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Riesaer K Tageblatt und Anzeiger Mktlitl «tß Lqei-ch. FAMsprechste«« M) Amtsötatt der KSnigl. Amtshauptmannschast Großenhain, des Kinigl. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa. I- ZI Freitag, SS Januar 1895, AvenSS 48. Jahrg Brehm. firmirt. Riesa, den 24. Januar 1895. DaS Riesaer Tageblatt erscheint jeden Tag Abends mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Vierteljährlicher BezngSprei« bei Abholung in den Expeditionen in Mesa und Strehla, den AugPchHMO^ sowie am Schalter der laijert. Postanstalten 1 Mart 25 Ps., durch dir Träger srei in« Hau« 1 Mark 50 Ps., durch den Briefträger frei in» Hau« 1 Mart SS Pf. »>,rige»«much»« pr Re de« Ausgabetages di« Bormittag 9 Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kastanirnstraße VS. — Für die Redacttot, oerantwortlich: -er«, -chmibt t» Utes«. Auf Fol. 239 des Handelsregisters für den Bezirk des unterzeichneten Amtsgerichts, die Firma PietschMUUN L Hildebrandt in Riesa betr., ist heute verlautbart worden, diese Firma künftig Hildebrandt L Feiste Königl. Amtsgericht. Helduer. Die griechische Ministerkrise war diesmal um so ernsterer Natur, als sie mit der Finanz« und der landwirthschaftlichen Krise zusammentaf. Dely- annis und Trikupis, die sich seit dem Tode Kommunduros von Zeit zu Zeit in der Ministerpräfidcntschaft abwechseln, haben stch nicht nach der Decke zu strecken verstanden und haben das kleine Griechenland in eine Schuldenlast gestürzt, unter der es schwer seufzt. — Aber Herr Trikupis ist ein Mann, der sich zu helfen weiß. Er kann die Zinsen der Staatsschuld nicht zahlen und läßt sich deshalb keine grauen Haare wachsen. Er hat die Depurirtenkammcr hinter sich und diese dekretirt frisch weg: „Zinsen giebt es nicht." Falls cs sich nur um inländische Gläubiger handeln würde, konnte Herr Trikupis damit vielleicht durchdringen; da die griechi schen Staalsgläubiger ober in Berlin, Paris, Wien und London sitzen, so ist mit ihnen doch nicht so leicht fertig zu werden. — Für Trikupis war aber noch eine neue Schwie rigkeit erwachsen; die eingehenden Steuern reichten nicht nur nicht zur Zinszahlung, sondern nicht einmal zur Befriedigung der dringendsten laufenden Staatsbedürfnisse. Und da wollte man sich mit einem Oktroi helfen, das sich aber das ohnehin ausgcsogene Volk nicht gefallen lassen wollte. Am Sonntag drohte cs darüber in Athen zu heftigen Zusammenstößen zwischen den Anhängern des Ministeriums und den Gegnern zu kommen und da geschah das Ungewöhnliche: der Kron prinz Konstantin, der zugleich den Posten eines Komman danten der hauptstädtischen Garnison bekleidet, ritt mitten unter die aus dem Marsselde handgemein gewordenen feind lich.« Parteien, die beide gleichzeitig Nachmittags Versamm lungen veranstaltet hatten, einerseits, um für das neu cin- gcsührre Oktroi, anderseits, um gegen die zu dessen Ersatz bestimmten neuen Steuern sich auszusprechen; der Kronprinz lhat es, um die Aufgeregten zu beschwichtigen und der Po lizei, sowie den von der Regierung aufgebotcnen Truppen ! jedes gewaltsame Eingreifen zu untersagen. Durch dieses Auftreten war der Kronprinz der Regie- rungsgcwalt Trikupis' in den A m gefallen. Trikupis begab sich sogleich, nachdem