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bestellte die von den Japanern bestochenen Piloten nicht ab, sondern lieb sie an Bord kommen, wo sie sogleich eingesperrt wurden, während andere Lotsen den Dienst versahen. Damit war eine grobe Gefahr beseitigt und eine Hoffnung der Ja vaner vereitelt. Diesen blieb jetzt nur noch der Angriff aus die russische Flotte in der Nordsee übrig. Sie mieteten kleine Schisse, die in Torpedoboote verwandelt wurden, und lieben diese nnt der Fischerstotille von Hüll ausfahren. Nach den Er klärungen des Admirals Roschdestwensky wurden deren zwei zerstört und eins konnte im Nebel entfliehen. Enalische Mischer bezeugen, dab sie in der Nacht vom 21. zum 22. Oktober solche Boot« auf der Doggerbank sahen und der russische Kommissar m der internationalen Konferenz, die am Montag ihre Ar beiten beginnen soll, wird nach der Betsicherung deS Gewährs mannes des „Eclair" authentische Beweise dafür beibringen, dab der Leiter der javanischen Spionage im Haag in England Fahrzeuge gemietet hat, und dab die russischen Seeleute bei Hüll nicht so naiv waren, wie man allgemein annahm. ?olttirche cagrsschs«. Leipzig, 10. Januar. Das nationale Zentrum. In der „Köln. VolkSztg." äußert sich ein ungenannter Reichstagsabgeordneter, also wohl ein Zentrumsmann, höchst unwillig, wie die Regierung den Reichstag be handelt- Der Herr hat viel auszusetzen: daß die Regierung nicht um Indemnität nachgesucht habe, als ohne Bewilligung des Reichstages Geld für Südwestafrika ausgegeben sei, daß der zweite Nachtragsetat für Südwestafrika frei von jeder Rücksicht auf den Reichstag aufgestellt sei, daß die Begrün dung dürftig sei. „Die Gesamtzahl der in Südwestafrika befindlichen Truppen i t nicht mitgeteilt, die Zahl der Gefallenen, der Kranken usw. sucht man vergebens. Die Ausgabe einer Arlben Million wird begründet mit dem Hinweis, daß ein Landüngsoffizier für Mitbenutzung eines Verkehrs-, dampfers in Swakopmund monatlich 100 Mark Miete zu bezahlen hat! Man führt diese Bagatelle auf zur Be gründung einer Position von einer halben Million. In diesem Geiste ist überhaupt die ganze Begründung gehalten. Ueber verschwindend kleine Summen gibt man Rechenschaft, über die Millionen schweigt man sich aus." Aber nicht wegen dieser Bemängelung gehen wir auf den Artikel näher ein, denn natürlich hat jeder Abgeordnete das gute Recht, an der Regierung und ihren Vorlagen Kritik zu üben. Wir gestehen sogar, daß manches von dem Gesagten begründet erscheint, und daß wir bisher nur den Zeitpunkt nicht für gekommen hielten, um ganz ähnliche Empfindungen zu äußern. Aber dann wächst sich die Kritik aus zu einer schweren Beschuldigung der deutschen Farmer und einer groben Stimmungsmache gegen die Entschädigungsforderungen. Wir zitieren: ,,5 Millionen Mark sind eingestellt zur „Hül fe ier st ung" für die Ansiedler: bekanntlich hat der Reichstag schon 2 Millionen Mark bewilligt, was mit sehr wenig Dank ausgenommen worden ist. Inzwischen hat sich die Situation für die Ansiedler eher verschlimmert als ver- bestert; selbst aus den amtlichen Druckschriften ist bekannt, daß ein großer Teil der Ursachen des Ausstandes auf das Verhalten der Händler zurnckzuführen ist, und da Händler undAnsicdler nach der neuesten amtlichen Druckschrift fast immer dieselben Personen sind, darf man nunmehr sagen, daß die Ansiedler einen Hauptteil der Schuld tragen! Vollends klar wird das, wenn man die mündlichen Darlegungen der Far- merdeputation gehört bat! Hierin vertraten diese Anschau ungen, die uns alles erklären; ja, wir sagen uns: dieWut der Wilden gegen die Weißen ist uns ganz begreiflich, wenn letztere nach den Grundsäkcn ban delten, die sie in Deutschland vertreten haben. Man geht aber gewiß nicht fehl, wenn man sagt, daß die Ausführung dieser Grundsätze noch härter war, als die Darlegung in Worten es erscheinen ließ. Wir wissen auch, day in weiten Kreisen des Reichstages „absolut keine Stimmung für eine mehrmalige Hülfeleistung ist!