Volltext Seite (XML)
Drr Madrider „Jtrparcial" veröffentlicht rin lange- , Telegramm aus Key West, Florida, wonach die Veröffent- , lichung der Verfassung der kubanischen Republik am Freitag ' stattgefunden hat. Sie enthält i« Ganzen 2S Artikel; der eiste besagt, daß die Insurgenten deshalb nicht wegen Ab schluß eine- Friedens mit Spanien unterhandeln können, «eil es unbedingt nölhig sei, daß die Befreiung Kubas durch sie vollendet werde. In einem anderen Artikel wird bestimmt, daß der kubanische Besitz solcher auswärtiger Regierungen, welche die Insurgenten als kriegführende Macht anerkennen, von Steuern befreit sein soll. Im Weiteren übernimmt die Republik die Bezahlung aller durch den Krieg verur sachten Schulden und Ansprüche. Türkei. Die feierliche Bekanntmachung der bewillig, ten Reformen durch einen „Hat" scheint aufgegeben zu sein. In Mdiz-Kiosk finden täglich Berathungen mit dem Groß vezier, dem Minister des Aeußern und anderen hohen StaatS- i beamten statt. VEHe» «»» «ächstsche». Riesa, 21. October L8S5. — Auf der Reise nach Wermsdorf zur Abhaltung von Hofjagden passirte gestern Abend Se. Majestät der König die hiesige Station. — Dem Kommando des sreiw. RettungScorpS wurde» vom Hauptagcnten der FeuerversicherungS-GeseUschaft „Nlorttr- LrMsU und Llsrosntils", Herrn Kaufmann G. H. Dölitzsch, für erfolgreiche Thätigkeit beim Brande des Münch- schen Grundstücks 30 Mark überreicht. — Zur Geschäftslage auf der Elbe wird dem „Schiff" aus Dresden unter dem IS. Oktober geschrieben: In den ersten Tagen der Berichtswoche schlugen die Bergfrachten in Hamburg eine steigende Ricktung ein, wurden aber in der letzten Zeit wieder weichend, da das Angebot ron Gütern nur mäßig war, und die eintrrffenden Depeschen von böhmischen Plätzen eine Wasserzunahme erwarten ließen. Gestern notirte man in Hamburg für Massengüter nach Mageburg Sb Pf., nach > Riesa-DreSden 75 Pf., nach Tetschen-Laube 85 Pf. für 100 kx. — Die Verschiffungen von Zucker in Magdeburg sind noch immer nicht von großem Belange; die jetzt gehandelten Posten sind theilweise zu Lager gegangen. Die sür Zucker getroffenen Abmachungen geschahen auf Grund einer Fracht Magdeburg-Hamburg von ca. 40 Pf. für 100 tcx. Für Salz von Schönebeck nach Hamburg wurde Raum in Erwartung von Wasserwuchs zu 36 Pf. für 100 Ice ausgeboten. — In Böhmen sind die an der neuen Kohlenbörse geschlossenen Geschäfte noch nicht von großer Bedeutung. Der gestrige amtliche Aussiger Bericht weist folgende Kohlenfrachten auf: nach Dresden 28—29 Mk., nach Meißen 30—31 Mk. für den Wagen, nach Magdeburg 72 Pf. sür das Doppelhektoliter, nach Hamburg.Harburg für den Lentner 40 Pf. gefordert, 30 Pf. geboten. — Abweichend von den meisten anderen befragten Körperschaften hat sich die Handelskammer zu Krefeld über den geplanten Schutz der Bauhandwerker dahin geäußert, daß sie es bedenklich finde, aus der Allgemeinheit der Ge- werbtreibenden heraus einer bestimmten Klasse derselben eine Vorzugsstellung im bürgerlichen Rechte einzuräumen. Die Kammer würde es für richtiger halten, wenn die Bau. Handwerker in Städten, in denen sich lne gerügten Mißstände entwickelt haben, statt von der Gesetzgebung und Recht sprechung allein Abhilfe zu erwarten, von ihrer Intelligenz Gebrauch machend, korporativ zur Selbsthilfe griffen, indem sie sich mit guten AuSkunftSbureaux in Verbindung setzten und sich so vor Schaden bewahrten. Dieser Weg würde nach Ansicht der Krefelder Handelskammer eine größere Sicherheit versprechen, als selbst die ausgedehntesten