Volltext Seite (XML)
Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen z,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Lnn«hm« »»n Inserat«« bi, vormittag t» Uhr. Inserate werden mit ;o Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 163. Mittwoch, den 23. Dezember 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Ottendorf-Okrilla, IZ. Dezember 1903. — WeihnachtS- und Neujahrskarten mit Widmung. Den WeihnachtS- und Neujahrs karten, die bekanntlich meistens unter Umschlag und offen versandt werden — ganz besonders auch nach England und Amerika — darf ebenso wie den Büchern, Musikalien, Zeitungen, Zeitschriften, Bildern und Landkarten eine Widmung hinzugefügt werden; sie erhalten mit dieser handschriftlichen Widmung postseilig noch Beförderung gegen die Drucksachcntaxe. Diese für WeihnachtS- und Neujahrskarten — behufs Uebereinstimmung mit den Vorschriften des Weltpostvereins — im § 8 unter X Absatz 10 der Postordnung vom 20. März 1900 bewilligte Vergünstigung darf aber, was unsere Leser jetzt besonders beachten möchten, nicht auf Ansichts karten mit Neujahrs- ober Weihnachtsgrüßen angcwendet werden- Als „Widmung" im Sinne der Postordnung sind nur solche Vermerke an zusehen, aus denen klar und deutlich hervorgehi, daß sie letiglich eine „Zuneigung" ausdrückeu sollen- Solche handschriftliche Zusätze wie „Mit herzlichem Gruße N- N-", „Mit verbindlichem Danke" und dergleichen sind, gleichviel ob für sich allein geschrieben oder neben der eigent lichen Widmung, unzulässig. Bei den Büchern, zu denen auch Broschüren, Sonderabdrücke von Aussätzen, Reden u. dergl. zu rechnen sind, und bei den obenerwähnten WeihnachtS- und Neu jahrskarten darf eine Widmung nach wieder holten Entscheidungen des Reichspostamts lauten: „Herrn N. zur freundlichen Erinnerung" oder „Herrn N. gewidmet zum Neujahrfest usw.", mit Angabe des Absenders und des Tages der Absendung. — Der kalendarische Wintersanfang fällt Heuer auf den 23. Dezember. Dieser Tag hat nur 7 Stunden 48 Minuten Tageshelle, aber die Nacht dauert fast 16^/i Stunde, also reich lich zwei Drittel des Tages. Dann aber nehmen die Tage (zunächst nur abends) wieder zu; am letzten Dezember aber beträgt die Zunahme schon wieder 3 Minuten. Mitte Januur macht sich die Zunahme schon bester bemerkbar, freilich kommt dann in der Regel auch die größte Kälte. — Nach dem Gesetze betreffend Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben ist der BundcSrai ermächtigt, für eine UebergangSzeit' von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes — dem 1. Januar 1904 — hinsichtlich der Be schäftigung eigener Kinder in gewissen Werk stätten Ausnahmen von den gesetzlichen Vor schriften über die Einschränkung der Kinderarbeit zuzulasien. Der Bundesrat hat nunmehr, wie die „Notdd- Allg. Ztg." mitteilt, von dieser Befugnis Gebrauch gemacht. Die von ihm er lassenen Vorschriften beschränken sich aber darauf, eine Ausnahme insoweit zu gewähren, als sie für die nächsten beiden Jahre die Beschäftigung von eigenen Kindern bereits vom vollendeten achten Jahre an gestatten, und zwar soll sich diese Erlaubnis lediglich auf die am I. Januar 1904 bereits über acht Jahre alten Kinder e> strecken. — In der Ehescheidungsangelegenheit der Prinzessin Alice von Schönburg - Waldenburg geb. Prinzessin von Bourbon haben in den letzten Tagen mehrfach Zeugenvernehmungen vor dein Zivilsenat des Königlichen Oberlandes gerichtS zu Dresden statlgefunden. Verschiedene auf dem fürstlich Waldenburgischen Schlosse Gauernitz bei Meißen beschäftigte Personen, sowie eine Reihe von Leuten, die früher in Diensten der Prinzessin Alice gestanden, sind über ihre Wahrnehmungen bezüglich der der Prinzessin von ihrem Gatten, dem Prinzen Friedrich von Schönburg - Waldenburg, zuteil gewordenen