^ Es ist nur in Deutschland möglich, daß eine große bürger liche Partei sich in Kriegszeiten so für die Feinde des Reiches engagiert. Tie nationale Zuverlässigkeit des Zen trums ist seit seiner Begründung um keinen Deut gewachsen. Nur ist keine Aussicht vorhanden, daß diese oifenliegende Er kenntnis im Vergalten der Regierung irgendwie znm Aus druck gelangen könnte. Der deutsch-amcrikanische Prosefsorenanstausch. Ein Mitarbeiter unseres Blattes hatte über den Vorschlag des Kaisers, einen Professorenaustausch zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zu bewerkstelligen, eine Unter redung mit einem Professor der Leipziger Uni versität, der im vorigen Jahre die Amerikareiie der deut schen Gelehrten anläßlich der Weltausstellung zu St. Louis mitmachte und ein großes Interesse, wie gediegenes Verständ nis für die amerikanische Kultur und Zivilisation mit in die deutsche Heimat brachte. Ter als Kulturhistoriker weithin bekannte Gelehrte äußerte hierbei: Tie Anregung zu dem Vorschläge des Kaisers ging von uns Gelehrten aus, die wir im vorigen Jahre die Union besuchten. Toch hat man weniger einen Austausch der Professoren, als an einen solchen der Stu denten gedacht. Für den deutschen Studierenden wäre es von der größten Bedeutung, wenn er zwei oder drei Semester an einer amerikanischen Univer sität zubrächte. Er würde nicht nur seine allgemeinen Kenntnisse und Lebensanschanungen immens bereichern, sondern auch eine Menge rein wissenschaftlicher Vorteile erzielen. Natürlich müßte die Sache von verständiger Hand in die Wege geleitet werden. Man müßte unter den 600 Universitäten der Union die besten heraussuchen und diese empfehlen. Und unter diesen gibt es solche, die teils aus dem gesamten Gebiete des Wissens, teils auf speziellem Boden Großartiges leisten, so z. B. die M a d l s o n - Universith in der gleichnamigen Hauptstadt von Wisconsin, wo ein geradezu mustergültiges histo- risches Seminar existiert, das auch sämtlichen äußeren Ansprüchen, wie denen der Bequemlichkeit des Studiums, einer anmutsvollen Lage und zweckmäßigen Verteilung der Räumlichkeiten, gerecht wird. Natürlich kämen zunächst nur Söhne wohlhabender Eltern »n Be tracht. Doch könnte man später auch unbemittelten Stu- deuten durch Stipendien das Studium ermöglichen. In dessen ist es zur Verwirklichung dieser Idee vor allem notwendig, daß der Staat den in Amerika studierenden Deutschen die dort zugebrachten Seme st er voll anrechnet. Was den Besuch der Amerikaner an unseren Hochschulen anbelangt, so herrscht leider daS Bestreben, ihnen daS Studium zu erschweren und zu verleiden. Man kann nicht genug auf das Selbstmörderische solcher Bestrebungen Hinweisen. Deutschland gilt drüben als erstes Land der Wissenschaft (und auch der Musik! sehr viel und hat auf Amerika einen Ein fluß, der geradezu umfassend zu nennen ist. Warum sollte man nun so töricht sein und wißbegierigen amerika nischen Studenten die Möglichkeit, dielen Einfluß durch ein Studieren der deutschen Wissenschaft zu erhalten und zu verstärken, nehmen! Schon jetzt zeigen sich die Früchte der verblendeten Taktik deutscher Professoren, indem die meisten Amerikaner nicht mehr deutsche Universitäten auf suchen, sondern französische, namentlich in Paris, ob- gleich es nur die französische Literatur ist, die den Amerikaner anzieht. In Amerika