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Riesaer G Tageblatt und Anzeiger Mrtlrtt >«> Aytizn). Amtsötatt der König!. Umtshanptmannfchast Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Mesa. Z 38. Donnerstag, 14. Februar 18SS, AbeudS. 48. Jahrg. Das Rikjaer Tageblatt erscheint irren Tag Abends mir Ausnahme der Sonn- und Festtage. Vierteljährlicher Bezugspreis bet Abholung in den Expeditione» in Riesa und Atrehta, dem smoie am Schalter der lästert. Postanstalten 1 Mart 25 Ps., durch die Träger frei in- Haus I Mark 50 Ps., durch den Briefträger frei tu» Hau» 1 Marl SV Pf. Au>«ig«<U»»ah»» pr dt» M>WW» des Ausgabetages bis Vormittag S Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Rief«. — GeschästSstellr: Kastanieukrab« v». — Für dir RÄaew« »««twmetltch: Her«. Sch«»»t «, Mal«. Ta-esgeschichte. Der Bortag des Kaisers in der vergangenen Woche über die Nothwendigkeit des Zusammenwirkens von Heer und Flotte, worüber wir neulich kurz berichtet haben, erfährt vielfach noch eine eingehendere Würd-gung. Wie jetzt bekannt wird, hat der Kaiser selbst am Schlüsse seines Vortrags den Wunsch geäußert, daß daß Gesagte von de» Zuhörern in ihren Kreise» verbreitet werden möchte. Das ist zum Theil dahin verstanden worden, als solle auch eine Veröffentlichung des Vortrages selbst erfolgen. Ob das geschehen kann und wird, ist zu bezweifeln. Sicherlich aber wird es erlaubt sein, über den Inhalt noch einige weitere Mittheilungen wiederzugebcn, wie sie ein Bericht des „Hamb. Korr." enthält. In der Einleitung wies der Kaiser auf Grund sorgfältig ermittelter Ziffern nach, in welchem Grade die deutsche Ausfuhr bis zum Jahre 1894 zugenommen habe, und wie, damit Hand in Hand gehend, die Handelsflotte an Registertonnen sich vermehrt habe. Hierauf folgte ein Ver gleich mit den entsprechenden Erscheinungen bei den anderen europäischen Staaten. Parallel damit ging ein Vergleich der Schutzmittel der verschiedenen Handelsstaaten zur Sicher, ung der Hauptverkehrsstraße» auf dem Meere. Er fiel selbstredend sehr zu Ungunstcn Deutschlands aus. Während nämlich die deutsche Handelsflotte sich zur zweiten Stelle in Europa aufgeschwungcn habe, rangire die deutsche Kreuzer- flotte hinter der dänischen. Das Ungesunde und Unhaltbare dieses Zustandes liegt auf der Hand. Besonders anziehend waren die genauen Angaben, welche der Kaiser über die französische und russische Kreuzerflotte, ihre Bestimmung, den Bau und die Leistungsfähigkeit der einzelnen Schiffe anführte. Durch eine Schiffskarte wurde dieser Theil des Vortrages erläutert. Hierauf behandelte der Kaiser ebenso gründlich die Schlachtschiffe. Unser Material weise im Typ durch, schnittlich einen geringeren Tonnengcyalt auf, als der aus ländische, ein neuer guter Kern sei zwar vorhanden, allein die deutsche Schlachiflotte sei zum großen Theil veraltet. Schiffe aus dem Jahre 1868 könnten selbstredend den heutigen Anforderungen nicht mehr genügen. 1870 hätten die Fran zosen auf dem Gebiet, wo sie eine bedeutende Ueberlegenheit gehabt, mehr geleistet. Von einer Blockade der Küste ist nicht die Rede gewesen, zu unserem großen Glück, sonst wäre es uns vermuthlich schlecht ergangen. Die Japaner hätten ihre Erfolge zunächst der Tüchtigkeit und planmäßigen Ver wendung ihrer Flotie zu verdanken. Das chinesische Material sei auch nicht schlecht gewesen, allein an ziclbewußter Leitung und guter Bemannung habe es gefehlt. Es folgte darauf eine Schilderung der Schlacht an der Jalumündung mit ihrem entscheidenden