Behandlung befragt worden. Wie man zuverlässig erfährt, ivird die Prinzessin Alice demnächst zum Entscheidringstermine, der voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Januar 1904, aber unter völligem Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfinden wird, wieder nach Dresden kommen, um ihre Angelegenheit per sönlich vor dem Nichterkollegium zu vertreten. Sie hat bereits mehrere Zimmer in einem Pensionat auf der Bürgerwiese, in welchem derzeit auch der Burengeneral Louis Botha und besten Familie, sowie die Gattin des Burengenerals Lukas Meyer abgestiegen waren, für sich und ihre Dienerschaft bestellt. Der Prinz von Schonburg-Waldenburg wird indessen zum Entscheidungstermine nicht persönlich an Gerichtsstelle erscheinen. Meißen. Die ausgesperrten Töpfer hielten am Sonnabend im „Turmhaus" eine Versammlung ab, die von zirka 400 Personen besucht sein mochte. Es wurde durch das Bureau der Ausgesperrten Bericht über den Stand der Aussperrung erstattet, nachdem in fünf Betrieben im ganzen 300 Töpfer aus gesperrt sind. Hiervon sind 238 verheiratet und haben 542 Kinder. In einem Betriebe werden 16 Mann weiterbeschäftigt, nachdem sie ihren bedingungslosen Austritt aus dem Verbände erklärt haben. Am Sonnabend hat sich die Zahl der Ausgesperrten noch bedeutend erhöht, weil an diesem Tage die Aussperrung in dem letzten größeren Betriebe in Kraft tritt. Die Stimmung der Ausgesperrten war hoffnungs voll, weil, wie gesagt wurde, nach Neujahr schon die Aufträge eingingen und dann, da Vorrat nicht vorhanden sei, die Arbeiter ge braucht werden würden. Es wurden sogar Stimmen l ut, daß sich dann die Aussperrung zu einem Lohnkampse auswachsen könne. Großenhain. Seit sechs Tagen ist der Rekrut der ersten Schwadron des Königs- Husaren - Regiments Fechner II. von seinem Garnisonsorte Großenhain desertiert. Die letzte Nachricht an Kameraden gab er von Pirna aus, in der er erklärte, sich nach Wien wenden zu wollen. Hinter ihm ist ein Steckbrief er tasten worden. Im Zivilverhältnis ist Fechner Schlossergeselle, Chemnitz. Nach dem Genüsse von rohem Fleische erkrankten 50 Personen, darunter einige sehr schwer. Ein Todesfall ist bisher nicht zu verzeichnen gewesen. Nach ärztlichem Gutachten liegt eine Arsenikoergiftung vor. Behördliche Untersuchungen sind im Gange. Leipzig. Der Schneider Novak, welcher am 16. Dezember seine Frau wegen Untreue derselben erschoß, ist im Hospital seinen Schuß wunden erlegen, die er sich nach Verübung der Tat selbst beigebracht hatte. Der Verführer der Frau ist ein Steinsetzer, welcher verheiratet und Vater von sieben Kmdern ist. Leutzsch. Um bei einer polizeilichen Revision nicht gefunden zu werden, hatte sich ein Mädchen in einen Koffer einschließen lasten. Es dauerte jedoch nicht lange, bis die Frauens person um Hilfe rief, sodaß der Koffer, da der Schlüssel nicht gefunden wurde, mit Gewalt geöffnet werden mußte. Dem Ersticken nahe, wurde das Mädchen aus ihrer freiwilligen Gefangenschaft befreit, allerdings nur, um in polizeiliches Gewahrsam gebracht zu werden. Erimmitschau. Das im Gasthof zum Deutschen HauS zusammengestürzte Slollen- gerüst, auf dem bereits über 1000 fertige Stollen aus der Konsumvereinsbäckerei Leipzig- Plagwitz aufgespeigert waren, war 9 Meter lang, 3,50 Meter hoch und 3,50 Meter tief. Es schlug, nur rechts und links, nicht zugleich rückwärts befestigt, nach vorn über, als eine Anzahl Arbeiter an dem inneren Sprossenwerk emporkletterte. Vier Arbeiter wurden ver schüttet, einem wurde der Fuß gebrochen und die Kinnlade verletzt, einem der rechte Schenkel ausgekugelt, ein dritter erlitt Verwundungen am Rückgrat und am Kopf, ein werter brach beide Fußknöchel. Hainichen. Nachdem der bis zu Aus gang der fünfziger Jahre lebhaft betriebene Kohlenbergbau im benachbarten