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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.03.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020318027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902031802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902031802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-03
- Tag 1902-03-18
-
Monat
1902-03
-
Jahr
1902
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Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blattes möglich. NeLaction und Expedition: Iohannisgasse 8. Fernsprecher 1S3 und 222. Filial»*prditi»r»en r Alfred Hahn, Buchhandlg., UniversitätSstr.8, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. KönigSPl. 7. Haupt-Filiale in Serlin: KSniggrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 33V3. Abend-Ausgabe. WpMcr TagMatt Anzeiger. Ämlsbkatl -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Äintes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Famikennach» richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ztffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 L, (»xcl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung >6 70.—. Äuuahmeschluk sür Änzeigeu-. Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filiale» und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet voo früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag voo E. Polz io Leipzig. Nr. UV. Dienstag den 18. März 1902. 96. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Sriegsrecht. In der gestrigen Sitzung des englischen Oberhauses bat Lord Spencer um Auskunft über die Handhabung des KriegsrechtesinderCapcolonie und ver langte Vorlegung der Schriftstücke über die Verhand lungen des Kriegsgerichtes. Nach lebhafter Debatte, an der sich Lord Rosebery und der Lord-Kanzler betheiltgten, erklärte Lord Salisbury, in der Capcvlonie habe sich hin reichend Widerstand gezeigt, um die von der Regierung ge troffenen Maßnahmen zu nothwendigen Maßnahmen zu machen. Die Negierung müsse zum Zwecke der Wiederher stellung des Friedens die Suprematie der Kriegsgewalt anerkennen. Ehe dies Ziel erreicht sei, könne sie nicht erlauben, daß Diejenigen, Die, wenn auch gezwungen (?), in den Reihen der Feinde Englands kämpfen, in einer Gerichtsverhandlung Thatsachen an die Öffentlichkeit bringen, die der Negierung des Königs schädlich oder möglicher Weise der Sache der Feinde förderlich sein könnten. Die Negierung müsse zurückgreifen auf die Rechte, die jede Regierung hat, nm ihre eigene Existenz zu vertheidigen. Die Regierung werde sich vertrauens voll auf diese Rechte berufen. Das Verlangen Lord Spenccr's auf Vorlegung der Schriftstücke wurde ab gelehnt. Kriegsliescruugeux Mangelhafte Organisation. Campbell Banncrman beantragte gestern im Unterhause die Ernennung einer besonderen Commission, welche alle Käufe und Contracte der Regie rung fürZwecke des Krieges in Südafrika prüfen soll. Redner führte aus, der Antrag sei gerecht fertigt durch die der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Thatsachen und durch die vorhergegangenen Erörterungen im Parlament. Das Interesse -er Steuerzahler, -er Truppen, der Beamten der betreffenden Departements, sowie des Unterhauses mache eine unabhängige Unter suchung nothwendig. Allgemein werbe anerkannt, daß eS nicht schwer sei, den Grund für den Glauben zu entdecken, -aß die schnell ins Leben gewesene Orga »^f <rt lVirIH, als der militärische Ausflug sich zu