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276, 27, November 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 13721 Zum Entwurf eines Anzeigensteuer-Gesetzes. ,Vgl. Nr. 282. 283. 264, 288, 28g, 270. 271, 273 d. Bl.> Eingabe des Deutschen Verlegervereins in Sachen des Gesetzes betr. die Anzeigensteuer. An den Deutschen Reichstag Berlin. Den Deutschen Reichstag bittet der ehrerbietigst Unter zeichnete Vorstand des Deutschen Verlegervereins als be rufener Vertreter der deutschen Buch- und Zeitschriften- Verleger, dem Entwurf eines Anzeigensteuergesetzes die Zustimmung zu versagen. Aushebung des Preßgesetzes § 30, 4. Das Anzeigensteuergesetz hebt den Z 30 Abs. 4 des Reichsgesetzes über die Presse vom 7. Mai 1874 auf, in welchem es heißt: »vorbehaltlich der auf den Handels gesetzen beruhenden allgemeinen Gewerbssteuer findet eine besondere Besteuerung der einzelnen Preßerzeugnisse (Zeitungs- und Kalendersteuer, Abgaben von Inseraten usw.) nicht statt«. Es ist anzunchmcn, daß der damalige Reichstag diese Bestimmungen nicht ohne triftigen Grund in das Gesetz ausgenommen hat. Diese Bestimmung hat auch noch heute ihre volle Berechtigung, denn das Anzeigewesen, d. h. die gesunde, reelle Geschäftsreklame ist für den gesamten Geschäftsverkehr, für die Familie, für Literatur, Kunst und Politik, für die ganze Kultur- entivicklung von größter Bedeutung, und seine Ent wicklung sollte im volkswirtschaftlichen und geschäftlichen Interesse nicht gestört werden. Gestört wird sie aber, gleichgültig, ob der Inserent oder der Verleger die Steuer tragen muß, denn auf jeden Fall wird infolge der sehr hohen Steuer von 10 Prozent für die illustrierten und Fach-Zeitschriften eine allgemeine Einschränkung des Anzeigenwefens eintreten. Besteuerung der Anzeigen hat kulturfeindlichen Charakter. Bekanntlich sind die meisten Zeitschriften und Zeitungen nur durch ihren Anzeigenteil lebensfähig und leistungsfähig, und der Abonnementspreis kann selbst bei sehr wertvollem Inhalt und vornehmer Ausstattung niedrig bemessen sein. Der billige Abonnementspreis ermöglicht eben eins weile Verbreitung der Zeitschriften oder Zeitungen. Sobald aber das Inserieren erschwert wird und die Einnahme aus dem Anzeigenteil zurückgeht, muß der Verleger den Abonnementspreis notgedrungen erhöhen, und dadurch wird mancher Minderbemittelte sich veranlaßt sehen, das Abonnement aufzugeben. Die Be steuerung der Anzeigen hat also zur Folge, daß die überaus wichtige Belehrung aus guten Fachzeitschriften erschwert wird, sie hat demnach einen kulturfeindlichen Charakter. Durch eine Einschränkung des Jnserierens wird aber auch der von der Regierung erhoffte Ertrag der Steuer ge schmälert, und der kalkulierte Reinertrag von 33 Millionen wird nicht annähernd erreicht werden. Die Anzeigensteuer bedeutet sowohl eine schwere Schädigung der Industrie und des Handels im allgemeinen, insbesondere auch des deutschen Exportgeschäfts, als auch eines einzelnen Erwerbszweiges, des Zeitungs- bzw. Zeit- fchriftenverlags. Schädigung der Industriellen. Die Begründung nimmt an, daß im Reiche für »An zeigen in Zeitungen und Zeitschriften ca. 400 Millionen Mark« ausgegeben werden. Börsenblatt für de» Deutschen Buchhandel. 