Erfolge. Dieser trat allerdings erst nach langer Zeit durch die Zerstörung der chinesischen Flotte bei Wei-hai-wei rn vollem Umfange ein. Es ließ sich jedoch bereits übersehen, daß das Schicksal der chinesischen Flotte besiegelt sei. Deutsches Reich. Der dem Kaiser von ultramon taner Seite gemachte Vorwurf, daß er auf einer Hofgesell- schäft den zum Protestantismus übergetretenen früheren Je- suiten Grasen Hoensbroech empfangen und freundlich mit ihm gesprochen habe, wird vielfach erörtert. Die „Köln. Ztg." bemerkt dazu: Allgemein wird es als eine Anmaßung zurückgewiesen, daß man dem Kaiser vorschreiben wolle, wen er bei sich empfangen wolle, und cs wird darauf hingewiesen, daß das abermals ein neuer Beweis von der unheilbaren Unduldsamkeit der Klerikalen sei. Soweit sei man in Preu ßen noch nicht gekommen, daß dem Ober-Hofmarschall des Kaisers ein Mitglied der Zentrumsfraktion beigeordnet wer- den müsse, um zu prüfen, ob die Einladungen zu Hoffesten nicht etwa auch an Personen gerichtet seien, die sich den Un- willen der Klerikalen zugezvgen hätten. UebrigenS glauben wir, daß der Papst einen hervorragenden Protestanten, der sich zum Katholizismus bekehrt hätte, mit Freuden empfan- gen würde, und daß, was dem Papste gestattet ist, ebenso auch rem Kaiser von Deutschland grade von den Katholiken nicht verübelt werden dürfe, wenn sie auch nur den Anschein der Sachlichkeit aufrecht halten wollen. Ueber den Ehrenhandel zwischen dem ReichStagSabgeord- neten Liebermann von Sonnenberg und dem Reichstagsabge- ordneten Dr. Böckel wird von der „T. R." noch Folgendes «itgetheilt: Dr. Böckel hatte in der letzten Versammlung in Marten» Festsälen Jin BerlmDsich in mißlichen persönlichen Angriffen gegen seinen politischen Gegner gefallen und dabei auch behauptet, Herr Liebermann von Sonnenberg habe einen Wahlkreis für die deutsch-soziale Richtung in der damaligen antisemitischen Partei sür 300 M. gekauft und also Wucher mit einem Reichstagsmandat getrieben. Ein nachfolgender Redner, Herr Wilberg, bezweifelte sofort die Richtigkeit dieser Angabe und meinte, Herr Liebermann von Sonnen berg müßte Herrn Böckel wegen dieser Verleumdung vor die Pistole fordern, worauf Herr Dr. Böckel rief: „Er soll mir nur vor die Pistole kommen!" und in seinen weiteren Aus führungen behauptete, seine Anschuldigung Liebermanns sei gar nicht neu, sie hätte auch schon in den Blättern gestanden und sei insbesondere von den „Mrttheilungen des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus" ohne Widerspruch verbreitet worden. Er wolle nur die Sache von Neuem auff.ischen und für ihr Bekanntwerden in größeren Kreisen sorgen. Auf Grund genauer Kenntniß der Verhältnisse können wir ver sichern, daß die Behauptung des Herrn Dr. Böckel eine völlig grundlose ist und den Sachverhalt entstellt und fälscht. Auch die Mittheilungen des Vereins zur Abwehr des Anti- semitismus müssen wir in Schutz nehmen. Sie haben sich der Verbreitung dieser Lügen nie schuldig gemacht. An seinem letzten Geburtstage hat Se. Maj. der Kaiser bekanntlich bestimmt, daß in Zukunft diejenigen Com- pagnien u»d Batterien, die innerhalb der einzelnen Armee corps die besten Schießresultatc erzielt haben, Auszeichnungen erhalten sollen. Die „Post" ist nun in der Lage, über die Gestalt dieser Auszeichnungen nähere Mittheilungen machen zu können. Zunächst erhalten die Mannschaften der Com pagnien und Batterien, die am besten geschossen haben, sämmtlich Abzeichen, die auf dem Aermel getragen werden und aus einem