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Beilage zu Nr. Otz der „Sächsischen Volkszeitung". Die Autoritätsfrage. Red« des Aeicbstagsaligeordneten Landlagsavgeordnelen Grober aut der General-Versammlung der Malhollken Deutschlands zu Regensburg. Die kirchliche Autorität. Die Autoritätsfrage beschäftigt nicht zum ersten Male die Generalversammlung der Katholiken Deutschlands. Schon die 3. Generalversammlung 1849 zu Regensburg sah sich ver anlaßt. eine Erklärung abzugeben über das Verhältnis der Laien zu den Trägern der kirchlichen Autorität. Professor Hirscher in Freiburg hat in seiner Schrift über „Die kirch- lichen Zustände der Gegenwart" (1849) neben anderen nicht unbedenklichen Forderungen die Forderung aufgestellt, daß die Laien zu den Diözesansynoden zugezogen werden sollten mit der Begründung: „Umsonst rechnet man auf kindlichen Gehorsam der Laien gegen die Beschlüsse der geistlichen Obe ren. Die Zeit dieses Gehorsams ist leider vorbei; und der Laie gehorcht zurzeit jenen Anordnungen und Gesehen, bei deren Erlaß er selbst mitgewirkt und von deren Begründung er sich überzeugt. Alls Antrag des Präsidenten der 3. Gene ralversammlung der Katholiken Deutschlands in Regens burg. des Grafen Stolberg aus Paderborn, beschloß die Ge neralversammlung gegen die Jrrtümer dieser Hirscher'schen Schrift, namentlich gegen deren Tendenz, die Laien in das Kirchenregiment einzuschmuggcln, eine öffentliche Protester klärung zu erlassen, mit deren Abfassung Legationsrat Dr. Lieber aus Eamberg beauftragt wurde. Es mag genügen, aus dieser Protesterklärung die Sätze anzuführen, welche sich auf die Hirscher'schen Ansichten und Forderungen in Bezie hung auf das Verhältnis der Laien zu den Trägern der kirchlichen Autorität beziehen: „Der katholische Verein Deutschlands (so nannte sich damals die Generalversamm lung), welcher ein vorzugsweise aus Laien, aber nur aus gläubigen, ihrer Kirche treu und warmergebenen Laien be stehender Verein ist, verwahrt sich auf das entschiedenste und nachdrücklichste gegen allen und jeden Anspruch auf Beteili gung an der Führung oder auf Kontrolle des Kirclzenregi- ments, wie sie in der Hirscher'schen Schrift als „zeitgemäße Forderung" angestrebt wird. Der katholische Verein Deutschlands — in seinem ganzen Streben und Wirken ge leitet von der innigsten Ueberzeugung, daß er eben in seiner Eigenschaft als Laienverein in allen Angelegenheiten, welche die Führung und Handhabung des Kirchenregiments, die Verwirklichung der der Kirche zustehcnden Freiheit und Selbständigkeit, sowie im wesentlichen auch den Zusammen hang der Schule und des gesamten Erziehungswesens mit der Kirche betreffen, nur auf die Stimme seiner Hirten zu hören und diesen, dem hochwürdigsten Episkopate Deutsch lands in treuer Ergebenheit nachzufolgen, nicht aber seinen Gehorsam, wie es in der Hirscherschen Schrift angedeutet ist, von irgendwelcher Mitwirkung bei den Beschlüssen seiner kirchlictzen Oberen abhängig zu machen habe — vertvahrt sich feierlich gegen diesen Geist eines durch subjektive Ueberzeu gung bedingten Gehorsams und weist denselben als unkirch- lich und unkatholisch auf das entschiedenste zurück. Es ist dies nicht der Geist der Kirche und die Stimme, welche von solchem Gehorsam zu uns redet, nicht die Hirtenstimme, auf welche zu hören der katholische Verein als seine Lebensauf gabe erkannt hat." So die Regensburger Generalversammlung von 1849! Auch heutzutage sind wieder Schriften in katholischen Krei sen aufgetaucht, welche ähnliche Reformänderungen für die Kirche aufzustellen suchen, auch wieder die Forderung einer vermehrten Heranziehung der Laien, wobei freilich manch mal wenig klar ist, wie sich die betreffenden Schriftsteller die Heranziehung der Laien im einzelnen denken. Wenn solche Reformschriften und Reformwünsche unter den Katholiken nicht eine unnötige Verwirrung Hervorrufen sollen, wird man sich vergegenwärtigen und festhalten müssen, waS schon die dritte Generalversammlung in Regensburg klar ausge sprochen hat: „Die Laien können unmöglich