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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020918023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902091802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902091802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-09
- Tag 1902-09-18
-
Monat
1902-09
-
Jahr
1902
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Das ist ein echter Centrrmtsbeschluß, der freie Hand läßt und für den Fall, daß mit dem jetzigen Reichstag eine Einigung über den Zolltarif sich nicht erreichen läßt und deshalb die Zollfragcn zur Wahlparole bei den bevor stehenden Nenwahlcn werden, den Centrumscandidatcn Gelegenheit bietet, sich den Arbeitern als besonders ar beiterfreundlich anzuprcisen. Nun, hoffentlich kommt es nicht so weit. Jedenfalls beweist der Beschluß, „im All gemeinen" an den Beschlüssen erster Lesung der Zolltarif- evmmission festzuhalten, daß das Centrum keineswegs darauf brennt, die Regierungsvorlage zu Kalle bringen zu helfen. Denn jene Beschlüsse weichen in dem kritischsten Puncte, den Minimalzöllen für die vier wichtigsten Ge- treidcarten, nicht sehr wesentlich von der Vorlage ab. Da kann denn das Ecntrum recht wohl „im Allgemeinen" an diesen Beschlüssen festhalten und doch im Besonderen für die im Regicruugsentwurfe vorgeschlagenen Minimal sätze eintreten. Und wenn es das thut, kann cs auch ruhig seinen Antrag wegen der Verwendung etwaiger Mehr erträge aus den Zöllen wieder einbringen. Er macht doch einigen Eindruck auf die Massen, obgleich er bei der bösen Finanzlage des Reiches keine Aüssicht auf Ver wirklichung hat. Den Conservativen möchten wir deshalb nicht rathen. in der Hoffnung auf ein gleiches Ver halten des Eentrums sich auf die Beschlüsse erster Lesung der Commission festzunagcln oder gar den Landbündlern noch weiter entgcgenzukommcn. Das Centrum denkt seinerseits sicherlich nicht daran, sich irgendwie an die Be schlüsse der Conservativen zu binden oder auf diese auch mir die geringste Rücksicht zu nehmen. Es handelt ledig lich in seinem eigenen Interesse. Und da es durch Zu stimmung zur Regierungsvorlage die Mittellinie zwischen den klerikalen bayerischen Bauernbündlern und den klerikalen rheinischen Industriearbeitern einschlagen würde, so ist die endliche Wahl dieser Mittellinie auch dann nicht unwahrscheinlich, wenn die Regierungen zu irgend welchen Gegenleistungen an das Centrum sich nicht bereit finden lassen. Käme aber der Zolltarif ohne die Con- servativen zu Stande, oder scheiterte er nur in Folge ihrer Hartnäckigkeit, so gcriethen sie ihren ländlichen Wählern gegenüber in eine recht fatale Lage, aus der auch die Freundschaft der Führer des Bundes der Landwirthe sic nicht befreien könnte. Ucber den diesjährigen socialdemokratischen Parteitag ein eudgiltiges Urtbeil zu fällen, wäre verfrüht. Das aber steht fest: die Verhandlungen bieten des Lehrreichen für andere Parteien nicht wenig. Insbesondere trifft das auf die Behandlung der Frage der freien Mei nungsäußerung in der Presse zu. Genosse v. Bollmar führte u. A. für das fortwährende Zurück gehen der „Neuen Zeit" den Umstand an, daß die Leute, welche abgegangen sind, sich abgestoßcn gefühlt haben durch den ewigen Geist der Controle, den Geist der falschen Disciplin, der Disciplin des Casernenhofes. Es sei ein Gefühl der Schwäche, wenn man das Sichaussprechen selbstständiger Menschen verhindern wolle. Bernstcin verwahrte sich dagegen, als ob die Revisionisten in der Partei quasi halb und halb Verräther an derselben seien. Man habe so gethan, als ob Jaurös, die Zierde des internationalen Socialismus, ganz außerhalb der Partei stehe. Gewiß könne auch Jaurös in einem be stimmten Puncte