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Zonnlag, 25. ^uni 1922 G Deutscher Trost. E» ist «l», Wahrheit au» alte» Tagen» Wie sollen nicht ängstlich da» Schicksal befragen, TOüc sollen mit stolzem Willen »» tragen. E» ist rin« Koffnung für kommend« Zeiten r Ä>tr könn«n nicht selbst unser Schicksal leiten, E» ist uns bereitet s«it Ewigkeiten. So wollen wir harren der Zukunft Schalten, 2Ticht beugeu da» Kerz den Erdeugewalten Ilnd nimmer verzagen — Li» wir erkalten. Jranz Earl Eodre». Die Aosennacht. Legende von Max Zeibig, Bautzen. In jener wundersamen Zeit, da der Früliltna sich heim lich zum Sommer schmeichelt, da ein sanftes Licht die Rächte vte völlig dunkel werden lässt und bas Geschelicn des Tages fast sichtbar hell und verklärt weitcrträumt. bis endlich trost reicher Schlaf alle milden Augen deckt, geschieht das Wunder -er Noscnnacht. Ganz leise nnr rauschen die Wälder, und auö dem grünen Korn kommt e"ine zärtliche Mckodic, ein Adagio, so blau wie die Enanen, die am Rande bliil-eu, und io rot wie -er Mohn, der in brennender Liebe durch die Halme schwärmt. Die Wirsen aber, die Büsche und Hecke,,, lassen sich vom Fluss ein vergessenes Märchen erzählen. Tieft' Glocken der Ewigkeit klingen darein. Die entschlummernde Welt ist von Frieden gesegnet. Um diese Stunde tnt sich der Himmel ans. Lichte Ge stalten schweben in Schleiern und weihen Gewänden herab auf die verträumte Erde, während göttliche Musik von droben den seligen Reigen beschwingt. Die Gestalten sind die Seelen jener Frauen, der holde sten und edelsten und reinsten, die je Uber die Erde gewan delt: Ruth, Maria und Martha und die Mutter Maria, die heilige Elisabeth und die fromme Königen Luise, und ach, auch unsere Mutter ist dabei .... und sic führen all die, deren Augen einmal voller Güte, deren Tn» lauter Milde und deren Hände unbegrenzte Sorgsamkeit waren, und führen sie zu ergrünenden Büschen, die über stillen Gräbern sinnen, die Gärte» und Beete anmutig zieren nnd die wild am Wege wuchern. Dort lösen sic. behutsam, als hätten sie zerbrechliches, feingesvonneneS Glas in de,, Händen, ans den Falten ihrer Schleier zarte Blumenkörver, die ihren Seelen gleichen: weihe, die voll Unschuld und köstlicher Nein- heit sind, gelbe, die von verhaltener Leidenschaft und durch weinten Nächten erzählen, rote, die beglückende Freuden der Liebe wissen, und blasse, die des Lebens wilde Kindlichkeit bitter bühten. Alle Schönheit, die der Himmel zu vergeben hat. alle Farben, alle Formen und allen Duft schenken sie — wie einst ihr Leben Nichts als Schenken war — und geben allen Reichtum himmlischer und irdischer Liebe dazu. Manch mal, wenn sic nicht vorsichtig genug, daS eigene Selbst ganz vergessen, vitzt ein Dorn ihre feinen schmalen Hände und ein Tropfen roten BlutcS füllt zur Erde. Dann fliehen wohl Tränen hernieder: aber die sind am Morgen funkelnde Edelsteine in goldenen Kelchen und kristallenen Schalen. Ein kleines irdisches Stündlein verweilen die ver storbenen Seelen und sinnen und träumen in schmerzlicher Wehmut von längst verblichenen Erdcniahrcn. Und ob ihr Leben Freud oder Leid gewesen, die Erinnerung verklärt alles zu einem unvergchlichcn Glück. Wenn die erste kühle Frühe des nahenden Morgens die Erbe schreckt, entschweben die himmlischen Gestalten leicht und leise, wie sie gekommen, zu jenen Höl>cn. da ihre eivige Heimat ist. Mit einem Blick voll unendlicher Liebe geben sie der Erde zun, lebten Riale Grus, und Segen, bis sie glanz- und lichtumflosscn in Gottes Arme eilen. Die Sterne verblassen. Die Wälder