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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.10.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021014012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902101401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902101401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-10
- Tag 1902-10-14
-
Monat
1902-10
-
Jahr
1902
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend HSHer. — Srvühren für Nachweisungen und OffertrnannahMt SS L, (rxcl. Porto). Erkra-Beilagen lgefalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbesördrrung ukl 60.-»-, Mit Postbesördrrung ^l 70.--. Armahmeschlüß für Anzeigen: Abend-Ausgabe« vormittag« 10 Uhr. Mo<geN-Au«gab«t Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an di» Expedition -u richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polt in Leipzig. Dienstag den 14. Oktober 1902. 96. Jahrgang. Zur Mge einer Wehrsteuer. /X Im Hinblick auf die Notwendigkeit, in absehbarer Zeit neue Einnahmequellen im Reiche -u erschlichen, ist neueröinys wieder einmal davon Hie Rooe, möglicherweise könne Sie Einführung einer Wehrsteiter Ser Finanznvt mttsteuern helfen. Bereits im Jahre 1881 gelangte an den Reichstag Unter anderen Stcuergesetzen auch ein Entwurf, Ser Sie nicht zur Erfüllung der Dienstpflicht heran gezogenen männlichen Personen im Alter bis zum 32. Jahre einer Kopfsteuer von 4 und einer Einkonrmen- steuer unterwerfen sollte, die mit 10 von einem Ein kommen von 1000 .L begann und allmählich bis zu 3 Prozent Le» Einkommens stieg. Frei sollten solche Per sonen bleiben, welche infolge geistiger oder körperlicher Gebrechen erwerbsunfähig sind. Die Eltern sollten für bis Steuerzahlung Haftbar sein für Sie Zeit, in welcher sie die Sühne auf Grund rechtlicher Verpflichtung zu unter halten haben. Don Ser Mehrzahl Ser Reöner im Reichstage wurde der Einwand erhoben, „daß es eine Ehre sei, zu dienen, unid daß man diese Ehre nicht mit Geld abkausen könne". Bet Einführung einer Wehrsteuer werde es sehr bald heißen, „wer zahlt, dient nicht". Der Gesetzentwurf wurde vom Reichstage gegen die eine Stimme des Generalfeld- marschallS Grafen Moltke abgelehnt, gerade zu einer Zeit, i» welcher die Wehrsteuer in Oesterreich eingeführt ward. Außer in Oesterreich ist Sie Wehrsteuer eingeführt in Ser Schweiz und in Frankreich. In bett Jahren 1808—1871 war Sie Wehrsteuer in Bayern und in Württemberg etngeftthrt und kam in diesen Bundesstaaten erst infolge Einführung der deutschen Wehrgesetze am 1. Januar 1872 wieder in Wegfall. In vorgenannten Staaten waren oder sind die Grundsätze zur Erhebung und Verwendung der Steuer wohl in den Einzelheiten verschieden, aber darin übereinstimmend, daß der Erwerbsunfähige von der Steuer befreit ist, ebenso der in öffentlicher Armcnunter- stützung Stehende. In Oesterreich unterliegen der Wehrsteuer die wegen Untauglichkett vom Kriegsdienste Befreiten, Sic wegen Un tauglichkeit aus dem Heere oder der Landwehr Ent lassenen auf Sen Rest der ihnen obliegenden Dienstzeit und wenn die Dienstuntauglichkeit nicht durch den Dienst herbeigeführt worden ist, und diejenigen, welche vor Ab lauf der gesetzlichen Dienstzeit, d. h. vor dem vollendeten 24. Lebensjahre, awswandcrn. Befreit von der Wehrsteuer sind: diejenigen, welche wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen außer stände sind, sich selbst oder ihre An gehörigen zn