blüht der > deutschen Wissenschaft noch immer ein weites und ausgiebiges Feld! — Ein Austausch von Lehrkräften ist erst in zweiter Linie zu be achten, da von dem Austausch der Studenten viel mehr zu erwarten ist, und da ja heute schon viele deutsche Gelehrte an amerikanischen Universitäten dozieren, während umgekehrt amerikanische Professoren ihren Sommerurlaub fast immer in Deutschland zubringen und sich bei uns mit deutschem Geistesleben vertraut machen. Ein deutsches Nationalfeft. Die Bedeutung der bevorstehenden Jahrhundertfeier von Schillers Todestag für die Deutschen im Auslande wird im Monatsblait des Allgemeinen Deutschen Schulvereins zur Erhaltung des Deutschtums im Auslände sMitgliederzahl gegenwärtig 33 500s vom Universitätsprofessor O. Dr. Pfleiderer eindringlich daraelegt. Ein Hauptgrund der be dauerlichen Erscheinung, daß unsere Landsleute im Auslande, statt len deutschen Geist in der neuen Heimat seftzuhalten und geltend zu machen, nur zu bald ihr Deutschtum verlieren und in der fremden Umgebung aufgehen, ist die echt deutsche Untugend der Uneinigkeit, der Zersplitterung der deutschen Kolonisten in politische, soziale, konfessionelle Parteien, die die leidige Gewohnheit, den Parteigeist über das gemeinsame nationale Jntercue zu stellen, in der neuen Heimeit weiter pflegen und sich selbst dadurch der Kraft der Selbstbehaup- tung gegenüber der geschloffenen Macht des fremden Volks- rums berauben. Um Viesern 1-cbel zu wehren, wäre schon viel gewonnen, wenn unsere Landsleute draußen einen gemein- lamen nationalen Festtag alljährlich feiern würden, ähnlich wie die amerikanischen Kolonien überall ihre Feier der Unabhängigkeitserklärung begehen, die alle Lands leute ohne Unterschied des Standes und Berufes oder der politischen oder konfessionellen Partei in der gemeinsamen Freude am Vaterland einigt . . . „Schillers Name ist die passendste und gemeinverständlichste Losung für deutsche Eigenart, Sprache und Dichtung, Geist und Gemüt. Daher wird die Jahrhundertfeier seines Todestages am 9. Mai 1905 zu einem gemeinsamen Fest aller Deutschen deS In- und Auslandes werden, das den Anfang bilden kann zu einem alljährlich wiederkehrenden deutschen Nationalfest." — Tie Anregung zur Jahrhundertfeier von Schillers Todestag ist, woran wir im Zusammenhanq hiermit erinnern möchten, von nationallibcraler Seite in Berlin ergangen. Wclsijche Famiiieupolitik am englischen Hofe? Tas englische „Eourt Journal" scheint die Faschingszeit gar nicht abwarten zu können. So sagt es am Schluffe einer Be sprechung des neuen Gothaischen vofkalenders, wobei cs auch die verwandtschaftlichen Beziehungen der englischen Königin zu den Höfen von Rußland, Griechenland und Dänemark, und damit auch zu der Herzogin Thyra von Cumberland berührt: „ Und doch ist deren Familie zweifellos berufen, noch eine grove Rolle in naher Zukunft zu spielen. Ihre jüngeren Mitglieder sind schon nahe verbunden mit der königlichen Familie von Dänemark, mit Mecklenburg-Schwerin und Baden, und eine nahe Beziehung mit der Familie des deutschen Kaisers ist kürzlich angeknüpft. Ueberdies ist es die teste Hoffnung iedes Legitimisten im ganzen Deutschen Reiche, daß der Herzog von Cumberland nach Hannover zurückkehren möge, ehe es zu spät ist. Nicht, daß das Volk seinen Herrn vergessen hat oder daß eS etwa ihn vergessen konnte, sondern weil die Sanduhr zu verrinnen beginnt für diejenigen, deren Treue die Prüfung 38sähriger Trennung überdauert hat, und weil eine Generation herangewachsen ist, welch« nicht weniger treu den Traditionen ihres Königs hauses ist, die aber — mit der Erinnerung des verbitterten Lebens ihrer Väter — nicht imstande