einem großen Feldzuge entwickelte, als unzureichend erwies und daß der Mangel an Kenntniß dem Lande viel koste. Der ernsteste Factor sei die zu einem hohen Grade ausgebildete Organisation der Staatslteferanten, die immer noch aus dem Kriege Vorthetl ziehen, und die Regierung müsse in ihrem eigenen und dem öffentlichen Interesse für eine durch, greifende Untersuchung sorgen. Labouchöre unterstützte Len Antrag. — Kriegsminister Brodrtck erklärte: Aus der spärlichen Besetzung der Bänke der Opposition könnte man nicht entnehmen, daß das HauS über ein von ihr beantragtes TadclSvotum bcräth. Ueber die grundsätzliche Frage, daß eine Untersuchung anzu stellen ist, bcstehtzwischen derRegierung und berOpposition keine Meinungsverschiedenheit. Aber die Regierung kann dem nicht zustimmen, daß dies jetzt geschehe. Denn eine solche Untersuchung während des Krieges würbe die Ber« waltungsthätigkeit des Kriegsamtcs lähmen. Banner- man gab zwar an, er wünsche, die Wirksamkeit des Kriegs amtes zu vertheidigen, aber die Lage, in der Bannerman das Kriegsamt bei seinem Scheiden aus demselben im Jahre 189Ü in Bezug auf die Artillerie ließ, ist nicht offen bar gemacht worden, wie auch Umstände vorlagen, die mit -er Versorgung von Gewehrmunition zusammenhängen, weil -ie Angelegenheit zu ernst war, als daß sie zu jener Zett hätte enthüllt werden können. Wenn damals Complt- cattonen in Südafrika cingctreten wären und die Regie rung sich auf das verlassen hätte, was Banncrman an Artillerie beschafft hatte, so wären wir gezwungen ge wesen, Südafrika nach den ersten drei Kriegsmonaten zu verlassen. (Beifall bet den Ministeriellen.) Brodrick schloß mit einem Appell an Diejenigen, die zu sehen wünschten, daß der Feldzug zu einem befriedigenden Abschluß ge bracht werde, sie sollten die Regierung unterstützen, daß die Untersuchung vertagt werde, bis eine geeignete Zett zu einer solchen gekommen sei. Nach Brodrick sprachen noch verschiedene Redner. Die Debatte wird morgen fort gesetzt werden. A. Schowalter macht auf Grund von Briefen, die ihm ans Südafrika zugegangen siUd, in der „Tügl. Rundsch.'" folgende Mittheilungen über -ie Behandlung einzelner Boerenfrauen in den Concentrationslager«. Eine Frau schreibt unterm 3. Februar 1902, daß sie aus ihrem Hause vertrieben wurde, weil der Militär behörde (fälschlich) berichtet wurde, ihr als Keld - Prediger mit den Boeren gegangener Mann "sei im Bandelier photographirt. Sie wurde mit ihren Kin dern von dem einen Ende Südafrikas an das andere ge bracht, bis man ein Lager für sie fand, das weit genug von ihrem früheren Wohnort entfernt ist. Sie hat Ver wandte in Capstadt, die für sie eine Wohnung hergcrichtet haben, aber sie darf nicht fort. In ihrem Zelt befinden sich zehn Personen aus drei verschiedenen Familien. Ihr Brief hat die Censur passirt und sie ist in einem der besten Lager. Eine Pfarrersfrau schreibt aus einem der Trans vaallager am 14. März 1901, wie man sie von Haufe weg in ein Lager brachte, während sie dachte, sie sollte zu ihrer Mutter in die Capcolonie geleitet werden. Vier Wochen lang hatte sie keine Ahnung, wo ihr Mann war, von dem sie nicht hatte Abschied nehmen dürfen, bis dieser plötzlich in demselben Lager als „Concentrirter" eintraf, nachdem er einen ganzen Monat mit dem englischen Convoi mit geschleppt worden war. DaS Lager war nur eine Tage reise von seiner Wohnung entfernt' Die Kaste» fü.