zur Leitung der Kirche, wohl aber unter Leitung der katholischen Behörden zur Arbeit für religiöse Interessen herangezogen werden." (Beifall.) In dieser Beziehung bedarf es aber keineswegs der modernen Reformer und ihrer Schriften, um zu er kennen und durchzuführen, was richtig und zweckmäßig ist. Nnr das eine kann etlva als reformbedürftig bezeichnet wer den, daß die modernen Reformer zwar viel über Laienheran ziehung zu schreiben wissen, aber sehr wenig praktisch ihre Liebe für Laienarbeit betätigen. Abgesehen von dem Beschluß der Regensburger Gene ralversammlung von 1819 hat sich keine Generalversamm lung in ihren Beschlüssen mit den Verhältnissen der kirch lichen Autorität beschäftigt, und daS niit vollem Rechte. ! Welche Stellung gegenüber der kirchlichen Autorität die Ge- > neralversammlung eiuzunehmen hat, ist in dem Beschluß von 1849 klar gesagt. Etwas anderes zu sagen, währe keine Ge neralversammung in der Lage, und deshalb hat auch keine Generalversammlung mehr in der Sache sich geäußert. (Bei fall.) Ich folge lediglich der guten Tradition der General Versammlung, wenn ich im folgenden von einer Erörterung des Autoritätsprinzips in der Anwendung aus die kirchliche Autorität absehe und mich beschränke auf eine Erörterung bezüglich der staatlichen und gesellschaftlichen Autorität. Tie Feinde des staatlichen Autoriätsprinzips. Schon auf den ersten Generalversammlungen der Katho liken Deutschlands begegnen wir ernsten Klagen über die Verkennung und Mißachtung des Autoritätsprinzips auf staatlichem und gesellschaftlichem Gebiet. Auf der 6. Gene- ralversammmlung 18l»2 zu Münster war es Hofrnt Dr. Buß aus Freiburg, welcher erklärte: „Das Hauptübel, an wel chem die neuere Zeit darniederliegt, das ist der Mangel an Achtung gegen die Autorität." (Beifall.) Damals waren freilich die Erinnerungen an die traurigen Gewalttaten und Verbrechen, zu welchem sich das irregeleitete Volk im Revo lutionsjahre 1848 hatte Hinreißen lassen, noch frisch und lebendig, mit Händen greifbar lagen die unglücklichen Fol gen der fortgesetzten Verletzung kirchlicher und staatlicher Autorität vor aller Augen. Leider haben aber Fürsten, Staatsmänner und Völker aus den trüben Erfahrungen des Jahres 1848 nicht die rechte Nutzanwendung gezogen. Der herrschende Liberalismus und der mit ihm unzertrenn liche Kampf gegen die Kirche vernichtete einen reichen Schatz von Autoritätsgesübl. den die Revolution des Jahres 1848 noch nicht verwüstet batte. Die natürliche Folge dieses ver blendeten Treibens war das Heranwachsen einer neuen Macht, einer Partei, die offen jede wahre Autorität, nicht bloß die kirchliche, sondern auch die staatliche, überhaupt jede wirkliche gesellschaftliche Autorität verwirft, des Sozialis mus. Tie drei Millionen Stimmen, welclzc für die Sozial- demokratie bei den letzten allgemeinen NeichstagSwahlen ab gegeben worden find, zeigen den mehr als bedenklichen Rückgang der Achtung gegen die Autorität im deutschen Volk. < Zustimmung.) Dieser schlimmen Entwickelung steht freilich auf der anderen Seite auch ein Fortschritt im Guten gegenüber. Die Katholiken Deutschlands, welche immer für das Autoritäts prinzip eingetreten find, entbehrten im Jahre 1848 einer Gesamtorganifation und waren von der revolutionären Be wegung vielfach überrascht und über den Haufen gerannt worden; inzwischen haben sie sich mehr und mehr gesammelt und organisiert, so daß sie im öffentlichen Leben wieder eine Bedeutung erlangt haben, mit welcher Freund und Feind rechnen können und rechnen müssen. Eine dieser Organi sationen ist die Generalversammlung der Katholiken Deutschlands, welche daS Autoritätsprinzip stets hochgehal- ten und mit wachsender Klarheit gegen alle Anfechtung ver teidigt hat. «Lebhafter Beifall.) Tie Klärung der Auf fassungen über Autorität in katholischen Kreisen ist der Ge neralversammlung allerdings sehr leicht gemacht ivorden, nachdem wegen der außerordentlichen Bedeutung der Frage für die gesamte Kulturwelt das höchste kirchliche Lehramt sich über daS Prinzip der Autorität