ernähren: die in öffentlicher Armenunter stützung Befindlichen, die Landsturmpflichtigen für das jenige Jahr, in welchem sic zum Dienste eingezogen sind. Die österreichische Wehrstcuer wird auf die Dauer von 12 Jahren erhoben und in 14 Stufen mit 1—100 Gulden jährlich eingeteilt. In Frankreich wurde Sie Erhebung einer taxo milltalro durch Gesetz vom 15. Juli 1880 eingeführt. Sie besteht aus einer Grundtare von 6 Frcs. nnd einem Zu schlag in Ser Höhe der persönlichen und der Moviliarsteuer, so daß der vom Dienste Befreite die doppelten direkten Steuern zu bezahlen hat. Dieser Steuer unterliegen: die zum Militärdienst Untauglichen, die Zurückgestcllten, die zu Hülfsdicnstcn Bezeichneten, die Dispensierten und die aus irgend einem anderen Grunde vom Dienste Befreiten. Befreit von der Steuer sind diejenigen, die wegen Ver wundung oder iin Dienste erhaltener Beschädigung auS dem aktiven Dienste entlassen worden sind, und die notorisch Erwerbsunfähigen. Man hat in vielen Truppenteilen des Reiches Berech nungen angestellt über die Höhe der Zulagen, «velcke im Durchschnitt die besser gestellten Familien der Soldaten leisten, und der königlich Württembergische Oberstleutnant a. D. v. Schmid, der im Jahre 1803 mit Entschiedenheit zur Einführung einer WeHrsteuer im deutschen Reiche cin- tixtt, hat auf Grund dieser Berechnungen angenommen, eine monatliche Zulage von 2, 3, und 5 also im Jahre 24, 30 bis 00 .6, bilde den Durchschnitt. Hat eine Familie, waS nicht selten vorkommt, gleichzeitig zwei Söhne im Dienste über kommen mehrere Söhne nacheinander zur Ableistung des Dienstes, so fällt auch die Geldleistung dieser Familien schwer ins Gewicht. — Noch mehr als bei den zwei- und dreijährig Dienende«« tritt das Opfer an Geld zu Tage bei den so sehr beneideten Einjährig- Frei willigen. Der Einjährige kommt zu einer Gefamtdienst- zeit von Mindestens 1 Jahr 40 Woche«« gegenüber der Dienstzeit von 1 Jahr 48—30 Wochen deS zweijährig Dienenden.' Man kann aber auuehmen, daß Sie Kosten deS einen Dienstjahres bei der nicht berittenen Waffe mindestens 1000—2000 betragen; nahezu ebenso hoch kann bet den im Erwerbsleben Stehenden der Entgang an Verdienst sich belaufen, und so ergibt sich für das eine Dienstjahr allein eine Gcvdletstung für Sen Betreffenden von 3200—4000 während der vom Dienst Befreite — und dies ist namentlich bet den zum Einjährig errdienst Berechtigten die Mehrzahl — ganz ruHtg in seinen« Er werbe bleibt. Bon allen Siefen geldlichen Verpflichtungen ist die Familie SeS nicht zum Dienste Herangezogencn be freit, sie genießt nach wie vor die Unterstützung und Mit. hülfe des Sohnes im Erwerbe. Dieser selbst bleibt in seinem Berufe tät-g, er kann ruhig seine fachmännischen Studien, seine Ausbildung zum zukünftigen Berufe weiter treibe«« und vollenden; häufig kommt er tm Kampfe um das Dasein demjenigen vor, der 2—3 Jahre lang seinem Be rufe durch den Dienst entzogen war und nun von neuem sich einer« Platz tm Leven erringen muß. — N ch viel e' « schneidender in das wirtschaftliche Leben gestaltet sich die Sache im Falle eines Krieges und es wird sehr häufig die Einberufung des Ernährers zu den Fähncn geradezu den Untergang der Familie zur Folge haben. Diese Momente verdienen mit in Betracht gezogen zu werden, wen«« die Frage der Einführung einer Wchr- stcucr demnächst wirklich ernsthaft diskutiert werden sollte. Deutsches Reich. «l. 8. Leipzig, 19. Oktober. Zwei Landesver