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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.07.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000724025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900072402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900072402
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-07
- Tag 1900-07-24
-
Monat
1900-07
-
Jahr
1900
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Annahmrschluß für Anzeigen: Ab end «Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgeu-Au-gabe: Nachmittag» 4Uhr. Lei de« Filialen und Annahmestelle« je ei» halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet» an die ExpedlNo« »u richte«. Druck and Verlag von L. Poszj» Leipzig 372. Dienstag den 24. Juli 1900. 94. Jahrgang. Die Wirren in China. Merkwürdigerweise ist es noch nirgends aufgefallen, daß die anscheinend friedlichen Allüren der chine sischen Staatsmänner erst in die Erscheinung ge treten sind nach den entscheidenden militärischen Erfolgen der Verbündeten in Tientsin. Sollte daS nur ein zufälliges Zusammentreffen sein? Wer die diplomatischen Gewohnheiten Cbinas aus der ge schichtlichen Praxis kennt, vor Allem während der Jahre 1857—60, wird dieser Auffassung Wohl schwerlich beitreten. Auch 1860 zeigte nach der Einnahme von Tientsin durch die verbündeten Franzosen und Engländer die chinesische Regierung plötzlich friedliches Entgegenkommen, bis ein unerhörter Treubruch gegenüber den Delegirten der Alliirten die Perfidie der chinesischen Politik enthüllte. Es kam derselben damals darauf an, Zeit zu gewinnen für neue militärische Rüstungen; außerdem glaubte man in Peking, daß jedes längere Hinaus ziehen der kriegerischen Operationen die Möglichkeit einer Uneinigkeit der Verbündeten fördern könnte. So ganz täuschten sich auch die chinesischen Würdenträger in dieser letzteren Annahme nicht, denn gegen Ende des Feldzuges ließ die militärische wie politische Einigkeit der Alliirten viel zu wünschen übrig. Politik und Kriegführung sind aber untrennbare Dinge. Die chinesische StaalSkunst bat eS allerdings bis jetzt ver standen, den Anschein zu erwecken und auch den Verbündeten gegenüber diplomatisch aufrecht zu erhalten, als ob die chinesische Regierung als solche den kriegerischen Angriffen auf die Verbündeten und dem sogenannten Boxer-Aufstand fernstehe. Der seitberige Verlauf der kriegerischen Ereignisse in China widerspricht jedoch durchaus dieser aus naheliegenden Gründen von den chinesischen Würdenträgern — soweit sie sich in der „Reichnähe" der Verbündeten beziehungsweise deren Kanonen in den Seestädten befanden — beobachteten politischen Taktik. In Taku und Tientsin fochten beinahe ausschließlich reguläre chinesische Truppen gegen die Verbündeten. Die Führung derselben lag in den Händen kaiserlicher Generale. Die Truppen, welche sich dem Vormärsche Admiral Seymour'S auf Peking widersetzt und den selben schließlich zum Rückzüge zwangen, waren ebenfalls reguläre chinesische Soldaten, wiederum befebligt von einem kaiserlichen General. In Peking haben die Truppen in ihrer Mehrzahl nach allen vorliegenden Nachrichten gemein same Sache mit den sogenannten Rebellen gemacht. Andern falls wäre eS ja gar nicht denkbar, daß die Zustände in Peking — die politischen wie militärischen — eine Gestalt gewonnen haben, welche nur als vollständige Anarchie be zeichnet werden kann. Ob aber diese Anarchie am Ende nicht von den eigentlichen Machthabern