sein würde, zu ver geben. Wenn also eine wahre Versöhnung zwischen den könig- lichen Häusern von Preußen und Hannover-Braunschweig geschehen soll, so müßte sie ohne Verzug eintreten. Einer Versöhnung des Herzogs von Cumberland mit seinen Landsleuten bedarf es nicht: denn niemand ist der deutschen Sache treuer gewesen als er: auch würde es kein Verlust an Würde für den preußischen König sein, wenn er als Bannerträger der Legitimisten bereit wäre, den Irrtum von 1866 anzuerkennen und seinen Bruder von Hannover einlüde, seinen zu lange verwaisten Sitz zwischen den souve ränen Fürsten des Reiches einzunehmen." Man würde von diesen Zeilen gar keine Notiz nehmen, wenn sie nicht im amtlichen englischen Hofblatt erschienen wären. Ein« Ersatzwahl in London. AuS London, vom 9. Januar, schreibt unser v.-Kor- relpondent: , Heute fall der Uutersheriff die Nennungen der beiden Kandidaten für den erledigten Parlamentssitz von Mile-end, deS Unionisten Lawson und des Liberalen Straus, empfangen. Am Donnerstag findet die Abstimmung statt, deren Resultat noch am selben Abend verkündet wird. Der Wahlkampf ist, wie es scheint, recht gehässig. Im Bezirk sind ungefähr 600 jüdische Wähler, um die man sich besonders bemüht hat. Die konservative Primroke League hat viele von ihren Ladies-Mtt- 'arbeiterinnen entsandt, die „mtteS Werk" tun sollen. Indessen "wird über den schlechte« Zustand des konservativen Wahl apparates geklagt: die Schuld davon schreibt man der über- mäßig langen Amtsdauer des verstorbenen UnterhauS- mitgliedes zu. Der konservative Wahlagent Booth ist sehr eifrig und wird von den Agenten benachbarter Bezirke unter stützt. Auch Mr. Lawson selbst hat sich angestrengt: denn die Wählerschaft pariert nicht recht, und man wirft den Radikalen vor, daß sie skrupellos die religiösen Unterschiede ausaenutzt hätten. Sehr zu bemerken ist guch, daß infolge der Rede Chamberlains der liberale Kandidat Straus gezwungen wurde, seine Haltung gegenüber dem kommenden Fremden gesetz zu modifizieren. Im Anfang wollte es nur so weit gehen wie Sir Henry Cambell-Bannerman, der höchstens den Verbrechern und Kranken die Zulassung verweigern wollte. Jetzt hat er sich auch dazu verstanden, das Beto auf die „unckbsirkibls" auszudehnen, sedoch, wie der „Standard" meint, daS sagt gar nichts. Mr. StrauS hat im Grunde nur die Möglichkeit, diejenigen Proarammpunkte zu versprechen und auSzuführen, worauf die Führer der liberalen Partei sich verpflichten. Er hätte also gegen ein Fremdengesetz mit hem Inhalt deS in der letzten Session voraelegten Entwurfes stimmen müssen. Mr. Lawson ist dadurch in beschwerlicher Lage, daß ihm die Frage der Zuckerkonvention, die für Cham berlain und die konservative Politik eine Schwäche bedeutet, auf hartnäckigste Vorbehalten wird. Eine hervorragende agi tatorische Wirkung schreiben die Unionisten den Artikeln des „Standard" zu, der einen Spezialkorrespondenten nach Ham burg geschickt hat, um die dortigen Auswandererquartiere als eine Sorte von Sibirien zu schildern. Der konservative Major Evans Gordon wurde von Mr. StrauS ausgefordert, ein Beispiel füp die Verdrängung britischer Arbeiter durch ausländische beizubringen. Der Major erzählte dann, bei einer Firma in Hackney seien 18 englische Schuhmacher be schäftigt worden, die man durch ausländische, für die Hälfte deS Lohnes arbeitende Schuhmacher ersetzt habe. Der Fall soll authentisch sein. In seiner Versammlung am Sonnabend leugnete, Mr. StrauS, daß er Beziehungen zu den Radikalen habe, die gewohnheitsmäßig die Meetings des Mr. Lawson störten. Die Tarisrekormliga bat für die Konservativen, die „Free Food Union" für die Liberalen