Volltext Seite (XML)
So tranken sie später ans das Wohl Herrn Marcskat. Selbst Isabella, sonst so zurückhaltend, zeigte sich hellte frenndlich nnd heiter. Die nngelvohnte Lebhaftigkeit hatte ihre Wangen rosig angehaucht. „Ach, wenn sie doch immer so wäre," dachte Ponpee. Der folgende Tag brachte mit der notwendigen Arbeit auch wieder die selben Kümmernisse. 12. Kapitel. Als Iran MareSkat die Treppe ihres Hauses erstieg, erschien ihr auf der Schwelle ein unbekannter Mensch von riesiger Gestalt und mit derbeil Gesichtszügen. Er verwehrte ihr den Eintritt, indem er groben Tones fragte: „Was »vollen Sie?" Herr Johannes, der Anwalt, lies; ihr keine Zeit, zu antworten, sondern nahm das Wort. „Diese Dame ist Iran Mareskat, die Eigentümerin des Gutes. Machen Sie Platz, damit sie in ihr Hans eintrcten kann." Der Kolos;, dessen Kleidung seine Stellung nicht erraten lies;, sah ihn mit bösem Blicke an. „Die gleiche Frage könnte ich znrückgeben." erwiderte Herr Johannes. „Aber Frau Mareskat hat hier zu befehlen, sie ist müde und krank — also gebeil Sie die Türe frei! Da sie die Herrin ist, mögen Sic von Ihrer Gegenwart im Hanse ihr selbst Rechenschaft ablegen." „Ich habe keinen anderen Gebieter, als Herrn Eordova, dessen Ge schäftsführer ich bin." „So holen Sie ihn! „Er ist abwesend und kommt erst am Abend zurück. Pepa, welche sich ans Lnisette stützte, war einer Llmmacht nahe, So nahm man sie in ihrem eigenen Heim ans! Welch' trübe Aussichten er- öfsneten sich da! Traurig wandte sie sich zu Herrn Johannes. Dieser hätte gewünscht, von seinen Machtbefugnissen vorderhand zu schweigen, um die Uebeltäter besser in ihren eigenen Schlingen zu fangen und dann unschädlich machen zu können. Deshalb setzte ihn der Instand Iran Mareskats in einige Verlegenhcit- Er versuchte es noch einmal in Güte. „Wenn Herr Eordova hier wäre, würde er Sie amveisen, Iran Mareükat zu gehorchen. Setzen Sie sich nicht seinem Zorne ans. indem Sie der recht mäßigen Herrin Gelegenheit geben, sich zu beklagen." „Hm! glauben Sie?" lachte der Mann Hönisch. Herr Johannes sah. daß er ans die Art nicht weiter kan». Er zog also langsam seine Brieftasche und entfaltete einige Papiere. Eines davon hielt er dem sogenannten Geschäftsführer unter die Auge». „Im Namen des Gouverneurs," betonte er. „Des früheren," entgcgnete der Mann. „Des einzigen, der im Amte ist." sagte lebhaft Herr Johannes — „überdies sehen Sie hier meinen Gerichtsbefehl." „Mutter kommt nicht wieder!" antwortete Jsabella. „O still, still, sage so etwas nicht . . . Gott könnte Dich strafen!" „Wozu soll ich mir Illusionen machen?" „Das sind keine Illusionen. Ich fühle cs in meinem Herzen, es ist Wahrheit, wir werden sie Wiedersehen ..." „Desto besser für Dich! Mag dieses eingebildete Vertrauen Dir helfen, weiterznlebcn! Ich kann es nicht teilen." „Es wäre schrecklich, wenn Du recht hättest. Aber ich bin überzeugt, wenn Mutter gestorben wäre, so hätte mein Herz es mich empfinden lassen. Ihre Seele hätte die meinige nach sich gezogen. Ich fühle jedoch, sie lebt, sic kommt wieder und darum habe ich Hoffnung und Vertrauen!" Iiabella schwieg; sie ließ sich nicht überreden. Ter Winter stand vor der Tür. Schon bedeckten die Blätter der großen Kaslanienbänme den Boden der Lust gärten nnd der breiten Alleenstraßen. Tie letzten Rosen beugten die Köpfe und welkten in der rauhen Luft, die bleiche Sonne verschwand tagelang hinter einem dichten Nebelschleier. Nichts erheiterte das Einerlei des mühevollen Daseins in der ärmlichen Behausung. Als bei ihrem Einzüge das warme, sonnige Licht durch die kleinen Ienster schien, als der bunte, wohlriechende Straus; der freundlichen Gemüse Händlerin den Arbeitstisch zierte, da war wenigstens durch die Außenwelt ein Schimmer von Frohsinn in ihre Herzen gedrungen und hatte ihre Zu versicht gehoben. Jetzt aber verdoppelte die Trauer in der Natur und die Unfreundlich keit inn sie her noch die Mißstimmung im Innern. Tie Räume, welche das spärlich eindlingende Däinmerlicht kaum erhellte, waren feucht und kalt trotz des Ienerchens, das man stundenweise, mehr erlaubte das teure Heizmaterial nicht, anzündete. Damit die Arbeit nicht unterbrochen würde, brannte die Lampe schon um drei Uhr nachmittags, osrmals beinahe den ganzen Tag. Ties war eine Mehrausgabe, die den Verdienst nm vieles schmälerte. Dem trüben November folgte ein bitterkalter Dezember mit Eis und Schnee. Die arme Familie litt grauenvoll darunter, denn keines von ihnen besaß warnre Kleidungsstücke; die Betten hatten nur ganz dünne, leichte Decken. Als das Mißgeschick über sie hereinbrach, war es Frühling gewesen; niemand hatte erwartet, das; es bis über die schöne Jahreszeit hinaus dauern könnte. Dann mußte Iran Mareskat längst zurück sein mit dem Gelde, das aller Verlegenheit ein Ende machte. Es war anders gekommen! Jetzt lernte Ponpee die echte, rechte Not kennen. Wenn sie gezwungen war. bei diesem Winterwetter die Wäsche zn besorgen, wenn ihre sonst so feinen Finger, die jetzt von Frostbeulen starrten, in Berührung mit der Seife nnd dem eisigen Wasser kamen, dann zuckle sie oft vor Schmerz zu sammen und fühlte trotz aller Selbstbeherrschung die Tränen über ihre blassen Wangen rinnen. Aber tapfer trocknete sie diese unwillkürlichen Zeugen körperlichen Leids; sie hätte gern noch mehr erduldet, wenn damit die baldige Rückkehr der geliebten Mutter zn erkamen gewesen wäre. Nach langem Harren traf endlich eine Antwort der französischen Bot schaft ein; diese war aber nicht danach angetan, die Besorgnisse der »nglnck in