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12, 16. Januar 1906. Nichtamtlicher Teil. 567 Elberfeld und Solingen der Generalgouoerneur Grüner in Koblenz die Aufsicht führte. Beide waren wohlwollende Männer, die den Zeitungen den Übergang in die neue Ord nung möglichst erleichterten und in den Wirrwarr, den sie vorfanden, mit schonender Vorsicht eingriffen. Die Zeitungen des Ostens standen nach wie vor unter einer strengen Polizeiaufsicht. Die beiden alten Zei tungen der Hauptstadt, die Spenersche Zeitung und die Vossische Zeitung, die auch noch weiterhin in kümmer lichem Quartformat erschienen, wurden nach wie vor in schweren Banden gehalten. Selbst Blücher vermochte nicht den Druck eines von den Zensoren gestrichenen Sonetts von Friedrich Förster, dem Kampfgenossen Körners, in Berlin durchzusetzen, und ließ es deshalb in der »Deutschen Feld zeitung« in Paris drucken.') Seit dem 2. April 1813 erschien eine neue Zeitung in Berlin: »Der Preußische Correspondent«. Sie wurde herausgegeben im Verlag der Realschul-Buchhandlung, deren Besitzer der Verlagsbuchhändler Georg Andreas Reimer war. Redakteur war im Anfang B. G Niebuhr; doch wechselte nach ihm die Leitung mehrfach. Das Blatt erschien auch nur bis Ende 1814. Als amtliches Publikationsorgan wurde 1819 die »Allgemeine Preußische Staats zeitung« gegründet. In ihrer ersten Periode (1819—1853) hatte diese Zeitung nur 8 Jahre Überschüsse zu ver zeichnen, die insgesamt 4262 Taler betrugen; diesen standen Zuschüsse in Höhe von 157 129 Taler gegenüber. In den sogenannten alten Provinzen waren die Zeitungen noch mehr als in Berlin der Kurzsichtigkeit und Willkür der Beamten preisgegeben; so wurde in der »Magdeburgischen Zeitung«, im »Höllischen Kurier«, in der »Schlesischen Zeitung« usw. jedes freie Wort unterdrückt. Nicht ganz so ungünstig wie in Preußen sah es in den übrigen Staaten Mittel- und Norddeutschlands aus. Be sonders bekundete die Regierung in Sachsen-Weimar durchaus liberale Grundsätze. Karl August hatte seinem Lande schon im Mai 1816 eine Verfassung gegeben, in der auch die vollständige Preßfreiheit gewährt war. Darauf sproß in Weimar und Jena eine üppige Zeitungsliteratur empor. In Weimar entstand 1817 eine politische Zeitung großen Stils, das »Oppositions-Blatt oder Weimarische Zeitung«, herausgegeben von dem betriebsamen Verleger Friedrich Justus Bertuch Angeregt war die Gründung von dem erst 23 Jahre alten Johann Baptist Pfeilschifter, der aber nicht lange in der Redaktion blieb, da diese von Ludwig Wieland, dem Sohn des Dichters, übernommen wurde, aber auch nur ein Jahr lang. Die Bundestags beschlüsse von 1819 wirkten auch auf das »Oppositions- Blatt« lähmend. Bertuch trat verstimmt von seinem Unter nehmen zurück und überließ es seinem Schwiegersohn Friedrich Ludwig Froriep. Die Auflage war bis auf 1300 Exemplare herabgesunken; am 27. November 1820 wurde das Blatt unterdrückt Während das »Oppositionsblatt« für die Gebildeten bestimmt war, wandte sich die »Dorfzeitung« in Hildburg- *) Die »Deutsche Feldzeitung-- war ein Unternehmen des Buchhändlers Bartholomäus Herder aus Freiburg i/Br. Auf Ver anlassung Metternichs errichtete Herder in Sommer 1815 auf einem Wagen eine Felddruckerei und folgte mit dieser dem österreichischen Hauptquartier nach Frankreich. Die erste Nummer erschien am 24. Juni 1815 im österreichischen Hauptquartier zu Heidelberg. Schließlich gelangte die Felddruckerei bis Paris und gab dort wahr scheinlich verschiedene Nummern einer »Deutschen Feldzeitung aus Paris- heraus. In Briefwechseln wird sie öfter erwähnt. Der Herdersche Verlag in Freiburg