rauschen stärker. Der Morgen tut den ersten tiefen Atemzug. Glühend steigt die Sonne auö dem feuchten Dämmer emvor und wirst Gold und tausend Farben über den Himmel hin. Die Welt erwacht mit brausenden Akkorden. Die Menschen aber blicken staunenden NuaeS in den jungen Tag. Sie haben die Noscnnacht verschlafen. Nosen- büsche blühen an allen landen. Und die Herzen zittern neuen ungeahnten Wundern entgegen. In einem einsamen Garten schreitet eine blasse, stille Frau versonnen dnrch all die blühende Schönheit. Eine Königin ihres Geschlechtes! Bor einer tief dnnkclroten Rose bleibt sie stehen: denn aus der Blüte blitzen Tränen. Demütig neigt sie ihr Hanvt unter einer schweren vlonden Krone. Ihr Mnnd lächelt Leid. Zögernd bricht sie die Rose und birgt sie am Herzen, ein Bild ihres eignen Ge schickes. Aus "ihren Augen glänzt jener Schimmer der Ewigkeit, der nnS ahnen lässt, dnh sie die gebrochene Rose im anderen Jahre vom Himmel auf die Erde bringen wird. Maienkage an -er kurfiichslschen Grenze. Bon Gerhard Platz. Weiher Hirsch. Der Zug, der in der dritten Morgenstunde durchs Revier rast, hat die Lerche munter gemacht. Voll unendlicher Süße tönt ihr Morgengebet durch die dicke Ncbrlschicht, in die gewickelt ich im Btckhahnschirm sitze. Höchste Zeit ward, daß ich in die Hütte schlüpfte. Fünf Minuten nach der Lerche Erwachen faucht schon das erste Tschuhui über den Plan — die Hähne sind eingefallen. Und nun hebt das alte, immer neue Spiel an: dies Frühlingssest voller Erfüllung und Entsagung, voller Hoffen nnd Harren. Der Haynen- jäger must Idealist sein: das Schlesien ist bei dieser Jagd art eigentlich Nebensache. Findet er seine Entschädigung nicht am Beobachten des Erwachens der lenzlichen Schöpfung, so mag er ruhig daheim bleiben. Gestern sahen die Hähne i», weichen Friibltngöregeii stumpfsinnig ans der Aesung. Heute, das merkte ich schon, wie sch um zwei Ulir vom Hofe rollte, steht mir besseres bevor. Weist gefroren die Wiese: kalt zieht der Morgen herauf, nnd der Halm da vor mir im Nebel fancht seinen Kampfruf so schneidig im scharfen trcmvl.'mcko, als sei cs noch Mitte April und die Balz ans der Höhe. Ein unsagbar heimlich frohes Gefühl tst's, so unbemerkt mitten unter den Hähnen im Schirm zu siüen und dem Treiben rundum zu lnnschen. Stärker ist der Lerchensang geworden: vom Walde herüber beginnt der Kuckuck zu läuten, und jetzt trommelt eS los. das Balzlied des Birkhahns in seiner dunklen weichen Tonfülle! In überirdischer Klarheit blickt über meinem Kopse der Morgcnhimmcl herein in den brauenden Kessel: ein Stcrn- lein zittert ihm zagend am Busen. Längst schon halt ich den Hut in der Hand — etwas Heiliges tst's um solch gott- geschenkte Stunde! — Nene Stimmen mischen sich hinein i» den Sang der Lerchen nnd Birkhähne — das trillert und pfeift, daS wvrgt und knarrt: der Frühling, jawohl, der Frühling ist da! Schon ist die Sonne hinter dem herzog lichen Revier hocbgekommc», da schiebt ein Liiftstosi den Nebel ein wenig beiseite. Ein gutes Stück kann ich vom Nalzplatz überschauen. Alle die Hähne sind noch emsig am balzen: viel geringes junges Zeug dabei. AVer dort, der alte Herr mit dem etwas zersausten Spiel, der könnte mir paffen. — Und eS war gut. dass ich gerade auf ihn aufmerk sam ward: wie ich ihn in der -Hand halte, da schimmert sein Gefieder so stahlblau und seine Rosen leuchten so purpur farben, basi ich mir sagen mutz, so einen habe ich noch nickst auf der Strecke gehabt. Voller Glück sitze ich vor der Hütte im Sonnenschein, den Bruch am Hute von Kieferngtzivctg mit