-die Lagervcrwaltung, Zelte und Lebenshaltung werden vor^ den Familien der kämpfenden Bürger eingctrieben, indem mau ihre Güter in der heutigen ungünstigen Zett der Zwangsversteigerung unterstellt. In „The Bloemfontein Post" vom 8. Februar ist die Zwangsver steigerung von 15 großen Gütern (30 000 Morgen) des Freistaates auf den 18. März festgesetzt. Unter den btsr herigen Besitzern dieser Güter ist auch I. P. Gerhardus Steyl angeführt, ein K ri e g s g « f a n g e n e r zu Trichi- nopoly, also kein kämpfender, sondern schon sehr früh ge fangen genommener Bürger des Freistaates. Auch seine Frau wurde, trotzdem sie krank war, inS Lager gebracht mit ihren Kindern; dabei hatte sie drei eigene Häuser in Bloemfontein, von denen eines nur zum Aufenthalt der Familie bestimmt war, wenn diese an Kirchtagen nach Bloemfontein kam. Außerdem enthält das letzte englische Blaubuch S. 80 die Bemerkung: „Erlös aus confiscirtcn Gütern 84 378 Pfd. Sterling" (über IV2 Millionen Mark). * Loudon, 18. März. (Telegramm.) „Reuter's Bureau" berichtet auS Durban unter den: 17. März: Der Einfall der Boeren in Upper Tugela ist mißlungen; -er Feind war gezwungen, sich zurück zuziehen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. März. Während im Osten des Reiches, in Breslau, an diesem Donnerstag die Couservative« und das Ceutrnm eine gemeinsame Schlacht schlagen, um voraussichtlich ge meinsam geschlagen zu werden, spinnt gleichzeitig im Westen des Reiches das führende ultramontane Organ, die „Köln. Volksztg.", ein zartes Liebesverhältniß mit den Conscrvativen an. Das Blatt hat nämlich die Ent deckung gemacht, daß die Linke gouvernemental wird, die Rechte aber oppositionell und weniger reactionär als früher. Das rheinische Blatt schreibt: „Die Conscrvativen haben an Gouvernementalismus manches verloren und -ie Linke hat nach dieser Richtung große Fortschritte ge macht. Wir müßten die Unwahrheit reden, wenn wir sagen wollten, daß wir diese Wandlung der Conservativen bedauern, im Gegentheil freuen wir uns darüber. D t e Conservativen werden dadurch für uns blind nißfähtger. Was wir bisher an ihnen zu tadeln hatten, war ihre reaktionäre und hyper go u v e r n c m e n t a l c Gesinnung. Jede Opposition wollten sie mit Gewalt unterdrücken, womöglich rechtlos machen. . . . Etablircn sie sich als selbstständig chrtstlich-confervativc Partei, so kommen sie uns von selbst näher. In ihrer Auffassung der Grund lagen unseres Staats- und Wirthschaftslebens haben sie mit uns viel Verwandtes,' was aber die Annähe rung verhinderte, waren die reacttonären Zuthaten, womit sic jedes gesetzgeberische Gericht zu würzen suchten." — Es läßt sich leicht nachweisen, daß nicht die Conservativen in ihren Auffassungen dem Cen trum näher gekommen sind, sondern daß das Centrum den Conservativen näher gerückt ist. Wenn das Centrums- vrgan meint, die Conservativen seien jetzt nichtmehr gouvernemental und reactionär, so sind sie das Eine schon längst nicht mehr, das Andere aber durchaus noch. Oder waren etwa -ie Conservativen gouvernemental, als sie in jhrer grobe» Mehrheit gegen den russischen und den rumä- » rschkn <'»andpsS''Lrtr"9 ? W»ce» sic gouoc.ne- mental, als sie zweimal hintereinander die Canalvorlage zu Falle brachten? In beiden Fällen war doch wohl das Centrum gouvcrncmentalcr, als die Conservativen. Was aber die rcactivnäre Gesinnung und die Neigung an betrifft, gesetzgeberische Maßnahmen mit reacttonären Zu thaten zu würzen, so haben sich die Conservativen nicht im Mindesten geändert. Gerade in den