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Sächsische Volkszeitung : 20.09.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-09-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192009207
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19200920
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19200920
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-09
- Tag 1920-09-20
-
Monat
1920-09
-
Jahr
1920
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 20.09.1920
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Montag dm 26. September 1920 «»qmq, «,ik,,»k»»,, »kr «1«, Seit» , der Deutschamerikauer mit den Kühen nur zu einem Bruchteil« er reicht, während die Uebersendung von Futtermitteln ungleich größere Vorteile bietet. Der Transport schon ist nicht nur schwierig und teuer, sonLcrn auch verlustreich. Herr Tr. Lieber beurteilt die Lag« in Ten-ichland vollkommen richtig, wenn er sagt, daß wir unsiere eigenen Kühe nicht füttcni könne», Es sei darum erinnert, daß in der in Spaa überreichten Denkschrift auf di« Lage unserer Milchver sorgung verwiesen und danach ausgcsührt worden ist, daß die deutsche Milcherzeugung von 24, üMilliardcn Liter im Jahr« 1913 auf 9 Mil liarden Li er i,n Ial re 1919 znrückgcgangen ist. Dieser Rückgang ist nicht nur bedingt durch einen Rückgang des Viehbestandes, sondern durch einen Rückgang der Milchlieserung der einzelnen Kuh. 1913 lieferte eine Kuh durchschnittlich 2500 Lster jährlich, 1919 hingegen nur noch 1100 Liter. Hier liegt depn Grund für die Milchnot und hinr liegt auch die Stelle, wo Abhilfe geschaffen werden kann. Der Rückgang der Milchproduktion ist die Folge der schlechten Fütterung, die Folg« des Mangels an Kraftfuttern!itteln. Amerikanische Kühe, die nach Deutschland kommen, werden, selbst wenn sie den Transport gut überstchen. in kurzer Zeit nicht mehr Milch geben als deutsch« Kühe, weil auch ihnen das Futtesi fehlt. Die 2500 Kühe, die Deutsch land bekommt, bringen Futtermittel mit für vier Monaie, was sehr wertvoll ist, aber nach den vier Monaten find sie auf unsere Bestände angewiesen. Ist es da nicht in der Tat praktischer, wie Dr. Lieber sagt, Futtermittel einzusühren? Die Amerikaner haben das erkannt, in Deutschland haben viele Leute es nicht begriffen und ein großes Geschrei erhoben. Man hat gemeint, es sei taktlos gewesen, die Amerikaner zu einer solchen Umstellung anzuregen nach dem alten, aber derben Sprichwort, daß man einem geschenkten Gaul nicht ins Maul sehe? Aber wie war die Sache? Die Amerikaner sind in Deutschland gewesen, um über ihr« Absichten und die Möglichkeit der Durchführung zu verhandeln. Sie haben von vornherein auch die Ansammlung von Futtermitteln ins Auge gefaßt. War es da nicht ganz natrülich, daß in Verhandlungen zwischen vernünftigen Menschen diese Frage m«hr in den Vordergrund trat und die Amerikaner, die doch Gutes und darum das Beste tun wollten, selbst erkamiten. daß Futtermittel die Hauptsache sind. Beeinträchtigt das irgendwie die Wertschätzung der Regung edlen Menschentums drüben in den Staa ten, die der Not in Deutschland abzuhelsen sich bemüht? Herr Dr. Lieber hat diese Frage aus der Welt geschasst. Die 100 000 Milchkühe sind allmählich aus der Presse der« hwunden und man gibt zu. daß niemals ein höheres Angebot als Milchkühe Vorgelegen hat. Man muß staunen, daß so weite Kreise