grosien Sumpfdotterblumen. Auch -er Hahn hat tm Schnabel solch goldenes Zweialkin und einen wahren Farbrnrcmsch spielt er aus, wie ich ihn so cmpvrhebc nnd dem Kutscher entgegenschwenke, der mit dem Btrschwagcn eben heronrollt. Im scharfen Trab geht'S den schnurgeraden Fahrdamm dahin. Ein altehrwttrdiger Weg ist daS, die Hohe Straffe, in fernen Zeiten die Hauptverkehrsader aus dem Salzland bei Halle über Leipzig zum halbbarbartschen Osten. Laut donnert jetzt die hölzerne Brücke, die über den moorb.a»nen Flnsi führt, und dann liegt in weiten Gärten das Schloff da, daS einst die grösste Plage der Straffe bedeutete. Un einnehmbar schier stak es zwischen den Sümpfen, und erst der starken Macht des Sechsstüdtcbundes gelang es, seine Wälle zu brechen nnd die Herren vom Stegreif durch den hänfenen Kragen'schauen zu lassen. Vis hierher zog sich dereinst die Grenze unserer vor mehr als hundert Jahren so arg verstümmelten Heimat! Noch heute zerfällt dies Städtleln zwischen Saganer und Görlttzer Heide in den schlesischen und obcrlansiher, das heisst kursächsischen, Anteil. Einen eigenen Reiz hat eS für mich, in diesem kleinen Gemeinwesen zwischen den Wäldern ein wenig Umschau zu halten. Inmitten herrlicher Baumgruppcn eine wunder- liebliche Nokokokirche: an breiten lindengesäumten Straffen hcllsreundlichc Nürgerhänschcn, affe nur aus einem Erd geschoss mit aufgesetztem Mansardenvorsprung bestehend: ja, hier spielte sich daS Leben noch friedlich und still ab. Dranffcn aber, gleich hinter der Friedhofsmauer, dehnt sich der Sand, strecken sich auf unendlicher Ebene dürftige Felder, deren Saat kaum handhvch über dem Boden webt, dieweil sie schon kniehoch stand, als ich die Dresdner Pflege verliest. Hart muff der Bauer hier um sein Brot ringen. Wachsam fein heisst es für ihn, sonst stiehlt ihm der Flug sand ein Stück um das andere von seiner Scholle. Kaum fünf bis sechs Stück Rindvieh nährt'ihm der Besitz, der doch räumlich so gross ist, wie eine Bollhufe im fetten Land. Der Wald ist sein Trost! Hätte er den nicht, wo nühm' er die Streu her, die Weide, daS Dachgebälk und die Heizung? Arg kümmerlich sicht er wohl aus, der arme dürre Vauernbusch. Glatt geharkt, nicht eine Nadel bleibt liegen zur natürlichen Rodenverbessernng: Utckig augepflanzt, oft wohl auS Naturbcsamung entstanden. So zieht sich die Bauernheidc dahin, stundenweit. Die Kreuzotter dehnt sich im glühenden Sand, das Kaninchen wippt mtt schlohwciscr Blume dahin. Ergeben stehen die Altktesern da neben dem Jungwuchs. Kaum Uber Ktrschbaumhöhe erreichend und mit einem Strubbelkopf von wtldvcrrenktem Gezweig — wie ein Meduse»!,aupt sieht der alte Knorren da aus! Mitten darin der Wacholder und schau, da aus einmal der Faul baum in einer Bltttenpracht ohne Gleichen! Der Fnff ver sinkt hier wie in einem Smyruateppick, im knasterdürrrn HungermovS. — Da wird die Luft frischer: erquickender Wasserruch weht zu mir herüber. DaS kursächsische Grenz- slüsschen windet sich dahin in hohe» Usern. Hier hat einst ein fleiffigcs»Ba»erngeschlccht gehaust. Die zerfallene Brücke, die ausgetrockneten Wasserführungen, die geborstenen Teich dämme, uralte Kirschbaume sagen mir's, che mein Gast- sreund mir's erzählt. Aber dann kam die Zeit ins deutsche Reich, da die Fabriken hoch kamen. Knecht, Magd und Bauernsohn, sie mochten sich nicht mehr schinden vom Lerchen- sttcg zum Sternenschetn — sie gingen hinüber in die Glas hütten am Hciderand. Tie Heimatscholle ward verkauft, ausgegcbcn, vom angrenzenden Groffherrn bepflanzt. Aber siebe da. heute ist ein neuer