Schutz bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. Einen Anfang zu dieser Selbsthilfe hat man übrigens soeben in Düsseldorf durch Gründung eines Bauvereins gemacht, der folgende Ausgaben erfüllen soll: Ankauf von Bauterrains zur Offen legung, um die Kosten der Offenlegung zu übernehmen; Selbstfabrikation von Baumaterialien; parzellenweise Ver äußerung der offengelegten BauterrainS; Gewährung von Bauzuschuß und Veräußerung der Erzeugnisse d.r Geseu- schast; Vermittelungen von An- und Verkäufen, Hypoiheken- darlehen, Anfertigung gewissenhafter Taxen, Gewährung von Kredit gegen entspreche, de Sicherheit und die Annahme von Depositen, sowie besonders sür Lieferanten und ArbeitSunter- nchmer jederzeit eine möglichst billige und genaue AuSkunfts- ertheilung. Ueber eine Million Aktienkapital ist für diesen Verein bereits fest gezeichnet. — Das Leipziger Tageblatt schreibt: Zur Richtigstellung empfangen wir folgende Zuschrift: „In ihrer Nummer 493 befindet sich eine Notiz, nach welcher der in Wallwitzhafen, Dresden, Riesa und andere» Elb-Umschlagsplätzen in den letzten Jahren ermittelte Güterverkehr ziffernmäßig — genau auf den Centner ausgerechnet — angegeben wird. Diese Notiz ist, soweit sie sich auf Dresden und Riesa bezieht, grund falsch und ich verstehe nicht, wie Jemand eine Statistik auf stellen und in die Zeitungen bringen kann, wenn ihm die so nothwendigen Unterlagen dazu fehlen! Zu Ihrer gefälligen Kenntnißnahme sei aber hiermit nur constatirt, daß der Berg verkehr in Riesa schon seit Jahren den in Dresden um ein Bedeutendes überflügelt hat und nicht im Entferntesten daran zu denken ist, daß in Dresden 4053 269, in Riesa dagegen nur 548421 D.-Ctr. umgeschlagen worden waren; dies liegt eben außer allem Bereich der Möglichkeit! — Mit bauliche» Erweiterungen für den Elbevrrkehr ist man auch in Riesa durchaus nicht zurückgeblieben. Die jetzt vorhandenen Lager räume sind in Folge dessen einem wirklich großem Verkehr gewachsen, wenn auch zugegeben werden muß, daß Alles, was an Land noch zu haben war, selbst zu hohen Preisen in An spruch genommen werden mußle." f Dresden, 20. Oktober. Der König wohnte heute Vormittag dem Gottesdienst in der katholischen Hofkirche bei. Um 5'/, Uhr sand Familientafel in Billa Strehlen statt, an der die Krau Erzherzogin Mgrie Josepha von Oesterreich, die Prinzen und Prinzessin»» des königl. Hause- und der Prinz Albert von SachseN Altenburg theilnahmen. Um 7 Uhr 31 Mm. reiste der König nach Wermsdorf ab. In Be gleitung deffelb n befand sich Se. königl. Hoheit»Prinz Albert von Sachsen-Altenburg. ' -f Dresden. Wegen des Ableben- des Fürsten Eli- war, Herzogs von Oldenburg, hat der königliche Hof von heute an auf eine Woche Trauer angelegt. — Heute früh starb plötzlich der königliche Gartendirektor Krause, eine in Gartenkreisrn weit und breit geschätzte Persönlichkeit. Tharandt, 18. Oktober. Schon bei Beginn des Wintersemesters sind die Inskriptionen an der hiesigen Forst- akademie so reichlich erfolgt, daß sie die hohe Frequenz von 90 zeigten, welche seit einer Reihe von Jahren nicht erlangt wurde. Bon den Studirenden sind 27 al- Aspiranten sür den höheren StaatSfortstdie, st in Sachsen immatrikulirt. Der zifsermäßig festgestellte starke Zuzug aus dem Auslande (Rußland, Oesterreich, Holland, Bulgarien, Rumänien, Schweden, Norwegen, Schweiz rc), der im jetzigen Winter, semester noch mehr als im vorhergehenden hervortritt, ist wohl die beste Rechtfertigung der sächsischen Forstakademie und ihrer neuen Direktion gegen