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Riesaer Z Tageblatt Donnerstag. SS. August 18SS, Abends 48. Jahrg Bekanntmachung, Wasserleitung betr. In der Zeit von heute Abend »/,v Uhr bis warnen früh 8 Uhr findet eine Reinigung des Gtadtrohrnetzes der Wasserleitung statt und es kann während dieser Zeit Wasser aus den Zapfhähnen nicht entnommen werden. Riesa, den 2S. August 1895. Der städt. Wasserwerks-Ausschuß. Klützer, stellv. Vorsitzender. für da- ^Riesaer Tageblatt" erbitten uns spätestens bis üü A k T A k A Vormittags v Uhr des jeweiligen Ausgabetages. Die Geschäftsstelle. Wegen Reinigung der Geschäftsräume des unterzeichneten König!. Amtsgerichts werden bei demselben nächsten Lonnabend, den 31. laus. M. nur besonders dringliche Sachen bearbeitet. Königl. Amtsgericht Riesa, am 27. August 18S5. Heldner. Sonnabend, den 31. August 1895, 10 Uhr Vor«., soll im Hotel zum „Kronprinz" hier ein brauner Kleiderschrank gegen sofortige Bezahlung meistbietend versteigert werden. Riesa, am 24. August 1895. Der Ger.-Vollz. d. Kgl. Amtsger. Sekr. Eidam. «nd Anzeiger MMS mV Lyrisch. Amtsblatt der Königl. Amtshauptmannschast Großenhain, des Königl. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa. 201 Da» Riesaer Tageblatt erschein jede» Tag Abend» mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Vierteljährlicher Ve,u,»prrt» bet Abholung tn den Expedtttonen tn Mesa und Sttehla, den AuSgabestekle» sowie am Schalter der katsrrl. Postanstaltm 1 Mark 25 Ps., durch dir Träger frei in» Hau« 1 Mark 50 Pf, durch dm Briefträger stet tn» Hau» 1 Mark S5 Pf. isttr die Rumum de» Ausgabetage» bi» Vormittag S Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kaftan,«ustraß« 59. — Kür die Redaction verantwortlich: P. Langer, Riesa, in Vertretung. Die Sozialdemokratie. (Eine Kritik.) (Nachdruck verboten.) I* L. Gerade in unseren Tagen haben wir reichlich Gelegenheit, uns der Macht der Sozialdemokratie bewußt zu werden. Der Druck, den ihre Anhänger in den sogenannten Boykotts oaszuüben vermögen, ist entschieden ein enormer, und wohl jedem, der nicht gerade dem Grundsatz huldigt: „Lprtzg rious Is Mußv", drängt sich dabei unwillkürlich die Frage auf: „Wo will das hinaus?" Vom volkswirthschastlichen Standpunkte aus betrachtet, ist die gegenwärtige Machtent- saltung eine sehr natürliche: der Arbeiter, dessen Selbstinter esse in unserem Jahrhundert erwacht, beginnt eine geschicht liche Rolle zu spielen. Aber die Volkswirthschaft weist auch zugleich beruhigend auf die Unmöglichkeit des sozialdemckra- tischen Zieles hin: Der Zukunftsstaat bleibt reif für den Pa pierkorb, und die soziale Frage, so sehr sich auch Ge lehrte und Laien damit plagen werden, ist nicht zu lösen. Fragen wir uns, welche Gründe zwingen zu jener Behauptung. Das Gesammteigenthum bildet den Ausgangspunkt der Entwickelung aller Kulturvölker, dos Privateigenthum dagegen, jenes streitige, von dm Sozialdemokraten nicht anerkannte Wirth- Ichaftsinstilut, ist erst eine moderne Blume auf dem Bodm, der gedüngt war durch Geldwirthschaft und Handel. Die Forderungen der Sozialdemokraten bedeuteten nichts anderes als einen kulturellen Rückschritt, eine Rückkehr von der Kultur in den Naturzustand, ein Problem, das sich bereits in der französischen Revolution als praktisch undurchführbar erwiesen hat. Die Geschichte möge den Beweis liefern, daß die Mensch heit vom Gesammteigenthume ausgegangen ist. Fast olle Völker weisen eine derartige Entwickelung auf. Unsere Vorfahren machen davon keine Ausnahme. Cäsar und Tacitus schildern sie uns, aber dieser doch schon ganz anders als jener. Die Sueven bei Cäsar ziehen noch umher, sie kennen noch kein Privateigenthum, alles ist ihnen gemein. Jeder Germane nimmt von dem Land und von den einzelnm Gegenständen soviel, als er gerade braucht — gewiß eine rein kommunistische Nutzungsweise. — Anders schon schildert uns Tacitus unsere Ahnen ungefähr 150 Jahre später. Sie haben sich