gewissermaßen gern gesehen wird, um sich auf die amtliche Ohnmacht der Regierungsgewalt berufen zu können, ist bei dem üblichen chinesischen „System" gegenüber den Fremden durchaus nicht unwahrscheinlich. Jedenfalls ist eS Thatsache, daß die chinesische Regierung sowohl in Peking als vor Allem in Tientsin große Truppen massen versammelt hatte, die angeblich zur Bekämpfung der Aufständischen dienen sollten, während sie das Gegentbeil thateu, nämlich sofort mit den Aufständischen zusammen sich gegen die Fremden wandten. Auf diese Weise wurde der Krieg von der chinesischen Politik auf das Wirksamste indirekt vorbereitet und im gegebenen Augenblicke — siebe Tientsin — sofort ins Praktische übersetzt. Die chinesische Politik hatte mit einem Worte der Kriegführung sehr wirksam vorgearbeitet, und die Hartnäckigkeit der Kämpfe um Tientsin beweist, daß der politische wie militärische Calcul der Chinesen in ihrem Zu sammenwirken anfänglich recht günstige Ergebnisse!zu ver zeichnen hatten. Wäre cs schließlich trotz der Tapferkeit der Verbündeten nicht gelungen, sich Tientsins zu bemächtigen — und diese militärische Möglichleit lag zwei Wochen lang vor — so hätte die chinesische Politik einen kriegerischen Erfolg zu verzeichnen gehabt, dessen allgemeine Folgen unberechenbar sein mußten. Es war dieser Politik gelungen, die Verbündeten mili tärisch zu überraschen und daS bedeutet im Kriege stets einen großen Vortheil und einen wichtigen Vorsprung für Denjenigen, dem die Ueberraschung gelingt. Daß eS im Uebrigen Sache der Politik ist, sich gegen solche kriegerische Ueberraschungen zu sichern, kann keinem Zweifel unterliegen. Politik und Krieg find eben nicht zu trennen. Letzterer ist ja weiter nichts als Fortsetzung der Politik mit gewaltsamen Mitteln. Es mag zugegeben sein, daß die verschlagene und schwer controlirbare Politik der Chinesen es der nichtchinesifchen Diplomatie erschwerte, rechtzeitig zu erkennen, daß man in Peking Krieg plante und dabei den Frieden im Munde führte — obgleich diese Art, den Krieg vorzubereiten, zu den traditionellen Gewohnheiten der Diplomatie über haupt gehört —, aber jedenfalls mußte die Kriegführung der Verbündeten anfänglich unter diesem Umstande leiden. Ob eS der chinesischen Politik auch weiterhin gelingen wird, eine zielbewußte energische und im großen Stile erfolgende Krieg führung der Verbündeten zu erschweren, kann nur die Zu kunft lehren. Die Kriegführung der Verbündeten ist aber von dem Augenblicke an derjenigen der Chinesen gegenüber im Nachtheile, als es ihr an der politischen Einmüthigkeit im Erstreben bestimmter militärischer Ziele fehlt. Ucbrigens liegt ein neuer Beweis der chinesischen Politik, die zwischen den Verbündeten Mißtrauen säet, vor. Wie an den Kaiser von Japan, an Loubct und an Mac Kinley, so hat sich der Kaiser von China auch an den deutschen Kaiser gewendet und nach der „Hamb. Corresp." in einer Depesche sein tiefstes Bedauern über die Ermordung des Frciberrn v. Ketteler ausgesprochen und gleichfalls daS Ersuchen um Vermittelung gestellt. Wir geben diese Meldung mit der nöthigen Reserve wieder. Dadurch, daß irgend ein Beamter im Namen des chinesischen Kaisers Vorschläge macht, oder nicht erweisbare Thatsachen versichert, ist die Function der rechtmäßigen Regierung ebenso wenig fesigestellt, als das Leben der Gesandten in Peking. Sogar der englische Unterstaatssekretär Brodrick, der bisher doch viel geglaubt hat, versicherte gestern im Unterhause, daß