die im vergangenen Jahre in einigen Zeitungen verbreiteten Befürchtungen. Adorf, 18. Oktober. Einem gestern Nachmittag in dem zwischen hier und JngelSburg gelegenen Ortstheile „Vogelherd" ausgebrochenen Brande fielen zwei Wohnhäuser nebst reichlichem Inhalte zum Opfer. Mit Zündhölzchen spielende Kinder sollen den Brand verursacht haben, und es ist leider dabei ein sünsjähriges Mädchen in den Flammen umgekommen. Annaberg, 18. Oktober. Heute Nachmittag kurz vor 2 Uhr entstand in dem Laden eines in der oberen Schmiedegasse befindlichen Spirituosengeschäftes ein Brand, welcher durch die Explosion eines Schnapsfasses verursacht war. Dem Hausmann des Geschäfts, welcher das Faß öffnen wollte, wurde die explosive Masse in's Gesicht ge schleudert, so daß er Brandwunden an d.n Händen und im Gesicht davongetragen hat. Durch das schnelle Eingreifen von Nachbarn und anderen hinzukommendcn Leuten wurde der Brand alsbald gedämpft, immerhin dürfte aber dem Ge schäftsinhaber ein größerer Schaden entstanden sein. Zwickau. Eine S4jährige Arbeiterin wurde beim Reinigen der Kohlenwäsche eines hiesigen Schachtes vom Treibriemen der Transmission erfaßt, mehrere Male herum geschleudert, wobei ihr die Sachen buchstäblich vom Leite ge rissen wurden, und lebensgefährlich verletzt. Lhemnitz. In einer hiesigen Maschinenfabrik wurde ein 16 Jahre alter Bohrergehilse während des Ausrichtens einer im Gange befindliche« Bohrspindel von der Stellschraube an den Kleidern erfaßt und mehrere Male mit herumge- schleudert. Der Betroffene erlitt hierbei am Kopfe, an der rechten Körperseite und dem rechten Oberschenkel so erhebliche Verletzungen, daß er sofort in ärztliche Behandlung genommen werden mußte. Glauchau, 19. Oktober. Der seit längerer Zeit ge- suchte und in Folge seines gefährlichen Auftreten- gefürchtete Strolch Wildenhai« aus Uhlmannsdorf ist gestern Nachmittag nach 3 Uhr auf altenburgischem Gebiet, im Ehrenhainer Schloßpark, mit LugeUchuß in den Kopf geschossen worden. Dem Zurufe, stehen zu bleiben, hat er nicht Folge geleistet. Mit dem Tode dieses sich seit langer Zeit umhertreibenden, wiederholt mit Zuchthaus bestraften Diebes, der stets gela- dene Schußwaffen bei sich führte, ist dem verbrecherischen Treiben des zu vielen Schlechtigkeiten fähigen Menschen ein Ziel gesetzt, in Folge dessen die Einwohner der betreffenden benachbarten Ortschaften von einein drückenden Alp befreit wurden Seit vorgestern Abend bis mit gestern Abend Haden sächsische und altenburgische Gendarme in der Ziegelheimer Umgegend eine allgemeine Razzia unternommen, weil Wrl- denham vor einigen Tagen auf «inen Ziegelheimer Einwohner (den Arzt von dort) geschossen hat. Bedauerlich ist es nur, daß Wildenhain nicht mehr vor den irdischen Richter gestellt werden kann, um über die von ihm begangenen und über manche ihm vielleicht nur zugeschriebenen strafbaren Hand- lungen Auskunft zu geben. Wildenhain, welcher erst vor ein paar Monaten aus dem Zuchthaus kam, war der unge- rathene Sohn rechtschaffener Ellern, der schon frühzeitig eine besondere Vorliebe sür Waffen an den Tag legte. Dieser Neigung ist er treu geblieben, obgleich er gerade wegen dieser Liebhaberei und der damit verbundenen Gefahr wiederholt aus dem Dienste entlassen wurde. Falkenstein, 18. Oktober. Vor einigen Tagen hat Herr FriedhofSgärtner Barth hier beim Aufackern eine« Feldraine» eine Anzahl Silber- und Kupfermünzen sächsischen Gepräges aus dem Jahre 1764 entdeckt. Neben den Mün- zen lag im Erdreich eine Kanonenkugel in der Größe einer Billardkugel. