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X: 117, 22, Mai 1928. Redaktioneller Teil. Die beiden Richtungen entwickeln sich also nicht aus der Ver schiedenheit des Intellekts, sondern aus der Verschiedenheit des inneren Wesens. Für den Büchcrverkäufer ist es sehr ratsam, bei unbekannten Kunden vorsichtig tastend sestzustellen, welche Art von Menschen er vor sich hat. Ein schroffes Urteil über ein vom Kunden ge schätztes Buch kann unter Umständen sehr weh tun und verletzen. Bei manchen Büchern habe ich den Eindruck gehabt, als ob es dem Dichter so gegangen wäre wie mir; als wenn auch er trotz seiner idealistischen Einstellung sich gern als »moderner- Mensch gezeigt hätte. Meistens drehte es sich um eine gewisse Erotik, die sehr deplaciert wirkt«. Man empsand deutlich, daß diese Stellen nicht hineingehörten, daß sie hineingepfropft waren. Sie konnten auch einem absolut nicht mit Prüderie belasteten Menschen das ganze Buch verleiden. Vielleicht ist diese durch die ungeheuren Umwälzungen auf allen Gebieten hervorgerufene innere Unsicher heit bei dem empfindsamen Dichter die Ursache der oben erwähn ten Sterilität. Deshalb sollte der -moderne- Dichter seine Werke weiterhin verstandesmäßig konstruieren, der empfindsame oder gemütvolle Dichter aber unbeirrt um Zeit- und Modeströmungen wieder so schreiben, wie ihm ums Herz ist. Aus dem letzten Jahresbericht des Börsenvereins konnte man feststellen, daß aus dem Gebiete der Musik eine Umkehr zur gehaltvollen Musik bemerkbar ist. Hoffentlich findet sich auch in der Literatur bald die alte Sicherheit wieder. Einige vorzügliche Neuerscheinungen von Deutschen, wie z. B. Albert Otto Rust, »Vom kommenden Geschlecht» und Wershofen, »Swennenbrügge» stimmten mich in dieser Beziehung recht hoffnungsfroh. Damit kommen wir zu den Folgerungen für den Buchhandel. Bei Besprechungen von neuen Büchern wäre es wünschenswert, daß zum Ausdruck käme, ob es sich um das Buch eines intellek tuellen oder eines idealistisch veranlagten Dichters handelt, etwa so, wie es in der Literaturgeschichte von Adolf Bartels geschehen ist. Der Buchhändler hat im allgemeinen dafür seine Nase; ihm sagen Autoren- und Verlegernamen meistens das Nötige. Anders der Leser, für den das gedruckte Wort vielfach noch ein Evan gelium ist, und der oft auf eine Kritik »hereinfallen» kann. In den im Börsenblatt Nr. 82 erwähnten Stimmen aus dem Literaturblatt der Frankfurter Zeitung ist von »Buchladen-Ge- meinden- und von -»Leserschichten mit einheitlichem, kulturellem Niveau- die Rede. Meines Erachtens müssen sich diese »Buch laden-Gemeinden- ohne weiteres bei dem Sortiment bilden, das rege werbend tätig ist; denn die ganze Werbung hat nur Zweck, wenn der Sortimenter die Wesenheit seiner Kundschaft kennt. Die Verbindung wird nur dauernd bleiben, wenn er immer für die dem Wesen dieser Kundschaft entsprechenden Bücher wirbt. Verfährt er wahllos, dann wird nicht nur der Erfolg feiner Arbeit ausbleiben, er wird schließlich auch seiner Kundschaft lästig werden und sie sich verscherzen. Die Romkonferenz. Bon Rechtsanwalt vr. W i l ly H ofs ma nn, z. Zt. in Rom. II. Die Verhandlungen sind bis zum Schlüsse der ersten Berhand- lungswoche kaum Uber bas Stadium der Erklärungen der Delega tionen hinausgegangen, die aus den bereits eingereichten Staatcn- vorschlägen bereits bekannt waren. Immerhin beginnt sich durch den Redeschwall hindurch die Lage einigermaßen zu klären: Frankreichs Hauptsprecher Georges Maillard ist überzeugter Anhänger der Theorie, daß die Konferenz dazu bestimmt sei, die Rechte des Ur hebers zu erweitern, und er wirb darin von dem Mitglied der sran- zösischen Delegation Coolus unterstützt. Maillard benutzt jede Ge legenheit, um diese seine Theorie vorzutragen, und er hat es also bereits in den ersten Verhandlungstagen erreicht, daß er als eine Art praeceptor des Kongresses angesehen wirb. Die italienische Dele gation stellt in Giaccini die zweite die Konferenz beherrschende Per sönlichkeit, dessen Geschicklichkeit in der VerhandlungSsllhrung all- , seitig anerkannt wird. Da er sich anscheinend von Doktrinismus frei hält, sich somit anderen Meinungen zugänglich erweist, dürfte sein Einfluß aus die Entscheidungen des Kongresses sehr bedeutend sein. Dlc Haltung der numerisch geringen grobbritannischen Delegation scinschl. der Doininionsj ist überaus selbstsicher. Sie bringt ihre knappen wohlsormulierten Erklärungen in englischer Sprache vor, die dann durch einen Dolmetscher, dessen melodisches Organ geradezu wohltuend wirkt, meisterhaft vorgetragen werden. Ost beschränkt diese Delegation sich daraus zu erklären, daß irgendein Vorschlag mit den Gesetzen ihres Heimaistaales ln Widerspruch steht, bzw. daß ihr Heimatstaat eine solche Bestimmung