wiederholt auSgespro-' chen batte. Der heilige Vater Pius I X. hat unter Zustim mung des vatikanischen Kvnzils in der dogmatischen Be stimmung über die Kirche vom 18. Juli 1870 die Streit frage über den Träger der obersten, unfehlbaren, kirchlichen Lehrgewalt endgiltig entschiede». Sodann hat Papst Leo XIII. in seinen herrlichen Rundschreiben wiederholt die Lehre von der bürgerlichen Autorität mit unübertreffliciier Klarheit dargelegt; ich erinnere nur an die Enziklika vom 29. Juni 1881 über den Ursprung der bürgerlichen Gewalt, an die Enziklika Immvrtale Dei vom 1. November 188h über die christliche Staatsordnung und an die Enziklika Li berias vom 29. Juni 1888 über die menschliche Freiheit. Im engen Anschluß an diese Kundgebungen des heiligen Stuhles hat die Generalversammlung neuerdings in be sonderen Vorträgen die Autoritätsfrage behandeln lassen: 1895, in München, 1999 in Bonn, 1992 in Mannheim. Diesem Vorgang folgt auch die heutige Generalver sammlung. Wie lautet nun die kirchliche Lehre vom Autoritätsprinzip? Ist sie etwa verwickelt, schwierig zu verstehen? O nein, sie ist so einfach und klarverständlich wie nur möglich, denn es handelt sich hier um die Auslegung eines sozialen Ge setzes, daS für alle Meuscizen gilt, also auch von allen muß verstanden werden tonnen, auch von ungebildeten und nicht — 104 — aber der Zweck ist doch erreicht - man redet mal wieder ein paar Tage vom Generalanzeiger! Uebrigens muß ich euch mal das Dings vorlesen." Und er las den Artikel, in welchem die Räuber- und Mörderbande er funden war, die den „Privatier" Breitkopf ins bessere Jenseits befördert haben sollte. „Na, was sagt ihr denn dazu, Kinder?" fragte der Pfarrer halb be lustigt, halb ärgerlich, nachdem eri die langatmigen, von widerwärtigen! Pathos und abstoßender Selbstberäuchcrung des Schreibers strotzenden Aus- einandsetzungen gelesen batte. Die Fran Pfarrer gab dieser Meinung zuerst Ausdruck. Diese Eitelkeit des Mannes ist mir geradezu gräulich. Immer sucht er feinen Scharfsinn und seine Findigkeit in das hellste Licht zu setzen. Er tut gerade, als würde ohne den Generalanzeiger überhaupt kein Verbrechen mehr aufgedeckt, nichts Gutes und Nützliches mehr geschaffen und ohne seine er tauchten Vorschläge immer nur Scl-ädlicheS zutage gefördert. Die Wendungen: „Der Generalanzeiger hat sich das Verdienst erworben, zuerst darauf hinge- wieseu zu haben . . ." oder „dem unablässigen Drängen der öffentlichen Meinung, wie sic in zahlreichen Artikeln des Generalanzeigers zum Ausdruck kam" . . ." oder endlich: „wie der Generalanzeiger es gleich von Anfang an vorausgesagt hatte . . ." hängen einem, auf deutsch gesagt, geradezu zum Halse heraus! Und wie hat sich der Mann mit seinen „Prophezeiungen", „Hinweisen", „Vorschlägen" und „Forderungen" doch schon blamiert." „Aber das Blatt bringt doch so viel neues, ist doch so interessant - " wandte Fräulein Rita bescheiden ein. „Das ist der einzige Grund, weshalb ich den Generalanzeiger halte und nicht die Neuesten Nachrichten oder die so viel vernünftigere Tagespost. Wer wissen will, was im Kreise, in der Hauptstadt unserer Provinz und den Nachbargebieten vorgeht, der muß ihn leider halten. Denn er hat eine Masse Korrespondenten und ist in der Berichterstattung allen über — er wäre ja auch ein ganz gutes Blatt, wenn der Herr Chefredakteur uns mit seiner eigenen Meinung verschonen wollte!" „Na ja, seht einmal", fiel nun Gustav Albers, der junge Jurist, ein. „daß er den Mund möglichst voll nimmt, dürft ihr ihm so sehr nicht übel nehmen, er äfft das eben nur gewissen, in den letzten Jahren entstandenen Blättern der Metropole nach — und sich selbst in den Vordergrund zu drängen macht Reklame und ist jetzt Mode — die Leute verstellen sich eben, so gut sie können, damit man eben nicht das Goethesche Wort auf sie anwende: „Nur Lumpe sind bescheiden!" „Aber Gustav", sagte der Pfarrer mild verweisend, „dein Urteil ist lmrt —" „I was, hart, lieber Onkel! Sieh dir doch mal diese Artikel an", rief Gustav entrüstet, „auch zur Selbstberäucherung