Volltext Seite (XML)
243. 1. Vellaae z«m Riesaer raaedlatt. Sonnadeuv, 17. vktoder 1N?S, adenvs. 78. Javrg. ^7n» m ivioi 7717 ! !! ! m»! ! a -js , ! 7 Schlntzgefechte in Locarno. I Berlin. Die Konferenz von Locarno gebt all- mählich ihrem Ende entgegen! Eharakteristisch für die außerordentliche Kompliziertheit der ganze» Konferenzlagc ist es, das; die Aiiseuiandcrsetzunge» zunschen den cin- 'elnen Regierungen gerade un Eudstadium einen v cl kritischeren Verlaus nahmen als eS im ersten Anfangs, stadium der Fall war, wo fast tügllch sichtbare Fortschr tte zu verzeichnen waren. Die Schwierigkeiten gewannen ge- rade dann die Oberhand, wenn in der einen oder der anderen Frage eine volle Klärung cingctr.len war, so- daß man mit frischem Mut an die Erörterung neuer Probleme hcrantrat, die aber an und für sich noch sehr bestig umstritte» waren. So erklärt cs sich, daß die deutsche Delegation einen überaus hartnäckigen Kamps führen mußte, um Schritt für Schritt an Boden zu ge winnen und den deutschen Standpunkt durchzusetzen. Jedes einzelne Zugeständnis, daß die Deutschen m Locarno er- zielen konnten, mußte buchstäblich erst auf dem Wege ganz energisch geführter Auscuiandersetzungen mit der Gegenseite erkämpft werden. Die öffentliche Meinung der beteiligten Länder, die immer darauf eingestellt war, an einen vollen Erfolg der Locarno-Konferenz zu glau- bcn, konnte von der Ferne nicht im geringsten d;e ge- wattigen Konflikte übersehen, die sich aus der Bcrschic- dcnartigkeit der gegenseitigen Interessen ergaben. Dies- mal muß man die Erfahrung machen, daß es nicht ganz unangebracht war, alle entscheidenden Auseinander setzungen hinter den Kulissen auszutragcn, denii cm vor eiliges Eingreifen der außerhalb der Konferenz stehenden politischen Kräfte würde vieles zerstört haben, was die Staatsmänner in ihren vertraulichen Besvrcchungcn von Angesicht zu Angesicht mühsam ausbauen k nnt.n. Das Problem des Sicherheitspaktes und der damit -zusammenhängenden politischen Haupt- und Ncbenfragen stellt in Wirklichkeit ein großes- sür die ganze Zukunft Europas entscheidendes Werk der Sicherstellung des Frie dens und der Abwendung von Kriegsgefahren dar. Jede einzelne Macht, die au diesen Verhandlungen tcilnahm, suchte mit aller Kraft die Lösung der Probleme nach ihrer einseitigen Einstellung hin zu erzwingen, aber der zur Konferenz entsandte Staatsmann konnte und durfte sich nicht gegenüber den Einwendungen seines Gcgnecs derart verschließen, daß dadurch mit einem Schlage das ganze Werk des Sicherbeitsvaktes zertrümmert wurde. Es kann daher gar kein Zweifel daran bestehen, daß auch Deutschland in manchen Einzelfrngen gewisse Zugeständ nisse gemacht hat, um auf der anderen Seite durch setzen zu können, daß seine lebenswichtigen Inter essen gewahrt bleiben. Deutscherseits ist von Anfang an betont worden, daß es sich nicht nur darum handeln kann, die beteiligten Regierungen auf einen von de» Zuristen ausgearbe tclen Paktcntwurf zu einigen. Der Wert des Sicherhei'tspacics für die beteiligten Lander kann sich doch schließlich nur auf die praktische Auswirkung seiner Bestimmungen auf die politische Lage ergeben, denn ebne diese Auswirkung wäre es wahrhaftig überflüssig gewesen, eine große Kon ferenz mit ihren; Niesen-Apvarat cinzuberufen. D e An nahme des Westpaktes ist daher noch nicht gleichbedeu tend mit der wirklichen Lösung des Sicherheitsproblems. Deutschland muß darauf dringen, daß eine ganz neue Formel für die Regelung der Besatzungsfrage getroffen wird, denn wenn die Gegenseite sich etwa darauf berufen sollte, daß die Nhcinlandbesetzung als Sicherheitsmaß nahme auf Grund deS Versailler Vertrages in ihrer whigen Form aufrecht erhalten werden muß, dann ergibt sich für Deutschland die grundsätzliche Frage, wozu denn ein Sichcrhcitspakt eigentlich notwendig ist. Frankreich hat seinerseits aus dcni Versailler Vertrage so viel Rechte gegenüber Deutschland, daß cs nicht in der Lage ist, von einer drohenden Gcsatzr durch Deutschland zu sprechen. Deutschland aber, das die Verpflichtungen der Abrüstung erfüllt hat, kann sich nicht damit zufrieden geben, die weitere Besetzung des Rheinlaudcs zu ertragen und