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— 128 — sich's. Ter Pascha trägt uns beide/ wir sind ja man federleicht." Tettenborn tat willenlos- was der brave Bursche von ihm verlangte. In seinem! augenblicklichen Schwächezu stand empfand er es wie eine Erleichterung/ sich jetzt voll ständig der Führung eines anderen zu überlassen, dessen Arm ihn zugleich stützte. „Mer der Feind rückt an! Wir fallen ihm in die Hände!" stöhnte er ncht einem Schauer im Gesicht seiner Hilflosigkeit. In gemäßigtem Tempo setzte sich der Braune mit seiner Tvppellast in Bewegung- der Heckensprung unter blieb zwar, aber der brav« Reitersmann, der Kopf und Herz auf dem rechten Flecke gehabt hatte/ als es galt, seinen Leutnant zu suchen- bahnte sich mit deut Gerette ten einen anderen Weg und brachte ihn ohne Unfall zum Regiment zurück. Unterdessen drang Wrangel mit seiner Brigade, trotz aller Opfer, die der Ansturm forderte, unaufhaltsam vor wärts auf blutiger Bahn. Ueberall waren die Offiziere- die Mannschaften an feuernd, den anderen voraus. Freiherr von Werbachs elastische Gestalt schien nichstS von den Anstrengungen des Tages zu empfinden. Ten Kopf hoch erhoben, die Augen leuchtend, und den gezogenen Säbel in der Faust,, so bot er ein Bild frischester Jugendkraft. Seine ganze Abteilung umfaßte der klare Blick des Offizier-, während er unentwegt vorwärts strebte. Ueber jeden einzelnen glitt sein Auge hin. Hier feuerte er durch kernigen Zuruf die Ermatteten an/ da warf er ein zün dendes Wort hin, das biedere Svldjatenherzen zu packen wußte, und dort griff er selbst zu, um einem Erlahmen den über eine steile Böschung zu helfen. Eisernes Pflichtgefühl- das ihn in jeder Lebenslage leitete, und warmes Empfinden, das all seinem Tun das Gepräge gab, ließen ihn auch in dieser Stunde für seine Untergebenen ein leuchtendes Vorbild sein. „Werbqch," rief ihm Wrangel zu, „überanstrengen Sie sich nicht! Mr haben bis zur Höhe noch! eine gewaltige Ecke, und es wird barbarisch steil. Sie können doch un möglich den Mann dq- den Sie umklammert haben, bis oben Heraufziehen!" > >,Es ist keine Mühe, Exzellenz! Ich helfe ihm hier nur ein paar Schritt, dann verpustet er sich, und es geht wie der fliott weiter," lautete Werbachs rasche Antwort. Ter General nickte ihm wohlwollend zu. ,/Tenken Sie Uber auch daran- daß ich Wert darauf lege, daß mir solche frische Jungen, wie Sie sind. . -" Weiter kam Wrangel nicht. Ein Schuß hatte sein Pferd in die Brust getroffen. Tie schöne, gvldhaarige Jsabeau bäumte hoch auf- drehte sich auf den Hinter beinen herum und stürzte rückwärts in die tief einge schnittene Chaussee herunter. Ter General hatte noch Zeit gefunden/ sich abzu werfen. Werbach war gleich an seine Seite geeilt- richtete ihn auf und sah zu seiner Beruhigung/, daß der Unfall für Mangel keine ernsten Folgen hatte, und er mit einer nur leichten Kontusion davongeko-mmen war. Tas Leben der schönen, schwer verletzten Jsabeau endigte ein Gnadenschuß- der General aber Sonnte schon nach einer Viertelstunde auf einem anderen Pferde die Leitung des Gefechts fvrtfühäen. Mit stürmischem! Jubel und lauteM Hurra rückten die Preußen immer weiter auf dem Sinnberg vvr, und als aus der Paßhöhe der Hauptsroh gelang/ wurde die bayerische Front durchstoßen und Fühlung mit den Truppen auf dem ßchlegelsberge hergestellt. s Mangels beherzter Entschluß und die über alles Lvb erhabene Tapferkeit der Truppen waren von einem glän zenden Erfolge gekrönt/ alss sie jetzt auf den eroberten Höhen Halt machten. Eine Leistung/ wie dieser Sturm auf den Sinnberg mit den aufs äußerste erschöpften Truppen, war nur durch moralische Kraft zu erreichten. Co brav sich aber auch die Angreifer machten/ die Ver teidiger standen ihnen nicht nach in Zähigkeit und Helden mut, sodaß dieser Kampf für Freund und Feind eine der ruhmvollsten Wasfentaten bleiben wird. ' Tie Truppen bezogen jetzt ein Biwak bei Winkels, das aber wenig Erquickung bringen konnte- denn Heu und Stroh fehlten, sowie jeglich« Verpflegung. Erst gegen Morgen langte einiger Proviant an. Tie Anstrengungen des Tages waren aber so groß gewesen, daß ein