i. Br. besitzt indessen außer der Heidelberger Nummer nur eine Pariser Nummer vom 1. August. Hausen, der thüringischen Nachbarstadt Weimars, hauptsächlich an den sogenannten kleinen Mann, ebenso das Grimmasche »Wochenblatt«, das der bekannte Verleger Georg Joachim Göschen herausgab. In Hamburg richteten sich nach der Fremdherrschaft die Zeitungen nur mit vieler Mühe wieder auf. Von den 4 Zeitungen dort konnte nur der »Hamburgische un parteiische Korrespondent« als eine wirklich politische Zeitung gelten. Die »Bremer Zeitung«, die von dem Verlagsbuchhändler Johann Georg Heyse herausgegeben wurde, war hauptsächlich Handelsblatt. Die erste Bremische Zeitung großen Stils war dagegen der »Deutsche Beo bachter«, der von Hamburg nach Bremen übersiedelt war und dann wieder nach Hamburg zurückkehrte Der Verleger Daevel wandte sich an Cotta, um mit dessen pekuniären Mitteln und weitreichendem Einfluß ein größers Terrain zu gewinnen. Cotta fragte erst bei dem Staats kanzler Fürsten Hardenberg an, ob sich die Zeitung, wenn er sich an ihr beteilige, der Förderung seitens der preußischen Regierung zu erfreuen haben würde Trotz der zusagenden Antwort Hardenbergs vom 13. Januar 1815 hat Cotta doch von einer Beteiligung abgesehen, worauf sich der »Beobachter« noch mühselig bis zum 24. September 1819 erhielt. In Hannover blieben die Zeitungsverhältnisse nach wie vor sehr kümmerlich. In Kurhessen entwickelte sich dagegen nach dem Sturz der westfälischen Regierung ein be wegtes politisches Leben; doch erließ der gewalttätige Kurfürst Wilhelm I. 1816 eine scharfe Zensurordnung. In Sachsen traten besonders die »Deutschen Blätter« hervor, die 1813—1816 von Friedrich Arnold Brock haus in Leipzig und Altenburg herausgegeben wurden*) und die sehr viel unter der Zensur zu leiden hatten. Dazu kam die ungenügende Teilnahme des Publikums, so daß Brockhaus das Blatt — wenn auch ungern — eingehen ließ. Seinem Drucker, Pierer in Altenburg, hatte er schon am 2. De zember 1815 mitgeteilt, daß die Auflage, die bei Beginn 4000 und mehr Exemplare betragen hatte, sich auf 1100 ermäßige. An Oken, einen Hauptmitarbeiter, schrieb er am 9. März 1816 folgenden Brief, der für die damaligen Verhältnisse bezeichnend ist: »Auch mir tut es herzlich leid, das allerdings inter essante und mir selbst unendlich lieb gewesene Institut der »Deutschen Blätter« eingehen lassen zu müssen. Ich sehe mich aber dazu gezwungen. Aus der Überzeugung, daß bei ihrem sehr verminderten Absatz — da ich Ihnen versichern kann, seit einem Jahre das volle Drittel der noch zu Anfänge des vorigen Jahres stattgefundenen Zahl der Abnehmer verloren zu haben, wobei ich noch nicht in Anschlag bringen kann, was mir auf der Messe wird zurückgegeben werden — ihre Wirksamkeit in dieser Form nicht von der Art ist, als sie auch bei den mäßig sten Ansprüchen sein sollte. Die Erscheinung eines so verringerten Absatzes, da die Blätter an sich tüchtigen Inhalts sind, müssen jedem allerdings auffallend sein, der das deutsche Publikum nicht aus Erfahrung in dieser Hinsicht kennt, und der nicht weiß, daß der Wert, beson ders eines politischen Blattes, für den Absatz in Deutsch land nie entscheidend ist. So z B. wenn ich Ihnen versichere, daß von der »Allgemeinen Zeitung«, wie ich in der Offizin derselben erfahren habe, nicht mehr als 2000 Exemplare gedruckt werden, während der »Nürn berger Correspondent« (ein gegen jene elendes Blatt) gewiß das Doppelte absetzt und nur Cottas große Kapi- *) Eine längere Mitteilung darüber findet man in dem -Voll° ständigen Verzeichnis- von F. A. Brockhaus (Leipzig 1872—1875), S. 41—43. 75*