der Presse, trotz der amtlichen Erklärung, daß nur 2500 Kühe angeboten seien, auf die Mitteilung hineingefallen sind. Es ist in der Press« gesagt worden und auch in der Pressekonferenz in Berlin ist es offen ausgesprochen worden, daß die Mitteilungen über die Milchkühe, die sich als irrtümlich herausgestellt haben, vom Roten Kreuz ausgingen. Das wird für Fernerstchende eine führ über- lvaschende Mitteilung sein, und sicherlich hat auch die Leitung des Roten Kreuzes mit diesen unrichtigen Angabe» nichts zu tun. Es scheint, daß einzelne Leute einen besonderen Betätigungsdrang gefühlt haben, der keine Befriedigung fand oder irgend «inen anderen An laß hatten, dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft merkliche Schwierigkeite zu bereiten und daß sie darum Mitteilungen in die Presse' brachten, die zu falschen Ausfassungen geführt haben. Ein Telegramm, daß der deutsche Geschäftsträger in London an die englische Regierung gerichtet hat und das besrcmdlicherwcise auch in der Presse erschien, deutet in Verbindung mit jener Mitteilung in der Presfckonserenz darauf hin, das, diese Treibereien von Leuten aus gehen, die irgendwie an den Verhandlungen beteiligt waren. Da wir ohne weiteres unterstellen, daß die Leitung des Roten Kreuzes von solchen Dingen nichts wissen will, würden wir eS sehr begrüßen, wenn 'ne Klarstellung über diese Dinge erfolgte, um so mehr, als das Kren, jedes Li«beswerk natürlich unterstützt und die Stim- mnnn in Amerika sicher nicht trüben will. Die vielen Legenden über di« amerikanisch« Milchkühe zer- flattern also und kein Mensch kann mehr die Behauptung ausrecht- erhalten, daß wir 100 000 Kühe erhalten sollten, iie aber nicht haben wollten. Die 100 000 Kühe waren eine Ente. Es steht ferner fest, daß die Amerikaner wie das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und alle vernünftigen Leut« der Auffassung sind, eS sei praktischer, Futtermittel zu schassen als Kühe. Es ist nicht erfreulich, daß man gegenüber den falschen Darstel lungen bei einem Liebeswerke zn solchen eingehend« Feststellungen und Darlegungen greisen muß. Die Anerkennung und der Dank für das amerikanische Liebeswerk ist darum aber nicht minder groß. Zum Rücktrittsgesuch Dr. Wirths Der Reichsfinanzminister Tr. Wirth hat am Sonnabend sein Rücktrittsgesuch eingereicht. Die von anderer Seite gemachten Mit teilung«, daß der Rücktritt des Meichsftnanzministers auf Schwiorig- keiten bei der Durchführung der Steuergesetze zurückzuführen sei, ent sprechen nicht den Tatsachen. Es würde auch völlig unzutreffend sein, den Rücktritt des Reichsministers aus irgendwelche Unstimmigkeiten im Kabinett oder auf rein politische Gründe zurückznführ«. Weder außenpolitische Gründe, wie von einer Seite angedeutet wurde, noch innenpolitische Gründe haben den Minister zu seinem Rücktrittsgesuch Veranlaßt. Sir sind vielmehr aus die Schwierigkeiten in de? Besol- Zu» Zweiten Sächsische» Katholikentag in Leipzig An dke höchwärtzige Geistlichkeit ergeht di« Bitte: 1. di« Absicht, beim Katholikentag da» hl. Meßopfer darzubringen, dem katholischen Pfarramt, Leipzig, Rudolfftraße S, mitzuteilen 2 Die geistliche» Herren, die am Pontifikalamt teilnrhmm wollen, werden herzlich und dringend gebeten, Taller und Nocheitt selber «ittzubrmge«, da solche hier in Leipzig nicht in himrtchtteder Menge vorhanden find. Die schönsten