er den Mittheilungen oder Decreten, die dem Kaiser von China oder der chinesischen Ne gierung zugeschrieben werden, keinenGlauben bei messen könne. Die Frage muß bald gelöst werden, denn dem chinesischen Gesandten m London ist vom Allerweltsmann Eisenbabn- director Sch eng folgende aus Shanghai vom 23. d. M. datirte Depesche zugegangen: „Nack einer Meldung aus Peking vom 18. d. M. hat daS Tsung li Damen den Departementsuntersekretär Wenjin entsandt, um die ausländischen Gesandten zu besuchen; Wenjin fand Alle, außer den deutschen Gesandten, bei guter Gesundheit. Chungli wendet sich jetzt mit der Bitte an den Thron, die Gesandten sämmtlich unter Be deckung nach Tientsin zu senden, in der Hoffnung, daß dann die militärischen Operationen eingestellt werden. Der Londoner chinesische Gesandte sandte gestern zwei Depeschen an die Regierung in Peking. — Der Director der chinesischen Telegraphenverwaltung tritt mit Entschiedenheit dafür ein, daß den ausländischen Gesandten gestattet werde, Telegramme abzusckicken." Vorausgesetzt, daß diese Nachrichten auf Wahrheit beruhen, würden zwar die Gesandten nickt todt, aber gefangen sein. Man stelle sich nur vor, wie die Gesandten und ihre An gehörigen, von denen schon vor Wochen der Hilfeschrei „Eilt Euch!" ausgesloßen wurde, in der englischen Gesandtschaft, die wenigstens zehn Mal so viel Personen als sonst be herbergt, eingepfercht sind; — weiter, daß diese Gesandtschaft belagert und beschoffen wird, daß Niemand weder hinein noch hinaus kann, daß die Bewohner demnach größten Mangel leiden, und halte die chinesische Aussage dagegen, daß sie sich Wohl und munter befinden. Wie verträgt eS sich denn auch mit der Freiheit der Gesandten, mit dem Nespcct vor der Diplomatie und den fremden Mächten, daß Jemand sich an den Thron wenden muß, um für die Freiheit der fremden Gesandten zu bitten, und daß Scheng sich dafür ausspricht, daß ihnen das Telegraphiren gestattet werde. Eine solche Verhöhnung der Mächte hat noch nicht stattgefunden. * Genua, 24. Juli. Der gestrige Empfang zu Ehren der nach Lstasien gehenden deutschen Ofsiciere verlief glänzend. Anwesend waren die Spitzen der Behörden, viele italienische Officiere, der neue deutsche Gesandte für China, vr. Mumm von Schwarzenstein, der deutsche Militär»AttachS Major von Chelius, sowie die gesammte deutsche Colo nie. Die Musik spielte unter lebhaftem Beifall die deutsche und die italienische Hymne. Der deutsche General- consul in Genua Wirkt. Legationsrath Pritsch brachte ein Hoch auf den König von Italien, den treuen Bundesgenossen des deutschen Kaisers au» und sprach die Hoffnung aus, daß den Ver bündeten europäischen Heeren der Sieg beschicken sein möge. So dann sprachen der Präsect, der Bürgermeister, der commandirende General und der Präsident der deutschen Colonie Major v. Falken- hayn, die sämmtlich die Gefühle der Freundschaft und ihre Wünsche sür den Triumph der Civilisation in China ausdrückten. * Paris, 23. Juli. Die „Agence Havas" veröffentlicht folgende Nole des Ministers deS Auswärtigen DelcassS: Ein Telegramm unseres Consuls in Tschifu vom 21. d. M. Abends besagt: ,,Der Gouverneur benachrichtigt mich, daß sicheren Nachrichten aus Peking zufolge die fremden Gesandten in Peking wohlbehalten seien. Die Regierung ergreife alle Maßnahmen, sie zu befreien und zu schützen." * London, 23. Juli. (Unterhaus.) Hedderwick fragt an, ob es dem diplomatischen Gebrauch entspreche, daß, während Eng länder in China gemordet