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260, 8. November 1916. Redaktioneller Teil. vörjenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Ober die Anfragen, die aus diesem Anlaß an den Vorstand gerichtet wurden, muß ja selbstverständlich die strengste Verschwie genheit geübt werden. Aber vielleicht kann uns in der Dis kussion Herr Mueller einmal berichten, ob überhaupt von diesem Anerbieten Gebrauch gemacht worden ist. Weitere Kriegsmaßregeln zu ergreifen, hat sich für den Vorstand des Verbandes nicht als nötig und wünschenswert herausgestellt. Naturgemäß können solche Maßregeln auch nur durch örtliche Vereinigungen mit Nutzen getroffen werden und sind zweifellos auch getroffen worden, so eine ganze Reihe in .Halle, auch in Magdeburg, und Wohl auch noch anderswo, wie und wo es der Moment erforderte. Der Vorstand kann nicht genug auf solche Vereinigungen, die keineswegs immer einen wirklichen Verein zu bilden brauchen, Hinweisen. Durch sie wird viel Segen geschaffen, namentlich werden viel häßlich« Konkur renzmanöver von vornherein ausgeschaltet und die Verbindungen mit unserer Organisation der Orts- und Kreisvereine und des Börsenvereins gestärkt. Sie schaffen greifbaren, offensichtlichen Nutzen. Wenn ich noch auf die fördernde Wirkung des Schau fensters besonders Hinweise, so weiß ich wohl, daß dies eigentlich »Olle Kamellen« sind. Aber noch nie hat es eine Zeit gegeben, in der mir die Wirksamkeit der Veranschaulichung ekla tanter in die Erscheinung getreten ist als jetzt, wo jedermann nach dem Aktuellen hascht und wo gewisse Umstände, wie die Zuckernot, die Pilzzeit bei herrschender Fleischnot, die Notwen digkeit der Kleintierzucht und vieles andere geradezu nach Beleh rungsquellen schreien. Die Zeiten, in denen der Sortimentsbuch handel die schlechtesten Auslagen der Stadt bot, sind Gott sei Dank längst vorbei; ich glaube, wir können im Gegenteil getrost behaupten, daß die buchhändlerischen Schaufenster mit die an ziehendsten und geschmackvollsten geworden sind, wobei natürlich die für die Dekoration etwas spröde Form des Buches in Betracht gezogen werden muß. Aber m. E. mutz das Schaufenster auch einen gewissen Gedanken zum Ausdruck, nicht nur wahlllos aneinandergereihtc Bücher zur Anschauung bringen. Ferner kann nur eine häufige Änderung aus die Dauer Kunden heranlocken; und für alles dies wollte ich ein Wörtchen einlegen. An Ihnen ist es, der richtigen Zeit durch Ihre Schaufenster den richtigen Ausdruck zu verleihen, und es wird zum Segen Ihres Geschäftes wie auch zur Belebung des Bücherkaufens überhaupt dienen. Die Buchführungsfragc hat natürlich von Vereins wegen in der Kriegszeit zurücktreten müssen. Ob aber für den Einzelnen nicht gerade jetzt der Zeitpunkt zur Einrichtung einer übersichtlichen, den gesetzlichen Forderungen entsprechende Buch führung bei der bevorstehenden recht erheblichen Steuererhöhung geboten ist, möchte ich zu erwägen anheimstellen. Der Vorstand ist gern bereit, Auskunft über passende Systeme und auch Per sonen zur Einführung und Belehrung zu geben. Ein außerordentliches Zeugnis bnchhändlcrischcr Fürsorge ist im Jahre >91-1 von den vereinigten Vorständen des Verbandes evangelischer Buchhändler und des Vereins von Verlegern christ licher Literatur gegeben worden. Sie regten nämlich für die zweite Hälfte des September 1914 einen ersten Buchhändler« Ferien-Kursus von sechstägiger Dauer in Bethel bei Bielefeld an. Der Grund hierfür wurde in der mangelhaften Vor« und Ausbildung unseres buchhändlerischen Nachwuchses gefunden; der Kursus sollte nach dem Vorbildc der mannigfachen Missions-Studien-Kurse abgehalten werden, vormittags Arbeit, nachmittags Ruhe. In Aussicht genommene Themata waren: 1. Die Praxis des Sortimenters 4 Stunden 2. Wie ein Buch verlegt und Vertrieben wird 2 „ 3. Wie ein Buch entsteht 2 „ 4. Grenz- und Richtlinien für den Vertrieb all gemeiner Literatur durch den christlichen Buchhandel 2 „ 5. Der Verkehr über Leipzig und bas Leip ziger Kommissionsgeschäft 1 „ 8. Der Börsenverein, seine Organisation und seine Gesetze 2 7. Die Volksbücherei, ihre Einrichtung und ihre Bedeutung für den christl. Buchhandel 2 „ 8. Der