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WlaltMdM'SmtWMMMdel 2 r über Leipzig oder durch Kreuzband. an Nichtmitglleder in rm Falle gegen 5 M ^ M.I svrE NAMuWMWlwMM'eMAWMWUMrM Nr. !14. Leipzig, Donnerstag den iS. Mai 1916. 83. Jahrgang. Redaktioneller Teil Sind wir bereit? Die Frage, ob wir bereit sind für die Zeit nach dem Kriege, scheint augenblicklich die einzige, die uns Buchhändler — Sortimenter wie Berlcger — wesentlich wichtig sein und uns wesentlich bewegen sollte. Ich gestehe von mir, das; ich die Qualität der Produktion und die Organisation meines Verlages in den letzten Jahren vor den, Kriege für ziemlich befriedigend gehalten habe. Datz sie ohne eine weitere Hebung ihres Niveaus de» Ansprüchen der Zeit nach dein Kriege u i ch l mehr genügen würden, für die Zeit n a ch dem Kriege also .n i ch t mehr als befriedigend gelten könnten, ist mir inzwischen längst deutlich geworden. Und ich glaub« nach allem, was ich im Laufe des letzten Jahres in meiner Ein- siedlcrklanse ans dem Buchhandel gehört habe, dag cs sehr vielen einzelnen unter uns, Sortimentern wie Verlegern, ähnlich geht und sic, jeder an seinem Platze, von der Frage nach der Bereit schaft für die erhöhten Aufgaben nach dem Kriege bewegt werden. Nach der Bereitschaft ihrer selbst, ihrer Mitarbeiter und ihres geschäftlichen Apparates. Mir selbst gab eine Augenkrankheit in den letzten Wochen noch besonders reichliche, wenn auch unfreiwillige Mutze, darüber nachzudenken, wie sehr die Zeit nach dem Kriege auf jeden Fall, möge der Krieg mit unserem unbedingten oder mit unserem bedingten Siege endigen, erhöhte Leistungsfähigkeit innerlicher und äußerlicher Natur vom Buchhandel verlangen wird. Und wie der Buchhandel dann entweder nur, indem er das Verlangen erfüllt, steigen oder, indem er versagt, sinken kann. Fast das erste, was ich nach diesen Wochen, in denen ich ganz ans fremde Augen angewiesen war, mit eigenen Augen gelesen habe, war die Tagesordnung der Hauptversammlung des Bör- scnverelns in der Nummer lüg vom 12. Mai. Mil eigenen Augen und mit ziemlichem Erstaunen. Von einer Vorbereitung der Zukunft las ich nichts. Was an sich vielleicht ganz in der Ord nung ist. Denn diejenigen unter uns, die uns andere in diesen Zuknnstsfragcn zunächst anregen und leite» werden, weil sie selbst das große Erlebnis des Krieges handelnd miterlebt haben, sind ja noch nicht wieder zu Hause. Aber statt einer Vorbereitung der Zukunft stehen ans der Hauptversammlung Anträge zur De batte, die ich persönlich als eine Vernichtung, mindestens aber als eine Vergiftung der keimenden Zuknnftsmöglich- keiten des Buchhandels und, wenn sic angenommen würden, geradezu als einen Selbstmordversuch des Sorti ments bezeichnen möchte. Ich meine natürlich den Antrag des Herr» Georg Schmidt und denjenigen des Herrn Otto Paetsch. Es ist so deutlich, datz die Annahme dieser Anträge (oder eines von ihnen) eine Zeit des Unfriedens im Buchhandel heranf- sühren würde, von der lediglich der » A u ch bnchhandcl« dieser allerdings im größten Matzstabe — Vorteile haben würde, datz ich mir wenig Sorge darüber mache, diese Anträge oder einer von ihnen könnte tatsächlich angenommen werden. Dagegen schützt meines Erachtens auch schon di« ganz bei spiellose Vergewaltigung des Verlags, die beide Anträge in sich schließen. Ein Verleger, dem nicht mehr die Freiheit in der Preisfestsetzung seiner Bücher gelassen ist oder über dessen Preis festsetzungen man einfach hinweggeht, ist innerhalb eines über haupt auf dem festen Ladenpreise beruhenden Buchhandels eine vollständige Unmöglichkeit. Das, was beide Anträge für mich — ich muß es gestehen — erschreckend und betrü bend zugleich macht, ist, datz beide Anträge in. E. nur möglich sind aus Grund eines Miß- Verstehens des Charakters, den die augen blickliche Zeit für den Buchhandel hat. Beide Anträge scheinen mir aus einer Zeit der Saat (die vielleicht nicht überall ganz leicht dnrchzuy alten ist) schon eine Zeit der Ernte machen zu wollen. Würden sie angenom men werden, so würden sie die ganze Ernte verderben, denn sie würden die Nation, die zu einem großen Teile soeben angefangen hat, das Bücherkansen einmal erst als eine Möglichkeit zu em pfinden, dermaßen vor den Kops stoßen, datz alles wieder ver dorben würde. Daß bei den steigenden Herstellungspreisen Kriegszuschläge unter Umständen nötig werden können, ist ein Ding für sich. Ob die Noiwenüigkeit einer Preiserhöhung für das einzelne Unter nehmen vorliegt, kann niemand anders entscheiden als der Ver leger selbst und seine Kalkulationen. Meine persönliche An schauung geht dabei dahin, datz cs, wenigstens für den Verleger populärer Literatur, sowohl der geschäftlichen Klug heit als der nationalen Pflicht entspricht, gerade unter den gegenwärtigen Umständen mit einer Preiserhöhung zu warten, bis es unbedingt nicht mehr anders geht. Ist eine Preis erhöhung beim einzelnen Unlernehmen schlechterdings unver meidlich, so wird auch das Publikum d e m c i n z e ln e n F a l l e gegenüber in der Regel das Gefühl haben, datz er berechtigt sein möge. Dieses Gefühl wird sich niemals einstellen können, wenn buchhändlerische Vereinsbeschlüsse, mit denen ein großer Teil der Buchhändler selbst nicht einverstanden sein kann, eine summarische Verteuerung des Buches als Gesamt-Objekt er wirken. Neulich schrieb mir ein junger Kollege, der in Frankreich, Serbien und Rußland mitgekämpft, dann einen kurzen Heimat urlaub in Berlin verbracht hatte und über mancherlei beobachteten unerfreulichen Erscheinungen des Hcimatlebens in eine etwas bittere Stimmung geraten war; »Ich bin aber stolz darauf, Buchhändler zu sein. Es ist doch fast der einzige Beruf, der die Situation nicht ansnutzt«. Möge der Buchhandel forlfahren, auch unter wirklichen Schwierigkeiten, die Gegenwart um der Zukunft willen dnrchzu- halten! Möge er um dieser Zukunft willen auch schon den Ver dacht vermeiden, nun auch seinerseits die Situation ausnuyen zu wollen! Gibt es einen einzigen unter uns, der, wenn man ihn vor dem Kriege gefragt hätte, wie es nach einem fast zweijährigen Kriege im deutschen Buchhandel anssehen würde, nicht ein Bild entworfen hätte, das sehr viel düsterer geworden wäre, als es in Wirklichkeit tatsächlich geworden ist? Gibt es einen einzigen unter uns, der im August und Sep tember lgl-t, als es dem Buchhandel wirklich schlecht ging