Geist cingezogcn im Lande. Schon hat sich einer vom Rhein hier seffhait gemacht, und tm Kretscham habe» gestern zwei vberschlesische Rückwanderer gesessen und »ach Bauernland gefragt. Glück zu und Ge deihen dem Werk Eurer Fäustel — An diesen, Fluss sitze ich gern. Solch vollständige Versunkenheit tu die Stille wird einem im dtchtbclcbtcn Heimatland doch gar selten ver gönnt. Ich sehe dem Hecht zu, der in den Fluten steht, be- lanre den Storch, der im Uscrgcländc herumstctgt, und Hab' meine Freude an der Blaurake, die in herrlicher Farben pracht dort hernmstrcicht. Die Wildtaube füllt an der Tränke ein, die Libelle gaukelt dahin und die Hummel summt um mich, bis ich vor lauter Glück und Wonne ganz schlaftrunken werde. Des Abends aber sitze ich ans dem hoben Btrsch- wagcn und seh' lange nicht so viel nach den wundersam ver trauten Rehen wie nach der gewaltigen Sonnenrüste, die sich durch Oneckenrauch und Wiescnnebel durchringt im bin! roten Schein. Arm ist's, dieses Land, aber doch — cs ist ichön. Schön und auch stark! Soll ich mit meinem Gast- frcnnd hadern, wenn er im Hctmatsiolz sagt: „Ihr in den reichen Provinzen, von Euch kommt nns die Hilfe nicht. Im Wohlstand seid Ihr verweichlicht. Weizen oben und Kohle unten — ans solche», Boden wächst len, Kriegergeschlecht mehr! Denken Sie ans Jahr dreizehn — schon einmal kam Deutschlands Heil a»S dem Osten." — Und dann kommt ei» Tag ans der Bahn. An der Grenze des Kurstaatcs gebt die Fahrt dahin. Guben, das wcinfrohe, grüfft von den Höhen über der Reiste, lieblich wie unser heimisches Loschwltz. Heinrichs des Erlauchten stolze Sümpfung, das herrliche Kloster Neuzella, taucht auf. Manch M grvstcn Traum haben Wettiner Fürsten liier vom Gebiete -r der Oder geträumt, nicht den geringsten der viel verkannte * August der Starke. Dann huschen die gesegneten Breiten der Odcrniedcrilng vorbei, und wie der Abend in die Nacht A übcrgcgangen, da lege ich mein Haupt zur Ruhe wieder in ^ einem Haus zwischen Kiesen, und Sanddünen. In der Zauche, dem brenndürren Heideland hinter den Potsdamer Seen, steht das Forslhaus des Vetters, der mich zur Birsch auf den wehrhaften Keiler geladen im vorigen Spätjahr. § ^ Schon im Morgengrauen des nächste» Tages lerne ich diesen 3 ? Wald kennen. Hoch sind hier die Stämme tm gepflegten 2. K Revier, die Bodenschüttung liegt weich und lief, an den 2 5 seltenen seuckten Stellen auch mal eine riesige Eiche —'8 aber den hellgrünen Schmuck des Bcerenkrautes mnst ich 8 ^ auch hier missen. Buntes, kopfgrvstes Gletschergeschiebe in, ? grauen Sand. Dort ein Findling im Nltholz, dicht um-s K geben von Wilösährtc» — ein Tanzstein, wie ihn. das Dam- L. L wild scherzend umzirkelt im neckischen Spiel. Und allent- halben die Fährte des Schwarzwilds, fast .neterties manch- S » mal die Gruben, die solch unverzagter Keiler gebrochen hat ^ nach Würmern und Wurzeln. Eine Kleinigkeit must cs sein, hier zum Schluß zu kommen! Ja, Freundchen, wären die Dickungen nicht gar so tief und so groß, die auf den alten Brandstellen, da daS Wipfelfeuer dahtngerast ist, empor- A wuchern. Wohl steht du an manchem. Abend klopfenden «P Herzens an solcher Schonung und hörst ein paar Schritte Sl vom Rand behagliches Schwatzen und Grunzen — aber dann zieht die Rotte doch jcdeSmal tiefer hinein — du sollst halt kein Weidmannsheil haben hier in der Zauche. Aber ^ unvergesslich, und würdest du alt wir Methusalem, werden dir die Abende auf der Kanzel sein, wenn die Sonne hinter den märkischen Wäldern hinabgeht in einer Klarheit, dass du dich ansrcisten