wohl tätiger Schlaf sich> bald auf die meisten Augen senkte, obwohl die müden Glieder nur auf der harten Erde lagen und das WimMcrn der Verwundeten hie Stille der Nächt traurig belebte. - Beim grauenden Tagesanbruch fing der Soldat an zu kochen, und als Wrangel erwachte, wurde ihm an Stelle des Morgenkaffees eine Specksuppe gereicht, aber zugleich die tröstliche Aussicht gebracht, daß bald noch etwas Bes seres als diese Fettbrühe erscheinen würde. Was sich in dem von seinen Einwohnern verlassenen Winkels an Eß barem und Trinkbarem rorsand, wurde herzugeschleppt, und nun sah man alle möglichen Tiere unter den Händen der Soldaten verenden und- notdürftig gerupft, in den brodelnden Kochkesseln verschwinden. Obgleich die Heiß hungrigen nachher nur mit Mühe das zähe Fleisch von den Knochen abreißen konnten- so verzehrten sie es doch mit Wohlbehagen. Fortsetzung folgt- Leaks «ad Siuusprüche. Ueber Nacht, über Nacht Komwt still das Leid, Und bist du erwacht — O traurige Zeit! Tu grüßest den dämmernden Morgen Mit Weinen und Sorgen. i Ueber Nacht, über Nacht Kommt still das Glück, Und bist du erwacht — O selig Geschick! - Ter düstere Traum ist zerronnen Und Freude gewonnen. Ueber Nacht, über Nacht Kommt Freud' und Leid, Und, eh' du's gedacht, Verlassen dich beid', Und gehen, dem Herrn zu sagen/ Wie du sie getragen- Julius' Sturm. O s Er hatte ess' so treu gemeint. Er wollte strähnen- kränken nichjt; Wie oft ein Wort so bitter scheint, / Tas liebend eine Seele sprich^. L. Muerbach- * ! Ob einer viel des Guten tut, - Und eine Missetat dazu, > Ter Guttat wird vergessen, > Tie Missetat gemessen. * Wer Rachsucht in seinem Herzen birgt gleicht dem, der eine Schlange im Busen nährt. Druck und Verlag von Lang« t Winterlich, Mesa. — Mir die Redaktion verantwortlich Hermann Schmidt, Riesa. Erzähler an der Gide. velletr. Gratisveilage r»» „Riesaer rageklalt". «r. 32. Mesa, -en 11. August ISS«. SS. Jahr,. Kampf. Eine Geschichte aus bewegter Zeit von A. von Liliencron geb. von Wrangel. Fortsetzung. Tie bedeutende Erhöhung dieses Berges, auf dem die Schkoßruine Bodenlaube liegt- erschwert um ein bedeuten des das Vvrwärtsdringen die Soldsaten. Tas weiche Erd reich- der unaufhörliche Wechsel der Böschungen und die üppigen Getreidefelder machen Has Erstseigen der Höhe und das Führen des Gefechts nicht nur zu einem Bravour stücke- sondern auch zu einer physischen Anstrengung. Nur durch Behendigkeit uird taktisches Verständnis kann die Infanterie hier zum Ziele gelangen und ihren Erfolg sichern- indem sie nach Wegnahme der Bvdenlaube in die Unie Flanke des Feindes fälll. Von allen Seiten dringen jetzt die Preußen in Kissingen ein/ das sehr kriegsgerecht und vorteilhaft besetzt ist. Es wird auf das hartnäckigste verteidigt. Fast jedes größere Haus muß einzeln gestürmt werden. Ein blutiges Ringen und erbitterte Kampfszenen spielen sich in jeder Straße ab. Tvch bei dem einheit lichen Vordringen der Truppen ist es den Bayern nicht möglich, standzuhalten. Von großer Ueberzahs zurückge worfen, vielfach umgangen und abgeschnitten', müssen sie einen Platz nach dem anderen raumem Von feindlichen Geschossen überschüttet- bahnen sie sich durch die Häuser und Gärten einen Weg ins Freie. Much die braven Ver teidiger der steinernen Brücke sind gezwungen, ihren Po sten zu verlassen. Tie Barrikaden werden fortgeräumt, Donnen und Wagen Wer das Geländer gestürzt, und sieg reich dringen auch hier die Preußen in Kissingen vor, um nun mit vereinten Kräften die letzten bayerischen Sol daten aus dem Städtchen zu vertreiben. - Es war halb zwei Uhr geworden, als die Sieger sich allmählich in der Stadt ausbreiteten; den Bayern blieb- jetzt nur noch der Kirchhof/ den sie besetzt hielten. Hinter ihm samwelten sich die aus der Stadt Zurückweichenden und ergänzten ihre Munition aus den Wen von Winkels herbeigeschafften Patronenwagen. An dem Fensher seiner Villa stand der Oberst von Wil denfels. Er dachte heute nicht an sein Leiden, er fühlte es auch nicht- denn die gewaltsame Anspannung der Ner ven und die hohe Gemütserregung hielten ihn aufrecht. Noch keine Stunde war es her, daß in