ratsprozesse werde«« demnächst das Reichsgericht be schäftigen. Wie schon mitgcteilt, wurde der Terinin gegen den Handlungsretsenden Edo Becker aus Wolscnbüttel, vor den» vereinigten zweiten und dritten Strafsenat des Reichsgerichts, auf den 5. November angcsetzt. Nun ist auch i«« einer anderen bisher schwebenden Sache, die ebenfalls dei« Verrat militärischer Geheimnisse betrifft, vor demselben Gerichtshof Terinin auf de«« 6. No vember angcsetzt. Hierbei kommen vier Angeklagte in Betracht; es sind dies der Schachtmeistcr Leo Beck aus der Schweiz, der Kontrolleur Anton Bai und dessen Ehefrau aus Italien und der Erdarbeiter Josef Proserpio aus Italien. Diese Sache wird voraus sichtlich z«vei Tage in Anspruch nehmen. I.. Leipzig, 13. Oktober. Der E h r e n g c r i ch t s h v f für Rechtsanwälte verwarf heute nach sehr langer Verhandlung die Berufung der Oberstaatsanwalt- schäft gegen das Urteil des Ehrengerichts der Berliner Anwaltslammer vom 22. März d. I., durch welches Justiz rat Lello von der Anklage, sich gegen die Pflichten des Antvaltsstandes gelegentlich seiner Verteidigung Stern bergs vergangen zu haben, f r e i g e sp r o ch e n «vor der« ist. Berlin, 13. October. (Der Kaiser und die Boerenführer) Während die Boerenführer selbst bis zur Stunde ibre Sinnesänderung nickt aufgeklärt haben, verbreiten mehrere Korresponvcnten ans den Niederlanden Meldungen, die darauf berechnet sind, die Glaubwürdigkeit der von der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" veröffent lichten Note abtzlsckwächen. So telegraphiert man auS Amsleidam der „Rbeini'ch-Wesisälischen Zeitung", daß General De We« ine „Le ung" der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung, über die Audienz unwahr nenne. Tie „Nheinisck-Wesifäliscke, Zeitung" bemerkt hierzu: „DaS „Unwahr" kann sich nur auf die angebliche Hetzerei LeydS' beziehen". — Das ist nicht angängig, da die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" dwfen Punkt überhaupt nickt berübrt. Die „Nbein.-Wesls. Zt.z." entHälk außerdem eine at« authentisch bezeichnete Darlegung über die Angelegenheit der Audienz, worin u. a. erwähnt wird, daß die Boerenführer beim Kaiser ebensowenig wie bei andern Fürsten eine Audienz nachgrsucht halten. Dann beißt rS weiter: „Um so angenehmer mußten die Generale berübrt werden, als sie der Kaiser huldvoll wissen ließ, er sei bereit, sie zu enipfangen. Selbstverständlich haben die Generale an diesen Empfang keinerlei Bedingungen geknüpft. Es wurde jedoch von Berlin aus daran die Bedingung ge bunden, das der britische Botsckaster die drei Herren einführe". — In der vorstehenden Darstellung wird also den Tatsachen entsprechend darauf hingewiesen, daß der Kaiser den Wunsch, die Boerenführer zu scher., nickt ausgesprochen ' Mehr bloß seiner Bereitwilligkeit, sie zu empfangen, ver gewissern ließ. Wenn Weiler die Wendung gebraucht wird, „von Berlin auS" sei jene Bedinguna an den Empfang ge knüpft worden, so soll die fragliche Wendung anscheinend den Kaiser und den Reichskanzler, die beide damals nickt in Berlin waren, in Gegensatz bringen zum Auswärtigen Amte. In Wirklichkeit bal ein derartiger Gegensatz zu keinem Zeitpunkte bestanden. Die Darlegung in der „Nbeinisch-W.slsälischen Zeitung" fährt alsdann fort: »Diese Bedingung (der Einführung durch den britischen Bolschaster) ist aller dings geeignet, die Boeren mit den« Gefühle einer nieder» drückenven Abhängigkeit von England