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Roman von Mar von Weißenthun, »reu sssbis in den Tod Copyright b, Marte Brügmann, München. S. Fortsetzung. .Etwa in einer Stunde", entgegnete Lia, den Arm deS Krevnde» erfassend und sich langsam abwendend. Allcourt verneigte sich und entfernte sich tn entgegen gesetzter RtchtuNg; dabei hörte er aber doch noch ein leise» »Sachen, wem» er auch die «orte nicht vernahm, welche teuer sprach. ,?cr «vo, piccdm,wa» habe ich den« getan, weshalb dein Freund mich so gttmmig anUickte? Ist eS am End« dein verlodter, und plagt ihn di« Eifersucht? Ich be merkte, bah « mich an» liebste» niedergeschlagen hjfttt, al» ich dich umarmtes" Kränlettr Gigia Olfredi hatte inzwischen die Groß mutter verlassen und wandelte mA eine« ihrer zahllose» Anbeter durch die Anlagen, sich an de« prächtigen Bild« erfreuend, da» sich ihr allerort» bot. Al» sie Allcourt be» Segnete, fragte sie: .«».ist Lia?" »Sie sucht Siel Sie traf eb« mit einem Freund« zu sammen, an» Benedig, wenn ich nicht irre, und beide suchen nach Ihnen! Men» Sie widrschen, geletle ich Sie zu ihnen!" .Sine» Freund und au» Benedig; aber wir erwartete» doch niemanden von dort! »er mag da» sein?" rief Sigia merklich verwirrt. »Ein sehr schöner Mann, «amen» Anatol." Sigia Olfredi» Antlitz veränderte sich selten; aber wäh rend Allcourt sie fetzt anblirkte, bemerkte er doch, da- eine Merklich« Wandlung in ihre» Zügen »orging. Ihr Lächeln schwand dahin und alle Karbe, war mit einem Male au» ihre« Wangen gewichen. Fräulein Olfredi Halle plötzlich ihre selbstbewu-te Nnh« verlor«. »Entschuldigen Sie «ich, Herr Milton!" sprach sie, sich mit gewohnter Grazie, aber ohne da» ihr sonst stet» eigene Lächeln an ihren BegletteAoendend. «Wollen Sie, Herr Allcourt, aber so freundlichsettr, «ich so schnell wie mög lich zu meiner Schwester und ihrem Freund« zu bringen!" »Ihrem Freunde?" dachte sich Allcourt. »Ist er den« nicht ebensosehr der ihre? Wen» er ihr Todseind wär«, könnte ihr Antlitz kaum «inen entsetzteren Ausdruck zur Schau trag«»." Eine Welle schritten die beiden schweigend neben einander her. Dann sprach Sigia, und ihre Stimme hatte «inen harte» Slang und schien kaum weniger kalt al» jene Frau Wilton»: »Hai Herr Derin gesagt, wie und weshalb er herkam?" »Richt, da- ich wüßte! Soviel ich vernahm, deulete er nur an, da- «» ihm unmöglich gewesen, ihr länger fern- ,»bleiben, da- sechs Monat« vergangen find, seit er Ihre Schwester zuletzt gesehen und eS ihm mnnöglich sei, di« Trennung länger zu ertragen. Sind Brüder gewöhnlich ihren Schwestern so zugetan? Da» ist doch nicht üblich?" Sigia warf ihm «inen scharfen Blick zu, der ihn un willkürlich an die Großmutter erinnerte, und er gestand sich, da- Sigia Olfredi in vieler Hinsicht ihr ähnlich war. Bevor sie aber das Sespräch weiter fortsrtzten, zeigte» fich dt« beiden, «ach denen sie suchten. Sigia gab Allcourt» Arm frei, trat auf die beide» zu, fand ab«, trotz der An wesenheit mehrerer Personen kein begrü-endeS verbind liches Lächeln für de« Neuangekommenen; ihre Auge» blickten vielmehr kalt, zornig, und sie bot ihm nicht einmal die Hand zum «ruß. Saum merklich »ernrigte fi, sich, und »ab sich den Anschein, di« Hand nicht z» sehen, die sich ihr entgegenstreckte. »Da gibt e< keine zärlliche Umarmung", sagt« sich All ouri mit finsterer Miene. »Offenbar sieht sie mit dem Fremden nicht aus geschwisterlichem Fuß." Dre Begrüßung mtt Lia wollte ihm nicht aus dem Sinn gehen. Er hatte Lia Olfredi gebeten, sein