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,/ir 266, 14. November 1S12. Nichtamtlicher Teil. SSri-ndlau !. l>. Dqqn. BAchtz-ad-i. ! 434 7 Herbstversammlung des Verbandes der Kreis- und Ortsvereine im Deutschen Buchhandel in Bayreuth am 14. und 15. September 1S12. (Schlup zu Nr. 24ii—LS4, 2öv, 288, 281, 282, 283, 284 u. 285.) 3. Die Gefälligkeitsgeschäfte im Buchhandel, insbesondere die der Angestellten. Referent Herr Bernhard Staar. Herr Bernhard Staar, Berlin, als Referent: Zu den vielen Widerwärtigkeiten und geschäftlichen Um anstänbigkeiten, gegen die der Sortimentsbuchhandel zu kämpfen hat, und die ihm seine Existenz erschweren, gehören auch die sogenannten Gesälligkeitsgeschäfte und der An gestelltenbuchhandel. Mancher von den Kollegen des Provinzialsortiments wird von diesen Schädigungen des Sortiments bisher nichts direkt gemerkt haben, da naturgemäß hauptsächlich an den Stapelplätzcn des Buchhandels, Leipzig, Berlin, Stuttgart, dieser Unfug Verbreitung gefunden hat. An den Beispielen, die ich Ihnen aber noch nachher geben werde, werden Sie ersehen, daß die Gefälligkeitsgeschäfte und der Angestelltenbuchhandel eine ganz enorme Ausdehnung ge wonnen haben und auch das Provinzialsortimcnt nicht weniger schädigen, wie die Sortimenter in den Stapelplätzen des Buchhandels. Was zunächst den Angestelltenbuchyandel betrifft, so haben wir es mit zweierlei Formen zu tun. Einmal mit der Weitergabe der bezogenen Bücher au Freunde und Bekannte zum Einkaufspreise ohne Nutzen, also um sogenannte Ge fälligkeitsbesorgungen, andererseits um Weitergabe zum Ladenpreis, also Verkauf mit Gewinn. Beide Formen sind für die Angestellten durch das Handelsgesetzbuch verboten, resp. dürfen nur mit Genehmigung des betr. Chefs aus geführt werden. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß im Sortiment von den Angestellten derartige Geschäfte in größe rem Umfange gemacht werden können, da der Sortimenter- Chef ein lebhaftes eigenes Interesse daran hat, daß diese ihn schädigenden Geschäfte unterbleiben. Dagegen haben im Verlags- und Kommissionsbuchhandel infolge Gleichgültigkeit der betr. Geschäftsinhaber die Angestellten sich im Lause der Zeit angemaßt, Sortimentsgeschäfte, sei es mit oder ohne Nutzen, in ihrem Bekanntenkreise zu machen. Wir Sorti menter können Wohl mit Recht verlangen, daß die Chefs der Verlags- und Kommissionsgeschäfte soviel Rücksicht auf ihre Geschäftsfreunde, und das sind doch Wohl die Sortimenter, nehmen und ernstlich dafür sorgen, daß mit dieser Unsitte ein für allemal, gründlich aufgeräumt wird. Es muß die bestimmte Erwartung ausgesprochen werden, daß die Inhaber der Verlags-Buchhandlungen und Kommissionsgeschäfte ihren Angestellten im Interesse des schwer um seine Existenz ringenden Sortiments-Buchhandels derartige Geschäfte auf Grund des Handelsgesetzbuches ein für allemal untersagen. Wir werden Ihnen nachher den Text eines Verpflichtungs scheines unterbreiten, welcher vom Verbands-Vorstandc ge druckt und an alle Firmen verteilt werden wird, damit die Angestellten in den einzelnen Betrieben Kenntnis davon nehmen und ihn unterzeichnen. Selbstverständlich soll jeder Angestellte im Verlagsbuchhandel, soweit er Buchhändler ist, das Recht haben, Bücher für eigen enpersönlichen Bedarf zum Nettopreise zu beziehen. Die Sortimenter müssen es aber durchaus bekämpfen, daß darüber hinaus jeder beliebige Angestellte diese Vergünstigung genießt. Es gibt im Buchhandel große Betriebe mit Hunderten von Angestellten, von denen meistens nur ein geringer Bruchteil in der buch - händlerischen Abteilung des betr. Geschäfts tätig ist. In vielen dieser Betriebe ist es bisher Sitte gewesen, daß die Buchdrucker, Buchbinder, Maschincnpersonal, Zeichner usw. sich durch die buchhändlerische Abteilung für sich und ihren ganzen