letzten Tagen ist das führende couservative Organ wiederholt gegen dae allgcmeineWahlrechtSturm gelaufen. So hat eS, entgegen der neuerlichen Befürwortung von ReichStagsdiätcn durch nationallibcrale und klerikale Blätter, betont, daß für solche Diäten in einer Aende - rung des Wahlrechtes ein Correlat geschaffen werden müsse: und in einer Betrachtung über den Reichs- tagöschluß sagt die „Kreuzztg.": „Unerfreulich sind die Zustände im allerhöchsten Maße: hinzufügen müssen wir allerdings, daß wir kein auf dem allgemeinen Stimmrecht beruhendes Parlament kennen, wo sie es nicht wären." Dieser Herzensergutz beweist klärlich, wie sehr das conservative Hauptorgan eine Ge legenheit herbeisehnt, dem allgemeinen Stimmrechte den Garaus zu machen. Um so merkwürdiger ist es, daß zur selben Zeit daS führende Organ der Centrumspartc sich ja doch acrn als den festesten Hort der Bolksrcchtc auf spielt, den Conservativen eine Liebeserklärung macht und einer Annäherung das Wort redet. Uns will dies als ein neuer Beweis dafür erscheinen, wie sehr im Centrum -ie a g r a r i s ch e S trüm u n g zur Zeit die Oberhand besitzt. Conservative und Centrum wollen ja gemeinsam im preußischen Abgeordnetenhaus«: für eine Erhöhung der landwirthschaftlichen Zölle Sturm laufen, ebenso, wie sie in der Zolltarif-Connnission des Reichstages zumeist Zu sammengehen, und damit die Centrumswähler nicht etwa stutzig über die allzu große Intimität der eigenen Partei mit den Conservativen werden, spiegelt man ihnen vor, daß die conservative Partei einen anderen Charakter ange nommen habe, während sie thatsächlich heute auf genau demselben Standpunkte steht, wie nach -er Zurück- drängung des gouvernementalen Flügels vor zehn Jahren. Die Neichstagsverhanvlungen vom Januar dieses JahreS über den CenlrumSantrag auf Aufhebung des Iesuitcn- gcsctzeS vom Jahre 1872 und die hierbei am BundesrathS- tische abgegebene Erklärung haben, wie zu erwarten war, wie in vielen anderen deutschen Ländern, so auch unter der evange lischen Bevölkerung des Grohhcrzogthuius Hessen eine sehr be greifliche Erregung hervorgerufen. Weiteste Kreise wurden sich erfreulicherweise nunmehr ihrer Pflicht bewußt, zu dieser wichtigen Frage im Interesse der Wahrung des confessio- nellen Friedens Stellung zu nebmen und ihre Meinung darüber klar und rückhaltlos zur Kenntniß der maßgebende» Factoren zu bringen. Eine Protestbewegung, wie sie noch selten in solchem Umfange dagewesen sein dürfte, hat sich über daS ganze Land verbreitet und in Hunderten von Ein gaben an die Staatsregierung und daS Oberconsistorium ihren Ausdruck gefunden. Die letzteren geben meist von den in einer solchen Frage in erster Linie berufenen Vertretern der evangelischen Gemeinden, den Kirchenvorständen und den Gemeindevertretungen, aus, denen sich aber auch nicht wenige Privatpersonen und andere Körperschaften angeschlossrn haben. Die an das großherzogliche Oberconsistorium gleichmäßig ge richtete Eingabe hat, wie wir erfahren, folgenden Wortlaut: „Der unterzeichnete Kirchenvorstaad zu . ... spricht hoher Kircheubehörde die dringende Bitte auS: Siroßh. Oberconsistorium wolle die großh. StaatSregirrnog geaeigtest davon in Kenntniß setzen, daß die unterzeichneten Vertreter der evangelischen Gemeinde zu .... gegen die Aufhebung drS Reichsgesetzes vom 4. Juli 1872, den Jesuitenorden betreffend, Vie lebhafteste Besorgniß hegen und nicht nur im Interesse Les deutschen Protestantismus, als dessen Todfeind