möchtest von deinem Sitz und ihr zustreben in jauchzender Nachfahrt. Du kannst es nicht, Rärrlein, so last dich trösten von der Drossel, die ihr Abendacbct eben anstimmt, und zum sesshaften Frieden bringen vom braven Spinner, -er sich mit lautem Flügelklatschen eben auf dem Kiefernbciume dort niedergelassen — den, Ziegenmelker, der Nachtschwnlbc, dem Ehnraktervvgel der märkischen Heide Auch dieses Land hat seine kursächsischen Erinnerungen! Mitten im tiefen Sandwcg steht der Weiser, der dem Wan derer die Nähe von drei vormals ivettinischei, Dörfern an Der Jungbrunnen. Bon August Kinsky. Safri Osch Kaddam Pascha war einer der reichsten Männer im Reiche des Beherrschers der Gläubigen. Er be fass mehrere Häuser in Stambul, grosse Landgüter wett tm Lande, tn Adrianopel und noch weiter. Am Strande deS Bosporus standen etnige Landhäuser, ja sogar eine hübsche Jacht nannte er sein eigen. Dass er neben einer «rosten Dienerschaft einen sehr reichhaltigen Harem besaß, ist selbst verständlich. Aber im Laufe der Zeit wurden neben Safri Osch Kaddam Pascha auch die Damen des Harems alt, bis eine- schönen TageS Tcigr Ben, der Wächter des Harems, seinem Herrn sagte, er möge ihn tn Gnaden entlassen, da er sich unter all' Len alten Weibern zu Tode langweile. Jetzt siel Safri Pascha eigentlich erst auf, dass er im Drange der Geschäfte vergessen hatte, sich nach einem jüngeren HaremS-Nachwuchs umzuscben, und sofort sandte er einen Getreuen ans. um einige schöne, junge Damen für seinen Harem zu gewinnen. Als der Ausgesandte mit der Jacht Safri Paschas von den griechischen Inseln zurückkam und die zwet mttgebrachtcn Mädchen dem Pascha vorstellte, da ge fielen diese dem Pascha sehr gut, aber sie selbst wollten von dem Alten nichts wissen und verlangten, schleunigst wieder in ihre Heimat zurttckbcfürdert zu werden. DaS verdross Safri Pascha sehr und er zog sich auf eines seiner Landgüter zurück. Dorthin beorderte er gar vtele Äerzte, türkische, deutsche, französische, englische, sogar einen chinesischen, aber sie alle konnten Safri Pascha nicht mehr jung machen, trotzdem er keine Mittel gescheut hätte. Da waren nun zwei Zigeuner tn Stambul, Vater und Sohn, schwarzhaarige gerissene Kerle, die hatten von dem Pascha erfahren, und sie beabsichtigten, den alten Narren kräftig htnetnzulegcn und noch ein gutes Geschäft badet zu machen. - Der junge Zigeuner eilte voraus, um an einem be stimmten Platz zu warten, und -er Alte machte sich auf den Weg zum Landhause des Paschas. Safri Pascha fass gerade auf dem Altan seine- HauscS, als der alte Zigeuner vorbet- kam. Mühsam humpelte er an seinem Stocke vorwärts, und ermattet ließ er sich an der Schwelle von Gafrt Pascha» Sandhau» nieder. Der Pascha saudte seine» Diener, Ness den Fremden ins HauS bitten imd bewirtete ihn dort, wie es der Koran vorschrteb. Nach Zweck uni» Ziel der Reise be fragt, sagte der Ziaeuner, er pilgere nach einer heilkräftigen Quelle, deren Wasser eine ganz wunderbare Eigenschaft be säße. Müde, alt und matt, wie er sei, werde er nach Ge brauch des Wassers binnen kurzer Zeit jung und kräftig sein, wie ein Mann von 28 Jahren. Gafrt schüttelte fein Haupt und lachte. Und er erzählte dem Zigeuner, wie viel er cs sich habe schon kosten lassen, um seine Jugend wicber- zuerhalten. ES sei unmöglich, ein altes Pferd jung zu machen, geschweige denn einen alten Menschen. Der alte Zigeuner aber war anderer Meinung, schwor hoch und teuer und versprach, wenn er nach Benutzung des Bades wieder vorbeikommen werde, Saf»t zu besuchen. Dann zog er von dannen. Nach