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Börsenblatt f. d. deutschen Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 4945 Statistik die Werke der deutschen und fremden klassischen Schriftsteller, die Biographien der Dichter, Litteraturgeschichts- wcrke, encyklopädische Werke und die vielen populärwissen schaftlichen Zeitschriften zur Unterhaltungslektüre rechnet. Man kann wohl mit gutem Grunde annehmen, daß mindestens ein Drittel aller gelesenen Werke unter die Bildungs- und nicht unter die Unterhaltungslektüre gerechnet werden kann. Ferner ergab sich, daß jeder Band durchschnittlich mehr als sechsmal pro Jahr ausgeliehen wurde, ja in der am stärksten benutzten 20. Volksbibliothek (Ravensstraße) wurde jeder Band achtzehnmal entliehen. Ebenso ist die Zahl der gelesenen Jugendschriften sehr bedeutend, da sie im letzten Jahre ein Sechstel der überhaupt verliehenen Bücher zahl betrug. Ein besonderer Abschnitt der Festschrift ist den Lese hallen gewidmet, die im Jahre 1896 mit der ersten Halle in der Mohrenstraße eröffnet wurden, nachdem andere Städte, wie z B. Pforzheim, bereits im Jahre 1893 damit voran gegangen waren. Schon im Jahre 1892 hatte der Verfasser der Festschrift dringend auf die Notwendigkeit der Errichtung solcher Lesehallen hingewiesen, ohne zunächst damit durch dringen zu können. Erst die Errichtung einer Lesehalle in Berlin seitens der deutschen Gesellschaft für ethische Kultur, die außerordentlich schnell populär wurde, veranlaßte die Gemeindebehörden, auf das frühere Projekt des v>. Buchholtz zurückzukommen. Zur Zeit hat Berlin sechs öffentliche Lese hallen, nämlich vier staatliche und zwei private. Die schon erwähnte der Gesellschaft für ethische Kultur und die von Heimann, dem früheren Inhaber der Guttentag'schen Buch handlung, eingerichtete. Die letztere ist unter allen die größte, hat behaglich ausgestattete Räume und bietet 150 Personen Raum. Ein gedruckter Katalog ist nicht vor handen; dem Publikum werden mit der Schreibmaschine her gestellte systematische Bücherverzeichnisse vorgelegt. In der Berliner Bevölkerung haben sich alle diese Lesehallen in wenigen Jahren als beglückende Stätten geistiger Bildung und Erholung für jung und alt und für Personen aller Berufsarten einen festen Platz erobert. Die interessante und lesenswerte Festschrift, deren In halt hier natürlich nur in gedrängter Kürze geschildert werden konnte, schließt mit einem Ausblick in die Zukunft und richtet an die Behörden den dringenden Appell zur Gründung einer Centralbibliothek und Lesehalle größten Stils im lebhaftesten Verkehrscentrum Berlins. Die litterarischen Bedürfnisse der Bevölkerung gehen dahin, daß eine Biblio thek geschaffen werde, die in Inhalt über dem Niveau der kleinen, den gesteigerten Ansprüchen nicht genügenden Volks bibliotheken und Lesehallen steht und sie an Umfang über trifft. Sie soll nicht mit den großen Staatsbibliotheken wett eifern, sie soll auch nicht der Unterhaltung dienen, sondern soll nicht mehr und nicht weniger sein als eine Bildungs anstalt für die weiten Kreise der Bevölkerung, die das nicht abweisbare Bedürfnis haben, die Grenzen ihres Wissens gebiets zu erweitern Die über die Stadt verstreuten, immer mehr an die Peripherie rückenden Volksbibliotheken und Lesehallen werden an Bedeutung noch gewinnen, denn sie sollen der zukünftigen Centralbibliothek nebenbei als Zweig anstalten dienen und dem Publikum die Benutzung der großen Bibliotheken dadurch erleichtern, daß sie die Bücher- bestelluugen bei ihr vermitteln und ihm weite Gänge er sparen. Von der Centralbiliothek sollen in breiten Strömen Bildung und Belehrung in die gesamte Bevölkerung bis an die äußersten Grenzen geleitet werden: darin liegt ihre Bedeutung und auch die Gewähr ihrer Dauer. Be kanntlich ist ein derartiges Institut vor zwei Jahren in Wien ins Leben gerufen und hat einen ganz ungeahnten Erfolg gehabt, so daß es heute von jedermann benutzt, ÄchkmdsechjWer Jahrgang. anerkannt und gefördert wird. In einem sorgsam aus gearbeiteten Programm hat die Kommission