er Nachricht davon erhalten, zum Könige, um sich zu beschweren, mußte aber erfahren, daß der König den Schritt des Kronprinzen billigte. So blieb dem Minister nichts übrig, als dcm Monarchen das Abschiedsgesuch des Gesammtministeriums zu unterbreiten. Die Lage ist so un günstig wie nur denkbar und der Nachfolger Trikupis' wird eine schwere Stellung haben. Die Staatskassen sind leer, die auswärtigen Gläubiger drängen, die Steuern sind schwer bcizutretbeu, da die landwirthschaftliche Noth durch den über reichen Ausfall der Korinthenernte auf das höchste gestiegen ist und einen großen Theil der bäuerlichen Bevölkerung an den Bettelstab gebracht hat. Die landwrrthschaftliche Krise hat nach einem Bericht der „Nat.-Ztg." folgenden Ursprung: Bor etwa 20 Jahren war iw Peloponnes eine kleine Bodenfläche mit Korinthen bepflanzt, und der Preis war im Durchschnitt 150 Frank pro Tonne. Als die Reblaus in Frankreich erschien uno den ganzen Weinbau verdarb, sah man sich dort auf die Korin- then angewiesen, um überhaupt Wein Herstellen zu können. Die große Nachfrage brachte ein entsprechendes Steigen des Preises mit sich, und sofort griff der Eifer für den Korin thenbau so um sich, daß öfter ganze Wälder von Oelbäumen rc. ausgerodet wurden, um Korinthen zu pflanzen. Selbst ins Gebirge verflieg sich der Korinthenbau. Aber als Frank reichs Weinbau stch wieder besserte, hörte auch die frühere starke Nachfrage auf, und die Korinlhenpreise sanken so tief, daß der Anbau sich nicht mehr lohnte. Von einem Ende des Landes zum anderen ertönte jetzt der Schrei nach Hilfe, nach Rettung des KorinthenbaurS. Aber kein Hilfsmittel fand sich, und nachdem der abenteuerliche Vorschlag einer Einziehung und Vernichtung der Rosinen, um den Preis zu heben, von der Kammer verworfen worden, erreichte die Krisis ihren Höhepunkt. Daß bei dieser Nothlage die Steuereingänge nur sehr knapp sind, ist begreiflich und der Befehl des Königs, bei der Steuererhebung mit aller Milde vorzugehen, ist nicht r ur human, sondern auch staatsklug, denn das Gegentheil würde bei dcm verarmten Volke die Revolution Hervorrufen. Zeigte sich aber bisher noch kein Weg, der landwirthschaftlichen Krise Herr zu werden, so ist auch ebensowenig auf baldige Füllung der Staatskassen und auf Bezahlung der Zinsen für die Staatsschulden zu hoffen. Die Ministerkrise ist nun inzwischen zwar zur Erledigung gekommen, denn der Telegraph meldet, das Ministerium sei end- giltig gebildet und wie folgt zusammengesetzt: „Präsidium, Aus wärtiges und interimistisch Inneres, Nikolas Dclyannis; Krieg, Oberst Papadiamantopulo, Adjutant des Königs; Marine, Schiffskapitän CriesiS, Adjutant des Königs; Finanzen, Kctzcas, Vicepräsident des Rechnungshofes; Justiz, Araoantinos, Mitglied des Kassationshofes; Kultus, Vlachos, ehemaliger Botschafter"; aber die Finanz, und landwirthschaftliche Krise hält unvermindert an und es bieten diese Fragen eine Nuß, welche nicht so leicht zu knacken sein dürfte. TaseSgeschichte. Deutsche- Reich. Dem Kaiser ist vom Kaiser von Japan die Kette des Chrysanthemum-Orden« verliehen worden. Wie die „Post" mittheilt, ist der Kaiser der erste, der sie er- hält. Bisher hat sie der Kaiser von Japan allein getragen. Die von Berliner Blättern verbreitete