niedergelassen und sind Ackerbauer geworden. Die Frauen weben linnene Gewänder und schaffen sie nach Italien. Der Mark gehört das Land, aber eine gemeinsame Bebauung und einen kommunistischen Genuß des Ertrages kennt nian nicht mehr. Das Interesse, daS der Einzelne an der Arbeit hat, hatte eine Sondernutzung zur Folge. Jähr lich «heilt die Gemeinde dem Einzelnen der Markgenossen ein Stück Land zu, das er bebaut und am Ende des Jahres wieder der Gemeinde zurückerstattet. Spuren von einem Ge sammteigenthum haben sich noch bis in unser Jahrhundert hinein erhalten. Der sogenannte Flurzwang erhält von jenem Gesichtspunkte aus erst die richtige Beleuchtung. Die Felder der Einzelnen lagen infolge der jährlichen Verloosung noch durcheinander. Die Gemeinde mußte daher noch anordnen, was und wie bebaut werden sollte, mußte die Brachfelder nothweudig zusammenlegen, damit daS Vieh nicht auf und über die bebauten Aecker gehe. Die ReminiScenS an eine kommunistische Nutzung des WaldeS hat sich ebenfalls noch bis in unsere Tage beim Volke erhalten. Einst konnte jeder im Walde soviel Holz schlagen als es sein Bedürfniß erforderte, heutzutage ist er schon mehr und mehr Privateigenthum, resp. Sondereigenthum des Staates geworden, und es ist wohl denkbar, daß das Pri vateigenthum am Walde sich noch mehr ausprägt, daß in absehbarer oder unabsehbarer Zeit das Sammeln von Pilzen und Beeren, das Fangen von Schmetterlingen und sonstigen Thieren, ja überhaupt das Betreten des Waldes verboten werden wird, sobald dies eine intensivere Kultur nothweudig macht. Das sozialistische Gemeindeeigenthum läßt sich aber nicht nur bei indogermanischen Völkern, zu denen ja die Germanen gehören, sondern auch bei den Semiten als die ursprüngliche Form der menschlichen Wirthschaft nachweisen. Ein Blick auf das bekannteste semitische Volk, die Israeliten, soll da rüber Aufschluß geben. Nach der Auffassung des alten Testa mentes ist Jehova der alleinige wahre Eigenthümer, der das selbe den einzelnen Menschen zutheilt. Um den Gesammtbe- sitz ausrecht zu erhalten, findet eine periodische Vertheilung des Einzelbesitzes statt, die in dem sogenannten Jubeljahr bewirkt wird. Die Ansätze des störenden Privateigenthums werden auf diese Weise wieder beseitigt. Später freilich ist diese Theorie nicht mehr durchführbar, da die Wirthschafts- entwickelung andere, höhere Forderungen stellt, und das Pri vateigenthum gewinnt so allmählich die Oberhand. Doch auch in späterer Zeit ist aus einer Reihe von Resten noch er sichtlich, daß daS Gesammteigenthum früher vorhanden war. Das zeigt uns jene Bestimmung zu Gunsten der Armen, in welcher diesen ein Theil des Feldes aus eigenem Rechte zu gewiesen wurde, die sogenannte Ecke der Armen. Ebenso ersichtlich ist dies aus der Auffassung deS AlmosengebenS. Der Reichthum wurde ursprünglich bei den Juden als un moralisch und als etwas, was gegen das Recht ist, empfunden. Der gleiche hat daher nicht nur die moralische, sondern auch die rechtliche Pflicht, Almosen zu geben, und das Almosengeben selbst gilt daher als ein Mittel zur Wiederherstellung der normalen Ordnung. Schon die Geschichte spricht also gegen die Wiederein führung des GesammteigenthumS. Im Weiteren soll das Wirthschastsinstitut deS Privateigenthums selbst Rechtfertigung finden. Zunächst sei konstatirt, daß die Angriffe auf daS Pri vateigenthum sehr alt, ja fast älter als daS Privateigenthum selbst sind, — sie erfolgen, sobald sie erst die ersten Ansätze zum Privateigenthume zeigen — und daß die Sozialdemokratie, eine Geburt des deutschen Reiches, erst als die jüngste, wenn auch nicht letzte derartige Partei diese Angriffe erhebt. Aus einer Vollsrede des Römers C. Gracchus vom Jahre 130 v. Chr. ersehen wir, daß die damaligen Zeitanschauungen und Zeitverhältnisse nicht viel andere waren, als bei uns heutzu tage. Der bekannte Römer sagt darin unter anderem: „Die wilden Thiere, welche in Italien Hausen, haben ihre