Anhang ihren Bücherbedarf zum Netto preise besorgt haben. Diese Bezüge haben derartige Dimensionen angenommen, daß man sich wirklich Wundern muh, daß es noch Leute gibt, die bei dem Sortiments- Buchhändler ihre Einkäufe machen. In richtiger Würdigung dieser großen Gefahr haben wir in Berlin es vor Jahren schon durchgesetzt, daß die Warenhäuser nur ihren buch händle rischen Angestellten ihren Persönlichen Bücherbezug zum Nettopreise gestatten. Die Folgen, die für den Buchhandel entstehen würden, wenn alle Angestellten der betreffenden Wa renhäuser von dieser Begünstigung auch für ihren Bekannten kreis Gebrauch machen könnten, werden Sie sich selbst ansmaleu können. Leider hat der Verlagsbuchhandel bisher in dieser Weise weniger Entgegenkommen für das Sortiment gezeigt, als die Warenhäuser, sondern hat in voller Gleichgültigkeit ohne Rücksicht auf den Sortimentsbuchhandel seine Angestellten schalten und walten lassen, wie sie wollen. In einer Berliner Verlagsbuchhandlung z. B. waren die Bücherbezüge der Ange stellten speziell im Monat Dezember so groß, daß der Ge schäftsführer des betreffenden Verlags zu einem Sortimenter sagte: Wenn Sie solchen Bedarf von Volckmar haben wie unsere Angestellten, dann haben Sie ein gutes Weihnachts geschäft gemacht. So bezog z. B. eine Dame aus dem Schnitt muster-Atelier teure technische Werke, und auf die Frage, was sie damit wolle, erklärte sie, die Bücher wären für ihren Cousin, der auf der technischen Hochschule studiere. Der betreffende Geschäftsführer hat dann aber sofort dem Unfug in dankenswerter Weise ein Ende gemacht. In vielen Be trieben aber besteht diese Schädigung des gesamten Sorti ments nach wie vor Weiler. Ich komme nunmehr zu den Gesälligkeitsgeschäften, die die Besitzer der Verlagsbuchhandlungen für ihre Bekannten, Freunde und Verwandten vermitteln, und ich muß zu meinem Bedauern gestehen, daß ich dabei beinahe ein ebenso reich haltiges Material gesammelt habe, wie es bei den Ange stellten der Fall ist. Man sollte es nicht für möglich halten, in welcher Weise und in welchem Umfange die Verleger-Chefs ohne Rücksicht auf die geschäftliche und kaufmännische Ehren pflicht die Sortimenter durch Rettolieferung eigenen und fremden Verlages an Private schädigen. Sie werden sich er innern, daß vor einiger Zeit Herr Hartmann in Elberfeld im Börsenblatt einen Fall aus seiner Praxis bekanntgab, in dem ein bisheriger sehr guter Kunde ihm sagte: »Sie werden sich Wohl gewundert haben, daß ich diesmal zu Weihnachten so wenig gekauft habe, aber ein befreundeter Verleger besorgt meiner Familie jetzt den ganzen Bücherbedarf zum Einkaufs preise«. Ein Ghmnasial-Oberlehrer erklärte mir wiederholt, daß er alle teuren Werke durch einen befreundeten Verleger zum Einkaufspreis erhielte; weiter weiß ich, daß ein An gestellter in einer hiesige» Groß-Buchbinderci seinen Bedarf für sich und seinen Verwandten in der Provinz ans Berlang- zetteln eines befreundeten Berliner Verlegers bezieht. Ein anderer Berliner Verleger liefert seinen sämtliche» Bekannten in einem »Kegelklub« dem er angehört, — und zwar handelt es sich hier um sehr wohlhabende und sehr reiche Herren, die Wohl ihre Bücher zum Ladenpreis beziehen könnten —, ihren ganzen Bücherbedarf ebenfalls zum Nettopreise. Ein weiterer Kall war im Börsenblatt Nr. 168 vom Jahre l90g erwähnt. Es handelte sich dabei darum, daß ein Angestellter der Ver sicherungs-Gesellschaft »Viktoria« auf Vcrlangzctteln der Firma Liersch L Co., also eines dem Buchhandel nur »der wandten« Betriebes, der nach meiner Meinung überhaupt kein Anrecht auf Nettobezug hat, sich von der Firma Volckmar, Berlin, in großen Mengen Bücher besorgte, und man geht Wohl nicht fehl, wenn man in diesem Falle annimmt, daß der Be treffende diese Bücher nicht allein für sich, sondern auch für 188S»