gewirkt. Deutsches Deich. Leipzig, 10. Januar. * Der Streik im Ruhrkohlengebiet scheint doch allge mein zu werden. Auf einigen Zechen liegt Polizei, um Ausschreitungen zu verhüten. Eine große Versammlung soll heute in Dortmund stattfinden. Das Stahlwerk Hösch wird wahrscheinlich wegen Kohlenmangels geschloffen werden. Der „Köln. Zta." zufolge erließ die Harpener Bergbaugesell schaft an die Ausständigen die Aufforderung, sofort die Arbeit wieder aufzunehmen, widrigenfalls nach Paragraphen 3 und 6 der Arbeitsordnung verfahren würde. Nach diesen Bestimmungen werden die Arbeiter sofort ent lassen, wenn sie 3 Schichten lang feiern: ferner, wer ohne ver tragsmäßige Kündigung die Arbeit verläßt, hat einen Schadenersatz für sechs Arbeitstage nach der Höhe des Arbeitsverdienstes zu zahlen. Im Dortmunder Bezirk traten die Zechen „Preußen I und II" mit 2100 Mann Belegschaft in den Ausstand. Der Bürgermeister von Dortmund setzte ür den nördlichen Stadtteil, das Arbeiterviertel, Polizei- tpnde auf 10 Uhr an. Die Dortmunder Feuttwehr ist für )en Polizeidienst vereidigt worden. Laut „Dortm. Map." ind die Arbeiter sämtlicher im Kreise Hörde gelegenen Zechen ausständig, insbesondere auf der Zeche Freie Vögel und Unverhofft, der einzigen Nichtsyndlkatszeche, cnff der Zeche Schürbank in Schüren, auf der Zeche LchleSwig, die dem Hörder-Verein gehört, und auf der Zeche Felicitas in Crone. Im Bezirk Oberhausen unterbreitete die am 6. Januar gewählte Kommission der Belegschaft der Zeche Neumühl heute früh vor der Einfahrt der Frühschicht dem Betriebs führer die betreffenden Forderungen. Die Forderungen wurden abgelehnt, worauf die Frühschicht die Einfahrt ver weigerte und ruhig auSeinanderging. Die Führer der Bergarbeiter mahnen nach wie vor zur Mäßigung. So ist von den Vorständen des Bergarbeiter verbandes, des Christlichen Gewerkvereins, der Polnischen Berufsvereinigung und des Hirsch-Dunckerschen Gewerk vereins ein großer Aufruf veröffentlicht, worin die Vorstände unter anderem erklären, daß sie einer Schichtverlängerung unter keinen Umständen zustnnmen dürfen noch wollen, son dern eine gesetzliche Schichtverkürzung für notwendig halten. Ferner verpflichten sie sich, jedem Versuch der Werkbesitzer, auch auf anderen Zechen die Arbeitszeit zu verlängern, ent schieden entgegenzutreten. „Wir verlangen", so heißt eS in dem Aufruf weiter, „eine gesetzliche Regelung der Schichtzeit, der Seilfahrt, der Gedinge- und Lohnabmachunaen, Abschaffung des Nullens, dafür Bezahlung nach Gewicht der Leistung, Zulassung von Arbeiterkontrolleuren zur Ueberwachung der Arbeits leistung usw." Zum Schluß wird an alle Be teiligten das dringende Ersuchen gerichtet, den gewählten Führern unbedingt Gefolgschaft zu leisten und straffe Disziplin zu halten. Keine Belegschaft dürfe ohne Ein verständnis und Zustimmung der Organisationsleiter vor gehen. Vor unüberlegten Arbeitseinstellungen müsse ein dringlich gewarnt werden, da ein allgemeiner Streik ein Unheil für die Bergarbeiter sei. Nicht ganz damit vereinbar ist allerdings folgendes, unS aus Essen unterm heutigen Datum zugehende Telegramm: - Die Streikbewegung hat viel schneller um sich gegriffen, als vorauszusehen war. Seit gestern abend streiken im Dortmunder Revier über 10 000 Mann. Beteiligt sind be sonders die Belegschaften der bedeutenden Zechen Kaiser- stuhl itzösch), Achenbach lStumms, Preußen und Scharn- horst i Harpens. Man erwartet eine Ausdehnung deS Streiks auch auf andere Zechen. Die gesamte Berg arbeiterschaft hat sich zu einem gemeinsamen Vorgehen zu sammengeschloffen unter Beseitigung aller politischen Gegensätze, und veröffentlicht einen entsprechenden Aufruf. * Der „Umfall" der Freikonservativen in der Aanalfrage. Die bei der jüngsten Agitation deS Bundes der Landwirte aufgeworfene Frage deS Mittellandkanals veranlaßt die „Post" M der Erklärung, daß zweifellos die Annahme -eS Kanals Rhein-Hannover der geeignete Weg sei, die Wiederaufnahme deS Planes eines Mittellandkanals z« verhüten. Mit dem Zu standekommen des Kanals Rhein-Hannover scheidet für die StaatSregierung das Ehrenmoment, das sich für sie und für die Krone an den Kanalplan knüpfe, völlig auS, und daher kämen bei det Frage, ob daS Verbindungsstück Lannover-Eibe gebaut werden solle, die entscheidenden sachlichen Bedenken, die die „Post" un einzelnen des weiteren erzählt, voll zur Geltung. Wird aber der Kanal Rhein-Hannover abgeleknt, so würde die StaatSregierung sicher, wenn auch nicht in der jetzigen, so doch in der nächsten Legislaturperiode, auf ihre Wafferstraßenpläne zurückkommen, den Plan eines Mittel landkanals in seiner ganzen Ausdehnung wieder aufnehmen, und wahrscheinlich auch durchsetzen, wenn nur dem Zentrum die nötigen weitgehenden Zugeständnisse gemacht werden. Bei Annahme des Kanals Rhein-Hannover dürfte für eine etwaige Verbindung des östlichen mit dem westlichen Wasserstraßen- netz ernstlich nur der östliche Abschnitt des sogenannten Küsten kanals in Frage kommen, d. h. eine Verbindung von der unteren Wesir entweder nach Hamburg oder nach der von dem Abg. Engelbrecht angedeuteten Variante vielleicht nach der Mundunq des Elbe-TravekanalS. — Angesichts dieser offenen Erklärung über die Motive des Umfalls wird es den Kanal freunden immer schwerer^für diesen kostspieligen Kanal ohne Mittelstück zu stimmen. Man brauchte sich nicht zu wundern, wenn sie jetzt den Spieß umkehren und nun ihrerseits gegen den Torso votieren würden. , * Znm lippefcheu Throofolaeftreit. Der erste Schrift satz zur Begründung der Thronansprüche des Fürsten Georg von S ch a u m b u rg - L i v p e ist am 4. Januar dem zur Entscheidung des Thronfolgestreites eingesetzten Schiedsgericht und dem gegnerischen Rechtsanwälte zugestellt worden. Nach Artikel 3 des Schiedsvertrages hat nunmehr die lippesche Staatsregierung sechs Wochen Zeit bis zur Einreichung ihrer Entgegnung. Inwieweit dann noch ein weiterer Austausch von Schriftsätzen stattfinden wird und z« welchem Zeitpunkte die Entscheidung des Schiedsgerichts er- wartet werden kann, entzieht sich naturgemäß zurzeit jeder Voraussage. * Berlin, 10. Januar. * Die deutsch-österreichischen HandelSvertragSverhandlun- gen. Im Reichsamt des Innern fanden sowohl Sonntag bis abends 10 Uhr, als gestern Sitzungen zwischen den öster reichisch-ungarischen Handelsvertragsdelegierten und den Ver tretern der deutschen Regierung statt. Man hofft, obgleich bis zur Stunde noch keine völlige Einigung erzielt ist, dennoch auf ein befriedigendes Ergebnis der Verhandlungen, zu deren günsftaer Erledigung auch die gegenseitige Aussprache auf dem Essen beiactragen haben dürfte, welche- gestern abend beim Grafen Posadowsky stattgefunden hat. ES ist Wohl an gebracht, daran zu erinnern, daß derartige Esten hergebrach termaßen erst dann stattfinden, wenn die Verhandlungen in der Hauptsache erledigt sind. * Rcichsjustizkommisfion. Die Beratungen der Reichs- iustizkommission zur Vorbereitung der Revision deS Strafprozesses nehmen am Dienstag, den 17. Ja- nuar, ihren Fortgang. Die Tagesordnung umfaßt der „Köln. Ztg." zufolge nachstehende Gegenstände: Verfahren in II. Instanz, soweit noch nicht erledigt sBeschwerde), Ver fahren in der Nevisionsinstanz, Verteidigung, Beschlagnahme und Durchsuchung, Untersuchungshaft, Gerichtsstand, Ab lehnung von GerichtSpersonen, Schutz deS