Unrecht haben, er könne kritisirt wer den, aber nicht wie man Parteiverräther kritisirc. Er habe erst vor ein paar Tagen in einer großen Versamm lung zu Frankfurt a. M. unter allgemeinem Beifall aus geführt, -aß immer Meinungsverschiedenheiten in der Partei bestehen würden, und daß er nicht den Tag herbei sehne, an dem diese geistigen Kämpfe aufhörten, denn sie bedeuteten „unser geistiges Leben". Liebknecht habe auch verschiedene Standpuncte zu verschiedenen Zeiten gehabt. Bebel erklärte, mit Bernstein ganz darin einver standen zu sein, daß nicht nur er, „sondern wir Alle auf das Energischste dagegen zu protestiren hätten, wenn irgendwo in der Partei der Versuch gemacht würde, freie Meinungsäußerungen zu verhindern". Tie Dirrge würden so dargestellt, als wäre in der Partei eine Richtung vor handen, die irgend eine andere Richtung oder eine Mino rität unterdrücken wollte. Das sei nach seiner Ueber- zeugung das bitterste Unrecht, das man gegen die Partei in ihrer Gesammtheit schleudere. Besonders lehrreich werden vorstehende Acutzerungcn noch, wenn man sie mit einer Zwischenbemerkung Bcrnstcin's zusammenhält, welche dahin lautete: „Im wirklichen Kampfe werden wir uns nie in die Haare ge rat h e n. " Eines der einflußreichsten Organe in Belgien, die in Brüssel erscheinende „L'Jndepcudance Belge", nahm geraume Zeit Deutschland gegenüber eine im Ganzen loyale Haltung ein; ohne sich zu Deutschland durch weg wohlwollend zu stellen, verhielt sich das genannte Organ in der Hauptsache doch so, daß man sagen konnte, es beobachte uns gegenüber eine wohlwollende Haltung. Man durfte glauben, daß die „L'Jnöe-pendance Belge" diesen Curs um so beharrlicher bcibchaltcn werde, je weniger die guten Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich dem Brüsseler Blatte in der gedachten Richtung Unbequemlichkeiten bereitet hätten. Wenn gleichwohl die „L'Jndependauce Belge" neuerdings ihren Curs geändert hat und ihre Spalten deutschfeindlichen Ar tikeln gröbsten Calibers öffnet, so wird jener Umschwung von eingeweihter Seite mit den geschäftlichen Verhältnissen der „L'Fndöpendancc Belge" erklärt. Die finanzielle Lage des Brüsseler Blattes hat in neuester Zeit eine Reconstruction erforderlich gemacht, bei der fran zösisches Capital von ausschlaggebender Bedeutung für die Haltung der „L'Jndependancc Belge" gegenüber Deutschland geworden sein soll. Die Wirkung davon zeigt sich in deutschfeindlichen Artikeln, wie sie unbefangener und ungeschickter von keinem Pariser Chauvinistcnblatt veröffentlicht werden können. So hat z. B. die bekannte Angelegenheit des haitischen Plratenschiffes „Cröte L Pierrot" der „L'Jndopettdance Belge" als Anlaß gedient, in plumpcster Weise die Amerikaner gegen Deutschland aufzuhetzcn. Nach hämischen Aus spielungen auf die Erwartungen, die man in Berlin an die Reise des Prinzen Heinrich angeblich geknüpft hätte, wird das Vorgehen des „Panther" gegen das Piraten schiff als eine Verletzung der Monroe-Doctrin behandelt und schließlich hinzugefügt: „Es wird von höchstem Inter esse sein, die Haltung zu beobachten, welche die amtlichen Kreise in Washington unter diesen Umständen einnehmcn zu müssen glauben werden." — Hoffentlich hat die Ent täuschung über die Haltung der Vereinigten Staaten in Sachen der gerechten Bestrafung eines Seeräubers durch ein Kriegsschiff des Reiches das Interesse des Brüsseler Blattes an jener Haltung nicht vermindert! Die politische Blamage, welche die „L'Jndöpendance Belge" in Bezug auf die haitische Angelegenheit sich zuzog, muß das Brüsseler Blatt eben jetzt in Folge eines Versuches, Italien gegen Deutschland aufzubringcn, in verstärkter Auflage erleben. Die „L'Jndöpendance Belge" macht