dem unteren Ge schosse seines Hauses ein heißes Ringen hin und her ge wogt hatte. Auch hier- aus seinen Fenstern waren von bayerischen Jägern Schüsse auf die stürmenden Preußen gefallen, und er selbst hatte mit zitternder Hand den Landsleuten die Munition gereicht. Tann, als Kvlbenschläge unten die Haustüre zertrüm merten, als män die Steger auf der Treppe hörte, waren die bayerischen Jäger aus dem Zirstmer gestürzt, um sich auf die Feinde zu werfen. Ter Oberst war allein zurückgeblieben mit seinem alten Tiener. Stumm und starr hatten sie einander ange sehen und auf das Stimmengewirr und die knatternden Schüsse gelauscht, die von unten herauf schallten. Eine Weile hatte das so fortgedauert, dann war es stiller geworden, und Johann hatte mit der Hand mach dem Fenster gewiesen, stöhnend: „Es ist vorbei — die Preußen setzen sich auch hier fest! Aber da schlagen sich unsere Jäger durch;! Was sich noch «uS dem Hause hat heraus* drücken können, das/ geht jetzt in die Gärten, über die Zäune weg nach dem Kirchhofe zu!" Ter Oberst hatte dazu genickt,, doch kein Wort ge sprochen und sich dann todmüde in den, Sessel am Fenster niedergelassen. Ta saß er jetzt noch und starrte unent wegt hinaus, auf den verwüsteten Vorplatz und auf die Arkaden bei dem Kurhause, in denen sich eben heißer Kämpf abgespielt hatte- alS die dort eingedrungenen Preu ßen unter unaufhörlichem Feuern eine Kompagnie des neunten Regiments gsgen den! Straßendamtn gedrängt hatten. Tem alten Herrn erschien das alles in der Er innerung wie ein wüster Traum- aber die furchtbaren Verheerungen- die sich seinem müden Blicke zeigten, sagten nur zu deutlich, wie schwer der Kampf gewesen war, der hier eben getobt hatte. Und nun entwickÄte sich in diesem ChavS vvü Trüm mern ein neues Bild. Merzte und Lazarettgehülfen er schienen, Verwundete wurden verbunden! und weggetragen, und dazwischen sammelten sich unter den Arkaden- wie auf dem Ctraßendanchste preußische Truppen, aber nicht dienstfähig, das erkannte das militärische Äuge des Ober sten. Ter Zweck wurde ihm auch slosvrt klar, denn aus dem Kurhause erschienen die verschiedensten dienstbaren Geister, noch schreckensbleich- doch in gewohnter eiliger Tätigkeit. Sie schleppten Fässer- Kannen und' Gläser herbei, um den brennenden Tuest der erhitztest Soldaten zu stillen. Offiziere, denen die schwarzbefrackten Erquickungsspender mit höflichen Bücklingen ihr kühlendes Naß anbvten, gingen hin und her zwischen dest Trinkenden und hielten die Ordnung aufrecht. Mildenfels nichte unbewußt zustinnsterck! mit dem Kopfe- Wohl war es der Feind, dem diese Wohltat zuteil wurde-aber es waren brave Soldaten — deutsche Brüder —- und es berührte ihn sympathisch, zu sehen, wie be dacht die Vorgesetzten für die Erquickung ihrer Leute waren. Tie Julislonne brannte ja glühend- er selbst em pfand das quälend, und djipse Männer dort hatten stunden lang dabei im Kampfe gestanden. ' - Aber nun? — Wieder verschob sich das Bild. Tie Soldaten horchten plötzlich auf- leerten hastig die Kannen, die sie angesetzt hatten,, oder warfen sie wohl auch gleich zur Seite, während die Offiziere mit lautem Konftnandv- wvrt ihre Abteilungen zusammdnschlossen/ und die Be frackten einen eiligen Rückzug antraten. Wildenfels vernahm Gütliches Signalblasen, das von den verschiedenen Ecken pes Ortes! wiederholt wurde. Er brauchte sein Gehör nicht änzusttrengen/ jeder Don schallte deutlich zu ihm hinauf- denn seine Fensterscheiben chatten Schüsse zertrümmert. - Vvr dem Kursaale sanchnelte sich das Bataillon. Eili gen Laufes shrömten aus den Straßen inüner mehr Sol daten herbei. Der Helm wurde fester ausgedrückt- das Säbelkoppel und die Patronentaschen zurecht gerückt und das Gewehr mit sicherem! Griffe gefaßt. Sv, nun standen sie im Kurgarten aufgereiht in langer Linie. Tie Offiziere mustjertcn die Front. „Still gestan den!" wurde kormstandiert. Ein mehrst^n-stiger-undeutlicher Ruf schallte von der Straßenecke her. Es klstng wie, eine Begrüßung. Der Oberst Meß das Fenster auf und lehnte sich hinaus. Dort hinten; sl-anden bis gefangenen Bayers preußische M-Daten hp, UL «k » LIA L