außer- dem noch der Gcgenscire Sicherhcitsgaranticn zu bieten. In dem Augenblick, wo die Deutschen den Franzosen gegenüber die Verpflichtung emgegangeu sind, die gegen wärtigen Grenzen Frankreichs bindend anzuerkennen, wäre cs ein vollständiger Mangel an Logik, wenn die Alliierten die Besetzung deutschen Gebietes aufrecht erhalten wollen, zumal sie ja auch ihrerseits die Verpflichtung einge gangen sind, die Unverletzlichkeit der deutschen Gremen anzuerkeunen. Die Nheinlaudbejavung muß daher fallen, wenn Deutschland den Sicherheitspakt unterzeichnen soll. Bis zur Stinide hat die französische Delegation es noch nicht für notwendig gehalten, in dieser Krage die von Deutschland gewünschte Neuregelung anzuerkennen. Es hat daher gar keinen Sinn, von einem positiven Ergebnis der Loearno-Konferenz zu sprechen, so lange Frankreich nicht für das deutsche befehle Gebiet das befreiende Wort gesprochen hat. Alle Einigungsformeln über den West pakt, über die Schiedsverträge, über die Garantiefrage und über den Artikel 16 der Völkerbundssatzungen wer den hinfällig, wenn der große Gedanke der Befreiung deS besetzten Gebietes, den die deutsche Regierung seit Eröffnung der Verhandlungen über die Sicherheits frage vertreten hat, nicht zur Tat werden sollte. Wenn Frankreich den. Sicherheitspakt will, dann liegt es an ihm, das letzte Hindernis Hinwegzuräumen. Will cs ihn nicht, dann braucht es nur die deutsche Forderung hinsicht lich der Rückwirkungen des Paktes auf die besetzten Ge biete abzulehncn, und die Konferenz von Locarno ist er ledigt, ohne daß man allerdings von ihr sagen könnte, sie wäre in Schönheit gestorben. Die Gegenseite hat ge wußt, welche Voraussetzungen die deutsche Negierung als unerläßlich ausgestellt hatte, noch ehe die mündlichen Verhandlungen begonnen haben. War sie der Meinung, daß diese Voraussetzungen nicht geschaffen werden konn ten, dann hätte sie es sich ersparen können, eine Kon ferenz evzuberufen, die doch nur zu einem sicheren Miß erfolg führen mutzte. * Abreise der deutschen Delegation aus Loearno. )( Locarno. Nach -em Sonderberichterstatter des WTB. wird die deutsche Delegation am Sonnabend «ach» mittag im Sonderzug Locarno verlassen. - * Tas russische Interesse am Sicherheitspakt. Berlin. Wie wir von unterrichteter Seite erfahren, hat die russische Sowjetregierung an die Regierungen der Westmächte eine Mitteilung gerichtet, in der sie das Er suchen stellt, Über die grundsätzliche Regelung der Paktfrage unterrichtet zu werden. Wenn es auch eine Angelegenheit der Westmächte sei, unter sich Abmachungen über die Siche rung des Friedens zu schließen, so verlange es aber die Loyalität, daß man die außerhalb dieser Vereinbarungen stehende» Großmächte offiziell über die Tragweite deS Paktes unterrichte, um etwaige Fragen, die sich daraus auch für den osteuropäischen Frieden ergeben, ansklüren zu könne«. Bo« der Kousereu» i« Loearno. V'.'iand begrüßt Tr. Luther. Unterzeichnung Les Deutsch-russischen Handelsvertrages. Links Litwinow, der stellvertretende Volkskommissar deS Acutzeren, rechts der deutsche Botschafter Graf Brockdorff- Rantzau. WMImHesklMW III MlllM M Mini im Wender. vdz. Berlin. Mit Frankreich sind im September, ab gesehen von den Kohlen- und Farbstofflieferungcn, Lach lieferungsverträge im Gesamtwert von 5,3 Millionen Reichs- mark abgeschlossen worden. Gegenüber dem Vormonat be deutet das ein Zurückbleiben um zwei Millionen. Dem gegenüber ist die Zahl der im September abgeschlossenen Verträge derjenigen vom August nahezu gleich geblieben. Mehr als ein Drittel der abgeschlossenen Verträge betreffen Lieferungen von Vieh, in der Hauptsache von Schafen, Holz lieferungen sind im Gesamtbeträge von rund 1,2 Millionen Reichsmark in Auftrag gegeben worden. An sonstigen be merkenswerten Lieferverträgen sind zu nennen: Gußstücke im Werte von 500 000 Reichsmark, 150 Spitzenwebstühle zum Preise von 290 000 Reichsmark, 2680 Tonnen Zellstoff, 60 000 Kilogramm Bromkalium und 47 Klöppelfpitzcnmaschi- nen. Die übrigen kleineren unter 100 000 Reichsmark blei benden Lieferverträge betr. vorwiegend Erzeugnisse der Maschinentndustrie. Auch diesmal sind das Ausnahmegebiet für die Lieferungen