Weib zu werden, und sie hatte ihm ihr Jawort gegeben. Trotzdem hatten fie bisher nur auf dem kältesten Fuße zusammen verkehrt. Jener Fremde aber hatte eS gewagt, fie zu küssen. Hatte der Umstand, da- eS der Stiefsohn ihrer Großtante war, ihm das Recht dazu gegeben, oder verlieh eS ihm ihre Liebe? Er hatte gesehen, da- trotz Ueberraschung und Schreck Freude aus ihren Augen gesprochen. Sr hatte fie für mutig, für eigensinnig, ja für trotzig gehalten, dabei aber für durchaus offen und aufrichtig. Sie hatte seine Werbung angenommen, aber nicht ein Wort von einer früheren Neigung oder Verlobung gesprochen. Weswegen hatte sie ihm nichts von diesem Vetter gesagt? Und durck den eifersüchtigen Schmerz, der sich tn seiner Seele regte erfuhr Allcourt erst recht, wie nahe sie seinem Herzen stand. Finster blickt« Allcourt zu Lia hinüber. Sie sah sorgen voll aus. Sigia aber war unerschütterlich; fie wandle sich mit Entschiedenheit einer Gruppe von Bekannten zu. De» schöne, elegante Fremde wurde vorgestellt und erregte all gemeines Aufsehen unter der Damenwelt. Mtt der ganzen Liebenswürdigkeit eines an Damenverkehr gewöhnten Mannes bewegte er sich mit größter Sicherheit in der ihm bisher fremden Gesellschaft. Allcourt hing seinen Gedanken nach. Sollte er auf dem Heimwege gebieterisch eine Antwort, eine Erklärung von Lia fordern, oder sollte er warten, bis sie ihm eine solche freiwillig geben würde? Aber er hatte eine unüberwindliche Abneigung vor Zweifeln und Geheimnissen, und wenn « bis morgen warten sollte, um zu ergründe«, warum Sigia dem Fremden nicht die Hand gereicht, warum Lia so ausgesehen hatte, als ob fie sich vor ihm fürchte, wäre ihm das wi» ein Mangel an Mut vorgekommen. Er sagte sich, er müsse volle» Vertrauen bestehen zwischen ihm und dem Mäd chen, welches er heiraten wollte. Sie mußte auf dem Heim- Wege klar und deutlich mtt ihm reden. Freundlich mochte fie mtt dem Stiefsohn ihrer Großtante sein, aber zärt liche Liebkosungen und Geheimnisse durste es nicht zwischen ihnen gebe«. * . ES herrschte allgemeine Unruhe unter den versammelten Besuchern, als Allcourt sich seinen Weg zu Lia bahnte. Li« verabschiedete sich von Anatol und schritt mit Allcourt auf den Wagen zu, in dem er sie hergefahren hatte. Er war ihr beim Einsteigen behilflich, und nahm dann in tiefstem Schweigen an ihrer Sette Platz. Einmal oder zweimal richtete fie die dunsten Augen auf ihn; der ernste, vielleicht unbewußt streng« Ausdruck seiner Züge schien fie nicht zum Sprechen einzuladen. In der Regel galt Otto Allcourt für eine» sehr ruhigen, besonnenen Mann; aber äugen- bltckltch befand er sich in einer Gemütsverfassung, die weit abwich von allen», wa» di« Vernunft ihm hätte «ingeben können. »Die unerwartete Ankunft Herrn Anatol» scheint Ihnen, wie «k dünkt, keine Quelle lauterer Freude ge- Wesen zu sei«. Di« Leut« überraschen zu wollen, ist meist ein bedauerlicher Irrtum, und trotzdem bemerkt« ich daß Sie sich seine» Rommens freuten." »Ja, ich war froh, ihn zu sehen", entgegnete fie »eise »und werd« mich siet» darüber freuen." Allcourt zuckt« zusammen. Sollt« e» zum Kriege btt aufs Messer zwischen ihnen kommen? »Ihre Schwester scheint Ihre Freude nicht z« teilen" fuhr er in. dem gleichen kalten Tone fort, »und wenn cs Nicht der hellste Wahnsinn wäre, so könnt« man fast meinen baß Sie sich vor ihm fürchten." Sie atmet« schwer, lachte aber gleich darans n» befangen auf. »Sie find «in scharfer Beobachter! Hätte ich gcai,!