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Redaktioneller Teil. ,-tzf 242, 17. Oktober 1916. Meinung war. So wurde an seinem Denkmal in Versailles, das ihn zu Pferde und die vier Tugenden um ihn zu Fuß darstellt, das bos hafte Verschen angcheftet: »Orot68yu6 inouumeut, iukainv pioclestal, 1.68 V6itu8 80llt ä pi6(1, 16 vies 68t L eÜ6val«. Von den Mordbrennereien in der Pfalz, in Baden, in Württemberg kein Wort. »Die Sauseulottes« der Revolutionszeit werden als Helden gefeiert, obgleich es kaum je eine zuchtlosere Schwefelbande ge geben hat. Zeitgenössische französische Berichte erzählen über diese Banden, sie hätten in Frankreich selbst wie im Feindesland gehaust und diejenigen geplündert und gebrandschatzt, die sie hätten verteidigen sollen. Napoleon I., der Große, wie ihn die französischen Geschichtsbücher heißen, ist im gleichen Glorienschein dargestellt. Daß die Berichte Napoleons oft der Wahrheit ins Gesicht schlugen, ist bekannt. So wurden die Urkunden über die Schlacht von Marcugo aus den Ar chiven entfernt, weil sie mit dem Phantasicbericht Napoleons nicht übereinstimmten. Die Gräfin de Rösumat erzählt in ihren Me moiren: »Manchmal erfuhr ein Heerführer erst durch die napoleonischcn Berichte, daß eine Schlacht stattgefundcn, in der er — der General — gesiegt habe, oder eine Rede, die er gehalten hätte«. Eindruck erzielen, das ist die Kunst der französischen Geschichtsschreiber. Bei seiner Krö nung bediente sich Napoleon I. des Zepters Karls des Großen, in Wirtlichkeit war es der Taktstock eines Kapellmeisters, ans dem man die Inschrift weggeseilt hatte. Auch das berühmte Wort: »l^a Farilo M6urt, mrü8 N6 86 r6nck pa8«, das General Eambronne in die Schuhe geschoben wird, ist nie gefallen. Eambronne selbst hat dies oft demen tiert, aber in den heutigen Schulbüchern findet man es immer noch, denn cs macht sich gut. Uber die Deutschen sind die französischen Geschichtschreiber auch deshalb sehr erbittert, da wir uns manchmal erlaubt haben, uns zu verteidigen, wenn uns die Franzosen angriffen. Das bekannte franzö sische Verschen würde deshalb gut passen: »06k animal 68t tr63 mäeliaut, Huancl on l'attaciuv, 11 86 clskvucl!« Auch der dritte Napoleon hat natürlich alles herrlich gemacht, trotz dem bösen zeitgenössischen Witzchen über ihn: »V68 <l6ux Napoleons 1a §Ioir6 68t s^al I7onel6 i-rmrait 168 eapital68. Seine verkrachten Feldzüge nach Mexiko, nach Syrien, nichts wie ^loiro. Den Krieg von 1870 verlor er nur durch Verrat, wobei die alte Geschichte mit Bazaine aufgewärmt wird. Die größte Gemeinheit, von der die Geschichte weiß, ist natürlich die Wiederwegnahmc von Elsaß und Lothringen. Länder, die französisch sind und cs stets waren! Da kann inan natürlich gar nicht mitstrciien. Buridans Esel ist bekanntlich in eine sehr unangenehme Lage ge kommen, weil er sich nicht entscheiden konnte, von welchem der beiden Heubündel, die vor ihm lagen, er naschen sollte. In eine ähnliche Lage käme auch derjenige, der untersuchen wollte, ob die französischen oder die englischen Geschichtsbücher mehr schwindeln. Nur daß die eng lischen ihren Zweck nicht mit einem Phrasenschwall erreichen wollen, sondern mit dem kühlen Brustton der Überzeugung, der respcktabeln Gentlcmcn so gut steht. Da muß man glauben, was dastcht, denn es sieht so sachlich, so unparteiisch aus, daß man gar nicht zweifeln