würden, die Vertreter der chinesischen Regierung in England bei Staatsfunctionen und anderen osficiellen Angelegenheiten Einladungen erhielten. Der Parla mentsuntersekretär des Aeußern, Brodrick, erwidert, die Ant wort hänge von dem Stande der Dinge in Peking ab, über den die Regierung nur unvollkommen unterrichtet sei. Die Regierung habe nicht verfehlt, Alles zu thun, um den Vertretern der chinesischen Regierung ihre Ansicht über die letzten Vorgänge in Peking klar zu machen. Der Staatssekretär sür Indien, Lord Hamilton, theilt mit, daß der Maharajah von Gwalja ein vollständig ausgerüstetes Hospitalschiff für den Dienst i« China angeboten habe; dies Anerbieten sei mit Dank angenommen worden. Brodrick theilt mit, der britische Generalconsul War ren habe bei dem Gouverneur von Schantung telegraphisch angefragt, wie es komme, daß er in zwei Tagen eine Mittheilung aus Peking er halten habe, bei der britischen Regierung aber keine Nachricht von dem britischen Gesandten eingelaufen sei. Die Antwort des Gouverneurs von Schantung lautete folgendermaßen: Die Mit theilung des amerikanischen Gesandten werde vom Tsung liDamen durch einen Voten abgesandt, der etwa 200 engl. Meilen täglich zurücklegt. Ich gebe Ihnen die Versicherung, daß eine telegraphische Verbindung mit Peking nicht besteht. Ich kann eS nicht erklären, weshalb Macdonald keine Nachricht von sich gegeben hat, aber ich bitte, sich über die Gesandten nicht zu beunruhigen, denn sie und die übrigen Ausländer sind am Leben und unverletzt. Darüber habe ich schon mehrere verläßliche Nachrichten erhalten. Brodrick fügt hinzu, da über ein Monat verflossen sei, seitdem die britische Regie rung von ihrer Gesandtschaft in Peking eine Mittheilung er halten habe, während das Tsung li Damen durch Boten mit ver schiedenen chinesischen Behörden verkehre, so könne die britische Regierung Mittheilungen oder Decreten, die dem Kaiser von China oder der chinesischen Regierung zu geschrieben werden, keinen Glauben schenken, so lange sie nicht durch Briefe, welche die Unterschrift des britischen Gesandte« Macdonald oder anderer britischer Beamten tragen, oder durch ein Telegramm mit der Chiffre der britischen Regierung bestätigt werden. * Washington, 23. Juli. Das Staatsdepartement veröffent licht folgendes Kabeltelegramm, welches eS heute von dem amerika nischen Consul in Shanghai erhalten hat: Prinz Tua« (!) tele- graphirt, daß ein Beamter des Tsung li Damen alle Gesandten am 18. Juli gesehen habe. An diesem Tage sei keiner von ihnen verletzt gewesen, auch habe kein Angriff damals gegen sie stattgefunden. Der amerikanische Consul sagt nicht, an wen Prinz Tuan sein Telegramm ge richtet hat, und Las Staatsdepartement weist darauf hin, daß das Telegramm Tuan's von dem deS amerikanischen Gesandten Conger abwriche, da dieser hierin mitgetheilt, daß zu jener Zeit die Ge- sandtschaft beschossen wurde. Auch glaubt man im Staatsdeparte- ment, daß in der Depesche ein Fehler und die Adresse statt „Tuan" richtig „Duan" (Gouverneur von Schantung) zu lesen sei. * Washington, 23. Juli. („Reuter'S Bureau") In Beant wortung der von der chinesischen Regierung an ihn gerichteten Bitte um Vermittelung theilte der Präsident Mac Kinley dem chinesischen Gesandten mit, er sei bereit, unter gewissen Be- dingungen die Vermittelung zu übernehmen. Worin diese Bedingungen bestehen, wird wahrscheinlich erst morgen bekannt gegeben werden, jedoch weiß man, daß die Antwort die Ber- sicherung