ü. daß ich nnter Veobachiung sieh«, so würde ich vieitt « -i vorsichtiger gewesen sein. In Zukunft will ich mich > müde» «ein Empfinden weniaer »ur Schau zu na c.' Sie begegnete nun trotzig und herausfordernd feinem Blick. Er schien zum Kriege bereit zu sein, und st« wollte ihm nicht ausweichen. Er bemerkte plötzlich, daß fie einen Ring am Finger trug, und das war bei ihr etwas Außer gewöhnliches. Außer dem kostbaren Brillantring, den er selbst bei ihrer seltsamen Verlobung ihr an den Finger gesteckt, hatte er nie einen Schmuck an ihrer Hand ge sehen. »Ein hübscher Ring, Lia! Sie haben ihn bisher nie getragen! Er ist mir ganz neu!" »Mir auch, Herr Allcourtl" »Vermutlich ist es ein Geschenk Ihre» Vetter» und Bruders, Herrn Anotol", warf Allcourt tn gereiztem Tone ein. »Ihre Kombinattonsgabe ist wirklich außergewöhnlich! Ja, der Ring stammt allerdings von Anatoli »Lassen Sie ihn mir näher besehen!" Wortlos zog fi« den Ring vom Finger nnd bot ihn Allcourt an. Auf der Jnnensette de» brette« Goldreif«»» waren die Worte etngravtertr »Treu bi» in den Tod." »Ein hübscher Ring', bemerkte Allcourt, ihn ihr zurück reichend, »und auch ein hübsche» Motiv! «an weiß nicht, was man am meisten bewundern soll." »Für einen Mann von ihrem praktische« Sinn ist jeden- falls der Wert de» Steine» da» Kostbarst«. Treu« bi» in den Tod ist kaum «ine Eigenschaft, mit der Sie rin arme» weibliche» Wese« bedenken werden." »Sie täuschen sich, mein Fräulein! Ich glaub« zum Bei- spiel, daß Sir e» sein können!" Sie wurde über mtt» über rot, ihr« Augen blitzten, und fie sprach: »Ja» für jene, die mir vertrauen und «ich lieben, kann ich treu fein bi» in den Tod!" »Und jene, di« Ihne« vertrauen und Sie Neben, find letzt hie, und di« Stund« hat geWagen, in der fi« ihm» Ihr Vertrauen beweisen?" »Herr Allcourt, was soll da» hetßen? St« hegen irgend- einen Verdacht gegen mich! »ollen Sie nicht offen au»- sprechen, worin er besteht?" »Ich sah, wie er Sie geküßt hat!" stieß er heftig hervor Sie sah ihn wortlos an, hielt aber seinen Mick au», .»zwar wieder dunkle Röte ihr in di« Wangen stieg, wa» er heute zum ersten Male an ihr bemerkte. Sie schlug Plötz- Nch die Hände vor da» Gesicht, und stammelt« wi« «in Kind, das sich schämte: »Oh, ist Ihnen daran gelegen —" Er war durch ihr« Art tief bewegt; aber er sagt« sich, oa- er e» ihr um keinen Preis zeigen dürfe, und ent gegnet« kalt: »In der Regel wird ein Mann e» nicht gern sehen,, wenn die Dame, die er zu heiraten beabsichtigt, dt« Huldi gungen oder Zärtlichkeiten eine» anderen entgegennttnmt. Ich habe nie beansprucht, von diesem Recht Sebrauch zu machen, bevor wi, nicht zu einer besseren Verständigung komme« würden, al» e» bei unserer ersten Unterredung der Fall war. vielleicht aber bin ich unter den obwaltenden Umständen noch eifersüchtiger, wett einem anderen Mann« Privilegien geboten werden, ans di« ich noch keinen An spruch erheben konnte. Sie «ahmen seine« Ring in Emp fang und ließen sich von ihm küssen, offenbar mtt ganz deutlich zutage tretenden Vergnügen. Sie weigern sich, dem Manne Ihr Vertrauen zu schenken, den Sie heiraten sollen." »Herr Allcourt", unterbrach ihn Lia, sich plötzlich hoch aufrichtend, »wenn Sie sich mtt mir streiten wollen, so jprechcn Sie es unverhohlen aus! Wünschen Sie, da- ich Sie aufgebe: dann sagen Sie eS! ES ist besser, wenn wir einander gleich verstehen. Mir ist jeder Streit entsetzltch md mein Kopf schmerzt!" Ihre Stimme zitterte zum ersten Male. Sie griff mit naner Gebärd« an die pochende Schläfe; er aber