Nachricht, der französische Botschafter Herbette würde sich demnächst nach Paris begeben, um mit dem Präsidenten der Republik über die Lage zu konferiren, entbehrt jeder Begründung. Die „Berl. Reuest. Nachr." melden aus Graz: Der große Ausschuß zur Ehrung des Fürsten Bismarck versammelte sich gestern unter dem Vorsitz de« Bürgermeisters. Mehrere Abgeordnete des Reichsraths und auch der Dichter Rosegger waren zugegen. Eine Begrüßung von 150 Grazer Frauen wurde verlesen und mit Jubel ausgenommen. Es wurde die Abhaltung eines großen Festabends und die Uebcrreichung eines Ehrengeschenkes durch eine Abordnung beschlossen. Wie der „Boss. Ztg." aus London gemeldet wird, soll Deutschland eine Note an die englische Regierung gerichtet haben, m der gegen eine Besitzergreifung der Delagoa-Bucht durch England enischiedener Protest eingelegt wird. In süd afrikanischen Zeitungen wird die Angelegenheit lebhaft erörtert und Deutschlands Auftreten gebilligt. Neber den Dreibund bringt der „Hamb. Korr." Legen- über Meldungen über eine Zusammenkunft der Minister der Dreibundstaaten behufs Erneuerung der Drelbundoerträge eine ersichtlich offiziöse Mittheilung folgenden Inhalts: Die Absicht bei der Verbreitung dieser Nachricht sei anscheinend die, den Eindruck hervorzurufen, als sei die Fortdauer des Dreibundes in Frage gestellt. Der Dreivuno erfreue sich aber einer so festen Konstitution, daß er durch Ausstreuungen dieser Art nicht erschüttert werden kann. In Hofkreisen ist die Meldung verbreitet, Fürst Bis marck beabsichtige, am Sonntag nach Berlin zu kommen, um dem Kaiser zu seinem Geburtstag zu gratuliren; thalsächlich werden hier Dispositionen zu« Empfange des Fürsten ge troffen. Die „Voss. Ztg." brachte die Nachricht, daß Major von Wißmann in Neapel an akutem Gelenkrheumatismus und asthmatischen Anfällen erkrankt sei. Wie Wißmann rach Berlin telegraphirt hat, ist diese Nachricht glücklicher Weise ganz falsch, da er lediglich einer leichten Erkältung halber seinen Aufenthalt in Neapel verlängert hat. Das „Volk" erhält von einem in Berlin lebenden Fran zosen, der sehr gute Beziehungen hat, folgende Mittheilungen, die er dem Blatte al« verbürgt bezeichnet: „Als der Kaiser die Nachricht von Casimir-Periers Abdarkung erhalten hatte, begab er sich bekanntlich sofort zu dem französischen Bot schafter Herbette ; eS war 9 Uhr Morgens. Herberte «ar noch nicht lange aufgestanden und befand sich, als ihm zu seinem nicht geringen Schrecken der hohe Besuch gemeldet wurde, im ersten Anfang der Toilette. Der Kaiser befahl, als ihm dies nothgedrungen gemeldet werden mußte, in liebenswürdigster Weife, Herbette solle keine Umstände machen und kommen, wie er gerade wäre. Er erschien im Schlaf rock und mußte sich zunächst einige »scherze über sein Früh ausstehen gefallen lassen. Dann fragte der Kaiser ernst, was er zu den überraschenden Neuigkeiten gesagt hätte. „Zu welchen ?" entgegnete Herbette erstaunt ; „Nun, zu denen aus Paris." — „Ich habe die Depeschen noch nicht geöffnet und habe von bedeutenden Neuigkeiten nichts vernommen." Sein Entsetzen war groß, als ihm der Kaiser von Casimir-Periers ^Abdankung erzählte und die Pariser Depeschen sie bestätigten. "Als der Kaiser sich verabschiedete und Herbette ihn das Ge- leit