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist von dieser Kugel ein Soldat getroffen und getödtet worden und von demselben rühren auch die Münzen her, da ein Gefäß, wie solches bei Münzfunden immer anzutreffen ist, nicht ange- trvffen wurde. Die Ueberreste dürften aus dem Befreiungs kriege hrrrühren, da in unserer nächsten Umgegend zahlreiche- Militär anzutreffen gewesen ist. In der Gegend bei Neu stadt war ein« Feldschmiede in Thätigkeit, und heute werde» noch vielfach kleine Pferdeeisen (von schwedischen Pferden her rührend) gefunden. Im Jahre 1813 kamen Kosaken in Verbindung mit preußischen Husaren nach de« Vogtland« und durchzogen die ganze Gegend. Rodewisch, 18. Oktober. Als vor einige« Tagen eine hiesige Frau zu ihrer in eine« hiesigen Geschäfte ar beitenden Tochter Kaffee tragen wollte, wurde sie von dem Besitzer de- Geschäft», welcher nach Tauben schoß, angeschvffen. Die Frau erlitt hierbei so schwere Verletzungen, daß sie nach einigen Tagen daran verstarb. Rochlitz, 18. Oktober. Herr Superintendent Clauß, der seil über 5 Jahren da- hiesige Pfarr. und Superinten- dentenamt bekleidet, ist zum Oberkonsiftorialrath ernannt worden und wird dr-halb am 1. Januar k. I. nach Dresden überfiedel». Da- Scheiden de« hochwürdigen Herrn wird vielfach bedauert werden. Leipzig. Zur Feier der Schlußsteinlegung am Bau de» Reichsgerichts treffen Ihre Majestäten der deutsche Kaiser und der König von Sachsen Sonnabend, den 26. d. M., in der zwölften Stunde Vormittags hier auf dem Dresdener Bahnhofe ein und zwar zunächst 11 Uhr 20 Min. mittels Sondrrzuges von Dresden Se. Majestät der König. Darauf langt 11 Uhr 30 Min. von Berlin über Röderau gleichfalls mittel» Sonderzuges Se. Majestät der Kaiser auf dem Bahn- Hose an. Hierauf wird unser erlauchter Landesherr den Kaiser auf dem Bahnsteige, zu dem sonst Niemand Zutritt haben wird, begrüßen und in da« Fürstenzimmer geleiten. ES schließt sich hieran die Vorstellung hochgestellter, zu der Festfeier geladener Personen. Vor dem Bahnhöfe, der in weitem Um'ange abgesperrt werden muß, besteigen Ihre Ma- jestäten den Wagen und nehmen über Bahnhofstraße, Augustus- platz, Grimmaische Straße, ThomaSgasse, Promenade und Harkortstraße den Weg nach dem Reichsgerichtsgebäude, wäh rend in anderen Wagen das Gefolge der Monarchen sich an schließt. Da die im Bahnhofe vorgestellten Personen noch vor dem Eintreffen Ihrer Majestäten am Festorte in der großen Kuppelhalle de» Reichsgerichts Aufstellung zu nehmen haben, begeben sich dieselben auf dem Nebenwege durch Quer-, Nürnberger- und Roßstraße bereits vor den Allerhöchsten Herrschaften in das Reichsgericht. Die Kuppelhalle wird eine außerordentlich glänzende Versammlung vereinigen. Ls werden erwartet Vertreter der Reichsämter, des Bundes, raths und des Reichstags, sowie die höchsten Landesbeamten. Die ReichsgerichtSräthe werden der Feier nicht in der für sie bestehenden Hostracht, sondern im Richterornate beiwohnen. Der Schlußstein, auf den die Hammerschläge fallen, erhebt sich inmitten der Kuppelhalle in der Form eines steinernen Wür. fels von etwa 1 m Höhe. Nach Aufnahme der die Schluß, steinlegung betreffenden Urkunde soll der Stein künftig eine Statue tragen. Von der Fefthalle aus verfügen Ihre Ma. jestäten Allerhöchstsich in den zur Prästventenwohnung gehö. rigen Prunksaal, um dort der Festtalel beizuwokncn. Die Rückfahrt erfolgt Nachmittags 2 Uhr durch die Wächter- und Windmühlenstraße zum Bayrischen Bahnhofe. Berlin. Beschlagnahmt hatte die Staatsanwaltschaft