war tief ?erübrt nnd berente. .Zerreißen Sie!" sprach er in gänzlich verändertem rr.re. ,?ch sckc, dah Sie Schmerzen haben, nnd will Sie vttu ianac» a mten. f leine Reaina. verzeihen Sie mir!" — war angegriffen, erregt; die Wandlung von lernen« katt-sarkastischen Ton zu dem warmen Wesen, da» er plötz lich zeigte, war mehr, al» fi« M ertragen vermochte; fie barg da» Antlitz in di« Hände, und er wußte, da- fi« weinte. »Oh, verzeihen Sie mir!" wiederholt« er. »Nh war ein Rohling, Lia — liebe, kleine Rkginal" Er versuchte, sie mit seine« Arm zu umschling«». Doch mtt einem Male vernahm «an da» Heranroll«» «ine» Wagen», hört« Stimme«, und al» er gerade »och Zett hatte, de« fi« umschlingenden Ar« zurück,uziehe«, wäre» Frau Mason und Anatol Dertt» neben den beide». .Lia!" rief er «tt dem ganzen Entsetzen eine» Manne» vor einer Szene, »hier komme« alle unsere Leute — wa» sollen sie denken?" Aber er hatte nicht» zu befürchte«. Seine flüchtig« Zärtlichkeit hatte ihr ihre ganz« Ruhe wiedergegebe«. und zum ersten Male im Leben empfand Lia Frau Mason» Anwesenheit al» Wohltat. * . * Frau Wilton, welche die Ausstellung »licht besucht hatte, war auf de» Einfall gekommen, Allcourt, ReSltng und Fräulein Karst zum Souper etnzulade«, di« ander«» wäre« Noch nicht zurückgekehrt; aber Lia benützte die Gelegenheit, U« tt» ihr Zimmer zu eilen und ihr glühend-hei-e» «nUitz ,» baden, al» plötzlich Sigia di« Tür aufstieß, und leb- haft ttef: »klvöio, tt» de» Himmel» Namen, wa» soll fetzt ge schehe«? Da- er doch gekommen, «ach all seinen Ver sprechungen, welch« Unüberlegtheit, welche Selbstsucht, Welcher Helle Wahnsinn! Lia, da» ist für uns alle da» verderben l" »Ich Wei- «»!' entgegnet« Lia in dem gleichen ver» zweifelten Ton. »Otto Allcourt hat schon verdacht geschöpft; ich konnte «»in seinen kalten, erbarmungslosen Augen lesen, dt« alle» sehen. Ich zitterte um deinetwillen; al» wir un» trennten, war die Hettnfahrt sehr arg?" Lia machte eine vielsagende Bewegung. »Ach, ich dacht« «» mir! Arme «leine, wie leid tust du mir! «a» hat er -«sagt?" »Frage mich nicht, Sigia! Er hatte da» Recht, all da» zu sage«, wa» er ausgesprochen, und «ehr noch. Da» Ganze ist schlecht, verräterisch falsch und elend!" »Wenn Großmama alle» HSrt — und fie wird tn dieser geschwätzigen Stadt ja zweifelsohne alle» hören —, dann find wir verloren! Er ist wie toll! Oh, warum in aller Welt ist er gekommen?" »Gigia,«, hatte et« Recht dazu!" »Recht! Du redest ewig vom Recht. Sr hat »ich« da» Recht, hierher zu kommen, um un» zu vernichten. Er ist niedrig und fälsch, er hat sein »ort gebrochen, und ich werd« ihm da» nie verzeihen, nie, bi» zu «einer Sterbe stunde nicht!" .Gigia!" »Du kennst mich Lia. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die etwa» sagen und e» dann nicht tun! Du aber, Klei«, sei Nug, sei vorsichtig; trift nicht mit ihm zusammen! Ant- wort« ihm nicht, wenn er dir schreibt, trachte danach, ihn «tt guten oder mit bösen «orten zu bewegen, da- er fortgehtl Du magst ihm gut sein, wenn du willst; aber ich wünsch» au» voller Seele, daß ich ihn nie gesehen hätte! - Streif, doch seinen Ring ab! Wie unvorsichtig, ihn zu trage«! Herr Allcourt hätte ihn sehe« können!" »Er hat ihn gesehen, Sigia!" »Oh, Lia!" »Er fragte mich, wer ihn mir gegeben, und ich sagt« eS ihm. Er zog ihn von meinem Finger und laS da» Motto. Sr ist eifersüchtig und böse und vermutet mehr, als mir lieb ist! Oh, Gigia, ich sagte dir von allem Am sana an. «ab «s unrecht iet. bierberzukommen!"