gehört Talent und bei gänz lichem Mangel an Geist bedingt sie daS Gegenteil von dem, was beabsichtigt ist. Bei den hauptstädtischen Zeitungsschreibern hat es doch Chic und Witz ja beinahe Geist, wenn sic sich in Szene setzen und selbst ein nicht ganz ungebildeter Mensch kann die Ars und Weise zuweilen goutieren. — Aber hier? Erlaube erst mal eine Frage, lieber Onkel. Was ist denn dieser Kerl dieser erste Leiter des famosen Blattes eigentlich von Hause aus?" „Nun. der Herr Wolf kam aus dem Westen", sagte die Frau Pfarrer an Stelle ihres ManneS, „und soll ein verkrachter Kaffeekaufmann sein." — 101 — men worden waren, nahm sich doch Breitkopfs Bruder, der Vater von Fräu lein Juliane Breitkopf der Sache au, er ging zum „General-Anzeiger", gab dort eine längere Anzeige auf, in der er mitteilte, daß sein Bruder der „Pri vatier", Adam Breitkopf verschwunden sei und alle diejenigen, die etwa Aus tunst über den Vermißten geben könnten, gebeten wurden, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Die polizeilichen Ermittelungen waren unterdes eifrig fortgesetzt »vor- den und mau hatte auch »och das Geschästssräulein mit Roth konfrontiert, um , eventuell herauszukriegen, ob er mit demjenigen identisch sei, der s. Z. den Schirm in dem Geschäft abgegeben hatte. Natürlich verlief auch diese 5don frontatiou resultntlos. Aber unermüdlich setzte die Polizei ihre Nachforschuu gen fort, und sie hoffte, um so rascher zum Ziele zu kommen, wenn sie mög lichst geheim gehalten würden. Da machte es ihr nun einen gewaltigen Strich durch die Rechnung, als . „General Anzeiger" plötzlich wieder einen jener famosen scharfsinnigen Artikel, in denen die Regenschirmgeschichte, so weit man sie kannte, in allen ihren Details berichtet, das Verschwinden Breitkopfs erzählt und beide Tatsachen miteinander, sowie mit der famosen Laternen geschichte in Verbindung gebracht wurde. Der findige Zeitungsmann kam zu dem Schluß, Breitkopf müsse wohl ermordet und nicht in dem Tagelöhner katheu durch Feuer ums Leben gekommen sein, wie dieses der Knockzenfund hätte beweisen können. Es müsse aber eine ganze Bande au dem Morde direkt oder indirekt beteiligt gewesen sein. Bis jetzt wisse man von vieren: einmal von Roth, den man habe, dann von dein Individuum, das in der Nacht der Braudkatastrophe daS Rekoutre mit dem Finkenhagener Knechte hatte, dessen man aber mit Hilfe der Laterne, die die Initialen I. G. trug, sicherlich Hab Haft werden würde, und endlich den beiden anderen, von denen noch jede Spur fehle, nämlich demjenigen, der den Schirm »ach dem Geschäft und später nach der Wohnung des Wirtes gebracht und demjenigen, der ihn mit List von dort entwendet habe. Das Blatt forderte dann auch alle Geschäftsinhaber, bei denen etwa Laternen gekauft worden seien, auf, in der Redaktion oder bei der Polizei Mitteilungen darüber zu machen. 8. Ter Pastor von Blockcrode hatte seinen NachmittagSspaziergcmg beendet und trat jetzt in das behagliche Wohnzimmer, aus dein eine Tür auf eine Veranda und von dort eine Treppe in den Garten hinabführte. Diese Tür stand offen und in dein kühlen behaglicl-en Zimmer saßen die Frau Pastorin mit ihrer Tochter und einem jungen Vcnvaudten. der die Gerichtsferien auf Einladung der Pastorsleute in Blockerode zubringen wollte. Man sprach so gar davon, daß der junge Herr Referendar ernstliche Absichten auf Fräulein Rita Walter, das Pastorstöchtcrchen habe. Das nnr aber müßiges Geschwätz, denn er war noch unbesoldet, die beiderseitigen wirtsclnstlicheu Verhältnisse zwar durchaus geordnet, aber auch nicht gerade glänzend zn nennen. Jetzt mußte er den beiden Damen von der prächtigen Rcichshauptstadt erzählen, wo gegenwärtig das Feld seiner Tätigkeit lag und er hatte ein dankbares Publi- kum. Er führte seine aufmerksamen Zuhörerinnen in die Museen und Ga- lericn, in die Theater und Konzcrtsäle, in die Kirchen und die Promenade und sic mußten anerkennen, daß er seine Zeit ausnutze. Natürlich hielt er sich bei seinen Berichten in weisen Grenzen - und wie gut er seine Zeit in Wirklich