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Vie „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag »nd Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit zo Pf. 'für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Rr. 148. Freitag, den 11. Dezember 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Gttendorf-Vkrilla, ,o. Dezember 1903. — Aus Anlaß des bevorstehenden Weih nachtsfestes und der damit im Zusammenhang stehenden umfänglicheren Beförderung von Paketen, Kisten und dergleichen, wird es vielen von Interesse sein, wenn wir auf die bei der sächsischen SlaatSeisenbahnverwaltung bestehende und anscheinend nicht genügend bekannte Ein richtung der „Befördtrung von Expreßgut" aufmerksam machen. Bei den Gepäckabfertig ungsstellen der sächsischen Staatseisenbahnen können nämlich als Expreßgut Gepäckstücke aller Art, Kinderwagen, Fahr- und Rollstühle, Fahr räder, Warenproben, Musikinstrumente, Hunde und sonstige kleine Tiere in Käfigen, Säcken und dergleichen, sowie auch Güter, sofern sie sich zur Beförderung in Packwagen eignen, ohne Lösung von Fahrkarten auf Gepäkschein zu allen Zügen (auch zu Schnellzügen) zur tarif mäßigen Gepäckfracht aufgeliefert werden und zwar von und nach sämtlichen Bahnhöfen, Haltestellen und Haltepunkten des sächsischen Staatseisenbahnnetzes, welche für den Gepäck verkehr eingerichtet sind. Die direkte Abfertig ung ist jedoch ausgeschlossen von Stationen, auf denen der Zugführer das Gepäck annimmt und in Fällen, in welchen das Gepäck über getrenntliegende Stationen befördert werden müßte, zwischen denen Gepäck von der Eisen bahn nicht übergeführt wird. Ebenso wird Expreßgut nach Stationen jenseit einer Grenz zollabfertigungsstelle nicht angenommen. Für das Expreßgut wird die Gepäckfracht, mindestens für 20 kA berechnet. Bei Beförderung in Personenzügen werden mindestens 50 Pfennig und bei verlangter Beförderung in Schnellzügen, auch wenn sie nur streckenweise erfolgt, min destens 1 Mark erhoben. Nach Stationen, nach welchen direkte Gepäckfrachtsätze nicht be stehen, wird die Fracht nach einem Einheitssätze von 0,533 Pfennig für je 10 und nach den Entfernungen berechnet, die in dem hierzu bestimmten besonderen Kilometerzeiger angegeben sind. Der Kilometerzeiger kann auf den Stationen eingesehen werden. DaS Expreßgut wird auf Gepäckschein abgefertigt und derselbe dem Absender ausgehändigt; die Auslieferung de» Gutes am Bestimmungsorte erfolgt gegen Rückgabe des Gepäckscheines. Wenn aber das Gut mit der vollen Adresse des Empfängers versehen und der Gepäckschein ihm beigegeben ist, wird der Empfänger über die Ankunft der Sendung innerhalb der für Eilgüter festgesetzten Fristen benachrichtigt. Die Auslieferung der Sendung erfolgt nur gegen Quittung. Meldet sich der Empfänger aber vor der Benachrichtig ung zur Empfangnahme, so wird ihm das Gut nur au«gehändigt, wenn kein Zweifel an seiner Empfangüberechtigung besteht. Sollte der Ab sender über die Beförderung von Expreßgut weitere Auskünfte wünschen, so sind die Gepäck abfertigungüstellen jederzeit bereit, solche zu erteilen. — Die Prinzessin Alice von Schönburg- Waldenburg hat sich am Sonnabend früh von Dresden mit ihrer Gesellschaftsdame Frau Klara Weber nach Italien zurückbegeben, nach dem sie einen Tag in Berlin Aufenthalt ge nommen hatte. Die Prinzessin und ihre Be gleiterin wohnten in Dresden in einem Pensionat in der Cyristianstraße