die Leiche des 42 jährigen Schlächtermeisters August Goeben aus der Georgeukirchstraße 16, der vor acht Tagen auf eine entsetzliche Art zu Tode gekommen ist, da die Untersuchung ergeben hat, daß einem Anderen kein Verschulden trifft, so ist die Leiche gestern sreigegeben worden. Goeben, der als Haus schlächter thätig war, hatte den Auftrag erhalten, in der Nacht zuni Montag sür den Schankwirth Faustmann in der Greiss- walderstraße 43/44 srische Wurst zu machen. Gegen Mitter nacht war er damit fertig, und es sollte nun die Wurstbrühe, die in einem großen Kessel aus dem Heerdseuer stand, zur Abkühlung in eine hölzerne Wanne gegossen werden, weil sich in dem Kessel leicht Grünspan ansetzen kann. Die Wanne stand mitten in der Küche. Faustmann und Goeben trugen gemeinsam den Kessel vom Heerde bis zur Wanne, dann be gab sich der Wirth wieder in das Gastzimmer und überließ das Umgießen der Brühe dem Schlächter allein, wie es bisher immer geschehen war. Faustmann hatte kaum das Gastzimmer betreten, als er von der Küche her einen lauten Aufschrei vernahm. Er eilte in die Küche zurück und sah, wie hier der Schlächter am Boden liegend sich in den gräßlichsten Schmerzen wand. Bei dem Versuche, die Wurstsuppe vom Kessel in die hölzerne Wanne umzugießen, war Goeben aus geglitten. Der Kessel sowohl wie die Wanne waren umgekippt und Goeben war mit der Brust und dem Leib in die siedend heiße Brühe gefallen. Der Verunglückte, der namentlich an der Brust und an den Armen schwer verbrannt war, wurde von Faustmann sofort mit einer Droschke in das Krankenhaus am Friedrichshain gebracht. Hier erlöste ihn in der Nacht vom Montag zum Dienstag der Tod von unsäglichen Ovalen. Berlin. „Sie sind ja schlimmer als ein Sklaven halter", äußerte am Sonnabend der Vorsitzende der vierten Strafkammer, Landgerichtsrath Braun, zu dem auf der An« klagebank befindlichen sogenannten „Arbeiter" Gustav Kraut« wedel, welcher der Nöthigung und der Körperverletzung in einer das Leben gefährdenden Weise beschuldigt war. Ein grausiges Bild wurde im Laufe der Verhandlung den Zi- Hörern vor Augen geführt. Der erst 22 Jahre alte Ange klagte ist schon vielfach vorbestraft. Er soll einer der bcrüch- tigsten Zuhälter ron Berlin sein. In diesem Frühjahre mußte die unverehelichte Emma Nachtweide sür den Unter« halt des Angeklagten sorgen. In einer Märznacht ließ sich das Mädchen erschöpft in d.r Adolphstraße auf eine Bord« schwelle nieder. Der Angeklagte war ihr in einiger Ent« fernung gefolgt. Wüthend darüber, daß sie ihm kein Geld geben konnte, versetzte er ihr mehrere Ohrfeigen und trieb sie »eiter. Da» Mädchen wollte sich von dem Peiniger be freien, e» machte gegen ihn Anzeige. Nachdem der Ange« klagte die erste polizeiliche Vernehmung gehabt hatte, kam es zwischen ihm und der Nachtweide zu einem wüsten Auftritt. Krautwedel wollte der Versicherung de» Mädchens, daß es bei der Abfassung der schriftlichen Anzeige keine Hilfe grhebt habe, nicht glauben; mit einer Hand packte er e» an der Gurgel, während er in der anderen ein geöffnete» Messer hielt, dessen Spitze er auf die Brust de» Mädchen» setzte. Er ließ dann von seinem Opfer ab, da er inzwischen einen anderen Plan gefaßt hatte, um seine Rachsucht zu kühlen. Am folgenden Sonntag Abend nahm er die Nachtweide mit in ein Tanzlokal, da» besonders von Seinesgleichen besucht wird. Der Saal war gefüllt. Der Angeklagte ftthrtr seine Begleiterin nach der Mitte de» Saale», ließ sich einen Stuhl bringen und zwang die Nachtwride, darauf Platz zu nehmen.