nämlich den Italienern weiß, daß sie im Dreibünde immer nur eine „secundüre Rolle" gespielt, im europäischen Concert nur den deutschen Einfluß verstärkt und von dem Bündnisse mit Deutschland und Oesterreich nicht einen einzigen prak tischen Vvrtheil gehabt hätten. Dagegen verspricht das Brüsseler Blatt Italien die Erfüllung aller seiner auf das Mittelmeer sich erstreckenden Wünsche, wenn es Seite an Leite mit Frankreich die Interessen der lateinischen Rasse wahrnähmc. Gerade in diesem Augenblicke lesen sich solche gutfranzösische Rathschläge besonders gut. Hat doch soeben erst der französische Marineministcr Pel - letan in seinen Reden enthüllt, wie innig gewissen Politikern Frankreichs die Interessen des lateinischen Italien am Oerzen liegen. Die Frage, ob das italienisch französische Abkommen über Tripolis, dessen praktische Be deutung abzuwarten bleibt, zu Stande gekommen wäre, wenn Italien den Rückhalt am Dreibund nicht gehabt hätte, wird sich jetzt in Italien wohl der größte Franzosen freund zutreffend beantworten. Je lächerlicher eben jetzt alle Versicherungen von dem selbstlosen Wohlwollen Frankreichs für Italien sich ausnchmen, um so über flüssiger erscheint cS, alberne Verdächtigungen, wie die, daß Deutschland auf Kosten des italienischen Einflusses sich einen Stützpunkt am Mittelmccre beschaffen wolle, anders als mit einer kurzen Festnagelung abzuthun. Indem die „L'Jndependance Belge" einer derartigen Tendcnzlügc ihre Spalten öffnete, verrieth sie auf das Unvorsichtigste, in wessen Dienst sic sich gestellt hat. Die Mehrzahl der Pariser Blätter fährt fort, die säbel rasselnde Rede des französischen Marineministers Pelletan in schärfster Weise zu kritisircn. Der „Tempö", welcher Pelletan mit Spott überschüttet, sagt n. A.: „Die Lor beeren Andre's lieben Pelleran nicht schlafen, denn wir haben zwei sogenannte Minister der nationalen Ver- theidigung, welche durch Frankreich bramarbafirend hin fuchteln nach Italien und Deutschland. Wer wird bei diesem Gemetzel jetzt an die Reihe kommen? Die eng lische und deutsche Presse war s» verständig, die Rede nicht tragisch zu nehmen. Dasselbe wird wohl auch bald die öffentliche Meinung in Italien thun. Der Marine minister hat sich eben, als er sprach, die Zunge verstaucht, er hatte offenbar einen Dreizack verschluckt." — Das „Journal des Dab als" sagt: „Wir haben selten ein Schauspiel solcher ministeriellen Anarchie ge sehen. Da der Ministerpräsident dieses Schauspiel ganz natürlich zu finden scheint, hoffen wir, daß der Minister des Acußercn die erforderliche Sprache führen wird, da mit dieses Spiel nicht einen Tag länger dauere/ — Die nationalistische „Liberia" benutzt gleichalls diesen An laß, um das gcsammte Cabiner beftig anzugreifen. Nur ine chauvinistische „Patrie" vertheidigt Pelletan wegen seiner in Ajaccio gebaltencn Rede und meint, Pelletan habe nur eine Pflicht der Vorsicht geübt, denn man dürfe nicht vergessen, daß die Crispi'scbe Presse zehn Jahre lang Corsica als einen Thcil der Italia irreckenta bezeichnete. Der rumänische Staatsanzeiger veröffent licht die A u s f ü h r u n g s b e ft im m u n g e n für das Handwerkcrgesetz, welch' letzteres heute in Kraft treten soll. ES wird darin in Bezug auf die vielerörterte Frage der Neciprocität gesagt, daß die Unterthanen eines fremden Staates die gleichen Bedingungen technischer Fähigkeit, wie die Rumänen, erfüllen und Nachweisen müssen, daß in dem Staate, welchem sie angehören, für Rumänien das Recht der Reeiprocität besteht. Dieser Nach weis werde schon ans der Thatsache als erbracht angesehen werden, daß zwischen dem rumänischen und dem fremden Staate eine internationale Vereinbarung exlstirt, auf Grund deren die