der Jesuitenorden sich von jeher bewiesen hat, sondern auch vornehmlich zur Wahrung des coufessionellcn Friedens, dessen Störer der Orden stets gewesen ist und immer sein wird, gegen die Wiederzulajsung des Jesuitenordens und seine öffent liche Thätigkeit in Deutschland ihrerseits aus das Entschiedenste Einspruch erheben." Wie zuverlässig verlautet, sind solche Eingaben bis jetzt auS 94 Kirchengemeinden bezw. Kirchspielen der Provinz Starkenburg, auS 186 Gemeinden Oberhessen« und 105 Rheinhessens eingelaufen, zusammen also 385 Stück. Und zwar wurden 2l3 davon nicht bloS von den Kirchenvorständen, sondern auch von den Gemeindever tretungen unterschriebe», deren Mitglieder fast überall Mann für Mann mit ihren Namen für die Sache eintrale». Von größeren Orten des Landes mögen insbesondere die Eingabe» von Darmstadt, Offenbach, Bensheim, Heppenheim, Gießen, Friedberg, Mainz, WormS, Binzen und Oppenheim erwähnt sein, unter denen sich zahlreiche Namen von gewichtigstem sssss Feuilleton lös Ach, wenn sie an ihre Hochzeit dachte, wie La die wilde Horde sie plötzlich überfalle» hatte, an all' das tolle Treiben, und an -en Fackelzug, mit dem man ber Familie Rennedohm das Ehrengeleit gegeben. ES überkam sie noch jetzt ein unwiderstehlicher Lachreiz, wenn sie an des Oberlehrers entrüstetes Gesicht dachte, und an all' das An dere, was sie erlebt oder auch nur erzählen gehört. Paula war natürlich aufs Genaueste Uber alle Bor gänge im „Zigeunerlager" unterrichtet. Leus hielt sie auf dem Laufenden: und auch Mieglitz schrieb zuweilen an sie, wunderliche Briefe, irgendwo im Wtrthshaus mit Bleistift auf abgerissene Zettel hingeworfcn, ober offene Bterkartcn, die von einer „seligen" Stimmung zeugten, und in der er seiner „lieben, verehrte« Freundin so und so viele Halbe vorkam". Natürlich las -er Postexpedttor diese offenen Karten, und die Frau Expedttorin ebenfalls, die ^tch über die Rohrbacher Korrespondenz stets aus dem Lausenden er hielt. Böse Zungen behaupteten sogar, auch verschlossene Briefe seien, wenn leicht und ungefährlich zu öffnen, nicht ganz sicher vor ihren neugierigen Wetberaugen. Der Herr Expeditor, der sehr unter dem Pantoffel stand, müsse ihr die Briefe vorlegen, von denen sie bann die interessantesten in ihrem „schwarzen Cabtnct" mit glühenden Stopfnadeln und haarscharfen Messern öffnete. Jedenfalls ctrkultrte der Inhalt ber Mieglitz'schen Bierkarten in der Stadt. Die „lieben Freunde", die ihr zutranken — jedenfalls Genossen ehemaliger Kneipereien und Orgien wurden lebhaft besprochen und füllten ver- schiebene Kasseeklatsche mit reichlichem Stoff aus, bis sich Paula diese offenen Bierkarten ernstlich vet Mieglitz verbat. Es ging ihm übrigens gut. Den Sommer und einen Thcil des Winters hatte er „fern von Madtid" in der Provinz zugebracht, wo er nach eigenen Angaben zwar Lorbeeren, aber keine Schätze gesammelt hatte. Wenn man ihm glauben wollte, war er in der kleinen Ncsidcnz Stammgast det Hofe gewesen und von diesem, von den schönsten Frauen und Hoheit selbst vergöttert worden. Momentan lebte er wieder von keinem Sect- und Vor- dcaux-BertrieV, ötS die Kroll'sche Sommeroper am König-Platz begann, an die er engaatrt war. Daneben gab er Gesangstunben. Im Ganzen schien er das Leben (wie meisten-) für lebenSwerth zu finden — der Ve« neidenSwcrthei Auch Franz Leue schrieb Uber seine Arbeiten. Er legte jetzt die letzte Hand an sein großes Werk, den ersten Ver- Die drei Freunde. Roman von Robert