drei Wochen klopfte ein junger Mann an das Tor des Landhauses Gafrt Paschas. „Hier, Safri," rief er, „hier bin ich wieder! Ucberzeuge Dich selbst, ob ich jünger und kräftiger geworden bin!" Sasri staunte. Das war der Zigeuner, mtt dem er damals gesprochen batte, aber in voller Jugend, ein wenig schmierig und zerrissen, -och mit blitzen dem Auge und mit schivarzcn Haaren. „Du wirst mich an den Wundcrbrnnnen führen!" bat Safri den Zigeuner. Dieser aber zuckte die Achseln nach Zigenncrart, lachte ver schmitzt und meinte: „Herr! Du weißt, wie e» den Zigeunern geht. Aber ich weiß auch, dass Du reich und edelmütig bist. Darum wirst Du nicht Gcmangeln, Deinem Knecht vorher eine entsprechende Belohnung zu geben, wenn er Dich ge- leitet." Am Geld lag Safri nichts, und bald hatte der Zigeuner einen Beutel mit Gold tn der Tasche. Emsig wurden Ncisevorbereltungen getroffen, viele Lasttiere wur den gepackt, ein Eilbote wurde nach dem Harem gesandt: denn die alte Favoritin Safri Paschas sollte ebenfalls InS Bad mitgenommen werde», damit sie ihre frühere Jugend und Schönheit wenigstens znm Teil zurückerhalte. Der Zigeuner erhielt ein Gemach im Landhause zugewiesen und am nächsten Tage sollte die Reise znm Wunderbrunnen vor sich gehen. Aber frühmorgens war der Zigeuner vcrschwnn- den» Die alte HaremSdame dagegen war geblieben, und sic ermangelte nicht, ihrem Unmut in einer Weise Lust zu geben, die nicht gerade ganz tn bte idyllische Ruhe des Land sitze» Kafrt Osch Kaddam Paschas passte. So blieb Safri Pascha so alt, wie er war. Die beiden Zigeuner aber, Vater und Sohn, freuten sich über den ge lungenen Streich. Der E«f6hausgeiger. Von C. H. Barnt ck. Am Abend ist er Jnvcntarstück im Kasino-Eafs, blendet in der ichwarz-wcisscn Schönheit seines Gesichtes, blendet in der schwarz-weißen Eleganz seines Frackes und streicht die Geige, tsticht mitschwingcnd, »ich! mitreißend. Ernst, ruhig, sachlich, beinahe hart — trotz seiner 22 Jahre. Er träum: nicht über bas braune Holz hin in ferne Weiten, er gtrri nicht mit seinen dunklen Auge», mtt seinen Gerten-Händen. Er spielt nicht den Vtrtuoso. Er spielt eben nur erste Geige. Das Publikum kargt mit Beifall, er kargt mit Dank. Um Mitternacht holt ihn die Fanny ab. Er zieht stumm ihren Arm unter seinen, lehnt sich müde an wctch-sehutge Glieder und küsst im Gehen leise und zart ihr Haar. Und seine Augen blicken dabei so ernst vorwurfsvoll tn die dunklen Schleier der Nacht. — Sic streichelt ihm leise die Stirne, und auch ihre Stimme ist ein behutsames, lindes Wohltun. wenn sie sagt: „Du armer Bua!" Nur diese drei Worte spricht sie, aber so, dass man drum weinen möchte. Er weint nicht, verzerrt auch nicht sein Gesicht zu der verbissenen Bajazzo-Grimasse eines nm seine Jugend Betrogenen. Er geht mtt ihr geraden Wegs die Marta-Thercsien-Strasse zu. wo er baust. An der Haustür küsst er sic . . . Und oben sitzt er in seinem Zimmer, einem dunklen, grausam nüchternen Käsig, sitzt über Büchern. Studiert tm Bürgerlichen Gesetzbuch, hämmert Paragraphen und For meln. Sinn und Unsinn in sein müdes, zermürbtes Hirn. Arbeitet bis um zwet drei — btS ihm der Schlaf Schleier vor dtc Augen legt. Ktrchenrccht und Börsenrecht, Volkswirtschaftslehre und Bolkswirtschaslspolttik — das ist die kühle, trockne Kost de« anderen Morgens, des anderen Tages. — Und abends steht er wieder im Kasino-Cafä nnd sein engeS Leben blendet in der schivqrz-wcissen Schönheit seines Gesichtes, blendet tn der schwarz-wetffen Eleganz deS geliehenen Frackes, Student. 1 LafbhauSgotgcr, Brvt»erdt«ner.