kann. Und doch, nimmt man die Lupe zur Hand und prüft man die verschie denen Behauptungen genau, so findet man bald, daß nicht alles Gold ist, ivaS glänzt, und daß manche Behauptung auf sehr schwachen Füßen steht. Die jungfräuliche Königin Elisabeth ist in einem solchen Strahleu- glanz dargestcllt, daß man Maria Stuart für eine aufrührerische ttnter- tanin halten muß, alle die unzähligen Liebesabenteuer der englischen Königin mit ihren Hofleuten vergißt und sie vorüberzichen sieht, wie sie Shakespeare schildert: »in maick6n m6ckitation, kaneyk?66«. Die schauerliche Geschichte des Mittelalters, der Krieg der weißen mit der roten Rose, die Hinrichtung von Herrschern, Hcrzögen, Heer führern und Frauen — alles das ist streng gerechtfertigt. Der Imperialismus Cromwells, seine puritanischen Ideen, sein unerschütterlicher Glaube, daß die Mission des auserwähl ten Volkes auf die Engländer übcrgegangcn sei, und die Verherrlichung Gottes durch Eroberung und Umgestaltung der Welt werden hier so trocken dargestellt, daß man beinahe daran glanbcn könnte. Napo leon I. kommt natürlich schlecht weg, und man sicht sich vergebens nach der Behauptung in feinen Memoiren um, daß nicht er den Krieg gegen England gewollt habe, sondern England ihm den Kampf aufgedrungen habe! Das Bestreben, stets das Zünglein au der Wage zu sein und dadurch die Geschicke Europas in der Hand zu haben, was ja auch durch eine Denkmünze ausgedrückt wurde: »Oui adkaorao, pra668k« er-> scheint dem jungen Engländer durchaus natürlich. Ebenso die, Politik, stets den nach ihr Flottenmächtigsten niederringen zu lassen.! Lord Palmerstons freche Behauptung, die auch heute noch nachgeschwatzt wird, England stehe stets auf der Seite der Gerechtigkeit und sei der privilegierte Schützer der Unterdrückten, steht in jedem Schulbuch und ist somit nichts weniger als eine neue Erfindung. Dabet war Palmcrstou der kaltblütigste Realpolitiker, den es se gcgebe« hat. Von ihm stammt ja auch die Bemerkung, daß nur Träumer glauben könnten, der Verkehr der Völker regle sich nach freundschaftlichen Ge fühlen, vielmehr sei er einzig und allein von der Rücksicht auf das eigene Vaterland abhängig. »Wer mir heute nützen kann, ist mein Freund, morgen vielleicht mein Feind, wenn der, welcher heute mein Feind ist, mir morgen nützlicher sein kann, als der erste!« Daß das regierende Königshaus aus deutschem Stamme ist, wird in den Schul büchern verschwiegen, die Engländer müßten ja konsequcnterwcise ihren Georg V. mit seiner ganzen Familie in die berüchtigten Konzentra tionslager bringen. Von den unglaublichen Grausamkeiten der Engländer in Indien, >vo die Eingeborenen an die Kanonen gebunden wurden, von den Kon zentrationslagern der Buren mit ihren Tausenden von Toten, der Schändung des Grabmals des Mahdi durch Kitchener usw. erfährt der junge Engländer durch seine Bücher nichts. Das »ki§tit or >vrou§, eountr^«, das ihm von frühester Jugend eingeimpft wird, könnte sich auch der Deutsche merken, der so gern seine eigenen Institutionen kritisiert. Die italienischen Geschichtsbücher wollen wir nur kurz streifen, da sie ganz den gleichen Phrasenschwulst, die gleiche Lügenhaftigkeit, den gleichen »8aoro 68oi8ino« zeigen wie die Geschichtsbücher der »sooui- Iat.iu6«. Daß die »^.U8triaoi« natürlich miserabel wegkommen, kann man sich denken. Den italienischen