sodann diese Idee einer Centralbibliothek in Berlin ausgearbeitet und dem Magistrat unterbreitet. Wie aus der neuesten Verhandlung desselben ersichtlich, ist die Kommission in ihrem Streben nicht erfolglos gewesen, und die Angelegenheit scheint ihrer Verwirklichung entgegenzugehen Einen Anhang der Festschrift bilden endlich 25 Bei lagen, teils Briefe des Prinzen von Preußen und nachmaligen Königs und Kaisers, teils der Kaiserin Augusta, sowie statistische Tabellen über die Benutzung der Volksbibliotheken und Lesehallen — Zum Schluß mögen noch einige Bemerkungen über die äußere Ausstattung angefügt sein. Der Druck lag in den Händen der bewährten Berliner Offizin Otto v. Holten. Der Umschlag ist sehr effektvoll in einfacher Schrift blau aus grünlichem Leinwandpapier ausgeführt, als Textschrift wurde die schöne römische Antiqua von Genzsch L Heyse gewählt. Die Ausschmückung der Seiten ist insofern originell, als sich an den inneren Langseiten der Kolumnen ein Ornament in schwarz hinzieht, das in einer oberen Endranke, rot gedruckt, die Seitenzahl enthält. Die lebenden Kolumnentitel, Margi nalien und Anmerkungen sind rot gedruckt. Die auch hier nach dem Vorgang des deutschen Ausstellungs-Katalogs für Paris angewandte Manier, die Einzüge bei Absatzanfängen wegzulassen, kann nicht gutgeheißen werden. Sie ist durch aus willkürlich und unschön und kann nur dann allenfalls entschuldigt werden, wenn auch die Ausgänge mit Orna menten rc. ausgefüllt werden. Hoffentlich kommt man von dieser gänzlich untypographischen Gepflogenheit bald wieder ab. Ferner ist das Werk mit zwei ausgezeichneten Licht drucken von Albert Frisch in Berlin versehen: einem Bildnis Räumers und einer photographischen Aufnahme der Lese halle in der Glogauerstraße. Otto Schlotke-Gr.-Lichterfelde. Die Bibliothek E. Frensdorff in Berlin. (Aus den »Mittheilungen des Vereins für die Geschichte Berlins- 1901, Nr. 6). Im Jahre 1898 veröffentlichte die Verlagsbuchhandlung G. Hedeler in Leipzig als Band III eines größeren Kataloges ein -Verzeichniß der Privatbibliotheken in Deutschland-, das auf 104 Seiten 817 Privatbibliothcken, wenn auch nur flüchtig, jedoch in markanten Zügen skizziert. Von Berliner Bücherfreunden finden wir Or. P. Alexander-Katz, Direktor F. S. Archcnhold, Lehrer R. Aron, Or. Paul Ascherson, Or. G. Behrcnd, Professor Or. H. Bellcrmann, Or. A. E. Berger, Or. R. Beringuier, Or. A. Ber liner, Or. I. Balte, Or. H. Brendicke, Professor Or. K. Breysitz, Or. Joh. Burchard, Alexander Meyer-Cohn, D. H. Dalton, Pro fessor Or. H. Delbrück und mehrere andere erwähnt. Sonderbarer weise fehlt in dem Verzeichnis eine der umfang- und inhaltreichsten, wenn auch bisher nur im Verborgenen blühend, die etwa 8000 Werke, d. h. über 30000 Bände umfassende Bibliothek unseres Mitgliedes Ernst Frensdorfs, Mitinhabers der E. Quaasschcn Kunst- und Buchhandlung im Roten Schloß. Die Privatbibliothek des Be sitzers in der Großbeerenstraße 65 ist von dem Geschäft räumlich und sachlich völlig getrennt und ohne irgend welchen Zusammen hang mit diesem. In der Bibliothek spiegelt sich eine Reihe von Neigungen und Liebhabereien des Besitzers wieder, die in dieser Verbindung nicht sehr oft wiederkehren. Das Interesse für Geschichte und Poesie, für juristische und soziale Fragen, so wie für die geistigen Bewegungen der Vergangenheit und Gegen wart hat einen besonderen Ausdruck gefunden. Die Biblio thek stellt nicht einige wenige Gebiete als Spezialfächer auf — obwohl Berolinensien, moderne Litteratur u. a. reich vertreten sind, — sondern ist allgemeiner Natur. Es sehlen nicht die großen Nachschlagewerke (Krünitz, Meyer, Pierer, Ersch und Gruber), vorhanden sind die sts.vcks.rck rvorlrs von H. v. Sybel, I. G. Droysen, Oncken, Treitschke, Bismarck und Moltke; nicht allzu häufig erblickt man sonst in Bibliotheken den vollständigen Voltaire sowie die Allgemeine Deutsche Biographie. Perlen in dem Schatze sind die Original-Aquarelle zu -Der große Maskenball in Berlin zur Feier des Geburtstages der Königin Luise im Nationaltheater 648