75. Jahrgang. Soll der berechnete Steuerbetrag hereinkommen, so müßten die Inserenten künftig jährlich 29 246 000 ^ (den berechneten Brutto-Ertrag der Steuer für Anzeigen) mehr ausgeben als bisher. Daß sie sich hiergegen wahren werden, ist sonnenklar. Sie können im großen Durchschnitt ihr Reklame-Budget auch nicht erweitern, weil die zehn prozentige, also sehr erhebliche Erhöhung keine verhältnis mäßige Mehreinnahme zur Folge hat, sondern weil dieser Erhöhungsbetrag voll auf Spesenkonto zu setzen ist. Das ist das Schlimmste an dem Gesetz, daß es nicht den Gewinn, sondern die Unkosten mit Steuern belegen will: Die Sorge des Industriellen wendet sich einesteils der Herstellung seiner Produkte, andernteils dem Absatz derselben zu. Er kann nicht warten, bis man sie von ihm begehrt, sondern er muß sie bekannt machen und empfehlen. Das kostet ihm beträchtliches Geld und viel Arbeit. Und nun kommt das Gesetz und fordert eine Steuer von diesen seinen Auslagen, die gerade so Produktionsausgaben sind, wie die anderen, ehe er nur ein Stück seiner angezeigten Produkte verkauft hat. Sie bedeutet also für einzelne Betriebe und Geschäfte eine maßlose Härte und kann für sie direkt zum Ruin werden, während andere Betriebe, die zufällig, z. B., weil ihre Produkte konkurrenzlos sind, nicht zu inserieren brauchen, ihren großen Gewinn aber auf andere Weise erzielen, von einer solchen Steuer befreit bleiben. Gemeint sind in Vorstehendem nicht solche Firmen, die gelegentlich nur mit einigen Inseraten heraustreten — in solchen Fällen würde die Steuer zu ertragen fein — sondern gemeint sind die zahlreichen, regelmäßig inserierenden Firmen, die einen bestimmten Jahres-Etat für Jnseratenreklame auswerfen. Eine solche Firma mit z. B. 30 Ovü Reklame-Etat kann nicht ohne weiteres eine Steurr von 3000 abführen. Diese Steuer dürfte bei vielen Groß-Jnserenten ein Mehrfaches der Einkommen steuer ausmachen. Die Versandgeschäfte z. B., deren An zeigen wir in fast allen Familienblättern begegnen, haben eine Jnseratpropaganda von gewaltigem Umfange organisiert und rechnen dabei mit einem im Verhältnis zum Anzeigenkonto sehr geringen Reingewinn. Nichts kennzeichnet mehr den Kampf ums Dasein in allen Er werbszweigen als gerade die enormen Auslagen, die ge macht werden müssen, um durch die Reklame den erzeugten Produkten zum Absatz zu verhelfen. Die Inserenten, denen durch diese Rückschrittssteuer der bisherige Geschäftsgang gestört und unterbunden ist, müssen nunmehr ihren Etat einschränken, naturgemäß unter entsprechendem Gewinnausfall, oder nach anderen Möglichkeiten suchen, um andere Absatzquellen zu schassen. Inserenten nicht immer kapitalkräftig. Wie kommt aber der Entwurf dazu, zu behaupten, »daß die Inserate heute in der Hauptsache von kapital kräftigen und zahlungsfähigen Kreisen ausgehen, die mit dem für Anzeigen und Reklame angelegten Gelds einen großen Gewinn erzielen«. Diese Behauptung ist in doppelter Beziehung nicht richtig: einmal ist mit Leichtig keit nachzuweisen, daß sehr viele nicht kapitalkräftige Be triebe auf die Jnseratreklame angewiesen sind und von ihrem Jahresgewinn keine allzugroßen Abgaben vertragen könnten, anderseits werden gerade kapitalkräftige Groß betriebe, die sich der Jnseratreklame nicht bedienen, von dieser Steuer nicht getroffen. Wenn also der Gesetzgeber die kapitalkräftigen Betriebe treffen will, warum wird dann dieser ganz ungeeignete Weg gewählt? Schädigung des Exports. Von ganz besonders schädlicher Wirkung ist die Be schränkung der Reklame für die exportierende Industrie. 1788