Misch. »tachdruck verda.w. Einundzwanzig st cs Capitel. Sommer und Winter schwanden langsam dahin und mit ihnen, was die Menschen bas „Trauerjahr" nennen. Paula weinte heftig, als sie am Morgen des Tages auf wachte, an dem sich Bruno » Tod jährte. Und doch war in dem kurzen Zwischenräume eines Jahres ber wilde, boh rende Schmerz, ber ihr da» Herz wie mit Eisenklammern zusammengepreßt hatte, einem sanften Weh, einem milden Gedenken gewichen. Wie ein ferner, schöner Traum er schien nun ihre Ehe, das ganze Berliner Leben mit seinen Freuden und Leiden. Alle dir letzteren waren freilich längst vergessen. Dir Zett hatte sie auSgelöscht, die Schön färberin Erinnerung sie vergoldet. War auch der tobende Schmerz verflogen: glücklich fühlte sich Paula hier doch nicht: um so unglücklicher, je freier sie jetzt um sich blickte, und je deutltcher sie sich ihrer Lage bewußt wurde. Was hatte sie denn vom Leben? Einsamkeit, Lange» weile, banges Sehnen. Rings umher eine Welt, die sie nicht verstand, und welche sie selbst niemals verstehen würde. Manchmal, wenn sie de» Nacht« aufwachte, weinte sie stundenlang vor sich hin — ganz leise, um die Kinder nicht aufzuwecken. Und was würden sie ihr au» den Kindern machen? Ebensolche Menschen, wie Ne hier vor sich sah. Konnte sie gegen -en Einfluß der Umgebung und der Schule an- kämpsen, die aan- in den Händen diese» Pfarrers laa, der noch an den Teufel glaubte, und zuweilen in seinen Sonn- tagsprediatcn da» höllisch« Feuer und die Oualen der Verdammten schilderte?" Würde eS ihr gelingen, freie und freudige Mensche« auS ihnen zu machen? Und bann sehnte sie sich selbst hinaus in die weite, weite Welt, vor Allem aber nach ihrem schönen, großen Berlin und dem lustigen Künstervolk. Und im Geiste malte sich Paula all' jene Scenen wieder aus, die sie mit den „Zigeunern" durchlebt, vom ersten Begegnen am stillen Havelsee bis zur letzten Abschiedsstunde, in der sie, mit den Taschentüchern winkend, wehmüthig dem Zuge nack» bltckten, der Paula hierher brachte. such einer streng modernen Literaturgeschichte und neuen Acsthetik, an dem er seit beinahe fünf Jahren schrieb. Da neben vollendete er langsam ein neues Stück, diesmal ein Lustspiel. „Ich bin hierbei alte Wege gewandelt", schrieb er ihr, „freilich auf meine eigene Weise. Oder, wen» Sie wollen: ich gieße neuen Wein in alte Schläuche. Immerhin schiele ich dabei nach dem wirklichen Theater und habe nicht, wie sonst, eine Jocalbühne vor Augen. Vielleicht gelingt mir diesmal der Versuch, die Bühne zu erobern, und ich brauche es dann wenigstens nicht zu bereuen, daß ich mich zum „Standpunct der Kaffern" erniedrigt habe." Da er darrebcn noch immer journalistisch thätig war, fürs tägliche Brod, so arbeitete er von früh bis in die späte Nacht. Die Anspannung, so schrieb er ihr, die geistige Thätigkeit allein, hielten ihn aufrecht und frisch. Wahr- scheinlich würde er aber nach Beendigung der beiden großen Arbeiten wie ein Taschenmesser zusammenklappen und bann freilich nicht abgeneigt sein, im Hochsommer, etwa im August, nach dem alten Neste Rohrbach zu kommen, nm sie und den Baier wiederzusehen. Vorausgesetzt na türlich, daß eS seine Zeit und seine Finanzen erlaubten, will sagen, daß er einen oder vielmehr zwei vorschubwillige Verleger (für das Stück und da» Buch) fände. Und solch' einen Mann, einen Kämpfer für seine Ideale, einen wahrhaften Helden des Geiste», ber doch mit seinen Kenntnissen und seinem Können in jedem Berufe hätte