christliche Kunsthandel, a) der Handel mit Kunstblättern und gerahmten Bildern, v) christliche Kleinkunst 2 Stunden 9. Bibelanstalten und Bibelverbreitung I „ 10. Missionsaufgabe des christlichen Buchhänd- lers 1 „ Zum Vortrag und zur Behandlung der Themen hatten sich bekannte Buchhändler gemeldet, die ihre Arbeit für diesen guten Zweck zur Verfügung stellen wollten. Die Mittel sollten aus dem christlichen Buchhandel selbst durch freiwillige Beiträge herbei geschafft werden. Mir erscheint der Gedanke so großartig und geradezu vorbildlich für den ganzen Buchhandel, daß ich bitten möchte, dem Börsenvereins-Vorstande die Anregung zu geben, er wolle für die Friedcnszeit einen solchen Sommerkursus während der großen Ferien für unseren buchhändlerischen Nachwuchs, event. unter Benutzung der Räume und des Lehr personals der Buchhändler-Schule, vorbereiten und, falls der Vorschlag genügende Beachtung findet, jährlich wiederkehren lassen. Ich denke mir eine Woche Bildungsferien für die jungen Leute, Lehrlinge oder jüngere Gehilfen zumal in Leipzig für ungeheuer anregend. Für billige Quartiere wird auch Rat ge schafft werden können, so daß Wohl niemand auf diese Vorträge zu verzichten brauchte. Die greifbare Nähe unseres Buchhändler hauses, des Buchgewerbehauses mit seinen Schätzen und nicht zu letzt der Deutschen Bücherei wird den jungen Leuten die Stellung des Buchhandels zum Weltmarkt um so merklicher veranschau lichen und die Pflege der Ideale stärken und, wo sie noch nicht vorhanden ist, wachrufen. Soeben tritt eine Anregung anläßlich eines Aufsatzes von Karl Illing über Lehrlings-Ausbildung im Börsenblatt vom 19. August an uns heran, die wir im Anschluß hieran nicht uner- örtert lassen wollen. Es handelt sich mit kurzen Worten um die Forderung buchhändlerischer Fachklassen in obliga torischen oder fakultativen Fortbildungsschulen bzw. Kursen. Der Gedanke hat etwas sehr Bestechendes an sich, nur denke ich mir die Ausführung nicht sehr leicht. Nach meinen Erfahrungen schei den zunächst einmal die Fachklassen der obligatorischen Fortbil dungsschule aus, weil in einer Stadt, Gott sei Dank, nicht so viel Bnchhandlnngslchrlingc ohne Einjährigcnzeugnis zu finden sein werden, daß sich die Schulbehörde auf Einrichtung von Fach klassen einlassen könnte. Blieben also nur die freiwilligen Kurse! Auch diese werden nur in den größeren Städten und nur dann möglich sein, wenn nicht nur männliche oder weibliche Lehr linge, sondern auch die junge Gehilfenschaft beiderlei Geschlechts zu den Kursen mit herangezogen werden könnte. Aber dann wäre ja eine solche sachliche Belehrung geradezu ideal. Ich möchte also anregen, daß zunächst in Magdeburg, Halle, Erfurt, Jena, Wei mar, Gotha, Dessau je ein Kollege sich für die Sache erwärmt und feststellt, welche Personen an einem solchen Kursus event. ieilnehmen würden. Handelt es sich um eine genügende Anzahl, so wäre vielleicht eine Rücksprache mit dem Vorstand zur Bera tung der nächsten Schritte notwendig. Vielleicht würde man dann mit dem Leiter der kaufmännischen Fortbildungsschule Rück sprache nehmen und ihm das gewünschte Programm bekannt geben. Dieser hätte sich dann über den Kostenpunkt zu äußern, und Sache der Vertrauensmänner wäre cs dann, bei den Ches- kollegen um eine Beihilfe vorstellig zu werden, damit die Kosten des Kursus dem jugendlichen Personal nicht abschreckend hoch erscheinen. Herr Karl Illing, der ja selbst Lehrer an der Buch händlerschule zu sein scheint, schlägt folgende Fächer vor: Buch gewerbekunde — Buchhandelsbetriebslehre — Geschichte des Buchhandels — Buchhaltung — Gesetzeskunde — Neuere Lite raturgeschichte. Als Zeit des Unterrichts müßten die Abend stunden nach Geschäftsschlutz gewählt werden, da möglichst das gesamte Personal daran ieilnehmen soll. Mithin würde das Sommerhalbjahr das geeignetste sein, da im Winter-Halbjahr die Aufnahmefähigkeit in den Stunden nach Geschäftsschlutz be einträchtigt erscheinen dürste. Ein Haupthindernis, das zunächst zu überwinden wäre, würde die Schwierigkeit bilden, geeig nete Lehrkräfte sür die Gebiete des Buchhandelsbetriebs — der Geschichte des Buchhandels — der Gesetzeskunde mit Hinblick >385