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87. Jahrgang. Ar LS8. vezuzS-Ärbühr viertellShrl. sLr Dr«»- d«. d«i liiglich,»«>. mali»«r Zuiraaung <an Sonn- und Monlaarn nur einmal» r,K0 Ni, durchauowdnlge Nom- mHIioniire l,i»z.l>c> M. Sri «inmaiizer Zu- stellung durch d>« Post rM.<ol>»«B«fteIlgeldj. Luolond- Oester. »Ich-Ungarn S,<i> tir., Schweiz b,l-L Fit»., Italien 7.17 Lire. — Nachdruck nur mit deutlicher Quellen angabe < Dreedner Rachr.">zulIIIig. - Un- oerlangle Manuskripte werd.nichiausdewalirl. Telegramm-Adresse: Nachrichte»« Dresden. Eammelnnmmer sür sämtl. Telephonanschlüsse: 25241. Nachtanschluß: 11. Freitag» LS. August ISIS. Geg^LrrröeL 18L6 Druck und Verlag von Liepsch L Reichardt in Dresden. Irl86ti-i»ün». Lscl. Linri^e ^nlsxse ckieser -^rt, j-Ieiclimässi^ sus- «trsklencke V/ärme ohne bteirlcörper, ckaker ciss empkeklens^erteste Schwiirkaci Ilmllit Anretnen-Tartf. Annahme »an Ankün digungen bl» nachm, d Uhr, Sonntag» nur Marienstrahe bs »an I > di, >/»> Uhr. D>« einspaltige Zeile <etwa n Silben, iiv Ps. dt» zweispaltige Zeile aut Terlseile 70 Pi. die jweijpall. Neklani,leite I.b» M . Familien. Nachrichten au, Dres den die einspalt. Zell« LL Ps. - In Nun,- mern nach Sonn, und Feiertagen erhbhier Tarti- — AuswLriige AuiirSge nur gegen Borauibezahlung — Je de, Belegblatt U) Ps. Hauptgeschäfts stelle: Marienstraße 58 40. vWsliM Li— MlMIW. ttornksut, usvv. so pse,m>8 Versand nach ausvärts. LölllLl. Lolspoldeke. Vrv8üell-^.. Seorxevtor. Ore5äner ^e1äscliIÖ88c!ien - bleibt unübertroften! /imoprleu v ktutoLcirläuLbe verrter, Lacbgernckll repariert VtzirrverLwnLLe re? 2S -—- Lclle 4r.siirbLrctIrrcrLa« MM- ^.ET-4 Mutmaßliche Witterung: Keine Aenberung. Der König tras gestern ngchmittag mit dem Kron prinzen und dein Prinzen Friedrich Christian in Sibytlenort ein. Das Kaiserpaar kam gestern ngchmittag in Bres lau an, wo es von» Oberbürgermeister Mailing begrüßt wurde: der Kaiser bczeichnete in seiner Antwort -as deutsche Heer als den Hauptpfcilcr des europäischen Friedens. Die polnischen Zeitungen in Posen ver sichern, daß von einem Kompromiß mit der Negierung keinesfalls die Rede sein könne. Die österreichische Borlage über die Er höhung des R e k r u t e n k o n t i ng c n tö um 40000 Mann wird den Parlamenten in Wien und Budapest erst im Frühjahr 1014 unterbreitet werden. Die österreichische und die italienische Re gierung haben ihre Delegierten, die sich zur Feststellung der (Grenze Cnos-—Midia in Konstantinopcl auf- hieltcn, a b b c r n f c n. Der Zar hat es. nach einer englischen Meldung, ab gelehnt, ein Handschreiben des Sultans in Empfang zu nehmen. Die Pariser Finanzkonfcrenz wird voraus sichtlich Ende Oktober wieder zusammcntreten. Den belgischen M anöver n liegt in diesem Jahre als leitende Idee der Einmarsch eines deutschen Heeres zugrunde. Die von Deutschland angeregte „Titanics-Konfe renz findet aus Einladung der englischen Negierung Mitte November in London statt. Die amerikanische Regierung wies ihre Kon suln in Mexiko an, abrcisendcn Amerikanern jegliche Unterstützung zu gewähren. Ser Kaiserbesuch in Pose« und die Lstmarkenvolitil. Von der Kclheimcr Feier mit ihrer glanzvollen natio nalen Kundgebung, mit ihrer vaterländischen Weihe und hohen historischen und föderativen Bedeutung ist der Kaiser in Begleitung des bayrischen Prinz-Regenten nach der Ost mark gefahren, um das kaiserliche Banner an den Ufern der Warthe aufzupflanzcn, um -Hof zu halten im herrlichen Bau der Poscncr Kaiserpfalz und Heerschau abzuhaltcn über die waffenfähigen Söhne des Landes Posen. Wie in den Zeiten des deutschen Mittelalters die deutschen Kaiser gen Osten ritten, um den Glanz ihrer Kaiser-Herrlichkeit auch an den Grenzen des Reiches zu zeigen und den