bezüglich der Sicherheit der Gesandten als wahr betrachtet. * Washington, 23. Juli. Der Staatssekretär des Auswärtigen Hay veröffentlicht ein kaiserlich chinesisches Edict vom 17. d. M., das ihm heute von dem chinesischen Gesandten Wutingfang zugestellt worden ist. DaS Edict erwähnt zunächst den Fall der FortS von Taku und das überstürzte Aufeinanderstoßen der Streitkräfte, bespricht hieraus die Maßregeln der chinesischen Regierung zum Feuilleton. SI Graf Egon's neue Nachbarin. Novelle von G- von StokmanS (GermaniS). Nachdruck verboten. Nähere- wußten die Leute der Baronin nicht, erst als die Kammerjungfer, durch Frau Wenslein heimlich angestachelt, einmal wagte, die Gesellschafterin nach dem Original des Bildes zu fragen, hatte diese sich ganz erschreckt umgesehen, den Finger an die Lippen gelegt und dann hastig gesagt: „Um GotteS- willen, schweigen Sie. Ich glaube, der junge Mann war der Bruder der Baronin, aber gewiß weiß ich eS nicht, denn sie spricht nie von ihm und will an sein trauriges Ende nicht er innert werden. Es hängt mit dem größten Unglück ihres Lebens zusammen, und sie hat dasselbe noch nicht überwunden, obgleich zwei Jahre darüber hingeganaen sind. Ich fand sie einmal vor dem Bilde, in Thränen aufgelöst, verzwciflungsvoll die Hände ringend, aber ich zog mich schnell zurück und würde nie wagen, an ihrem Schmerz zu rühren." „Bruder!" Frau Wenslein lächelte spöttisch und vielsagend, als sie Graf Egon den Bericht wiederholte, und der Unglaube, den sie damit auSdriicken wollte, übertrug sich unwillkürlich auch auf ihn. Wenn der Derstorbene wirklich der Bruder der Baronin gewesen war, weshalb dann das Opfer deS Schweigens, die ängstliche Abwehr der Gesellschafterin, die vielleicht mehr wußte, als sie sagen durfte und nach der ersten besten AuSrede griff? Einen Bruder betrauert man nicht so lange und leiden schaftlich, und vor Allem, man hüllt sein Andenken nicht in den Schleier des Geheimnisse» ein. Der Unglückliche war jedenfalls der Held und daS Opfer der EhestandS-Tragödie gewesen, die sich da abgespielt hatte, und eS gehörte nicht viel CombinationSgabe dazu, um zu errathen, daß er, ein Mann in der Blüthe seiner Jahre, von der koketten Frau angelockt, in eine Leidenschaft verstrickt, und von dem er zürnten Gatten im Duell erschossen worden war. In dieser Auffassung wurde Graf Egon noch bestärkt durch eine Unterhaltung, deren ungesehener Zeuge er war, und welche seine schlimmsten Voraussetzungen nicht nur bestätigte, sondern weit übertraf. Seine Nachbarin bekam nämlich Besuch von einer Freundin, einer jungen, lebhaften, blonden Frau, die sehr impulsiv zu sein schien, nach her Begrüßung zu urtheilen, die er zufällig von ferne mit ansah, und als er am späten Abend von einem Besuch in der Nachbarschaft heimkehrte, sah er die Fremde, eifrig sprechend, mit der Baronin im Mondschein lustwandeln. Der Unterschied in der Erscheinung der beiden Damen trat dabei deutlich hervor und fiel sehr zu Gunsten seiner Haus genossin aus. Die Freundin war entschieden eine hübsche, junge Frau, aber sie sah unbedeutend und soubrettenhaft aus neben der edlen, vornehmen Erscheinung der Baronin, und auch ihre Stimme klang nicht so weich und voll, so harmonisch aus geglichen und beherrscht. Selbst Graf Egon konnte sich dieser Wahrnehmung nicht entziehen, aber statt sich an diesen Vorzügen seiner Nachbarin zu erfreuen und ihnen innerlich gerecht zu werden, dachte er nur: „Ja, da kann man wieder sehen, wie sehr der