Beichtgeheimnisses, Zeugnispflicht der Redakteure. — Der Direktor beim Reichstage, Kaiserlicher Geheimer Regierungsrat OSkar Knack, feiert am 12. Februar ds. IS. sein fünf» nd zwanzigstes Dienstjubiliüum. — Die Mitteilung, daß die Herausgabe der Erinnerungen deS früheren Chefredakteurs der „Kreuzzeitung", Frhrn. von Hammerstein, von dessen Familie veranlaßt sei, könnte zu dem Mißverständnisse führen, als ob damit die Familie von Ham merstein gemeint sei. In Wirklichkeit ist, soweit bekannt, die Heraus gabe jener Erinnerungen von den Stiefsöhnen deS Verstorbenen, den Söhnen seiner Frau auS erster Ehe, veranlaßt worden. Die Familie von Hammerstein aber ist an der ganzen Angelegenheit nicht im mindesten beteiligt. O * Aus Oldeoburg. Der Streit um die Olden- burgische Thronfolgefähigkeit. Die Klage des Grafen von W e l s b u r g gegen das Grohherzog- lich Oldenburgische HauS ist, wie Oldenburger Blätter be richten, beim Landgericht dort tatsächlich erhoben und mit einer umfangreichen Begründung am Sonnabend der letzten Woche eingereicht worden. Auf Grund zuverlässiger In formationen ist der offiziöse „Old. Gen.-Änz." nunmehr in der Lage, mitzuteilen, datz sich die „Klage deS SohneS Alexan der weiland deS Herzogs Anton Günther Friedrich Elimar von Oldenburg, Grafen von Welsburg zu Potsdam, richtet gegen 1) das Großherzoglich Oldenburgische Haus, vertreten durch den Familienrat, 21 den regierenden Grobherzog, 3) die Hausstiftung des Großherzoglich Oldenburgischen HauseS, vertreten durch die Hausfldeikommißdirektion. Und zwar wird beantragt: I. den hohen Beklagten zu 1 und 2 gegenüber festzu stellen u. daß Kläger Mitglied des Durchlauchtigsten Groß herzoglichen Hansis ist, b. daß Kläger successionssähig in das Hausfideikommiß des Durchlauchtigsten Großherzog lich Oldenburgischen Hauses ist, II. prinzipaliter die Beklagten zu 3 zu verurteilen: «. an Kläger auf ihn mittels ErbgangeS übergegangene Apanagenbeträoe von 136 687,50 ^l. nebst 4 Prozent Zinsen seit dem Tage der Klagezustelluna zu zahlen: d. an Kläger weiter eigene Apanagen von 173 250 ^t. nebst 4 Prozent Zinsen seit dem Tage der Klagezustellung zu zahlen. und die Unterschrift, aber dieses eine Wort war inhalts- schwer. Die Depesche lautete: „An das Kriegsministcrium, Tokio. ' „Verrat." Mac and Joe." VI. Auch in London folgt Sonnenschein auf Regen. Dazu kam, daß der Barometer nicht gelogen hatte; von einem italienisch blauen Himmel lachte am nächsten Tage die Sonne auf die größte Stadt Europas nieder. Pünktlich um ein Uhr erschien Boris Suwarow bei Mrs. .Hamilton, die, zum Ausgehen gekleidet, unge duldig seinen Schritt auf der Treppe zu hören erwartete. Doch als sie ihn endlich sah, erschrak sie. „Im Nachting-Kostiim?" murmelte sie erstaunt. Er hatte ihr Erschrecken nicht bemerkt. „Ich habe dir eine große Ueberraschung bereitet", rief er ihr schon von »neitem entgegen. „Ich habe einen prächtigen Segler gechartert! Wir werden segeln, anstatt zu rudern!" Mrs. Hamilton hatte sich schnell wieder gefaßt. „Aber, Boris, — Guter —" erwiderte sie, seine Wange streichelnd — „das geht doch nicht. Ich bin doch nicht darnach gekleidet, — besitze gar kein Aachting- Kostüm —" Er unterbrach sie, gutmütig lachend. „Aber wozu ist denn das alles nötig", meinte er. „Ich habe schon ein schönes Programm beisammen. Jetzt fahren wir zu Pimlico zum Lunch; dann nach Lower bridge-landing. Das soll eine Segelpartie werden, Camille — wie in alten Tagen in Petersburg." Und dabei packte er sie mit seinen starken Händen bei der^Taillc und hätte sie am liebsten in die Luft gehoben vor Frohmut. Sie wehrte ihm energisch ab. Die ominöse tiefe Linie zeigte sich zwischen