zu belasten...; sie entspricht den Gepflogenheiten, aber sie enthielt in diesem Falle die Möglichkeit unliebsamer Ueberraschungen. Dieie Bedingung mußte daher nach reiflicher Prüfung abgelehnt werden." — Mit der Ablehnung nach der »«sprünglicken An nahme haben sich die Boerenführer aber nicht begnügt, sondern ihrerseits nunmehr eine Bedingung gestellt, an die sie von vornherein „selbstverständlich" (wie eS oben beißt) nicht dachten. Was aber den Hinweis auf die Möglichleit unliebsamer Ueberraschungen anbetrifft, v. h. auf die Möglichkeit, daß der englische Botschafter die Einführung verweigerte, so hatten die Boerenführer gerade vom Boerenstandpunkte auS Großbritannien vor die Notwendigkeit, eine Entscheidung zu treffen, stellen müssen. Die ganze Welt wäre einig in ihrem Urteile gewesen, wenn Großbritannien seinem Botschafter in Berlin die Nacksuchung der Audienz ver weigert batte. Nichts aber von positiven Anbaltepunkten spricht dafür, daß England einen derartigen unklugen Streich be gangen haben würde. Nachdem der Kaiser seine Bereit willigkeit, die Boerenführer zu empfangen, kundgegeben, konnte sich das amtliche England «nit der Londoner Hetzprefse in diesem Stücke nicht identifizieren, ohne den Kaiser selbst zu verletzen. — Tie Darlegung der „Rbein.-Westf. Zeitung" säbrt schließlich fort: „Es mag die Erwägung hinzutommen, daß ein solcher Empfang, durch den britischen Botschafter ver mittelt, den Generalen von ihren« Volke verübelt wäre, welches einen Gegensatz gegen den nicht durch Großbritannien euigefübrlen und nicht empfangenen Krüger herauslesen mochte." — Hier ist ein weiteres Anzeichen dafür gegeben, daß die „Unversöhnlichen", mögen sie nun Di'. LeydS oder sonstwie heißen, die Sinnesänderung der Boerengenerale herbeigesüvrt baden, wenn nicht gar die Vermutung zutrifft, daß die Boerengenerale den Wunsch, vom Kaiser empfangen zu werden, ursprünglich gar nicht gehabt, später erst von einer die Ablehnung eines etwaigen Gesuche« wünschenden Seite zu einer unter der Hand an den Reichskanzler grrich- «elen Anfrage sich enischlosien hätten und dann, nach Empfang der von der „Nordd. Allg. Ztg." mitgrteilien Antwort, von derselben Seit« unter allerlei Vorwänden zu ihrem Verzichte auf ein Gesuch bewogen worden wären. Die Versuche, die hie und da gemacht werden, alle Schuld an den« Verzichte dem deutschen ReichSoberhanpte und seinen Ratgebern in die Schuhe ,u schieben, unterstützen diese Vermutung. * Berlin, 13. Oktober. (Karlsruhe unbBer- l t n.) Lett bekannt geworben ist, baß bte badische Negie rung ihre Schwenkung in der Klosterfrage auf Betreiben von „Berlin" vollzogen hat, richten sich die Blicke begreif licherweise mit besonderen« Interesse auf die Vorgänge in Baden. Dort ha« die Nachricht die Offiziösen neuen« c. 'i r uttgefpornt, aber auch die Liberalen, c. . >: le greiflicher Sorge au die Folge einer Begünstigung der klerikalen Bewerber durch die Regten,ng bet bei« nächsten. R e i ch s t a g s w a h l e n denken. Da vorauszusehen ist, baß in Preußen die Klerikalen ähnlicher Bevorzugung sich erfreuen werden, wie künftig in Baden, so ist eS von allgemeinem Interesse, über die jetzt im „Ländle" unter den Liberaler« herrschende Stimmung unterrichtet zu werden, die besonders klar in einer dem „Hann. Kurier" aus Karls ruhe Angehende«« Zuschrift zum Ausdrucke kommt. Sie lautet: „Klöster um jeden Preis, das ist heute die Parole der badischen Offiziösen. Während