Schein trügt", und ging mit der Ueberzeugung zur Ruhe, daß die Weiber nur auf der Welt seien, um Unheil zu stiften. Am anderen Morgen wollte er floißig arbeiten und begab sich zu diesem Zwecke in die sogenannte Kanzlei, ein Zimmer, das sich an seine Gemächer anschloß und zur Aufbewahrung von Acten und alten Büchern diente. Auch die Register der Forstver- waktung, auS denen er einige Auszüge machen wollte, befanden sich hier, und zwar in einem verschlossenen Schrank, der in die Wand eingelassen war und mit seinen vielen, tiefen Fächern sehr viel Raum darbot. Dieser war meist dadurch entstanden, daß man eine überflüssige DerbmdungSthür cassirt, Bieter hineinge schoben und auf der anderen Seite die Oeffnung mit einem mit Leinwand bespannten Rahmen auSgefiillt hatte. Darüber war dann tapeziert worden, und so kam e», daß im Nebenzimmer, welches nun zur Wohnung der Baronin gehörte, die ganze Wand als eine ununterbrochene, gleichmäßig construirte, glatte Fläche erschien. Graf Egon wußte da» wohl, dachte aber nicht daran, als er, vor dem weitgeöffneten Schranke stehend, rin Actenbündel nach dem anderen herauSnahm und eS zur genaueren Durchsicht auf einen in nächster Nähe bfindlichen Tisch legte. Eine Stunde arbeitete er so emsig und ungestört, doch dann hob er plötzlich lauschend den Kopf, hörte auf zu schreiben und verharrte wie gebannt in seiner Stellung. Hinter der Tapetenwand nahten sich leichte Schritte, Kleider rauschten und die Helle Stimme der Fremden sagte lebhaft: „O Dina, welch' ein reizendes Plätzchen, — wie geschaffen zu einer intimen Plauderei. Wo hast Du daS originelle Tisch chen, daS entzückende kleine Sopha her? — Aus England — ja? — daS kann ich mir denken — aber ich muß eS gleich ausprobrren, eS ist zu verlockend" und sie ließ augenscheinlich der Absicht die That folgen, denn man hörte, wie sie sich auf den Polstern, direct an der verborgenen Thür, niederlieb und die Baronin bat, sich neben sie zu setzen. Dann fuhr sie eifrig fort: „Ueberhaupt — was aus diesen Räumen zu machen war, hast Du daraus gemacht, Du bist entzückend eingerichtet, und wenn man das alte Castell von außen sieht, ahnt man nicht, wie elegant und genrüthlich es drinnen ist, — aber wie Du es in dieser weltfernen Abgeschiedenheit auf die Dauer aushalten willst, ist mir ein Räthsel. Ich glaube, ich würde verrückt in dieser Einsamkeit, diesem ewigen Einerlei, und ich hoffe, wenn der Winter kommt, kehrst Du in die Welt und zu Deinen Freun den zurück." Die Antwort der Baronin kam nicht gleich, dann sagte sie nachdenklich: „Laß mir noch einige Jahre Zeit, — Irmgard. Du weißt jo, weshalb ich hierherging. Ich war reisemüde und kampfes- müde, ich sehnte mich wieder nach einer eigenen Häuslichkeit, einem stillen, abgelegenen Ort, an dem ich mich verbergen und ausruhen konnte. Den habe ich nun gefunden. Auf der Reise, in der Schweiz und an der Riviera, traf ich doch immer wieder Menschen, die meine Geschichte kannten, mich anstaunten und mit mitleidigen oder mißtrauischen Blicken musterten, ja mitunter tactlos genug waren, die schreckliche Vergangenheit zu berühren. Da, wo ich am liebsten wäre, — in meine Heimath kann ich nicht zurückkehren, Du weißt weshalb, und wenn ich ein neues Leben beginn«, so will ich auch in ganz neuen Verhältnissen leben. Hier kennt mich kein Mensch; Niemand weiß, waS ich durch gemacht habe, und ich kann thun und treiben, vornehmen und unterlassen, wa» ich will. Sollte ich später einmal etwas Ge selligkeit