ihren Augenbrauen. „Aber was hast du nur?!" fragte er, ernst werdend. „Ich habe mich so auf das Rudern gefreut!" schmollte sie. „Ich — ich wollte selbst so gerne einmal rudern!" fügte sie noch schnell hinzu. „Aber — rudern können wir doch ein andermal — ich verstehe dich nicht —" und dann sah er sie Plötzlich mißtrauisch von der Seite an. Der Blick entging ihr nicht. Er bewirkte Wunder. Die Falte war der- schwunden, das Gesicht fröhlich leuchtend, Mr8. Hamilton war wieder sie selbst; lustig — frivol. „Ich bin ein Kind, Boris", schmeichelte sie und gab ihm einen Kuß auf die Wange. „Ein dummes Kindl Aber — das nächste Mal rudern wir — Ja?" — Und lachend und scherzend gingen sie die Treppe hinab. Draußen stiegen sie in ein wartendes Cab und fuhren von dannen. In demselben Moment setzten auch zwei Männer — anscheinend Arbeiter — ihren Weg fort, die bis jetzt auf dem gegenüberliegenden Trottoir irgend eine LageSfrage eifrig diskutiert zu haben schienen. . „Teufel und Hölle", fluchte der eine. „Hast du da» Aachting-Kostüm gesehen? Die Sache kann schief gehen, Jack!" Der andere nickte. „Schnell, Mike", — er sprach so schnell er nur konnte — „hier ist Geld" — und er drückte dem anderen eine gefüllte Börse in die Hand — „besorge eine Droschke; — nein, zwei — geschlossen — und ohne Kutscher, ver stehst du? Oder nein —l Noch besser —. Besorge ein Automobil. Einen großen, schweren, schnellen Kasten! AuS einem Divarystable. Legitimiere dich. Sag irgend etwas. Aber schaffe ein Auto 'ran. Fahren kannst du'S ja. Beweis' -em Manne, daß du's kannst. Und dann warte unten!" Anstatt zu antworten, sprang Mike in ein vorbei- fahrendes Cab. Der andere entfernte sich eiligen Schrittes. Leicht und schlank wie ein Windhund, mit hohem Mast, glänzendem, nur mit einem Goldstreifen geziertem Rumpfe und einer niedlichen, luxuriös ausgestatteten Kajüte, schaukelte die schöne Segeljacht „Stella" bei Tower-bridge-landing auf den Wellen der Themse. Kurz nach zwei fuhr ein Cab an der Landung-Krücke vor. Suwarow öffnete den Schlag. Sein Herz schlug stürmisch, nie war ihm seine Camille so lieblich er schienen. MrS. Hamilton kletterte langsam au- dem Cab heraus und spähte dabei nach allen Seiten um sich. In der Nähe der Krücke erblickte sie ein Automobil, dessen Chauffeur iHv ein Zeichen mit der Han- zu machen schien. Sie kümmerte sich jedoch wenig darum, sondern ließ sich, auf Boris' Hand gestützt, von ihm beim Be steigen des schwankenden Segelbootes behilflich sein. Hülfreiche Hände stießen das Boot von der Brücke fort und Boris, ein sehr geschickter Segler, hatte es bald zur Mitte des Flusses manövriert. Es wehte ein frischer Wind, und das Boot, mit allen Segeln gespannt, schoß stolz durch die Wellen, eine lange, weiße Linie hinter sich zurücklassend. „Ist cs nicht gewagt, ein so großes Boot so ganz allein zu handhaben?" fragte Mrs. Hamilton. Sie hatte indessen den Feldstecher, den Suwarow über seine Schultern geschlungen trug, vom Riemen gelöst und beobachtete damit anscheinend die vprbei- huschende Scenerie. Sie beobachtete aber auch, wie ein Automobil mit rasender Geschwindigkeit am rechten Ufer deS Flusses entlang fuhr — ungefähr im selben Tempo, in welchem die Jacht durch die Wellen flog. Und als sie dann auch den Chauffeur erkannte, — da hatte sie be griffen. Im Automobil saßen zwei Fahrgäste, die un gefähr in demselben Moment eingestiegen waren, als die Jacht vom Lande abstieb. Auf MrS. Hamiltons Frage hatte sich Boris Suwa row in die Brust geworfen. „Hab' keine Angst, Lieb", erwiderte er zuversichtlich lächelnd. „Mir altem Segler passiert nichts. Ein Fremder hätte uns doch nur gestört." - ' (Fortsetzung folgt.)