slawisch durchsetzten Winkel deutscher Erde inniger mit dem Rcichsganzen zu verschmelzen, so hat auch in unseren Tagen der Träger der Krone Preußens und das Reichs oberhaupt eö sich zur Gewohnheit gemacht, öfters, wenn möglich jedes Jahr, die Ostmark zu besuchen und durch seine Gegenwart daselbst zu bekunden, dast ihm dieses Stück deutscher Erde ebensosehr ans Herz gewachsen ist wie beispielsweise die sonnige Rhcinprovinz oder die sandige Kurmark, daß seine landesväterliche Fürsorge und Huld auch die Grenzmark mit besonderer Liebe umfaßt. Tie Provinz hat bereits zahlreiche Beweise seines kaiserlichen Interesses und seiner königlichen Obhut erhalten. Der Bau der Kaiserpfalz in der Stadt Posen ist der sichtbarste Beweis dafür, daß Stadt und Land als unvcräußerlichcr Stamm am deutschen Reichsbaumc angesehen werden. Auch diesmal hat der Kaiser wieder in seiner Pfalz sein Lager aufgcschlagen und eine Reihe von rauschenden Fest lichkeiten fanden in ihren mit kaiserlicher Pracht auö- gestattetcn Gemächern statt. Aber die Festlichkeiten haben ihr Ende erreicht und es wird nichts zurückblciben als eine flüchtige Erinnerung und ein Gefühl vorübergehender Hochstimmung für die deutsche Bevölkerung von Posen. Ter Staatsmann und Politiker muß weiter sehen und fragen, was mir als un vergänglichen Wert dieser Kaiscrtage buchen sollen, denn mit Fansarengeschmcttcr und Hurrarufen allein macht man keine nationalen Eroberungen in einem vom Nationalitätcnstreit zerrissenen und gefährdeten Grenz- lanüe. Die Verhältnisse in der Ostmark sind schwie riger denn je geworben, und die staatlichen Notwendig keiten verlangen gebieterisch eine dringende Lösung. Ge wiß hat der Kaiser wieder in herzlichen Worten seiner Zu- »eigung sür die Provinz Posen und seiner Hoffnung Aus druck gegeben, daß die Provinz sich immer mehr zu einem festgefügten, zuverlässigen Gliedc des preußi schen und des deutschen Vaterlandes entwickeln möge, und er hat die sicher beherzigenswerte Mahnung an die Posc- ner deutscher und polnischer Zunge gerichtet, fest zu stehen in Liebe zur Heimat und in Treue zu König und Vater land. Solche Worte, die ihre Spitze deutlich gegen die polnische Jrredcnta richten, sind auf dem heißen Boden der Ostmark wohl angebracht, aber sie sind in ihrer Art doch nur Worte, bei festlicher Gelegenheit gesprochen, ohne nach haltige Wirkung für die Zukunft. Sie lassen vermissen das feste Bekenntnis der preußischen Krone, daß die Regierung die deutsche Bevölkerung in ihrem schweren Ringen um Existenz und Nationalität unter stützen, ihr mehr als bisher helfen werde, den Boden der Provinz Posen gegen die polnische Hochflut zu verteidigen. Die deutsche Bevölkerung in der Grenzmark erwartet Taten, nicht Worte. Denn allzu sehr drückt die Sorge auf ihr, daß sie von der Regierung wieder einmal im Stiche gelassen werde, daß die Negierung aus die von dem großen Kanzler eingclcitete. von Caprivi verlassene und von BUlow wieder aufgenvmmene Politik der festen Hand, der ruhigen, sicheren Fortführung der Au st e d l nn g s p o l i t i k verzichten und den unseligen Ver söhnungskurs wieder steuern wolle. Das in schöner Stunde gesprochene Wort des Reichskanzlers v. Bethmann- Hollweg „nnngnam rotrorsnrn" hat durch die Ereignisse einen leidigen Beigeschmack bekommen, und das Vertrauen zur verantwortliche» Stelle, das unter Biilow in schönster Weise die Arbeit in der Ostmark befruchtete, ist schwer er schüttert, und nirgends ein Strahl der Hoffnung, daß cs besser werden würde. Die Tatsachen sprechen eine be redte Sprache gegen das „nunguaw rotror-ww". Was soll cs beispielsweise bedeuten, daß das wichtige Amt des Präsidenten der Ansicdlungskommission seit fast zwei Monaten unbesetzt ist, daß die Geschäfte