fast ausschließlich die zerstörten Pro vinzen. Die Lieferungen gehen in der Hauptsache an Kriegs beschädigte, für den eigenen Bedarf und nicht zum Weiter verkauf. Bemerkenswert ist, daß im September zum ersten Mal zwei kleine Bestellungen aus Textilmaschinen sür das französische Mandatsgebiet Togo gemacht worben sind. Belgier» hat im September 21 Verträge im Gesamtwert von 1,2 Millionen Reichsmark über Lieferungen von Sach leistungen auf ReparationSkonto abgeschloffen. Der wichtigste Vertrag lautet über 7000 Tonnen Brikettpech zum Preise von 329000 Reichsmark. An weiteren größeren Verträgen sind zu nennen: Der Vertrag über die Lieferung pharma zeutischer Produkte und über die Lieferung von Svannvor- richtungen aus Stahl. Die Bestrebungen der belgischen Regierung ihre Staatsangehörigen für das Reparations geschäft zu interessieren, beginnen, wenn auch in beschränktem Maße ihre Wirkung zu zeigen, denn im Monat September sind neben den Verwaltungsbehörden auch Privatfirmen als Besteller ausgetreten. MIM M R RMMlllMllM. sl Paris. Ministerpräsident Painlcvt hat sich vor Pressevertretern über den Entwurf zur Reorganisation der sranzöfische« Armes ausgesprochen. Er crtlärtc, er ge denke, den Entwurf im Lause des November oder Ende November einbringcn zn können. Tann werde auch cjne Diskussion über die Einberufung der Reserven stattsindcn. Er habe die Vorsitzenden der Hccrcsausschüsse beider Kam mern von dem Stande der gegenwärtigen Arbeiten unter, richtet und ihnen mitgeteilt, daß er ihnen noch von Ende November die Entwürfe unterbreiten werde. Man habe in tendenziöser Absicht daraus hingewicsen, Satz die gegen wärtige Regierung den von dem früheren Kabinett cinae- Lrachten Einwurf zurückgezogen habe. In Wirklichkeir Här ten beide Entwürfe das gleiche Ziel, nämlich eine Organi sation zu schaffen, die den Lehren des Krieges gerechr werde und gleichzeitig sich einer Dienstzeit anpasse, wie sie der vom Volke klar zum Ausdruck gebrachre Wille verlange. Ter ursprünliche Entwurf sei etwas allgemein gehalten gewesen und hätte nach Ansicht des Generals Rollet er gänzt werden müssen; da aber zu lange Zeit vergangen wäre, bevor die Diskussion dieses Entwurfes hätte ausge nommen werden können, habe man es vorgczogcn, den Entwurf zurückzuziehen und im Parlameme einen mehr ausgearbeiteten Entwurf einzubringen, den man während der Kammerserien gründlich habe durchberaten können. Tie Aufgabe der Reorganisanon fei schwierig, und die Ein flüsse der letzten Monate hätten bewiesen, aus welche Schwie rigkeiten man sich evtl, gefaßt machen müsse. Tic neuen Bestimmungen müßten von einer modernen Auffassung der nationalen Verteidigung getragen sein. In der Kriegs zeit müßte die schnellste Einsetzung der Reserven ermöglicht und in Fricdenszeitcn die Sicherheit der Heimat und der Kolonien gewährleistet werden. Schließlich müßte der Ent wurf auf Las Uebergangsstadium der Armee und seine all gemeine Gestaltung Rücksicht nehmen, sobald die notwen digen Bedingungen sür die Einführung der einjährigen Dienstzeit verwirklicht sein würden. Tas Parlament würde sich mit diesen Fragen ziemlich ausführlich zn befassen haben. PainlevS fügte noch hinzu, der Entwurf werde vor feiner Einbringung in der Kammer dem Obersten Kriegsratc vor gelegt werden. Auf Befragen erklärte Painlcve, Marschall Pötain werde erst dann nach Frankreich zurüctkehrcn, wenn er die von ihm unternommenen Operativen beendet habe. Reue Besprechungen über die Optanteufrage. Berlin. Wie verlautet, wird der deutsche Gesandte in Warschau, Rauscher, im Auftrage der Rcichsrcgierung neue Verhandlungen mir der polnischen Regierung ein leiten, in der die Frage der Ausweisung der Optanten nochmals behandelt werden soll. Die deutsche Negierung geht dabei von dem Grundsätze aus, daß absolut keine Not wendigkeit zu der schnellen Handhabung des AnSmeisungS- rcchtes vorlicgt und daß man durch beiderseitige Verein barungen Milderungen schaffe» könne, die geeignet sind, unnötige Härte» gegenüber den Optanten zu vermeiden. Es besteht allerdings nicht viel Hoffnung, daß die polnische Negierung von ihrem hartnäckigen Standpunkt abaeht >rn- « irgendwelche Zugeständnisse macht