Unterthanen der beiden Staaten sich in Beziehung ans die Ausübung der Gewerbe der gleichen Rechte erfreuen. Wo also ein Handelsvertrag mit Ru mänien besteht, wird der Reeiprocitätsnachwcis als oc> ipsc- crbracht angesehen werden. Diejenigen fremden Untcr- thaucn, welche den Reciprvcitätsnachwcis nicht erbringen können, müssen die Autorisation der Gewerbekammer ihres Ortes cinhvlcn, um ihr Gewerbe ausüben zu können. Betreffs der in Rumänien geborenen und hier nicht natio- ualisirten Inden ist folgende Bestimmung maßgebend: die jenigen, welche, ohne einem fremden Staate anzugehüren, dem rumänischen Schutze unterworfen sind, sind weder ver pflichtet, den Nachweis der Reeiprocität zu erbringen, noch auch die Autorisation der Gewerbekammer nachzusuchcn. Damit hofft man, den Hauptstein des Anstoßes, den das Ausland an dem Handivcrkergesetzc genommen hat, aus dem Wege geräumt zu haben. Das Reglement enthält noch eine weitere Abmilderung des Gesetzes, indem es zuläßt, daß der vom Gesetze verlangte Beweis einer zweijährigen Thätiglcit als Meister bezw. alö Gehilfe behufs Erlangung des Meistcrrechtcs respective des Arbeiterbuches, bei Ein führung des Gesetzes, in jeder Meise, selbst auch durch einen allgemein anerkannten Ruf ersetzt werden könne. Dagegen ist die Bestimmung, daß bei allen, die Summe von .80 000 Francs überschreitenden Unternehmungen oder Lieferungen für den Staat, die Distrikte, die Gemeinden und andere Eivil- und Militärbehörden die Rumänen auch dann bevorzugt werden sollen, wenn ihre Offerten nm 5 Procent höher sind, als diejenigen ihrer fremden Mitbewerber, unverändert gelassen worden, ebenso diejenige, daß bei öffentlichen Arbeiten fremde Ar beiter nur in den von den specicllcn Verhältnissen ab hängigen Grenzen beschäftigt werden dürfen. Damit ist die wenig fremden freundliche Tendenz des Gesetzes auch weiter documcntirt. Es hat bei den fremden und den israelitischen Handwerkern große Enttäuschung hcrvorgerusen; die Letzteren haben eine energische Fort- fctzung der Auswanderungsbcwegung be schlossen. — Daß die Angelegenheit schon beginnt, einen internationalen Charakter anzunehmen, geht aus folgender Meldung hervor: * Washington, 17. September. (Reuter's Bureau.)' Zu dem doppelten Zweck, die Juden in den Balkan - staaten zu schützen und von Amerika die Gefahr der schaarenwcisen Einwanderung mittelloser Personen abzuwen den, wandte sich Staatssekretär Hat? in gleichlauten den Telegrammen an die amerikanischen Botschafter und Ge sandten bei den Mächten, die den Berliner Vertrag unter zeichnet haben, in der Hoffnung, daß die Mächte Rumänien an seine Pflichten gegenüber der Civilisa- tion erinnern und cs zur Besserung der Lage der rumänischen Juden veranlassen. Fenillstsn. igj Der Liebeshandel. Roman von Rudolf Hirschberg-J ura. rttacdoruck verboten. „Natürlich! Kindischen Trotz nennst Du Alles, was sich Deiner anmaßenden Weisheit zu widersetzen wagt. Ich sage Dir aber, ich will mich nicht mehr behandeln lassen wie ein Spielzeug oder eine Schachfigur, die dahin geschoben wird oder dorthin, jetzt zu dem einen Unglück und dann zu einem neuen. Ich bin unglücklicher, als Ihr Alle. Darum bin ich auch freier, als Ihr Alle. Und ich will Niemand untcrthan sein. Am allerwenigsten Dir. Ich crtrag's nicht mehr! — Ich kann nicht mehr sprechen mit Euch. Laßt mich hinaus!" Ohne ein Wort der Erwiderung drückten ihr Robert und Emilie begütigend die Hand. Sie riß sich los und ging hinauf. — Das Abendessen stand auf dem Tisch. „Räumen Sic ab", sagte sie zum Mädchen, „und dann gehen Sic schlafen. Tie Lampe lassen Sie hier." Eine schmerzliche Müdigkeit hatte sich schwer auf ihr verzweifeltes Gemüth gelegt und machte sie regungslos. Allein