in gelbem Metall ausgeführten, etwa 6 ona hohen Lorbeerkranz bestehen, der oben durch die Kaiserkrone abgeschlossen wird. Bei der Infanterie befinden sich in der Mitte dieses Lorbeerkranzes zwei gekreuzte Gewehre, die bei der Artillerie durch zwei gekreuzte Kanonenrohre ersetzt werden. Ferner aber erhält der betreffende Compagnie oder Batterie-Chef einen nach Art der Photozraphierahmen aufstellbaren, etwa 20 em hohen silbernen Schild, der oben mit der Kaiserkrone geschmückt ist und unten auf rechts und links hervorragenden Trophäen ruht, die je nach der Waffe — Infanterie oder Artillerie — verschieden sind. Auf dem Schilde selbst erblickt man unten einen Adler mit gespreizten Flügeln. Darüber befindet sich ein Lorbeerkranz, der fol gende Widmung umschließt: „Wilhelm II., Deutscher Kaiser, König von Preußen, dem Hauptmann zur Er- inncrung an die von seiner Compagnie (Batterie) im Jahre 189 . . innerhalb (des soundsovielten Armeecorps) erzielten besten Schießleistungen." Kaiserkrone und Lorbeerkranz sind vergoldet. Die Kosten der gesammten Auszeichnungen werden aus der Prioatschatulle Sr. »Maj. des Kaisers bestritten. Ungemein erheiternd wirken die Glossen, die der „Vor- wärts" dem Briefe des Herrn von der Gröben «Arenstein an Freiherrn von Manteuffel bei der Veröffentlichung voran schickt. Das sozialdemokratische Centralorgan spielt sich näm lich als strenz loyales Blatt auf, indem es von dem „groben Vertraucnsbruch" spricht, durch den der Brief „in die Oeffentlichkeit kam", und indem es erklärt, den Brief „ohne Bedenken" erst jetzt abdrucken zu können, nach dem die „Kreuzztg." ihn abgedruckt hat. Man bedenke: der „Vor wärts", das Sammelbecken für die Ergebnisse grober und gröbster Bertranensbrüche, in der Pose des Sittenrichters! Diese an sich schon komische Erscheinung wird noch belustigender, wenn man sich erinnert, daß der wahre Grund für die an- gebliche Anstandsliebe des „Vorwärts" nach seiner mit Selbstbewußtsein geübten Praxis nur Brodneid sein kann. Die „National-Zeitung" schreibt: „Verschiedene Blätter, insbesondere englische, stellen Betrachtungen über den Drei bund, insbesondere über angebliche Modalitäten an, unter denen er erneuert werden würde. Alle diese Betrachtungen werden von unterrichteter Seite als durchaus gegen standslos bezeichnet; es liegt überhaupt kein Grund vor, jetzt die Frage der künftigen Erneuerung des Dreibundes zu erörtern." Nach dem nun vollständig vorliegenden amtlichen Er gebnisse der Reichstagsersatzwahl im 7. Wahlkreise des Regierungsbezirks Düsseldorf (MoerS-RerS) wurde AmtSge- richtSrath Fritzen (Centrum) mit 12687 Stimmen gewählt; Landrath Dr. Hamel (freiconfervativ) erhielt 10KS7 Stimmen, Hofrichter 156 Stimmen, Baumbach 34 Stimme», Liebermann v. Sonnenberg 34 Stimmen; 3 Stimmen wäre« zersplittert. Abg. v. Stumm ist nach der „Poft" an einer heftigen Halsentzündung erkrankt und infolge dessen aus der Um sturzkommission ausgeschieden. Zu der Resolution Adt und Genossen auf baldige Aus arbeitung eines Entwurfs zur Abänderung und Vervoll ständigung der Geschäftsordnung, wodurch die Disziplinarge walt des Reichstags und des Präsidenten gegen die Reichs tagsmitglieder während der Ausübung ihres Berufs in ange messener Weise verstärkt werden soll, ist in der Geschäftsord nunzskommission, der die Resolution zur Vorberathung über wiesen war, bei Ablehnung aller in der Kommission gestellter Anträge ein dem Reichstage zu unterbreitender Antrag nicht ,u Stande gekommen. BvmReichstage. Gestern wurden