Höhle und ihr Lager. Die Männer dagegen, welche für Italien kämpfen und sterben, haben von ihrem Baterlande nichts als Luft und Licht. Ohne Wohnsitz und Obdach irren sie umher mit Weib und Kind, und es ist Hohn und Lüge, wenn di« Anführer in den Schlachten ihre Soldaten anfeuern, für die Sitze ihrer Götter und Gräber ihrer Väter zu kämpfen. Denn von der großen Menge der Bürger hat keiner einen väterlichen Altar, keiner einen Grabhügel seiner Vorfahren, sondern sie kämpfen für anderer Verschwendung und Reichthum, während sie zwar Herren deS Erdkreises ge nannt werden, aber nicht eine Scholle ihr Eigenthum nennen können." Die Angriffe gehen auch nur von denen aus, die -ein Interesse daran haben, daß Privateigenthum nicht ent steht, von solchen, die vom Eigenthume nicht begünstigt sind. Die Rechtfertigungsversuche des Privateigenthums, die bisher unternommen wurden, sind im allgemeinen nur wenig befriedigend, überzeugend allcsammt höchstens für den Be sitzenden, auf den Besitzlosen machen sie kaum einen Eindruck. Der englische Philosoph Locke rechtfertigt es damit, daß es ein Ergebniß der Arbeit sei, ist sich aber d.bei nicht bewußt, daß die Eigenthumsvertheilung nicht etwa nach der Arbeit, sondern, wie schon Tacitus sagt, „ssouuäum äixnitatBm^, d. i. nach dem Stande, erfolgt, und nicht mit Unrecht hat man seine Theorie die „Theorie des bösen Ge wissens" genannt. Kant und Hegel begründen es damit, daß sie sagen: es sei zur Erweiterung der Persönlichkeit des einzelnen nothwendig, eine Lehre, überzeugend für den, der Eigenthümer ist, nicht aber für den, der es nicht ist und sich fragen muß, warum er gerade des Eigenthums nicht bedarf. Als ganz verfehlt dürfte auch der Versuch des französischen Staatsmanns Thiers zu bezeichnen sein, der behauptet, der eigenthumslose Zustand sei gegen die Natur. Mit diesem Versuche steht die Thatsache in Widerspruch, daß, wie aus dem Vorhergehenden ersichtlich. daS Gesammteigenthum der natürliche Zustand war. Das Privateigenthum ist vielmehr ein durchaus noth- wendiger kultureller Zustand. Das Wort SpinocaS: „Nicht es bejubeln, nicht eS beklagen, sondern es verstehen", gilt hier wie selten bei einer großen Institution. Die zunehmende Bevölkerung verlangt mehr und bessere Nahrungsmittel. Um dem Lande diese abzugewinnen, muß auf die Bebauung des selben mehr Fleiß verwendet werden; dies ist aber^ nur mög lich, wenn der Bebauer zugleich Eigenthümer ist, wenn er weiß, daß ihm der Ertrag der Ernte allein zu Gute kommt, und daß je mehr er darauf Fleiß verwendet, er auch einen großen Ertrag erernten wird. Das Privateigenthum entsteht also aus dem wirthschaftlichen Zwang, welcher hervor gerufen wird durch die dichtere Bevölkerung und durch de» größeren Kampf ums Dasein. Zunächst ist es das um den Wohnplatz liegende Land, das Gartenland, welches Prioat- eigenthum wird, weil dies insbesondere eine intensivere Arbeit nöthig macht. Ein Stück Feld, das zum Getreidebau dient, wird auch in der That auf länger Gesammteigenthum bleiben können als z. B. ein Stück neu gerodetes Land oder ein Rebstück. Letzteres erfordert wenigstens bei uns im nördlichen Europa ganz besonderen Fleiß, und seine Existenz ist nur möglich, wenn der Bebauer es für sich bebaut. Der immer enger werdende Nahrungsspielraum und die Nothwendigkeit, demselben Stück Land einen immer größeren Ertrag abzuge winnen, führt in letzter Linie auch für das Ackerland die Ausbildung des Privateigenthums herbei. Der Uebergang von der Naturalwirtschaft zur Geldwirthschaft bringt schließlich auch bei Handel und Gewerbe jene Entwickelung hervor. Galt es dort, dem Lande mehr Lebensmittel abzugewinnen, so gilt es hier, mehr Geld zu verdienen. Die zunehmende Bevöl kerung erzwingt auch hier wieder intensivere Arbeit, bald auch, bei zunehmender Konkurrenz, technischen Fortschritt und Verbilligung der Produktion. Dies alles aber wäre unmög lich ohne daS Rechtsinstitut deS Privateigenthums, und je