstadt hat Herr Kommerzienrat Schräg eine führende Nolle gespielt. 60. Geburtstag. — Am 25. September feiert Herr CarlLinne in a n n, Mitinhaber der Firma Fr. Kistner L C. F. W. Siegel in Leipzig seinen 60. Geburtstag. Musikalienhandel und Buchhandel werden an diesem Tage eines ihrer Führer gedenken, der seit drei Jahr zehnten in aufopferungsvoller Weise für die Berufsvertretung tätig ist. Ohne auf sein Wirken als Mitinhaber eines der angesehensten Buch-, Musik- und Musikalienverlage einzugehen, sei nur erwähnt, daß Carl Linnemann seit 1. Oktober 1895 im väterlichen Geschäft C. F. W. Siegel's Musikalienhandlung tätig ist, am 14. April 1897 Prokura erhielt und am 1. Januar 1901 als Teilhaber ausgenommen wurde, bis er im Jahre 1902 gemeinsam mit seinem Bruder Richard Liunemann die Firma, die inzwischen durch Ankauf der Verlage E. W. Fritzsch und Fr. Kistner erweitert wurde, übernahm. 26 Jahre lang ist Carl Linnemann im Vorstand des Deutschen Musikalien- Verlcger^Vereins tätig gewesen, davon eine lange Zeit als Vorsitzender. Die Hauptversammlung dieses Vereins ernannte ihn 1929 zum Ehrenmitglied. Ferner war Herr Carl Linnemann lange Jahre im Vorstand des Vereins der Deutschen Musikalienhändler, des Deut schen Verlegervereins und der Geselligen Vereinigung Leipziger Buchhändler tätig. Der Börsenverein, dem der Jubilar sein« Kennt nisse und Arbeitskraft in zahlreichen Ausschüssen widmete, verlieh ihm im Jahre 1929 das Goldene Ehrenzeichen des Buchhandels. Gestorben: am 10. September nach schwerer Krankheit Fräulein Ella Herzog, Inhaberin der Firma E. N. Herzog in Meerane. SprecksaiU Leihbüchereien und Sortimente. <S. Sprechsaal Nr. 20k.) Leiber kommt die Anregung des Herrn Baumann meines Er achtens mit jahrelanger Verspätung. Der Sortimenter, der in Erkenntnis des wirtschaftlichen Umschwungs innerhalb seines Kunden kreises sich nicht umzustellen und seiner Buchhandlung eine Leih bibliothek anzugliedern verstand, wird heute wohl schwierig eine Ver dienstmöglichkeit damit finden. Es gibt wohl keine Stadt in Deutsch land, in der nicht von Zentralstellen aus Leihbibliotheken eingerichtet und zum Schaden des Ansehens des kulturellen Buchhandels in die Hände von Nichtbuchhändlern übergeben wurden. Abgebaute Buchhalter, Zigarrenhändler, Friseure, ehemalige Schauspieler usw. usw. können, sosern sie etwas Kapital zur Verfügung haben, an jeder Ecke »Verleihinstitute» eingerichtet bekommen. Nicht allein die übliche scxualtheoretische Literatur und Kriminalroman«, sondern auch gute moderne Bücher werden sür NM —.20 die Woche verliehen. Es ist dann nur noch ein Schritt, daß sich ein Leser das eine oder andere Buch käuflich erwirbt. Ich brauche wohl nicht weiter auszuzeichnen, welche gefährlichen und die Existenz des regulären Sortiments unter grabenden Unternehmungen mit Hilfe von manchem guten Verlag grostgezogen werden. Bisher hat sich aber keine Hand dagegen ge rührt, um dem Anwachsen dieser ungesunden Zeiterscheinung endlich einen Riegel vorzuschieben. Die Läden der Buchhandlungen sind gähnend leer, während in Liesen »Bibliotheken» sich jede Schicht blicher- lesenden Publikums drängt. Der Sortimenter kann den Kampf nicht mehr allein durch Einrichtung einer eigenen Bibliothek ausnehmcn. Dafür fehlen ihm die Mittel, gegen das 20-Psennig-System anzu kommen. Die Sortimenter, die eine gutgesnhrte Bücherei bereits besitzen, sind, selbst wenn sie ihre Bedingungen noch günstiger gestaltet haben, nicht in der Lage, den Kampf gegen so viele zu führen. Man sollte also die Gefahren, die von einem weiteren Aufschwung solcher Bibliotheken her drohen, nicht unterschätzen. Vielleicht ist in diesen Nebenerscheinungen des Buchhandels eine der Hauptguellen der Krisis im deutschen Buchhandel zu sehen. Jeden falls Abhilfe ist schnellstens notwendig, sofern es nicht schon zu Ein unsterbliches Jugendbuch und sein lebendiges Denkmal. Wir berichteten in Nr. 170 über ein, das gute Jugendbuch propagierendes Kinder-Sing- Spiel von Fritz Edmund Ray. Der gleiche