der Kom mission von einigen Rcgicrungsrälcn und dem Obcr- präsidcntcn Dr. Schwartzkopf im Ncbcnamtc besorgt werden'? Der sonst übliche Vortrag des Präsidenten dieser Orga nisation vor dem Kaiser ist in diesem Jahre ausgefallen. Hat sich niemand gesunden, der den Kaiser auf diesen Mangel aufmerksam gemacht hat'? Im preußischen Abge ordnetenhaus«: ist in der letzten Session ein Antrag Viereck angenommen worden, der die Regierung zu einer inten siveren staatlichen Fürsorge sür das Deutschtum in den ostmärkischen Städten anssordert. Tic Negierung hat sich zustimmend geäußert, aber der Antrag steht noch aus dem Papier, geschehen ist nichts. Das P a r z c l l i e r n n g s - ge setz, das seit langem angckündigt ist, steht immer noch ans. An der Pojener Akademie sind zwei Lehr stühle verwaist, darunter der wichtige Lehrstuhl sür Geschichte. Die A n s i e ö l u n g s a r b e i t geht zurück, trotz dem die Zahl der sich bewerbenden Ansiedler den Bedarf bei weitem übersteigt. Im Jahre 1!>lO konnte von der grvhcn Zahl der ansicdlnngslnstigen Bewerber noch jeder sechste bis siebente berücksichtigt werden, 4911 nur noch der zehnte. 1911 wurden noch 1443 Aiisicdlcrstellcn vergeben, ein Jahr später nur noch 884, wobei bereits 59 Hansler- stellcn und 244 Arbeilerstellcn mitgczühit sind. Der Rückgang beträgt mithin fast 40 Prozent. Eine Auf füllung des Ansicülungsfonds ist auch nicht mehr geplant. Aus die Durchführung des E n t e i g n n n g s g e s c tz e s hat man ganz verzichtet, und doch ist eine Ansiedlungspolitik großen Stils heute ohne Enteignung nicht mehr möglich. Es scheint, als wenn der „Abbau" der Ansiedlungspolitik jetzt planmäßig betrieben wird. Das alles sind erschreckende Taten und Tatsachen. Große staatliche und nationale Verte stehen aus dem Spiele in der Ostmark. Es ist fast nicht möglich, daß ihre Bedeutung auf die Tauer verkannt wird. Aber zurzeit fehlt, wie man annchmcn muß, die Entschlußkraft an den beteiligten Stellen. Der V c r s ö h n u n g s g c d a n k c treibt wieder ein mal seine wunderlichen Blüten, und das trotz der schlechten Erfahrungen, die man mit ihm vor 20 Jahren gemacht hat, trotz aller blutigen Lehren von 1830, 1848 und 1863. Mit Unbehagen sieht der deutsche Bürger und Bauer im poscnschen Grcnzlande die behördliche Um schm ei che- lung des polnischen Adels. Der Obcrpräsident der Provinz befriedigt seine Iagdliebhabcrci mit Vorliebe auf den Gütern des polnischen AdelS. was gewiß über flüssig ist und eine offenbare Zurücksetzung des deutsche» Großgrundbesitzes bedeutet. Man bemüht sich bei den leitenden polnischen Persönlichkeiten um die Ausschmückung des polnischen „BasarS* in Posen aus Anlaß der Kaiser- »tagc. Zum Dank dafür erhalten 38 polnische Adlige Ein ladungen zur kaiserlichen Hostascl, die auch angenommen werden. Es hat sicher aus diesem Anlaß nicht an Leuten gefehlt, die am kaiserlichen Hofe die Vorstellung erweckt haben, daß die Polen „gar nicht so schlimm", daß sie ein harmloses Völkchen, daß sie königs- und kaisertreu seien und daß eine Politik der leisen Hand sür ihre Behandlung das richtigste sei. Die bekannte Zuvorkommenheit und Liebenswürdigkeit der polnischen Adligen ist sa leider nur allzu geeignet, diesen Schein zu verstärken. Es wäre von den verhängnisvollsten Folgen begleitet, wenn eine Auffassung, wie sic eben angedcntct ist, in der Zukunft an den leitenden Stellen Preußens und des Reiches um sich greifen wollte. Jeder Kenner der ostmärkischen Verhältnisse weiß es, daß die polnische Aristokratie seit langem ausgeipiclt hat in der polnischen Volksgemein schaft, daß ihr Einfluß gleich Null oder gering ist und daß sic, selbst wenn sic wollte, ihren Einfluß nicht in Preußen- und staatsfreundlichem Sinne geltend