Berthelsdorf lange Jahre geruht hat, ist dieses Grubensilo seit zwei Jahren durch Bergdirektor Engler aufs neue erschlaffen worden. Zu den schon von früher her bekannten sechs Flözen ist jetzt im Süden der Kohlenfelder außer verschiedenen Flözen von geringer Mächtigkeit ein abbau würdiges siebentes Flöz gesunden worden. Im vorigen Monat hat sich zum Zwecke der Aus beutung der etwa 6^/z Millionen Quadrat meter großen Kohlenfelder eine Gewerkschaft gebildet. Aus der Woche. Ideal und Wirklichkeit zeigen sich während des ganzen Jahres selten in einem schrofferen Gegensätze als beim lieben Weihnachtsfeste. Der Lobgesang der Engel erschallt vielmillionen fach über den ganzen Erdboden hinweg: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden an den Menschen ein Wohlgefallen. So steht es in dem heiligen Buche, so predigen es die Geistlichen nach, so singen es die Kinder und besonders den Mittelsatz machen viele Zeitungen aller Parteien zum Mittelpunkt und Gegenstand ihrer Betrachtungen. Es soll auch nicht ge leugnet werden, daß für unsere Kinderwelt das Weihnachtsfest seine alte gute Bedeutung be halten hat, denn über die bunten Gaben hinaus die unter dem Christbaum lagern, wird die kindliche Fantasie von der Geburtsgeschichte Jesu wunderbar angeregt, das Christkindlein schmeichelt 'ich dem jugendlichen Herzen leichter ein, als Knecht Ruprecht, dessen Erscheinung doch immer ein gewisses Quantum Furcht in der Kindes brust auslöst. Die zivilisierte Welt ist seit reichlich tausend Jahren dem Christentum unter worfen, aber das tausendjährige Reich ist noch immer nicht gekommen. Wochenlang ist Handel, Industrie und Familienleben auf das Weih nachtsfest gestimmt: aber der schönste Weihnachts segen, der dem hohen Feste nach dem Lob- gesange der Engel entspringen sollte, bleibt aus; man braucht als Beispiel dafür nicht nach Japan und Korea zu blicken. Da« Fernrohr ist überflüssig. Die Beispiele liegen näher. Crimmitschau! Welch' ein entsetzliches Beispiel I Sechstausend Familien darben wochenlang hart näckig, um eine Verkürzung der Arbeitszeit und eine Lohnzulage durchzusetzen! Und die Fabri kanten lassen sich auf keine Unterhandlungen ein, sondern lasten es auf ein gegenseitiges Aus hungern ankommen! Ist denn da keine Ver mittelung möglich? Fehlen denn da so gänzlich Leute mit großen und warmen Herzen, die nach beiden Seiten hin beruhigend und ver söhnend wirken könnten? Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Aber der beiderseitige Starr sinn führt zum Verderben! Was mag das diesmal für ein Weihnachtsfest in Crimmitschau sein, wo unter der Arbeitslosigkeit nicht nur Fabrikanten und Arbeitnehmer zugleich leiden, sondern auch die vielen Tausende Geschäftsleute Not leiden muffen, die auf den Verbrauch seitens der Arbeiterbevölkerung angewiesen sind! Ein anderes Friedensbild: Wennschon bei dem heute üblichen Frieden auf Erden große stehende Heere eine Notwendigkeit sind, sind es dann auch die Mißhandlungen seitens der Vorgesetzten, über die uns gerade während der jüngsten Woche wieder mehrere Gerichtsverhandlungen berichtet haben? Und das fast zu derselben Zeit, in der im Reichstage nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch die bürgerlichen Parteien und der Kriegsminister ihren vollen Abscheu gegen diese Zustände rückhaltslos aus gesprochen haben! Es ist nur gut, daß anders wie in Frankreich bei uns während der Weih nachtszeit die Parlamente in die Ferien gehen; denn wäre der Reichstag während der Weih nachtszeit in Tätigkeit, dann könnte man wohl manches schöne Stück vom „Frieden auf Erden" erleben! Bebel von der linken Seite, der in Dresden der bürgerlichen Gesellschaft den Krieg bis aufs Mester angekündigt, die „Scharfmacher" von rechts,- die den drei Millionen sozialdemokratischer