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»2 Grafe» nichts verdanchp. DaGt Sin ich -u st-kz! Mie die Wachen jedoch liegen, bin ich gezungen dazu, und nur dadurch, daß ich ihm eine Entschädigung. . „Eine Entschädigung?" unterbricht sie Eckhof, die Zügel seines Pferdes plötzlich so straff anziehend, daß es einen Settensprung macht. ,La, eine Entschädigung! Schon einmal bot ich ihm eine solche an; sie wurde mit maßlosem Stolz zurückge- wiesru!" „Und trotzdem denken Sie an «in neues Anerbieten?" „Es muß eben in andrer Weise gemacht werden. Nicht ein Baarvermögen darf es sein, sondern vielleicht eines meiner andern Güter, Zinzendorf, Neuhof oder -reuten. Sie sollen mir rachen, was ich thrm soll, Herr lkchof!" ,Lch Ihnen rathen? — Hahaha!" Sanz verdutzt sieht Hertha ihn an: „Ich verstehe Die nicht, Herr Eckhof!" .Vergebung!" . . Eckhof ist plötzlich tief ernst ge worden. „Gnädigste Gräfin wünschen meinen Rath. Nun denn: Setzen Sie sich nicht einer ähnlichen Abweisung wie das erste Mal aus! Nach dem, was ich von dem Grasen gehört habe, würde er dieses zweite Anerbieten noch schroffer zurückweisen!" „Woraus wollen Sie das schließen? — Ich gestehe. Sie rauben mir den letzten Rest eines schwachen Trostes. Sollte sich denn keine Möglichkeit finden lassen, wie man ihn zur Annahme bewegen könnte? .. Sie schütteln so energisch den Kopf, Herr Eckhof. Sie Norden mithin an des Grafen Stelle ebenfalls ablehnen, auch wenn es ihnen in der zartesten Form geboten würde?" „Unter allen Umständen!" „Warum?" fragte sie erregt. Eckhof antwortet nicht gleich, und di» Gräfin muß ihre Frage noch einmal wiederholen. .Weil nun, well ich zu stolz wäre», ein Almosen anzunehmen!" „Ein Almosen sagen Sie?" „Ja, ein Almosen, das darum noch demüthigender ist, als es nicht, einem He^enszuge folgend, gespendet wird, sondern — um seinen Stolz zu befriedigen, um nichts der Sroßmuth eines — Andern verdanken zu brauchen." »Herr Eckhof!" — Ein zorniger, empörter Ausruf ist es, der sich der Gräfin bleichgewordenen Lippen entringt. Wie durfte dieser Mann es wagen, ihr die Wahrheit so rücksichtslos ins Gesicht zu schleudern! War es denn Wahrheit? War der Stolz der einzige Beweggrund ihrer Absicht in Bezug auf Hans Ulrich gewesen? — Ja, der einzige! Sie will sich nicht selbst täuschen, noch ihre inuersten Regungen bemänteln. Umso vernichtender trifft sie der Borwurf aus Eckhofs Munde, — Nn^Minute vergeht in peinlichem Schweigen, „Sie zürnen mir?" tönt plötzlich Eckhofs Stimme weich und verschleiert an ihr Ohr. Ein Beben geht durch ihren Körper; sie beißt die Zähne zusammen und sieht fwrr geradeaus. Endlich hat sie sich wieder in der Gewalt. Sie fühlt seinen Blick auf sich ruhen, und magisch davon ungezogen hebt sie den ihren — und jäh reißt sie dann ihr Pferd herum, daß es sich einmal um sich selbst dreht, und hält dann an Eühofs rechter Seite still, „Nein," sagt sie langsam, als ob jedes Wort ihr An strengung verursache, „ich zürne Ihnen nicht! Sie sollen von mir nicht denken, daß ich die Wahrheit nicht hören und ertragen kann!" Trunit giebt sie ihrem Rotz die Sporen und fliegt in rasender Elle fort. Ehe Eckhof noch ihre Absicht errcrthen hat, ist sie settzen Wicken entschwunden. Wc macht keine Mene, ihr zu folgen, sondmm schlägt vieünehr die ent gegengesetzt» Richtung »in, auch seinerseits »in schnellere» Tempo wählend. Nach einem wilden Ritt kreuz und quer durch die Waldungen kehrt Gräfin Hertha endlich heim. Ein Reit knecht hat ihr das dampfende Pferd abgenommen, und sie schreitet nun langsam die Rampe hinauf und tritt durch das große Portal in das Bestebül ein. Aus dem Tunkel einer Nische löst sich eine hagere Gestalt und kommt mit unsicher» Schritten aus sie zu. „Was suchen Sie hier, Schwindt?" fragt die Gräfin, den jungen Schreiber erkennend, den sie vor Jahren aus seinem häuslichen Elend heraus auf das Schloß gebracht und der Güte ihres Oheims empfohlen hat. „Gnädigste Gräfin, ich warte hier seit einer Stunde!" „Zu welchen! Zweck?" „Gehorsamst um eine Unterredung zu bitten!" „So folgen Sie mir!" Gräfin Hertha ist eine gütige Herrin, die keinen Bittenden von ihrer Thür weift und ihr Ohr willig jedem Ansuchen ihrer Untergebenen leiht. Sie betritt jetzt das Borziminer und läßt Schwindt ebenfalls eintreten. Skach- dem die Thüre sich hinter ihnen geschlossen hat, fragte sie den demüthig an derselben Stehenden: „Nun, was giebt es?" „Gnädigste Gräfin —" stottert der junge Mensch, „es ist nur — ich bin entlassen worden." „Entlassen? — Bon wem?" „Von dem Herrn Verwalter!" Nne Helle Röthe fliegt über ihr Antlitz. Sie merkt es nicht, welche Absichtlichkeit in der Betonung dieses „Herrn" liegt. Ter geriebene Bursche hat längst herausgefühlt, wo sie der Schuh drückt, und beschlossen, darauf seinen Trumpf zu setzen. „Wann geschah es?" forscht sie weiter. „Heute morgen!" Heute morgen! Es muß also noch vor ihrem Ritt gewesen sein. Warum theilte Eckhof ihr dieses nicht mit? „Welches ist der Grund Ihrer Entlassung?" „Ich — ich — meiner Schwächlichkeit wegen kann ich nicht so anhaltend und so viel arbeiten, wie es der Herr- Verwalter von mir verlangt; ich muß manchmal zur Erholung ein lvenig frische Luft athmen gehen — und — und — dabei traf er mich heute." „Tes Morgens schon gingen Sie spazieren?" „Ich hatte so heftigen Kopfschmerz!" „So! Und es »var nicht das erst« Mal, daß Ki» dabei betroffen wurden?" „Toch — es war das erste Mal — und — und — der Herr Verwalter hat schon lang« nach einem Grund gesucht, er mochte mich von Anfang an nicht leiden er —" „Schweigen Sie!" unterbrach sie ihn streng. „Sie lverden Veranlassung zu seiner Unzufriedenheit gegeben haben; ich werde mich des Nähern erkundigen! Gehen Sie jetzt!" „Gnädigste Gräfin, haben Sie Mitleid mit einem armen Menschen, der durch die Entlassung nicht allein brotlos wird, sondern —" seine Stimme bricht vor Schluchzen — „sondern haltlos zu Grunde gehen wird! Dulden Sie nicht, daß man mich wie einen Hund oder Verbrecher zum Thore hinausjagt, und auf meinen Kuieen will ich es Ihnen danken!" „Ich werde für Sie thun, was möglich ist/ und Ihnen meine Entscheidung sagen lassen!" Sie macht eine entlassende Handbewegung und will das Zimmer verlassen. Ta stürzt ihr der junge Mann entgegen, tvirft sich ihr zu Füßen und umklammert ihre Kniee: „Ein Wort nur, gnädigste Gräfin/ ein Wort nur, 83 und die Entlassung ist ungiltig, denn gnädigste Gräfin sind die Herrin und haben allein zu befehlen!" „Ah!" — Ein unterdrückter Laut durchzittert die Luft. Gräfin Hertha ist unwillkürlich zusammeugezuckt. Ihre empfindlichste Stelle ist berührt, ihr ganzer Stolz