Autor stellt uns heute nachsolgende Zeilen zur Verfügung, die sich mit einem dramatischen Werk beschäftigen, das dem unsterblichen Daniel Defoe gewidmet ist. Im Alten Theater zu Leipzig ist dieser Tage eine Komödie aus der Taufe gehoben worden, die ein unsterbliches Jugendbuch, ja, profan ausgedrückt, «inen der Brotartikel des Sortimenters mit einem Schlage in den Vordergrund schiebt: Robinson Crusoe. Diese Feststellung wäre nicht so bedeutungsvoll, wenn der glückliche Autor Friedrich Förster das Werk sür jugendliche Zuhörer geschrieben hätte. Nein, »Robinson soll nicht sterben» ist ein abcndsüllendes Stück, bas vor einem Parkett von würdigen Premierentigern und Kritikern aus allen Teilen des Reiches begeistert ausgenommen wurde. Mit jedem der acht Bilder fühlte man sich um zwei Jahre jünger werden, und in jedem der Theaterbesucher regte sich der Wunsch, den lieben, herrlichen Gefährten sorgloser Jugendtage noch einmal zu lesen. So mancher Vater wird an diesem Abend noch nach der Vorstellung heimlich an das Bücherfach seines Sohnes geschlichen sein, um sestzustelleti: Hat er den Robinson? — Und weitere Erinnerungen werden ihm gekommen fein: Wie war das doch mit Karl May, mit Sigismund Rüstig — Lederstrumpf ? Was aber bringt denn das Stück des Autors Friedrich Förster, warum hat es in einer Weise die schlummernden Gedanken an eine längst vergangene Kindheit geweckt? Weil man den Erwachsenen unbekümmertes, unverfälschtes Theaterspiel im beste» und tiefsten Sinne des Wortes vorseht«: Tragödie, Komödie und Märchenspicl zugleich. Die auf mehr oder weniger festen Füßen stehende Kabel ist so zwingend frisch, so bezaubernd einfach gestaltet, daß man dem Jugendbuche Robinson Crusoe — oder besser vielleicht: »Robinson Defoe« kein würdigeres Denkmal setzen konnte. Ein lebendiges Denkmal, für das wir alle, die wir mit Jugendliteratur — sei es als Verleger, Sortimenter oder Schriftsteller — zu tun haben, dem Autor Friedrich Förster von ganzem Herzen dankbar sein müssen. Ohne besondere Absicht wurde der erste Stein des Denkmals in der Bücherstadt Leipzig gelegt, und die Ehrung ist vortrefflich ge lungen! Fritz Edmund May. Zur Beachtung. Vertreter Max G ! ese, zuletzt Berlin-Buchholz, Hauptstraße 63 (Karl Behrens, Forth L Co., Weimar). Verlag E. Jürgens tu Riga (Geschäftsstelle des Börsenvereins), vr. K. Gras von Keyserling!, Donnerhof (Litauen), z. Zt. Hamburg, Binderstr. 15 (Nicolalsche Bnchh. Borstell sr Reimarus, Berlin NW 7). Inhaltsverzeichnis. Bekanntmachung: Geschäftsstelle des B.-V. betr. Mitgliedcr- ausnahmen. S. SS7. Artikel: Deutsch« Bücher in ftenrdem Gewände. Von vr. Bauschinger. S. KS7. Sprachreinigung und Buchhandel. Von vr. Frenzel. S. KW. Heinrich Wilhelm Hahn und die Bibliothek des Germanischen Museums. Von A. Paust. S. 70V. Besprechung: Nenner, Mechanisierte Grafik. S. 701. Wöchentliche Übersicht über geschäftliche Einrichtungen und Veränderungen. S. 701. Kleine Mitteilungen S. 702—703 : 20 Jahr« Deutsche Bü cherei / Vortragsabende / Die Vereinigung der Jugendschristen verleger / Hie I-vllckvll Norcurp / Bilanz Frankfurter Verlags anstalt, Berlin / Haben die umlausenden Zeitschriften eines Lesezirkels . . . . / Wiedereröffnung der Hessischen Landesbiblio thek / Wieviel deutsche Zeitschriften gibt es? / Hilfsverein für Lehrer- und Bildungswcsen in München / Bibliophilentagung in Frankfurt a. M. Pe r s o nal na ch r i ch t e n S. 703: 75. Göburtstag Carl Schräg, Nürnberg: KO. Geburtstag Carl Linnemann, Leipzig / E. Herzog, Meerane s. SprechsaalS. 704: Leihbüchereien und Sortimente / Ein unsterb liches Jugendbuch und sein lebendiges Denkmal / Zur Be achtung! spät ist?!! Bremen. Karl Reißer i. Ka. Boeskings Bücherstube. Verantwort!. Schriftleiter: Franz Wagner. — Vertan: DerBörscnverein der Deutschen Buchhändler zu Letpzta, Deutsches Bnchhändlerhaus. Druck: E. H e d r t ch N a ch f. Sämtl. in Leipzig. — Anschrift d. Schrtftseitung u. Expedition: Leipzig, GerichtSivcgA Oluchhändkerhaus), Posts>Weßfach274/75. 7 04