Stücke find für dir Würde dies«» feierlichen Gottesdienste« di« angemessenste». An die verehrlichen Verein« ergeht die Bitte, die übersandten Sonderdruck de« Ausrufs in den Vcreinsräumen anzu bringen. An die Herren Verirrter, wie an die Damen, die auf dem Begrüßungsabend «ine Ansprache batten wollen, ergeht die Bitte, diese Absicht dem Hauptausschuß (Leipzig, Windmühlemoeg Nr. IS, Erdgeschoß) mitzuttilen. An die Leiter der Sonder-Veranstaltungen ergeht die Bitte, für Werbung (wie eS zum guten Teil schon ge schehen), polizeiliche Anmeldung und Berichterstattung in der Presse, voran In unserer „Sächsischen Volkszeitung" selber zu sorgen An alle ergeht dis dringende Bitte, unermüdlich für den 2. Sächsisch« Katholikentag in Leipzig (24. bis 26. September) zu werben. Teilnehmerkarten durch Handelsrichter Dr. für. Beck- mann, Leipzig, Hospttalstraße 12, Postscheckkonto Leipzig Nr. 62 356; ferner in folgenden Verkaufsstellen: in Dresden bei H. Trüm- per, Eck« Sporesrgaffe. In Leipzig, Inner« Stadt: bei der Buchhandlung Pustet im Pfarrhaus, Rudolphstraße 3; Leipzig- Gohlis: beim Schulhausmeister Rebholz, Treitschkestraße 18; Lelpzig-Linkenau: beim Küster Stein, Karl-Heinestraße 110; Leipzig-Reudnitz: beim Küster Hannuth, Friedrich-WMelm- straße 20, sowie vom 23. September an im Bureau des Katholiken tage« im Kristallpalast. Kauft schon jettt Festvostkarten als Werbe mittel! Bestellt die Fefinummer der .Sächsisch« VollSzrstung"! » Kath. kaufm. Gehilfinnen und Beamtinnen Sachsens! Auch euch, di« ihr stl kaufmännisch« Betrieb« angestellt seid, rufen wir zu: Rüstet und kommt alle zum Zweiten sächsischen Katholikentag von 24. bis 26. September. Bei der Frauenversammlung am 24. und besonders bei der Tagung am Sonnabend d« 25. September sollen auch eure Interessen durch berufene Vertretern»»« besprochen werden. Ge rade die im kaufmännischen Berufe stehenden Dam« in Sachs« wer den dringend gebeten, sich zusammenzrrschließ« und an di« kath. kausm. Verbände anzugliedern, die unsere Ideale in religiöser und wirtschaftliche» Hinsicht vertreten. Schwerer denn j« lastet die Zeit aus uns und es heißt mit ver- eint« Kräften den Kampf ums Dasein führ«. Will man uns doch unseren Rang streitig machen, zu dem wir uns emporgearbeitet haben. Die Zeit zwingt uns dazu, daß wir uns zusammenschließen. WaS di« Einzelne nicht vermag, bringt eine Großes Ganz« fettig Des halb ist auch eine Rednerin für die Tagung gewonnen Word«, Fräu lein Ministerialrat Weber aus Berlin, welche vom Verband Köln beauftragt ist, unsere Interessen zu vertreten. Darum hört den Ruf: Aus nach Leipzig zur Tagung der katholischen Frauen Sachsens am 24. und 25. September. Kommt alle, bleibe keine zurück, sage niemand, auf mich kommt es nicht an. Ver einte Kraft führt zum Ziele. Verband kath. kaufm. Gehilfinnen ,md Beamtinnen St. Sertrudis, Leipzig. dungSfrage zurückzuführ«. Seitens der einzelnen Regierungsstellen wurden so außerordentliche Ansprüche gestellt, daß sie mit d«r Finanz lage d«s Reiches nicht in Einklang zu bring« sind. Detv Reichs finanzminister Wirth glaubt für seine Person solch« Anforderungen nicht stattgeban zu können und zieht es daher vor, aus seinem Amt« zu scheiden. Wir bedauern dies« Entschluß des Herrn Finanzmini. sterS. Er hat seinerzeit durch die Uebernahme des ReichSfiiranzmini- steriums ein großes persönliches Opfer gebracht und