saß sie in dem stillen, einsamen Zimmer, das sie »och nie so genau gesehen zu haben meinte, wie jetzt beim nächtlichen Lampcnschcin. Jede Einzelheit rückte sich ihr näher und deutlicher vor Augen. Die Thürvorhänge, die schweren Ledersessel, die hohe Glasschale auf dem Eck- tisch, Alles gericth in eine mäßige steife Lebendigkeit und schien sich ihr langsam entgegen zu neigen. Fast begann sie sich zu fürchten, und als die Uhr Mitternacht schlug, fuhr sie von ihrem Sitz empor und ging zu Bett. Nicht zur Ruhe. In wachem Traum zogen die Mädchenjahre an ihr vorüber mit ihrer unwissenden Heiterkeit. An Frau Oomann's anspruchslose Zufriedenheit mußt« sie denken. Wie schön war es gewesen, als sie noch täglich die gute, srohmüthige Lotte besucht hatte! Jetzt war sie mit Ernsterem, mit Trüberem beschäftigt, als mit der Pflege ihrer Mädchenfreundschaften. Sie faßte ihr ganzes hilfloses Elend in» Auge, un plötzlich erschien es ihr nicht eigentlich mehr wie rin er duldetes Unglück, sondern fast wie eine schwere Schuld, die sie selbst gegen Einilie und gegen Robert begangen. Sie bereute ihr erbärmliches Loos. Sie sah sich in ret tungsloser Schmach verloren, und ihre Augen brannten und lechzten vergebens nach einer befreienden Thräne. In der gehobensten Stimmung kam Ernst nach Hause. Zwar hatte er Frau Dirksen nicht heim begleiten können. Sie blieb diese Nacht im Hause ihres Onkels. Aber zum Abschied hatte sic gesagt: „Ich hoffe Sie nun auch in meinem Hause recht oft zu sehen." Zögernd hatte er erwidert: „Das wird wohl leider nicht angehen. Ich möchte alles Auffällige vermeiden und muß doch nm der Welt willen einige Rücksicht auf meine Frau nehmen." „Dann bringen Tie die gute Frau eben ein paarmal mit. Persönlich, und wenn cs sich nicht nm große Ge sellschaft handelt, habe ich keinerlei Vorurthcile, und wenn Sie Beide etwa übermorgen bei mir zu Abend speisen, so ist das gleich ein Mittel, um die eifersüchtigen Be sorgnisse und sonstigen Kummer der kleinen Frau zu zer streuen." Er traf Käthe noch wach, spielte den Unbefangenen und richtete freundschaftliche Grütze von Frau Dirksen aus. „Gut, daß ich dem Fest heute nicht fern geblieben bin", sagte er. „So habe ich doch noch eine glänzende Genug- thuung für Dich erkämpft. Frau Dirksen ladet Dich für übermorgen Abend ein nnd will sich Deiner überhaupt in jeder Weise annehmen." Schon der Klang des verhaßten Namens verwundete Käthe auf» Neue. Es fiel ihr ein, daß Robert von that- sächlichen Beweisen gesprochen hatte; und von unendlicher Bitterkeit erfaßt, wendete sie sich ab. „Warum denn so unfreundlich, Schatz? Komm, sei lieb!" flüsterte Ernst nnd beugte sich über sie. Sein Athem roch nach Wein, und mit schmerzlichem AhnungSvermögcn dachte sie an Alle», was seine Lippen in den letzten Stunden gesprochen und gethan haben mochten. Der Ekel überwältigte sic, mit leisem, qual vollem Aufschrei sprang sie auf, floh au» dem Zimmer, schloß die Thür hinter sich zu und warf sich zitternd auf da» Sopha. Jetzt war sie geschieden von dem Mörder ihre» Glücke». Schluchzend drückte sie das thräncnnasse Gesicht in die Ecke des Polsters. Sie schämte sich. Elftes Capitel. Am Morgen fand Ernst das Nebenzimmer offen, aber leer. Ein Zettel lag auf dem Tisch. Er las ihn und erschrak zunächst. Bei ruhigerer Uebcrlegung nickte er befriedigt. Die Scheidung brachte zweifellos einen Scandal und war somit auch seiner gesellschaftlichen Stellung schädlich. Aber einen derartigen Scandal pflegt die Welt der ge schiedenen Frau weit gehässiger uachzutragen, als selbst dem schuldigen Manne. Auch wußte er ja, durch welch' einflußreiche Gönnerin er dann bald höher steigen würde als je zuvor. Nachdem er Alles reiflich erwogen, ging