mache» könnte. Nicht der polnische Adel ist das gefährliche Element in dieser Volksgemeinschaft, sondern die starke polnische Mittelschicht, sie, die erst unter dem Schutze des preu ßischen Adels groß gezogen worden ist und an den Seg nungen der deutschen Kultur sich cmporgcarbcitct hat. Sic hat das Heft in der Hand, sie ist die Seele der polni schen Jrredcnta, die auf Loslösung von Preußen und Wiederaufrichtung des alten Polenrcichcs hinarbeitet, sie boykottiert das Deutschtum in Stadt und Land, terro risiert die deutschen Gewerbetreibenden und betreibt die planmäßige Abschlicßung der Polen von den Deutschen, wobei ihr die polnisch-katholische Geistlichkeit hilf reiche Hand leistet. Tie Presse dieser Schichten und Par teien ist cs gewesen, die vor den Kaiscrtagen die wüste sten Hetz- und Schimpsartikcl gegen Staat und Krone Preußen brachte, die die Aufforderung zum Schmücken der Häuser mit Hohnlachen beantwortete und die polnische Fraktion in der Stadtverordnetenversamm lung der Stadt Posen beeinflußte, daß sic jegliche Beteili gung an den Kaiserseicrn ablehntc. Diese Leute haben einen deutlichen Strich zwischen sich und allem, was deutsch heißt, gezogen. Ein Entgegen kommen hieße nur ihren Großmannsdnnkcl stärken und ihre Forderungen ins llngcmcsscnc steigern. In der demokratischen und radikalen Presse Polens haben wir das Spiegelbild der wahren Gesinnungen der großen Mehrheit der polnischen Bevölkerung. Aus ihr kann man erkennen, wohin die Reise geht und was den Deutschen nvttut. Bon diesen unentwegten Nationalpolcn hat der Kaiser keinen an seiner Tafel gesehen, aus ihren Häusern ist ihm kein freudiger Willkomm entgegcn- gcllungen. Nur keine Schwächlichkeiten, nur keine Sen timentalitäten. Caveant eonsules . . .1 Die polnischen Zeitungen in Posen versichern, daß von einem Kompromiß mit der Negierung absolut nicht die Rede sein könne. Der von den Radikalen der polnischen Intelligenz vielgelcsene „Knrycr" sucht die Bcr- söhnungspvlitik ins Lächerliche zu ziehen. Die „Deutsche Tagesztg." schreibt zu den Kaiscrtagen in Posen n. a.: Trotzdem «trotz der feindlichen Haltung der führenden polnische» Presset kann man wohl der Hoffnung Ausdruck gebe», daß die Poscncr Kaisertage wenigstens etwas zur Anvahnnng der Versöhnung bcigctragcn haben. Die Ostmark wird deutsch bleiben. Daran ist nicht zu rütteln. Die Provinz Posen ist mit Prcustcn und dem Deutschen Reiche untrennbar verstunden. Tic Kultur must deutsch bleiben. Jeder Versuch, die Kultur ihres dcut- scheu Wesens zu entkleiden, wurde jämmerlich Schisfbrnch erleide». Damit müssen sich die Polen absinden. Wir Deutschen sollen aber immer das Ziel im Auge behalten, dast eine Versöhnung der Nationalitäten und Konfessionen notwendig ist. Wer dies Ziel niemals ans den Angen ver liert, der wird sich nutzloser Härten enthalten, die Gegen sätze verschärfen, die doch womöglich gemildert und übcr- briickt werden sollen. Die „Tagt. Nundsch." schreibt nach Wiedergabe verschie dener Einzclfälle über die Stimmung der Polen: lieber die Stilinnung der erdrückenden Mehrheit der polnischen Bevölkerung kann also ein Zweifel nicht gut möglich sein. Um so trauriger, ja um so bitterer wird cs in den weitesten deutschen bewußten Kreisen cmpsundcn werden, daß die fticrderblichc Aera Schwartzkopffs durch die hohe Auszeichnung, die der Obcrpräsident erhielt, gewissermaßen eine kaiserliche Bestätigung erfahren Han Aus die Arbeit der Ansicdlungskvmmission ist das Auge des Kaisers nicht gefallen. Ten treuesten Kämpfern der Ostmark ist mit keinem Worte gedankt worden. Man weiß jetzt, was die neue Glocke geschlagen hat. Friede war ihr erst Geläute, ein „Frieden", an den wir einst denken wer den und der uns teuer genug zu stehen kommen wirk».