sich d« umfang reich« und schwierig« Aufgab« seines Amtes völlig gewachsen ge zeigt. Wenn er jetzt aus seinem Amt« scheid« sollte, dann darf er gewiß sein, daß ihm der Dank d«r Zentrumspattei sicher ist. Einst weil« geben wir jedoch die Hoffnung noch nichtz ganz auf, daß Herr Minister Dr. Wirth sich von seiner» Entschlüsse abbring« lass« wird. Der Reichskanzler sowohl, wie d«o Reichspräsident weilen zurzeit nicht in Berlin, so daß die Entscheidung über das Rücktrittsgesuch Dr. Wirths in den allernächsten Tag« noch nicht fallen kann. Erst in der nächst« Woche wird das NeichSkabinett wieder vollzählig in Berlin zusammen sein und erst dann dürfte die endgültige Entschei dung fallen. Znm Schulstreik in Plauen Katholische Ettern in Plauen! Laut Bericht der letzten Stadtverordnettnsitzung sucht man »ns teils durch Drohungen, teils durch gute Worte in unseren Euschlüjsen wankend zu machen. Hört nicht daran fl Unsere Forde- rung ist — 1. Harr „Katholische Schulen mit gläubigen Lehrern für katholische Kinder." Die hiesige Lehrerschaft lehnt jeden Religionsunterricht ab, weil sie größtenteils auf glaubenslosem und glauvensftindlichem Standpunkte steht. Die neueste Forderung der Herren lautet: „Hin weg mit dem Religionsunterricht aus der Schule, aus dem Stunden pläne; hinweg mit den Religionszcnsuren, dafür als Pflichtfach für alle Lehrer und all« Kinder: „Sittliche Lebenskunde." Infolgedessen kann das Schulamt seine Ver sprechung für den Religionsunterricht nicht hal. te n. Wir gehen deshalb auch unsere eigenen Wege in der Erziehung und sittlichen Erneuerung unseres Volkes und verwahren uns gegen den niederträchtigen, öffentlich ausgesprochenen Vorwurf der „Staatsfrindlichkeit" und die Beschimpfung unserer Schulen, Wir danken für die Zwangserziehung des sächsischen LehrervcreinS und dessen Gefolgschaft. Laßt den katholischen Vater, der nicht streikt, stehen, wo er steht, wmn er nicht anders kann; wir wollen, können und dürfen auch nicht anders als gehorsame Glieder der Kirche. Un sere Forderung ist — s. auch berechtigt und durch die Reichsverfassuug zugesichert. Kein „auch katholischer" Lehrer, lein Stadtverordneter, nicht da? städtische Schulamt, nicht einmal das sächsische Kultusministerium kann eure Forderung verwemern. Ihr könnt auf keinen Fall bestraft werden, dos kam durch maßgebende Stelle in d«r Stadtverordneten- Sitzung znm Ausdruck. Glaubt sicher, wenn wir im Unrecht wären, hätte man längst kurzen Prozeß gemacht. Das Reichsministerium ist in Kenntnis gesetzt, int äußersten Fall« entscheidet das Reichsgericht und wird uns die bsisprochene verfassungsmäßige Freiheit erkämpfen. Wer einen Strafzettel bekommt, gebe ihn sofort an uns abl Laßt euch nicht irre und weich machen durch den Einwnrf mii der Urtterrichtsversäumnis. Sie werden wieder eingehakt durch dop pelten Fleiß eurer Lehrer. Alle katholischen Gemeind« Sachsen? schäum auf euch; sie unterstützen euch nach besten Kräften, denn e? geht um Sein oder Nichtsein katholisch« Glaubenslebens in euren Kindern und kommenden Geschlechtern. Darum noch einmal: „Bleibt treu und fest und einw, einig, einig!" ^ ^ Die katholische Schirlorganisation. I , » Zwickau. Sonntag den 12. Sevkember hiettcn die katholischen Eltern Zwickaus im Anschluß an eine VolkSvereinsverlommlung. in der Herr Kaplan Faßbender estee mit aroßem Beifall ausge nommen« Rede hielt, die