nicht kenne, sie auch nicht in die interne Gesetzgebung ausnehmen könne lso Australien bezüglich des ärvit morst, b. h. des Persönlichkeitsrechts des Urhebers). Wie das Verhandlungsergebnis (denn es gibt keine Abstimmun gen) sich gestaltet und verwertet werden soll, ist noch nicht klar. Bis jetzt wird von der Leitung die Taktik verfolgt, die endgültige Fassung des neuen Textes der Redaktionskommission zu überlassen, deren Be deutung somit ganz besonders groß, und insbesondere auch daraus erhellt, daß Maillard wünscht, daß in diesem siinsköpsigen Ausschüsse zwei Franzose» säßen! Daß das Deutsche Reich hier nicht ver treten ist, ist mit Befremden sestzustellen, gerade angesichts des An sehens, das die deutsche Delegation sich durch die klaren wohlerwogenen Erklärungen Mittelstädts errungen hat. An Einzelheiten aus den Verhandlungen dürste salzendes die Leser des Börsenblattes interessieren: Portugal wünscht, daß nach Ablauf der Schutzfrist eine ckomsius public psz-aut eingejührt werde, jedoch nur bet dramatischen und musikalischen Werten, also eine Fixierung der sattsam bekannten lox Herriot sitr die vorgenannten Werke. Daß an eine Ausnahme einer solchen Zwischenlösung aus dem Wege zum ewigen Urheberrecht (das Portugal bekanntlich tm Jahre 19Ä eingesiihrt hat) nicht zu denke» ist, bedars keiner Ausführung. Die Bedenken, die Mittelstädt in der von Deströes (Belgien) präsidierten Kommission sllr das ckroit moral vorgetragen hat, ins besondere im Hinblick daraus, daß ein solches Persönltchkettsrecht nach deutscher Auffassung lediglich ein Ausfluß der Urheberschaft sei, somit mit der Beendigung der Urheberschutzsrist enden müsse, wurden von Abel (Österreich) wirkungsvoll unterstützt, während Fulda die gegenteilige Auslassung vertrat in Hinblick aus Ereignisse tm Film. Daß all« Vorbehalte nicht fallen werden, ist jetzt bereits mit Sicherheit anzunehmen (sodaß also dieses allseitig erhoffte Ergebnis der Konferenz nicht erwartet werden kann). Japan hat — genau so wie aus dem Berliner Kongresse 1808 — erklärt, daß es an dem 10- jährigen ttbersetzungsschutz sesthalten müsse, von seinem Standpunkt aus mit Recht. Denn da es durchweg Importland an Geisteswerken ist, spart es auf diese Weise die großen Abgaben an die europäischen Länder, die es zahlen müßte, ließe es diesen Vorbehalt fallen. Da gegen haben — und das ist das erste greifbare Ergebnis der Kon ferenz — Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland ihre Vor behalte hinsichtlich der Wiedergabe von Artikeln aus Zeitungen fallen lassen, nachdem auf Vorschlag des Direktors Ostertag vom Berner Büro die Wiedergabe von Artikeln durch die Presse gestattet ist, wo runter also sicherlich Zeitung und Zeitschrift fallen. Beim Photographieschutz hat der französische Vorschlag, daß die Verfolgung eines Eingriffs tn das Urheberrecht von einer auf dem Negativ angebrachten Bezeichnung des Urhebers und Jahrs des Er scheinens abhängig gemacht werden solle, vielfach Widerstand erregt, weil man die Einführung von Förmlichkeiten nicht wünscht, und es scheint, als ob die französische Delegation angesichts dieser Haltung der anderen Delegationen von diesem Verlangen abgehen werde. Der auch in Deutschland vielfach vertretene Wunsch, dem nach schassenden Künstler sllr die fixierte Wiedergabe seiner Schöpfung Schutz zu geben, hat nicht Anerkennung gesunden. Frankreich, Groß britannien, Italien haben sich dagegen ausgesprochen, und Polen und die Tschechoslowakei unterstützten diesen Antrag, der bann wohl aus Antrag von Italien als eine Art vosu (Empfehlung) erledigt werden wird. Am 12. Mai fand die erste Beratung des Art. 7 (Schutzfrist) statt. Der Vertreter des Börsenveretns vr. Kirstein war erschienen. Das Deutsche Reich ließ durch den deutschen Botschafter eine längere Erklärung abgeben: Zwar hätten die Mehrheit der Urheber und eine Anzahl von Verlegern die Einführung der 50jährigen Schutzfrist ge wünscht, jedoch würde dies von der Mehrheit des deutschen Volkes ab- gclehnt, sodaß die Regierung an der Süjährigen Schutzfrist sestzuhalten wünsche. Jedoch wäre die Regierung bereit, zur 50jährigen Schutz frist nach Art der großbritannischen gesetzlichen Lizenz llberzugehen, wenn damit eine völlige Unisormierung des Urheberrechts erreicht würde. Bedingung dasiir aber sei erstens, daß sämtliche Verbands- staatcn ihre Vorbehalte fallen ließen, und daß zweitens durch eine ausdrückliche Bestimmung des neuen Unionvertrags festgestellt werde, baß auch die Zeit her gesetzlichen Lizenz reine Uvheberrechtsfchutz- srist sei. Dieser programmatischen Erklärung des Deutschen Reiches, die nach den bisherigen Ergebnissen der Verhandlungen ein glattes Festhalten an der 80jährigen Schutzfrist bedeutet, traten Österreich, die 555