wünschen, so bietet die Nachbarschaft ja Gelegenheit genug dazu, vorläufig trage ich aber kein Verlangen darnach, sondern beschränke mich auf die Gesellschaft meiner guten Tante, die sich so gern bereit erklärte, mir zu folgen." Die Freundin schien daS nicht zu begreifen. „Ja", sagte sie, „deS Menschen Wille ist sein Himmelreich — und daß Du nicht an frühere Zeiten erinnert werden willst, verstehe ich voll kommen, aber Du brauchtest Dich unS doch nicht ganz zu ent ziehen. — Bist Du denn hier wirklich glücklich, Dina?" „Glücklich?" wiederholte die Baronin mit einem tiefen Seufzer, „ach Irmgard, wie kannst Du so fragen, wie kann ich je wieder gücklich sein, nachdem ich so Schreckliche» erfuhr und Freddy in den Tod getrieben wurde durch meine Schuld. Die übergroße Liebe zu mir ist ihm zum Derhängniß geworden, sie hat sein Glück, seinen Frieden vernichtet. Ich kann und werde das nie vergessen! Weshalb konnte ich mich nicht besser beherr schen, weshalb nicht schweigen, wie vorher? Ich durfte seinem stürmischen Drängen nicht nachgeben, durfte nicht sagen, wie ich litt und nach Freiheit dürstete, aber ich gestand die Wahr ¬ heit, und dieses Geständnrß ließ ihn möinem Mann gegenüber jede Vorsicht und Rücksicht vergessen. Wie ich ihn dann wieder- sah — sterbend, verblutend um meinetwillen — da wäre der Tod auch für mich eine Erlösung gewesen, — aber ich mutzte weiterleben und die Last auf mich nehmen, welche das Verhäng- niß mir auf die Schultern legte." Die Freundin suchte sie zu beschwichtigen, zu trösten. „Liebste Dina", sagte sie warm, „Du nimmst die Sache wirk lich zu schwer. Andere haben doch mehr gefehlt, als Du. Wie oft hört man von einem solchen Conflict — wie oft ist der Ausgang ein trauriger — aber die Zeit heilt auch diese Wunden, und der Einzelne darf nicht die ganze Verantwortung auf sich laden." Die Baronin ließ ein kurzes Auflachen hören, aber dieses Lachen war bitter und hart. „Ja", erwiderte sie, „das ist Deine Ansicht, aber Miriam, Freddy's Frau, denkt anders über mich und meine Schuld. An der Leiche ihres Gatten hat sich mich verflucht, hat mit Fingern auf mich gewiesen und mich seine Mörderin genannt. Wenn sie auch nicht ganz zurechnungsfähig war in ihrem ersten, leidenschaftlichen Schmerz,die Abneigung, ja der Widerwille gegen mich ist geblieben, und vergeblich habe ich eine Versöhnung anzubahnen versucht. Sie will und kann mir nicht verzeihen, und sie spricht das auch ganz offen auS." Die Freundin schien mit der verrathenen Frau wenig Mit leid zu haben. „Ach", sagte sie. „Miriam war ja von Anfang an eifersüchtig auf Dich und beobachtete ihren Mann mit ArguS- augen. Sie ist mißtrauisch von Natur und hat ein unglückliche» Temperament. Jetzt ist sie allerdings zu bedauern, aber Du nicht minder, meine arme Dina, und ich bin überzeugt, Deine Liebe zu Freddy war tiefer, größer und selbstloser, al» die ihre." Wieder »in tiefer Seufzer, dann sagte die Baronin: „DaS mag wohl sein, aber sie hatte auch ein größeres Anrecht auf ihn, al» ich, und je mehr wir unsere zärtliche Zuneigung vor ihr verbargen, je mehr wir bemüht waren, sie zu schonen, um so mehr wurden wir un» unserer tiefinnersten, unzerstörbaren Zusammengehörigkeit bewußt. Ja, unsere Gefühle steigerten sich unwillkürlich durch den Zwang, den ihre Gegenwart uns auf erlegte, und schließlich kam es zu jenen Heimlichkeiten, die sie sa sehr erbitterten und die Katastrophe einleiteten.
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