die an gesehene liberale Presse Süd- und Nordbentschlandö bereits mobil gemacht hat, um das Ihrige zur AuScinander- sprcngung des buntscheckigen Ministeriums Brauer- Oi eiuhard beizutragen, machen die badische«« Leisetreter noch allerlei Anklammerurigsversuche. Ji« die Enge ge trieben, erklärt jetzt der Karlsruher Offiziosus ii« der „Straßburger Post" ganz beherzt, die Negierung werde Kautcleu fordern zur Verhinderung einer allzu großen Vermehrung der Klöster. Also grundsätzlich hat inan nichts gegen die Klöster mehr eitizuwendci« und versucht sich nur noch «nit den berühmten Kautclcn wichtig zu machen, FerrNletsn. Unsere Hochzeitsreise. Eine heitere Geschichte von Hermann Heyer m ans. Ins Deutsche übertragen von E. Otten. Nachdruck verboten. Sic saßen bei einen« Glase Wein zusammen. „Eine ganz verrückte Geschichte", sagte mctn Freund, „ich war so arm, wie Hiob, als ich heiratete, und meine Frau hatte auch kein Geld. Wir hielte«« nach der Ver lobung großen Empfang ab mit Madeira, Portwein und mehreren Torten. Alles ging ganz etikettemäßig vor sich, denn meine Schwiegereltern waren angesehene Bürgers leute, und die Blutsverwandten meiner Frau besaßen sogar einige Effekten. Bei dem großen Empfang beging meine Brant de«« unverzeihlichen Fehler, aufzuschneidcn, indem sie, als eine Freundin sic fragte: „Und wohin werdet Ihr denn Eure Hochzeitsreise machen?" «nit einem allerliebsten Lächeln und kecker Stirn antwortete — die Franc«« ver stehen ja so gut mit einander umzugehen —: „Wir fahren über Brüssel nach Paris und wahrscheinlich noch auf ein paar Tage nach Wien." „Aber Trubchcn . . «mterbrach ich sie. Sie, immer mit dem gleichen reizenden Lächeln, schnitt meine Ent gegnung einfach ab und fügte ihrer« dreisten Unwahr, heiten noch eine weitere hinzu, indem sie bemerkte: „Und von Wien kehren wir jedenfalls über Frankfurt zurück..." Ich wollte noch etwas sagen, aber da fügte meine Schwiegermutter mit gewinnendem Lächeln hinzu, daß daS „eine große Reise für die Kinder sei". Nach der einen Freundin kam die andere. Immer wieder Gratulationei« und Händeschütteln und immer wieder die Lüge, daß «vir unsere Hochzeitsreise nach Paris und Brüssel machen und über Wien nach Frankfurt reisen würden. Sie wiederholten das alle so ruhig, daß ich nach meinem dritten Glase Portwein als glücklicher Bräutigam meinen eigenen Freunden diese Lüge aufzutischen und mit dein größten Aplomb mit Jan, Dirk und Hein über Paris, Wien und »Frankfurt zn sprechen begann. Auch «nit Georg. Daß ich jemals so dumm sein konnte! War das dritte Glas Portwein schuld daran, oder die Gewohnheit, zir lügen? Ich weiß cs nicht. Georg sah mich lächelnd an. „Nach Paris und Wien?" fragte er verwundert. »Ja, nach Parts und Wien, und vielleicht machen wir noch einen kleinen Abstecher nach Nizza", log ich unver froren. „Davon hast du mir ja nie erzählt", sagte Georg. „Es sollte eilte Uebcrraschung für meine Frau sei««", be merkte ich erklärend. „Du wirst dich möglicherweise entsinnen, daß ich in« Anfang meincrEhc in der Jan Steen-Straße gewohnt habe, und wenn ich dir nun noch sage, baß Georg uns in möb lierten Zimmern gegenüber wohnte und ein Balkonfcnster hatte, dann kannst bl« dir ungefähr vorstellcn, wie dumm es von mir mar, auch stkorg -n beschwindeln. Denn wir gingen natürlich nicht auf Reisen. Die Mutter meiner Kran hatte diese Lüge erfunden, um ihre Verwandten glauben zu lassen, daß ihr zukünftiger Schwiegersohn