gab, fuhr er beim Oeffnen der Thür erschreckt zurück, denn draußen im Vorzimmer befanden sich nicht nur einige Herren, sondern auch mehrere Damen, denen sich Herbelte unmöglich in seinem fragwürdigen Anzug präsenriren konnte. Der Kaiser lächelte und meinte: „Ja, ja, den deutschen Kaiser » können Sie im Schlafrock empfangen, bei den Damen ist i das natürlich eine andere Sache." t?) Vom Reichstage. Im Reichstage wurde gestern « die erste Berathung der Novelle zum Zolltarif beendet. Abg. i Hitze (Zentr.) trat für die Einführung eines Zolles auf f Quebrachoholz ein. Abg. Langerhans (freis. Volksp.) er- k klärte sich gegen diesen Zoll, da durch ihn die Gewerbeindustrie i schwer geschädigt würde. Abg. Graf Kanitz (kons.) bemängelte ! die Hanoelsverträge, insbesondere den Vertrag mit Rußland. ' Die Parteien sollten sich angelegen sein lassen, die nach- theiligcn Wirkungen der Handelsverträge möglichst wett zu machen. Abg. Dresler (nat.-lib.) befürwortete den Quebracho- holzzoll, Bunseskommissar Geh. Rath. Henle die einzelnen Positionen der Vorlage. Staatsminister Freiherr v. Mar- schall betonte, man sollte die jetzige wirthschaftliche Lage nicht den Handelsverträgen zur Last schreiben, denn diese sei auch in anderen Ländern nicht besser, auch in Rußland sei der Getreidepreis beträchtlich gesunken. Abg. Barth (freis. Verein.) sprach sich gegen die Vorlage aus, welche die Stetigkeit der wirthschastlichen Verhältnisse gefährde. Abgeord. Fusangel (Zentrum) sprach, ohne ein abschließendes Votum abgeben zu wollen, sein Einverständniß zu der Vorlage aus. Abg. Frei herr v. «stumm (Reichsp.) oertheidigte den Quebrachoholzzoll und führte aus, daß der russische Handelsvertrag der Eisen industrie erhebliche Bortheile gebracht habe. Abg. Hammacher (nat.-lib.) erklärte sich für eine Erhöhung des Zolles auf Baumwollensamenöl. Abg. Möller (nat.-lib ) wie« statistisch nach, daß sich in Folge des russischen Handelsvertrages die Ausfuhr unserer Eisenindustrie gehoben habe. Abg. Graf Kanitz (kons.) sühne aus, eS sei zwar richtig, daß die van den Landwirthcn Oesterreichs und Rußland« auf unsere Handelsverträge gesetzten Hoffnungen getäuscht worden seien, das liege aber daran, daß wrr den amerikanischen Staaten das Meistbegünstigungsrecht zugestanden hätten. Nachdem sich noch der Abg. Wurm (Soz.) gegen die Vorlage ausgesprochen, wurde sie einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen. England. Ein Mitglied der englischen Regierung hat sich neuerdings wieder über das Thema der Flottenver mehrung vernehmen lassen. Der Staatssekretär des Innern Asquith hielt in Hüll eine Rede, in der er au-führte, die Vermehrungen in der Marine seien für das nächste Jahr in größerem und ernsthafterem Maßstabe in Aussicht ge nommen, al« es im vergangenen Jahre der Fall war; sie entsprängen jedoch nicht dem Wunsche, mit den Nationen der Welt in der kriegerischen Ausrüstung zu rivalistren, sondern dem Umstande, daß die Regierung da« Uebergewicht Englands zur See für die Sicherheit des Reiche- und für eine bessere Garantie de« Frieden« für nothwendig erachtet. Bulgari«». Wie der „N. Fr. Pr." aus Petersburg gemeldet wird, beabsichtigt die bulgarische Regierung angeblich di« Entsendung de« verabschieder»» Obersten Kesjakow zum