bäumt sich auf. Tie schlaue Berechuung des Burschen hat ihn nicht im Stich gelassen. Einen lauernden, schielenden Blick wirft er empor und ist befriedigt von der Wirkung seiner Worte. Aber eiskalt überläuft es ihn iin nächsten Augenblick. „Kein Wort weiter!" sagt die Gräfin kalt, und der ganze Widerwille über diese Scene spiegelt sich in ihren Zügen. „Stehen Sie auf, und geben Sic mir den Weg frei!" Schwindt ist hastig aufgesprungen. „Um neun Uhr muß ich den Schloßhof verlassen haben!" sagt er schüchtern und demüthig. Um Herthas Lippen zuckt es verächtlich. „In einer Stunde werden Sie benachrichtigt sein!" entgegnet sie kurz. Ohne Gruß, in stolzer Haltung ver läßt sie darauf das Zimmer. Erschöpft erreicht sie ihr Zimmer und wirst sich in den Sessel vor ihrem Schreibtisch. Vergeblich sucht sie ihrer Erregung .Herr zu werden. Widerstreitende Gefühle kämpfen in ihr. Gekränkte Herrenwürde, verletzter Stolz auf der einen und die Ueberzcugung, Eckhof hat so handeln müssen, auf der andern Seite. Es mußten schwerwiegende Gründe sein, die den kühlen, überlegenen Mann derartig reizen konnten, daß er auf eigne Verantwortung einen ihrer Beamten sofort seiües Dienstes entließ. Sie tveiß das; sie weiß ferner, daß sie diese Entlassung nicht zu rückziehen kann, ohne seine Autorität zu untergraben, seine Stellung auf Wallerstein unmöglich zu machen. Nur der Form wegen will sic ihn um Klarlegung seiner Gründe bitten. Sie schreibt einige Zeilen und bittet um schriftliche Aufklärung. Eine unerklärliche Schwäche, die sic selbst unverzeihlich fiudet, läßt sie einer mündlichen Aussprache aus dein Wege gehen. Sie entläßt ihren Tiener mit dem Auftrag, das Billet sofort an Eckhof auszuliefern, wo er ihn anch fände. Tarauf stellt sie sich an das Fenster und blickt in den Schloßhof hinab. Zwei Männer überschreiten ihn soeben langsam, in eifrige Unterhaltung vertieft. Sie erkennt ihren Inspektor aus Zinzendorf und die ihn weit über ragende Gestalt Eckhofs. Ihr Tiener, der dem Paare in respektvoller Entfernung folgt, wagt es augenscheinlich nicht, zu stören. Es ist merkwürdig, wie Alle, ihre eignen Tiener nicht ausgenommen, diesem Manne eine Hochach tung und Ehrerbietung entgegenbringen, wie sic eines Fürsten, zum mindesten des Herrn würdig gewesen wäre. Von seinem ganzen Wesen geht eben etivas Gebietendes aus, das seinen Stand nur zu leicht vergessen läßt. Fortsetzung folgt. Mein erster Barbier. Nachdruck vertaten. „Stillgestanden! Nicht Euch!" schmetterte die Stimme des kleinen Gefreiten vom Dienst über den Lazarethhof des alten Kadettenhauses in Berlin. Er hätte sich eigentlich nicht so anzustrengen brauchen, denn die Heeresmacht, welche durch sein Kommando beherrscht werden sollte, bestand nur aus einein Dutzend Kadetten, aber er be kleidete den Rang der „höher» Gemeinheit", wie man im Heere scherzweise die Gefrcitenstellung zu bezeichnen pflegt, noch nicht lange und muhte den Beweis liefern, daß er es mit seinen neuen Pflichten ernst nähme. Das O gelang ihm denn auch vollkommen, an allen Fenster» erschienen Kameraden, die voller Bewunderung da- schnei dige Kvmmando besprachen, und auch der gestrenge Herr Leutnant, dem die Ehrenbezeugung galt, nickte beficiedigt, als ihm der angehende Heerführer die Anwesenheit der zwölf Kadetten meldete. Wir — denn