in den Wort« gipfelte: Nur Rückkehr zn Christus kann uns au» unserer Not reiten, eine Versammlung ab. Nach einem Berichte über den Plauener Schulkamps wurde lolgende Entschließung gefaßt, die allen in Betracht kommenden Behörden »»gesandt wird: „Die am 12. September versammelte« katholisch« Eltern Zwickaus, die infolge des RevolutionSsturm-s noch immer die Be« ken»tnissch«le für ihre Kinder schmerzlich entbehren müssen, sprechen den Vätern und Müttern Planen», die so wacker für ihre heiligen Elternrechte streiten, die vollste Anerkennung und Teilnahme au». Möchten sie anShaltin i« Kampfe, den man ihnen trotz der minift«. riellcn Verordnung vom 8. März 1930 ausgczwnngen hat, bis ihnen da» durch die Verfassung verbri-s" R cht ungeschmälert zuteil wird. Wir erwarten mit ihnen von d r Re chsregieruna, daß fie auch in Sachsen auf «neingeschrärkte Erfüllung der RcichSverfaffung mit Entschiedenheit dringt. L-om Sächsiiche« Kultusministerium fordern wir mit beu katholischen Eltern Plauen» die tosortige Zurücknahme dr» verfassungswidrigen Erlasse» und die Wiederherstclluug de» ver fassungsmäßige« ZnstaudeS". Da» Ergebnis einer Tellersammlung war 129.88 Mark für den Plauener Streikfonds. Den katholischen Eltern Plauen» ein herr liche» Glückauf! Werda«. In Sachs« de» Plauener SchulkampfeS haben die Katholiken von Werdau folgende» Protestschreiben an üaS Sächsische Kultusministerium gerichtet: „Die Katholiken von Werdau protestieren auf'L schärffte gegen bi« Vergewaltigung der katholischen Schule in Plauen i. V. Die Verderberin Roman aus der römischeu Campagna von Peter Dörfler (3. Fortsetzung.) Wenn ich ganz wahrheitsgetreu über jene geheimnisvolle Nacht berichten soll, so muß ich darüber folgendes aussagen: Die Gestalt« meiner Erinnerung und meiner Phantasie sind unlöslich. Es war in jener Nacht plötzlich ein großes Getöse in unserem Haufe wie von kämpfenden Männern. Ich hörte dann Schüsse knallen und darauf — dies ist die sicherste Erinnerung, einen furchtbaren, markerschüttern den. aber gleichwohl sehr schönen, sehr klangreichen Schrei aus einem Frauenmund. Ich könnte ihn noch heute — wenn ich je die Kraft dazu hätte — nachbilden. Dann lnallt« Türen, Fackeln blitzt« auf und verschwanden wieder. Noch einmal erklang jener gräßliche Schrei, der ans Todesangst, Furcht und Liebe sellsam zusammengeglliht schien, Gott, wie beschreibe ich ihn nnrl So mag M^dea aufgeschtriehen haben, als sie erwachend des verräterischen Jason Schiff in den blauen Fernen entschwinden sah. Dann vernehme ich in meiner Erinnerung rin klägliches Wimmern, Ich sehe fliehende, schreckgeschüttelte Mensch« kümmerlich gekleidet hin und her ttren. Blutige Schreck« waren um mich, und meiner Mutter starker Arm trug mich aus dem Toben der ringenden Menschen. Jemand wollte mich aus ihr« Annen reißen, da eben erllang wohl jener Schrei, ebenso schön als wildleidenschast- llch, und der Angreifer prallte zmück. Das letzte Bild jener Nacht erzählt mir von einem Gefühl, das jener empfindet, der an Bord eines Schiffes sticht, wenn es der Sturmwind schüttelt. Aber jene wiegende Bewegung kam ivvhl nur von dem stolzen, königlichen Schritt der Mutter, die mich sacht und sicher irgend wohin trug — dorthin, wohin sie eben der Wahnsinn der Verzweiflung entführte. Von jetzt an erzähle ich wie ein Chronist. Ich habe damals kein Tagebuch geführt, auch