er hinab, um die unvermeidliche Aussprache mit Robert möglichst rasch und kurz abzumachcn. Er hörte, wie Käthe bei seinem Kommen daS Zimmer verließ, und dem Bruder gegenüber spielte er jetzt zu gleich den Gekränkten und den Grvtzmüthigen. Bereit willig zeigte er sich mit Allem, was die Scheidung betraf, einverstanden, und bat dann Robert kühl und höflich um Lösung ihrer geschäftlichen Gemeinschaft. Als er sich wieder in seiner Wohnung befand, schwankte er lauge, ob er dem Regierungspräsidenten ein schriftliches Gesuch cinreichen oder vorher einen Besuch machen solle. Schließlich entschied er sich kür den Besuch, aber nicht in seinem Privatbaule, sondern im Dieustgebäude, und kleidete sich mit gewissenhafter Sorgfalt an. Robert hatte sich nach der peinlichen Unterredung mit dem einst so väterlich geliebten Bruder schwer in seinen Stuhl fallen lasten und starrte trübe vor sich hin. Er dachte an seine Einsamkeit, und bemerkte zunächst gar nicht, daß Käthe wieder eingetrcten war. Schweigend setzte sic sich zu ihm. Auch sie litt an dem Bewußtsein unendlicher Verlassenheit. Oede und leer war von nun an ihr Leben: nichts vermochte sie zu finden, das ihr einen neuen Inhalt hätte geben können. Auch ihre frühere BerufSthätigkeit, die sie einst so froh und zu frieden ausgeübt batte, kam ihr jetzt schal und ungenügend vor. Und doch war das Theater schließlich das Einzige, was sich ihr noch bieten konnte. Für den kommenden Winter war freilich kaum mehr Aussicht auf eine feste Stellung. Aber vielleicht fand sie Unterkommen bei einer der Gesellschaften, wie sic reffende Virtuosen zu ihren Gastspielen um sich zu versammeln pflegen. Eine Müdigkeit befiel sic bei dem Gedanken an dies fade Handwerk und eine tiefe Trauer über ihr eigenes freud- und zweckloses Dasein. Immer wieder kam ihr Fran Lotte in den Sinn. Das war eine glückliche Frau! Und nun bald glückliche, junge Mutter! In bitterer Oual krampfte sich ihr das Herz zusammen. Es war kein Neid; aber es war die sehnsüchtige Glücksgier, die jeden Heimathlosen packt, wenn er die Anderen am warmen Herde sitzen sieht. Robert zögerte noch immer, zu sprechen. Er luchte nach den zartesten Worten, um der Schwägerin in jeder Be ziehung seine Unterstützung anzutragen. Sic nahm sein Schweigen für Verlegenheit nnd begann schließlich: „Ich sehe, Robert, es wird Dir schwer, über meine Zu kunft mit mir zu reden. Ich kann Dir aber versprechen, ich werde Dir nicht lange zur Last fallen und mir möglichst bald ein Engagement suchen." „Warum denn?" erwiderte Robert mit nicht ganz echtem Erstaunen. „Emilie hat Dein altes Zimmer bei uns bereits wieder für Dich hcrgcrichtet, und sonstige Sorgen brauchst Du Dir auch nicht zu machen. Dein Manu, als der schuldige Thcil, hat natürlich auch nach der Scheidung für Deinen Unterhalt zu sorgen." „Ich kann selbstverständlich keinen Pfennig von ihm an nehmen." Robert nickte, und Käthe fuhr zögernd fort: „Aber auch mein altes Zimmer bei Euch kann ich jetzt unmöglich wieder beziehen. Ich darf doch nicht unter einem Dache wohnen mit dem Manne, von dem ich geschieden werden soll." „ Du hast leider Recht, Käthe, und Du magst selbst bestimmen, wo Du die nächsten Wochen znzubringeu wünschst, bis Alles vorbei ist und sich die Neugier der Leute gelegt hat. Du erlaubst mir, Dir ein Guthaben bei unserer Bank zu eröffnen, über das Du nach Bedarf und Gefallen verfügen kannst." Käthe reichte ihm gerührt die Hand. „Ich komme freilich dadurch immer tiefer in Deine Schuld und hätte mir diese Beschämung gern erspart. Aber ich bin außer Stande, Dir irgend ein „Nein" zu sagen. Allerding» wirst Du sehen, -aß ich sehr undankbar bin.
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