auch ich befand mich un: r den MU- wirlenden bei dieser Heerschau — hatten uns zu einem niedlichen und angenehmen Zweck versammelt. Es war Sonntag Nachmittag, und die, welche im Laufe der Woche weder durch Trägheit, dumme Streiche oder schlechte- Ererzicren das Mißvergnügen ihrer Vorgesetzten erregt hallen, durften auf einige Stunden ihre Angehörigen be suchen. Ja, wer in die zweite Zensurklasse aufgerückt >var, durfte sich sogar ganz ohne Aufsicht im Thiergarten, Unter den Linden und an andern einwandsfreien Oertlii^ leiten den Blicken der staunenden Einwohnerschaft zeigen. Tas Nachsehen des Anzuges ist eine der beliebtesten Beschäftigungen beim Militär, und um uns bei Zeiten Lust und Liebe für diesen Dienstztveig einzuimpfen, wurden bei jeder sich darbietenden Gelegenheit zunächst wir nach gesehen. Einen andern Zlveck hatte die Uebung nicht, denn der Lian für Sauberkeit war selbst dem Reinlichsten jckon im Vorkorps mit sanftem Nachdruck durch die Kameraden bcigebracht worden. Ter Umstand ferner, daß die Urlauber nur mit der vollen Stunde entlassen wurden und ein Zurückgewiesener sich erst zum nächsten Antreten wieder stelle» durste, war vollends dazu angethan, auch in den widerstrebendstcn Gcmüthern die Sucht nach SauderGit geradezu zur Leidenschaft zu steigern. Wie gewöhnlich bei Besichtigung der Urlauber, so ging auch heute Alles gut, Vorder- und Rückseite der Anzüge hatten dem durchbohrende» Blicke des Erziehers stand gehalten und schon ja was ist denn das? Warum stellt sich der Herr Leutnant plötzlich mit so eigenthümlich freundlichem, aber bestimmtem Gesichts-AuSdruck vor mich hin? Sollte mir, dem königlichen Kadett-Gefreiten — so lautete mein voller Titel — einer meiner Untergebenen einen Possen gespielt und mir etwas angeschmiert hab«? Anders konnte ich mir das augenscheinlich herannaheckde Gewitter nicht erklären, denn Anzug und Gewissen waren rein gewesen, als ich herunterkam. Tas bannte eine böse Sache werden! Mindestens eine Stunde später auf Urlaub, vielleicht sogar Urlaubsversagung, dazu der Spott der Kameraden und das höhnische Lächeln der Sekundaner. „Gefreiter v. L ," sagt unser Leutnant mit lauterer Stimme, als nach meiner Meinung erforderlich gewesen wäre, nnd ich merke, wie mir das Blut zu Kopfe steigt. „Gefreiter v. L., haben Sie sich heute schon rasirt?" Ich muß wohl ein blitzdummes Gesicht gemacht hab«, denn um mich herum kicherte Alles. Tie Frage kam mir auch zu dumm vor, rvvzu sollte ich mich denn gerade heute rasiren, da ich es noch niemals gcthan hatte. Zwar, wenn ich es recht überlegte, nothwendig lväre es schon gewesen, das hatte ich mir ja längst gesagt, aber meine Kameraden waren andrer Ansicht gewesen und hatten für meine ge- reiftern Anschauungen nur ein Hohnlächeln übrig gehwbt. Genug also, ich sollte mich rasiren und nach zwei Stund« wieder antreten. Mir steht ein Bild vor Augen: Marius auf den Trümmern von Karthago. So ungefähr wie dieser mutz ich ausgesehcu haben, als ich den denkwürdigen Appell verließ. Hoch erhobnen Hauptes, mit leutseligem Lächeln durchschritt ich die Gruppen der staunend herumstehenden Kadetten, denen natürlich kein Wort der mir zutheil ge- wordnen Belehrung entgangen lvar. Man erzählt, d/rß der alte Wrangel einen jung« Mann mit der Frage: „Was sind Sie?" in große H«r-