lange nicht, als ich im Kloster schon die Kunst des Schreibens lernte, aber die folgenden Tatsachen stehen mit einer Bestimmtheit vor mir, als könnte ich sie ablcsen. Ich wachte nach einem erquickenden Schlafe aus und sah über mir einen roten Schimmer Ich rieb die Aug«, und flammende Llchtfunken fuhr« umher. Allmählich aber verglühten sie, und der rote Schein verdichtete sich zu einem roten Tuche, und dieses nahm Form und Gestalt eines mächtigen Regenschirmes an, aus dem eb« die anffleigende Sonne niederprallte. Ich wand mich aus meinem bunt zusammengestoppelt« Lager und bemerkte, daß auch weiter rückwärts, wo eine hohe, rote Mauer ausstieg, zwei Lager herqe' »richtet waren. Da- eine war leer »nd in dem andren lag, rotbackig Und die geschlossen« Fäustchen in den dunklen Lock« vergraben, mein Schwesterchen. Ich erinnere mich nicht, früher irgend eint: Notiz von ihrem Dasein genommen zu haben. Ich weiß auch nur, daß mir alles so fremd und gefährlich und feindselig vorkam, wie einem Vogel, welcher aus dem Nest gefallen, der Rasen unter dem Apfelbaum. Ich war ebenso hilflos wie dieser und wußte Mch-- falls nach seinem Muster nichts anderes zu tun als zu schreien. Man sagt, der Mensch bekunde bei seiner Geburt di« Tatsache, daß er lebe, zuerst mit einem kräftigen Schrei. Jener Morgen war eine Gxburt für mich. Denn damals Hab« ich zuerst rin wirLiches Be wußtsein von mir und meiner Umgebung erlangt. — Meine Mutter erblickte ich gleich darauf. Sie stand an jener alt« Mauer wie eine schlanke, stolze Säule, und unbewegt wie diese. I<b lief sogleich auf sie zu und stellte «ine Frage an sie, der« Inhaltes ich mrch jedoch nicht mehr entsinne. Aber das eine bleibt mir unvergeßlich — und es ist zugleich charakteristisch für das Wes« und dis Gemütsart meiner Mutter: sie preßte mich heftig an ihre Brust, ohne mir Kopf und Blick zuzuwendeii. Sie starrte mit ihrem schwarzen Flammen auge in die Ferne, ohne jedoch etwas anzusehen ;weder die Ruinen, die sich in dieser Gegsnd aneinanderrcihten wie andetrwärts Haus an Haus, noch die weite Ebene, die sich zu unseren Füßen hindehnte, noch die blau«» Berge, die hinter dieser lagen. Zum erst« Male erfuhr ich, daß ich eine außerordentliche Mutter besaß, die felsenhart und glühend wie Lavaströmi- zugleich sein konnte. Ich war an ihrer Seite wie ein gelbschnäblig Vöglein neben einer jungen Löwin. Ich durfte kein« Zärtlichkeiten erwarten, wie sie Mütter des All tages ihren Kinder« geben, die ganz in ihren Kleinen aufgehen. Sie lebte ein« Tragödie und führte sis mit ungeheurer Wucht und Leidenschaft von Nit und Akt, und nur eine kleine Episode datrin gehörte ihr« Kinder,,. „Mammina," rief ich, „eccomi, ecco cocca tuatl" Ich schmeichelte mit den süßest« Lauten, die ein Kinder mund hervorbnng« kann. Aber es wollte mir nicht gelingen, das Herz der Mutter zu erreichen. Diele krolusfarbene Stirn, diese tief- schwarzen Mandelaugen, dieses blauschwarze Haar schien zu einer Statue zu gehören und nicht Hüll« einer warmen Frauenseele zu sein. Ich glaube, daß ich in jener Stunde nicht so zärtlich und schmeichelnd „Mammina" gerufen und mich als „cocca" bezeichnet hätte, wenn nicht in meinctr — nennen wir eS also mit dem tech- tnischen Ausdruck — in meint:« prähistoriscb« Zeit mein« Mnmn wirklich lieb und herzlich zu mir- gewesen wäre. O, sie konnte lieb und herzlich sein! Sie hatte