tüchtig Geld verdiene, und Nun saßen wir drin tu der Patsche." Die Hochzeit «var vorüber. Mein guter Schwieger vater hatte seine letzten Groschen hergegcben, um keinen« Stande keine Unehrc anzutun, und in einer Droschke für zwei Gulden — Nachttarif — führe«« wir nach der Jan Steen-Straße, Nummer so und so viel. Georg war noch nicht zu Hause. Er tanzte noch auf unserer Hochzeit! Seine Fenster waren noch dunkel. Wir schlichen in unsere Wohnung. Diese bestand aus einer Küche und einer Schlafstube nach hinten, einem Wohnzimmer und einem kleinen Salo«« nach vorn heraus. Der erste Tag war so glücklich, so göttlich! Die Beschreibung will ich unterschlagen, den«« nirgends gibt es mehr Traditionelles, als in dem Leben und Treiben funger Eheleute. Aber schor« am nächsten Tage gegen Abenb begannen die Oualen und das Elend. Wir hatten natürlich darauf ge rechnet, etwa vierzehn Tage ganz für uns allein zu bleiben, ein paar Bädeker burchzulesen und dann von Wien oder Nizza heimzukehrcn. ES war alle» im Hause, nur kein Brot. Aber man kann auch gar zu leicht etwas vergessen. Auch Streichhölzer fehlten. Ich wartete bi» zur Dämme rung, schielte durch die Tüllvorhänge, und sah Georg blaß nnd verkatert von meiner Hochzeit auf dem Balkon sitzen nnd eine Pfeife rauchen. Anderthalb Stunden wartete ich, dann ging er ans, nnd ich schlich ai« der« Häusern ent- lang in ein Kolonialwarengcschäft, kaufte drei Packetc Streichhölzer und „fuhr" dann rasch wieder nach Brüssel zurück! Im Wohnzimmer ließe«« wir zunächst die Vorhänge herunter, bann steckte ich das Licht ar« und ging darauf aus übertriebener Vorsicht auf die gegenüber liegende Leite -er Straße, urn festznstellen, ob das Licht zu sehen fei. ES war zu sehen, die Vorhänge liehen Licht durch, ich flog die Treppe hinauf, hing eine Decke vor jedes Fenster, in spizierte von neuem und — Gott sei Dank! jetzt «var cs schwarz wie die Nacht. Wir verbrachten einen gemütlichen Abend zu Hause — bis um halb zwölf geklingelt wurde. Wir erschräke«« furchtbar. Während mir für nichts anderes Augen hatten, als für einander, war eine der Decke«« vom Fenster abgerutscht. Ich hörte Georgs bekannten Pfiff. Wie ungezogen! Rasch schraubte ich die Lampe herunter, steckte die Decke fester, ließ ihr« zwei, dreimal klingeln. Wir waren und blieben in Brüssel. Am nächsten Tage sollten wir nach Paris gehen, und wir würden unter keinen Um ständen daran denken, die Reiseroute zu ändern. Tagsüber waren wir vollkommen ruhig. Vor den Fenster«, hingen Tüllgarbincn, hinter denen man sich so viel bewegen konnte, wie man wollte. Aber abends ging immer wieder dieselbe Geschichte los «nit den Decken und den Licht durch lassenden Ritzen. Und immerzu fehlte etwas. Es ist gar nicht so leicht, vierzehn Tage cingeschlossen zu leben. Und wenn die Dämmerung hcreinbrach, mußte ich cinmal dies und ein andermal jenes holen. Das Petroleum mar zu Ende. Ich holte Petroleum. Der Käse wurde alle. Ich holte Käse. Und das auf die schlaueste Art und Weise, um nicht von der« Nachbarn, namentlich nicht von Georg, ge sehen zu werden. Die siebente Tag war der Tag des fürchterlichsten Elends. An jenen, Tage wollte ich meiner Frau in der Wirtschaft helfen, und sah einen Topf mit Salz und dann noch einen Topf mit Salz stehen. Salz gehört zu Salz, dachte ich, und eifrig räumend, mengte ich den Inhalt der beidenTöpfe durcheinander. EinMann sollte sich niemals in Küchenangelcgcnhcitcn «Nischen, am