Geschichtsbüchern nach gehörte nicht nur das Trentin, sondern auch das ganze Dalmatien zu Venedig, also —! Daß Korsika italienisch ist, ebenso Nizza und Savoyen, das Stamm haus des Königs, wie Malta, wird seltsamerweise verschwiegen. In den amerikanischen Schulbüchern kann man so viel Unsinn über Deutschland lesen, daß einem das Grausen ankommt. In erster Linie ist cs die Geographie, die schlecht wegkommt. So kann man Hamburg und Stettin als die größten Häfen, Breslau und Köln als die Mittel punkte der Baumwollindustrie des Deutschen Reiches kennen lernen! In einem Geschichtsbuch heißt es von Deutschland, daß die Gründung dieses Reiches deutlich zeige, daß cs sich um einen Vorgang von Trug und Falschheit handle. Bismarcks Erfolg habe dazu gedient, den Stand der internationalen Moral zu erniedrigen, seine Politik des Betrugs l.nd der Gewalt hätten dem Reiche eine Menge Fragen hinterlasseu, mit denen es noch lange zn kämpfen haben werde. Die Nolle des Mili tärs und der Polizei im modernen Reich, die Feindschaft der Dänen in Schleswig, der Franzosen in Lothringen, die Eifersucht zwischen dem führenden Staat nud den kleineren, und die ungeheuren Armeen, die ganz Europa zu unterhalten habe, seien das Resultat Bismarckschcr Politik. Man könne aber nicht sagen, daß diese Politik endgültig gesiegt hätte. Einen derartigen Unsinn lernt der kleine Amerikaner in der Schule, und da wundern wir uns noch, wenn Amerika heute zum größten Teil gegen uns ist. Der Herausgeber dieses Geschichtsbuches ist Professor der Geschichte an einer angesehenen Universität in den Vereinigten Staa ten, und das oben zitierte Buch eins der gelescnstcn Geschichtsbücher in Amerika. Daß die Geschichtsbücher in Belgien und in vielen an deren Ländern ganz ähnlich verfaßt sind, ist begreiflich. Besonders aber muß man darauf aufmerksam machen, daß auch die unzähligen französischen, englischen, amerikanischen und italienischen Schulen im Ausland, besonders im Orient, derartige Schulbücher brauchten und zum Teil noch brauchen. In der uns verbündeten Türkei sind ja glück licherweise diese Schulen geschlossen worden, aber es gibt heute noch eine Menge Länder, in denen dieses Gift täglich in die Herzen der Kleinen geträufelt wird. Vidvant 6on8nl68! Sch. Kleine Mitteilungen. Aus Italien. — Nach einer Mitteilung des Oorrivrv della Svi-a vom 5. Oktober, die auch in die deutsche TageSprcsse übergegangen ist, soll die Hofbuchhandlung Sperling L Kupfer in Mailand beschlagnahmt worden sein. Wie wir erfahren, ist den unmittelbar an dieser Maßnahme Beteiligten eine Bestätigung dieser Nachricht bisher weder von der Negierung noch vom Schweizerischen Konsulat in Mailand, das jetzt mit der Wahrung der deutschen Interessen betraut ist, zugegaugen. ^ PaslüällleqMeu. Gesiorben: am 13. Oktober Herr Paul Schulz, Prokurist der Firma N. L. Prager in Berlin. 24 Jahre lang hat er der bekannten Anti guariatshandlung seine Dienste gewidmet und sich durch Fleiß, Strebsamkeit und Zuverlässigkeit die Achtung und Zuneigung seines Chefs und seiner Mitarbeiter erworben. Bcrantwortlichcr Ncdaktcur: E m i l D h o m a S. — Bering: T er B v r s e n r- e r e « n der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. Deutsche? BuchlinndlerhanS. Druck: Na mm L Seemann. Sämtlich in Leipzig. — Adresse derNcdaktion und Expedition: Leipzig. Gerichtsweg 26 lBuchhändlerhaus). 2