eine Glut in sich, die andere nicht n,tr erwärmen, sondern gsradezu erstick« konnte. Aber damals hatte sie all diese Brände ans den Herd des Hasses himübergeichöpst, wie ich jetzt weiß, und sie wachte mit Eifersucht Darüber, daß sie ihr nicht auseinandergezog« würden. Wo wohl die Gedanken meine« Mutter Wvesesi fein Mochten, 5ä sie nicht einmal durch den Jammer d«s eigen« Kinde» zurück' gerufen werden konnten? Vielleicht hat sie an irgend einen Rache» plan gebrütet, jedenfalls brachte ein rascher Entschluß sie dem Leben zurück. „Romolo," sagte sie mit ihr« schönen, stolzen Stimme, die damals und auch später im größten Jammer nicht ein« Spur von gebrochenem Mut und welker Müdigkeit zeigte: „Hier deine Schwester! Gib ihr zu trink«, wem, sie erwachst Hüte sie. ich gebe dir eine Rute. Treibe weg was immer sich naht, denn alles ist böse, auch was Engelsantlitz hat. Hörst du, alles, alles ist böse." Ich nahm die Rute und sie ging sott. Ich glaube, daß nie ein kläglicherer Wächter bei einem Schatze znrückgelass« wurde, als ich weinerlicher, furchtsamer, durch all das Ungewohnt«, Fremde und Sültsame ein- gtzschüchterter Knabe war. Und zu all dem war »och gesagt Word«: Alles ist böse! Also ringsum alles srmdseligl In meiner Verzweif lung schaute ich immer meinem schlafenden Schwesterchen ins Ge sicht. Eie war ganz gewiß nicht böse, denn sie hatte das lieblichste Gesicht, da» je einem Mensche» in di« Wett mitgegeben wurde. Wangen hatte sie, purpurrot wie der Granatapfel, w«n er vollrcis ist, und Haare lockig wie Weinreben, nur ganz schwarz und eben- Holzfarben. Obwohl sie noch kleiner war cfls ich und dazu schlief, s» brachte Mir doch ihr Anblick ein Gefühl der Sicherheit. Ich wartete cuzs ihr Erwachen wie der nächtlich Verirrt« auf d«n lieben Sonnenschein Endlich rührt« sich die beiden Patschhändchen, und sogleich setzte sie sich slinl auf. Sie war, so lange sie lebte, ein Bild der italienischen Sommersonne, die jeden Tag an dem gleich heiter« Himmel ausgeht. Als sie die bunten Tücher um sich her sah, lachte sie, warf sie empor, sing sie auf und spielte wie mit Bällen. Sic war sofort zu Hause, als wäre sie ein Zigermerlind gewesen, das immer in denselben Lapp«, aber alle Tage unter einem Scheunen' dache schläft. Auch über den Regenschirm lochte sie, nahm ihn so fort als Sstielzeug und versteckte sich hinter ihm und fordert« mich auf, sie zu suchen. Dann kletterte sie aus ditz bröcklige Mauer, die sich uns stn Rück« erhob und uns vor der Tramontona schützen sollte, die am Morgen so kühl weht. Da ich sie bei so kühnen Wag nissen gefährdet glaubte, erinnert« ich mich an den Befehl nieiner Mutter und an mein Wächteramt und rief: „Virginia, alles ist böse!" Da lochte sie: „Romolgiccio, alles ist gut sogar du Böser. Und was hast dn für eine Rute? Soll ich dein Schäslein sein? Dann führ miH da hinauf, wo es so schön blau ist!" Und sie zeigte »um Himmel hinaus und fuhr fort: „Ich möchte mich in das weiße Bettchcn droben setzen und immer fahr«, immer weiter, wie der Windl" Und sie streckte verlangend die Arme aus und jauchzt«. Als ich sie so munter und guter Dinge sah, wagt« auch ich ein lustiges Gesicht zu mach« und versuchte einen schüchtern« Jauchzer. Aber ich schaute mich ängstlich um, ob ich nicht» Böse» herbeige- rusm Hab«. " -- " (Fortsetzung folgt!
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