allerwenigsten auf seiner Hochzeitsreise. Ich Hatte Soda und Salz zusammen geschüttet, nnd nun saßen mir ohne Salz da. Au jedem Mittag aßen wir Büchscnhunnncr, kleine Bohnen und altes Brot. Reis und Kartoffeln konnte«, nicht gekocht werden, dazu gehört Salz, wie ich damals erfuhr. DeS Abends wollte ich Brot, Salz nnd ein Stückchen hollän dischen Käse holen, aber Georg, der Elende, saß von sieben bis elf Uhr arbeitend vor seinem Fenster, immerfort unsere Tür und unser Fenster im Singe behaltend. Wie furchtbar häßlich ist Georg doch, wenn man ihn so sitzen sieht! Trnd- chen nennt ihn ein Monstrum. Man stelle sich vor, der achte Flitterwochentag! ohne Salz, ohne Brot, ohne Petroleum, und den ganzen Tag über Georg studierend an seinem Fenster, als könne er jetzt plötzlich seine Faulenzerei von früher nicht schnell genug wieder gut machen. Unser erstes Frühstück bestand aus Zwieback nnd Bnchscnzungc, wir aßen zum zweiten Frühstück Zwieback und Büchscnzungc, zum Mittagessen mußtc wieder Büchsenzunge herhalten, dazu ReiS ohne Salz. Nicht gerade angenehm! Wir waren genötigt, bis halb Zehn in, Dunkel«« sitzen zu bleiben, da erst stand Georg auf — durch unsere Tüllvorhänge konnten wir jede seiner Bewegungen beobachten — kleidete sich an und ging zur Tür hinaus. Kaum zwei Minuten später fliege ich die Treppe hinunter mit der Petrolcuinkannc in der einen und dem Einhvlkorb in der andern Hand. Trudchen hatre mir einen großen Befvrgungszettcl inAgegegen: zehn Liter Petroleum, drei Pfund Salz, ei«, Psund Soda, zwei Pfund grüne Seife, für drei Cents Zinnnt, ein viertel Pfund Käse und ein Päckchen Haarnadeln. Ich hatte Trndchcns Nadel», alle verbraucht, um Bilder aufzuhängeu. Ich kaufe alles, gehe keuchend zurück. Scheußlich schwer, so ein voller Pctrolcnmkrug und ein Einholkvrb randvoll mit Kolonialwaren! Beinahe zn Hause angclangt, fallen mir plötzlich die Haarnadeln ein. Ich gehe noch ein Llückchcn weiter, kaufe ein Packet, keuche nach Wien zurück und — ich irre mich nicht — höre mit einemmal Georgs Pfiff von der gegenüberliegenden Seite der Straße. Er «var schon wieder zu Haufe, lehnte sich weit über die Balkon brüstung: „Heda, du! Hans, HänSchcn!" rief er. Ich, völlig unzugänglich, stocktaub, stecke den Haus schlüssel ins Schloß, öffne die Tür und werfe sie hinter mir zn. Eine halbe Stunde darauf klingelte er. Wir ließen ihn ruhig klingeln. Zum Kuckuck auch, wenn jemand sagt, dos« er ii« Wien ist, dann hat er doch wirklich wohl das Reckt zn verlangen, daß man ihm glaubt. So war Georg nun! Und so hat er nnS während all der übrigen Tage noch ge quält, während wir von Wien nach Frankfurt, von Frank furt nach Köln nnd von Köln nach Amsterdam reisten. An« scchszclinten Tage sind wir vorschriftsmäßig auf den, Zentralbahuhofc «„gekommen, von der ganzen Familie aufs herzlichste empfangen. Man fand, daß wir ein wenig ermüdet von der Reise aussähen. Sofort begann eine alte Tante Trudchen über Paris zn interviewen, und ich börte meine Fran die Dummheit sagen: „. . . . O Tante, der Montblanc — sic meinte Mont martre — in Paris ist wirklich zu schön!" Und dafür habe ich sie fünfzehn Tage lang im Bädeker lcstn lasten; dafür haben wir uns zwei Wochen lang ein- geschlossen! Aber am unausstehlichsten war Georg, der schmunzelnd meinte, daß ich sehr braun geworden sei. Der Schurke, der Verräter!" Seufzend trank Hans sein Glas anS.
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