die von de» Abgg. Auer (Sozd.) und Genossen sowie von den Abgg. Colbus (Els.) und Genossen eingebrachien Anträge auf Auf hebung der dem Statthalter von Elsaß-Lothringen übertragenen außerordentlichen Gewalten bezw. auf Ab änderung des Gesetzes, betreffend die Verfassung und Ver waltung Elsaß-Lothringens, in zweiter Berathung angenommen. Es folgte die Fortsetzung der ersten Berathung der von den Abgg. Pachnicke,^ Ancker (frs. Vvlksp.) und Auer (Sozd.) ge stellten Anträge, betreffend die Volksvertretung in de« »Bundesstaaten. Abg. Richter (frs. Volksp.) betonte, die mecklenburgische Feudalverfassung sei eine Zwangsjacke, die dem mecklenburgischen Volke durch die früheren Reichs gewalten aufgezwungen worden sei. Es sei daher gerecht fertigt, jetzt von Reichswezen einzuschreiten. Es müsse «l Reichstage für die »Mecklenburger gesprochen werden, weil die »Mecklenburger selbst keine »Möglichkeit hätten, ihre Meinung zu äußern. Abg. Bebel (Sozd.) trat für Einführung des allgemeinen Stimmrechts bei den Wahlen zu den Landes vertretungen der »Bundesstaaten, für Herabsetzung des Be ginns der Wahlfähigkeit auf das 21. Lebensjahr und für Ausdehnung des »Wahlrechts auf die Frauen ein. Abgeord. Rettich (konf.) sprach sich als Mecklenburger gegen die von den »Antragstellern beabsichtigten Neuerungen aus. Abgeord. Lieber (Ztr.) ist der Ansicht, daß die Einwirkung auf die Verfaffungszustänse eines »Bundesstaates nicht zur Zuständig keit des Reichstags gehöre; es müßte erst ein vorbereitendes Gesetz auf Ausdehnung dieser Zuständigkeit erlassen werden. Abg. v. Marquardsen (natlib.) hielt dagegen die Zu ständigkeit des Reichstags in dieser Frage für unzweifelhaft und befürwortete den Antrag Pachnicke, damit für die Ein führung einer konstitutionellen Verfassung in den einzigen nicht konstitutionell regierten Bundesstaat die Anregung wieder holt werde. Für tue »Ausdehnung des Wahlrechts sei er nicht zu haben. Abg. Nauck (Reichsp.) führte aus, daß dar mecklenburgische Volk sich bei den jetzigen Zuständen wohl fühle, es sei daher zur Einführung des Parlamentarismus keine Veranlassung. Abg. v. Frege (kauf.) hob, gegen den Abg. Richter polemisirend, hervor, daß der Schwerpunkt des Reiches nicht im Reichstage, sondern im Bundesrath, bei den deutschen Fürsten, liege. — Schließlich wurde der An trag Ancker (sreis. Volksp.) auf anderweitige Abgrenzung der Reichstagswahlkreise, über den die Abstimmung am vorigen Schwerinstage ausgesetzt worden war, abgelehnt. — Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr: Fortsetzung der zweiten Be rathung des Etats des Rcichsamis des Innern. Schweiz. Die aus der Schweiz ausgewiesene« italienischen Anarchisten haben den Wunsch ausgesprochen, a« die deutsche Grenze geführt zu werden. Als die letzten stad in der Nacht zum 7. Februar Edoardo Milano und der Advokat Gori, der seiner Zeit den Mörder CarnvtS, Caserio, sür den Anarchismus gewonnen hatte, aus Lugano nach Basel abgegangen. Sie haben in einem an die Tessiner radikalen Blätter gerichteten sehr heftigen Proteste alle »Meldungen, die zu ihrer Ausweisung geführt haben, für elende Angebereien erklärt. Die Ausweisungsbefehle gegen die Abruzzesen Broce und d'Alessandro wurden zurückge nommen und beide in Freiheit gesetzt ; hingegen wird der reiche Brescianer Republikaner vorghelti trotz einflußreich« Verwendung über die Grenze gebracht. Borghetti scheint in Straßburg bleiben zu wollen. Gori und Milano sind vo» dort nach Holland weiter gereist, wohin auch andere d« früh«