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2724 x° 95, 25. April 1931. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f.s.Dtschn.Buchhandel. Erich Maria Remarque Der Weg zurück 14. Fortsetzung Ich sehe das Gesicht an, soweit es noch eins ist. Ueber die Stirn läuft eine breite, rote Narbe. Sie reicht bis ins linke Auge. Das Fleisch ist dort übergewachsen, so daß das Auge klein und tief liegt. Aber es ist noch da. Rechts ist das Auge starr, aus Glas. Die Nase ist fort, ein schwarzer Lappen bedeckt die Stelle. Die Narbe, die darunter hervorläuft, spaltet den Mund zweimal. Er ist wulstig und schief zu sammengewachsen, daher die undeutliche Sprache. Die Zähne sind künstlich. Line Klammer ist daran sichtbar. Unschlüssig schaue ich hin. Die gurgelnde Stimme sagt: „Paul Rade macher." Jetzt erkenne ich ihn. Das ist ja sein grauer Anzug mit den Streifen. „Tag, Paul, was machst du?" „Siehst ja", er versucht, die Lippen zu verziehen, „zwei Spatenschläge. Das ist auch noch mitgegangen." Er hebt die Hand, an der drei Finger fehlen. Traurig blinzelt sein eines Auge. Das andere sieht starr und unbeteiligt gradeaus. „Wenn ich nur wüßte, ob ich noch Schulmeister werden kann. Das Sprechen ist zu schlecht. Kannst du mich denn verstehen?" „Gut", antworte ich. „Das gibt sich auch noch. Man kann das sicher weiter operieren." Er hebt die Schultern und schweigt. Er scheint nicht viel Hoffnung zu haben. Wenn es ginge, hätten sie es auch wohl schon gemacht. Willy stößt zu uns, um uns die letzten Ereignisse zu er zählen. Wir hören, daß Borkmann doch noch an seinem Lungenschuß gestorben ist. Er hat galoppierende Schwindsucht dazu gekriegt. Henze hat sich erschossen, als er erfuhr, daß seine Rückenmarkverletzung nur zu dauerndem Rollstuhl führen könnte. Das ist zu verstehen: er war unser bester Fußballspieler. Meyer ist im September gefallen, Lichtenfeld im Juni. Lichtenfeld war nur zwei Tage draußen. Plötzlich stutzen wir. Eine kleine mickrige Gestalt steht vor uns. „Was, Westerholt?" fragt Willy ungläubig. „Immer noch, du Fliegenpilz", antwortet der. Willy ist verblüfft. „Ich denke, du bist tot." „Noch nicht", gibt Westerholt gemütlich zurück. „Aber ich habe es doch in der Zeitung gelesen." „War eben eine Fehlanzeige", schmunzelt der Kleine. „Man kann sich auch auf nichts mehr verlassen", sagt Willy kopfschüttelnd. „Ich dachte, die Würmer hätten dich längst gefressen." „Nach dir, Willy", antwortet Westerholt selbstgefällig, „du bist früher dran. Rothaarige leben nie lange." Wir gehen hinein. Der Hof, auf dem wir um zehn Uhr unsere Butterbrote aßen, die Klassenzimmer mit den Tafeln und Bänken, die Gänge mit den Reihen der Mützenhaken — sie sind noch genau wie früher, aber uns erscheinen sie wie aus einer anderen Welt. Nur den Geruch der halbdunklen dox^rixbt 1931 dz? Illlstsiu O., Lsrllv Räume kennen wir wieder; er ist nicht so derbe, aber ähnlich dem der Kasernen. Groß, mit hundert Pfeifen schimmert in der Aula die Orgel. Rechts davon steht die Gruppe der Lehrer. Auf dem Pult des Direktors sind zwei Topfgewächse mit loderartigen Blättern aufgestellt. Davor hängt ein Lorbeerkranz mit Schleife. Der Direktor ist im Gehrock. Es gibt also eine Begrüßungsfeier. Wir drängen uns zu einem Haufen zusammen. Keiner hat Lust, in der ersten Reihe zu stehen. Nur Willy nimmt, unbefangen dort Aufstellung. Sein Schädel leuchtet im Halb dunkel des Raumes wie die rote Lampe eines Puffs. Ich betrachte die Gruppe der Lehrer. Früher bedeuteten sie für uns mehr als andere Menschen; nicht allein, weil sie unsere Vorgesetzten waren, sondern weil wir im Grunde doch an sie glaubten, auch wenn wir uns über sie lustig machten. Heute sind sie für uns nur noch eine Anzahl älterer Männer, die wir freundlich verachten. Da stehen sie nun und wollen uns wieder belehren. Man sieht ihnen an, daß sie bereit sind, etwas von ihrer Würde zu opfern. Aber was können sie uns schon lehren. Wir kennen das Leben jetzt besser als sie, wir haben ein anderes Wissen erworben, hart, blutig, grausam und unerbittlich. Heute könnten wir sie lehren, aber wer will dasl — Wenn jetzt ein überraschender Sturmangriff auf die Aula erfolgte, würden sie ängstlich und ratlos wie Karnickel umherhopsen, während von uns keiner den Kopf verlöre. Ruhig und entschlossen würden wir sofort das Zweckmäßigste tun, nämlich sie ein sperren, damit sie uns nicht stören könnten, und die Ver teidigung beginnen. Der Direktor räuspert sich zu einer Ansprache. Die Worte springen rund und glatt aus seinem Munde, er ist ein vor züglicher Redner, das muß man zugeben. Er spricht vom heldenhaften Ringen der Truppen, von Kampf, Sieg und Tapferkeit. Aber trotz aller schönen Worte empfinde ich einen Stachel dabei; vielleicht grade wegen der schönen Worte. So glatt und rund war das nicht. Ich sehe Ludwig an; der sieht mich an; Albert, Walldorf, Westerholt, Reinersmann, allen paßt es nicht. Der Direktor gerät an sich selbst in Schwung. Er feiert jetzt nicht nur das Heldentum draußen, sondern auch das stillere daheim. „Auch wir hier in der Heimat haben unsere volle Schuldigkeit getan, wir haben uns eingeschränkt und gehungert für unsere Soldaten, wir haben gebangt und ge zittert, schwer war es, und oft mag das Durchhalten fast schwerer gewesen sein für uns, als für unsere braven Feld- grauen draußen —" „Hoppla", sagt Westerholt. Gemurmel entsteht. Der Alte wirft einen schiefen Blick herüber und fährt fort: „Doch das können wir wohl nicht so gegeneinanderstellen. Sie haben