Wähler am liebsten alle politischen Rechte auf 5 Jahre entziehen möchten; dann taucht zwischen ihnen die Ver tretung der 600000 nicht-sozialistischen Arbeiter auf, die vorige Woche beim Reichskanzler war, um diesem Wünsche vorzutragen, wegen deren Erfüllung die Sozialdemokraten sich seit einem Vierteljahrhundert vergeblich bemühen: Rechts fähigkeit der Berufsvereine, Erweiterung des Vereins- und Versammlungsrechts und dergl. Viel Freude werden wahrscheinlich in Zukunft diejenigen nicht haben, die heute mit der kaiser- und reichötreuen Arbeiterschaft sympathisieren; auch letztere wird sich „entwickeln" und schließ lich mit ihren Forderungen nicht wesentlich hinter Herrn v. Vollmar und Bernstein Zurück bleiben. Und wenn sie den „einfachen Mann aus der Werkstatt" in den Reichstag senden, so wird sich dieser nicht einen Lehnstuhl auf der rechten Seite neben Herrn Jacobskötter, sondern auf der Linken neben Herrn Antrick (wenn dieser wiedergewählt werden sollte) aus suchen. Schöne Redensarten sind billig wie Brombeeren, während die Fortentwickelung der Verhältnisse durch nackte Interessen bestimmt wird. — 85000 Weihnachtsbäume hat allein der Harz an Berlin abgeben müssen. Wenn diese am Heiligabend in ihrem Kerzenglanze prangen und die Gaben der Liebe verklären, die die sorgende Mutterhand unter ihren mit Flitter und Naschwerk behängten Aesten auf gebaut hat, dann zeigt sich der Festsegen am reinsten in den Jugendgemütern und Millionen nehmen ihn mit sich durch das ganze Leben. Kindes Hand ist bald gefüllt, sagt zudem ein Sprichwort, das der materiellen des Feste« gerecht wird- Sieht man sich aber in der großen Welt um, so ist es schwer, die Hände aller zu füllen, die sich bescheiden zum Nehmen, aber auch nur zum Nehmen vorstrecken. Frank reich will Marokko, Rußland Korea und die Mandschurei, England Tibet und den Kongo staat, die Union, Mittelamerika mit San Domingo und Haiti, Italien Tunis, Bulgarien Mazedonien, Griechenland Kreta haben, al» ob alle diese Staatengebilde nur Pfefferkuchen wären, die man zum Feste so nebenher nascht. Dem Fürsten Ferdinand wäre die Königskrone ein erwünschtes Weihnachtsgeschenk, während Peter seiner Krone nicht froh wird, weil zu dem großen Aerger wegen der ihn umgebenden Mörder seines Vorgängers noch die furchtbare Ebbe in seiner Plivatschatulle kommt. Könnte denn Rothschild nicht zu Weihnachten mit einem Milliönchen aufwarten? Peter könnte ja Bel grad dafür versetzen; würde er auch nur ein paar Buchstaben darin versetzen, so hätte er ja gleich „Bargeld". Produktenpreife. Dresden, 11. Dezember. Stimmung: Ruhig. Weizen, pro 1000 Lx netto: Weißer, neuer, 157—165, brauner, neuer, 76—78 kx, 151 bi« 155, russischer, rot, 175—182, amerikanischer Spring , do Kansas 179 bis 184, do. weißer Roggen, pro 1000 kz netto: sächsischer, alter, 74—76 130—132 do neuer, 72—73 Lx, 126—128, preußischer 136—139, russischer 137—141. Gerste, pro 1000 kg. netto: sächsische 142—152, schle sische und posener 150 -155, böhmische und mährische 155—175, Futtergerste 115—130. Hafer, pro 1000 lc§ netto: inländischer, alter, 136—140 do. neuer, 121—126, russischer, neuer 126—132. Mais, pro 1000 kx netto: Cinquantine 138—143, rumänischer grobkörnig, 136—140 ungarischer Gelbzahn — , Wicken, pro 1000 kx netto, 140 —150. Buch weizen, pro 1000 lrA netto: inländischer und fremder 140—148. Oelsaaten, pro 1000lrz netto: Winterraps, sächsischer, trocken, 190 bis 200, do. feucht 168—178 Leinsaat, pro 1000 kx netto: feinste, besatzfreie 215—220, feine 200—215, mittlere 190—200, Laplata, 180—190, Bombay 200—210. Rüböl, pro 100 kz, netto mit Faß, raffinirtes 51. Raps kuchen, pro 100 kx, lanze 10,50, runde 11,00. Leinkuchen, pro 100 IcA, 1. 15,50, 2. 14,50. Malz, pro 100 Lx netto ohne Sack 25—29- Futtermehl 12,40—12,60.