zu behaglich-sattem Wohlleben kommen können, einen Mann, der dies Alles seinen höheren Zielen aufopferte, der lieber darbte, als daß er nür einen Fuß breit von seinen schwer erkämpften Ansichten wich, einen solchen Mann, den sie weder verstehen noch würdigen konnten, bewarfen sie in Rohrbach mit Haß und Hohn. Denn von allen Seiten mubte sie mehr ober minder versteckte Anspielungen Uber diesen gottlosen Journalisten hören, ber ein Specialist, Atheist und Darwinist sei (in den Rvyrbacher Köpfen mengten sich diese Begriffe un lösbar), ein Kirchenfeind und Abtrünniger, ber dem geist« liisien Studium entsprungen, um „seinen Lüsten zu flödnen". Ader freilich, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Und für einen „Dichter" hielt er sich. Nun, man sähe ja, was er erreicht hätte. Als ein armer Schlucker lebte er: verhungert und armselig sähe er aus. Das batte nicht nur ber Bürgermeister erzählt, auch der Apotheker, der im vergangene« Herbste kurze Zeit in Berlin gewesen war und ihn zufällig auf Ser Straße getroffen, ja sogar an gesprochen hatte. Und Sachen hätte er dem Apotheker über Rohrbach ge sagt — es sei eine Schande! Aber freilich, der ganze Mensch sei selbst eine Schande für Rohrbach und schriebe ja auch nur Schandarttkel in Schandblättcrn. Das sagte auch der Herr Pfarrer, der cS -och wissen mußte. So gar über den hochwürdtgen Herrn hatte er sich unehrer- btctig geäußert: und -och hatte er diesem allein seine geistige Ausbildung, sein Studium zu verdanken. Ohne dessen Protection wäre er heute ein SchustergescUe. AVer natürlich, ruchlose Menschen seien immer undankbar. Genaues hatte freilich der Apotheker ihr nicht mit- theilcn wollen, als ihn Paula, der diese Gerüchte eben falls zu Ohren gekommen, direct darum befragte. Der, kleine, magere Herr machte nur allerlei geheimnißvolle Andeutungen. Sie fragte bet Franz brieflich an, was denn Wahres an diesem Gerede sei. Daö käme davon, schrieb er iht zurück, wenn man sich mit aufdringlichen Menschen in ein Gespräch etnließe. Dem schwatzhaften Apotheker würde er doch wahrhaftig nicht seine Meinung über die Vater stadt und ihre Bewohner mtttheilen, am allerwenigsten über den Pfarrer, dem er trvy Allem wirklichen Dank schulde. Auch pflege er zwar abweichende Meinungen zu bekämpfen, aber siw nicht über die Person seiner Gegner lustig zu machen. Er hätte, provocikt durch -en Schwätzer, einige harmlose Bemerkungen gemacht, um ihn loszu werden, die nun dieser in» Boshafte verzerrte und über triebe. Paula zeigte diesen Bries der Tante, dem Bürgermeister und selbst -cm Pfarrer. AVer man zuckte nur die Achseln, da» sei ein lügnerischer Versuch, die Lache zu bemänteln. Der Apotheker sei ein verläßlicher Mann, der sich nichts aus -en Kingern saugte. Und wieder und wieder muhte sich Paula Vorhalten lassen, daß sich diese sogenannte Freundschaft und dieser briefliche Verkehr nicht mehr für sie schickten. Wenn ihr seliger Mann sich diese zweifelhafte Persönlichkeit zum Freunde erwählt, so begreife man das zwar nicht recht, und -er schlechte Einfluß hätte sich ja auch in Btclem gezeigt, aber da» sei schließlich seine Sache gewesen. Sic dagegen sei eine ehrbare Krau, Wtttwe, Mutter und jetzt Rohrbachcr Bürgerin. ES passe sich nicht für ein „ehrsame» Frauenzimmer , zu diesem Subseet noch länger Beziehungen zu unterhalten, meinte der Bürgermeister: und die ganz« Stadt redete bereit» darüber, und er »Nüsse
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