unter dem Pseudonym Geschwister Weber. Dresden. Am Montag fand vor dem hiesigen Schwurgericht die Verhandlung gegen den Frauenarzt und Klinikenbesitzer Dr. med. Planer, welcher sich scmer Zeit an emer seiner Patientinnen, der Ehefrau Böhnhardt in Dresden, vergangen haben soll, statt. Dr. Planer hatte damals die Anschuldigungen geleugnet und seine Aussagen durch einen Eid bekräftigt. Gegen Planer besteht nun der Verdacht, den Eid wider besseres Wissen geleistet zu haben. Mit dem Arzt batte sich zugleich sein Kinder- f äulein, die 22j.hrige Au a Luise Klingbeil, die ebenfalls im Verdachte des Meineids steht, da sie zu Gunsten des Angeklagten ausgesagt hatte, zu verantworten. Zur Verhandlung, welche unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt fand, waren 31 Zeugen, meist Frauen und junge Mädchen, erschienen. Nach elfstündiger Verhandlung erfolgte gegen Dr. Planer und Anna Luise Klingbeil ein freisprechendes Urteil. — Montag gegen halb 3 Uhr nachmittags spielte sich ein aufregender Vorfall auf der Dürerstraße ab. Ein Hochzeitswagen bog von der Eliasstraße aus in den neugepflasterten Teil der Dürerstraße ein. Durch einen Bruch des Wagenbalifi ns lösten sich die Zugstränge der beiden Pferde, welche dadurch scheu wurden und mit dem Wagen und seinen Insassen die zum Glück wenig belebte Straße entlang jagten. Der Kutscher versuchte die rasenden Tiere zurückzuhalten — vergeblich. Da stürzte sich an der Elisenstraße ein Arbeiter dem rasenden Gefährt entgegen — einige herzstockende Augen blicke, und Mann und Pferde stürzten zu Boden. — Der Wagen stand still. Durch eine wunderbare Fügung entging jedoch der Mann dem Tode und anscheinend auch schweren Verletzungen. Ein Arbeiter nahm sich seiner an und führte ihn nach einer Hilfsstation. Befremdlich war es nur, daß die Insassen des Wagens kein Wort des Dankes oder der Teil nahme fanden. Wahrscheinlich hatte der Schreck sie gelähmt. Wollen wir hoffen, daß der toll kühne Retter auch mit dem Schreck davonkommt. — In seiner in der Altstadt gelegenen Wohnung entleibte sich Dienstag ein Gewerbe treibender durch Erhängen. — Nächsten Sonnabend, sowie Sonnabend den 19. Dezember wird der hauptsächlich der Arbeiterbeförderung dienende Personenzug mit tags 12 Uhr 25 Min. von Dresden-Friedrich stadt nach Dresden-Neustadt nicht abgelassen werden. An seiner Stelle kommt an beiden Tagen der an allen Werktagen, außer Sonn abends, verkehrende Personenzug abends 6 Uhr 29 Min. ab Dresden-Friedrichstadt, 6 Uhr 42 Min. in Dresden-Nenstadt zur Ab fertigung. — Ein Goldschatz im Werte von drei Millionen Mark lagerte am Dienstag vor mittag in einem Paketwagen auf dem Haupt bahnhof. Diese Riesensumme war im Schnell zuge von Hannover hier angekommen. Bis dorthin war das in 30 Kisten verpackte, von der Englischen Bank in London nach Aegypten versandte Gold von Bremerhaven über Geeste münde mit Extrazug befördert worden. Zwei Beamte der Dampfschiffahrtsgesellschaft Argo in Bremen bewachten den 1200 schweren Schatz in Goldmünzen und übergaben ihn heute der hiesigen Paketfahrt Philipp L Co. zur Ueberführung an die Reichspost. Mittags wurden die Goldkisten weiter befördert. Die Empfängerin ist eine größere Bankfirma in Aegypten. Weinböhla. Das hiesige Postamt wird zum 1. Januar 1901 in ein Postamt 2. Klaffe umgewandelt. Vom gleichen Zeitpunkte ab wird Herr Psstverwalter Bergmann nach Dresden versetzt Ponickau. Montag abend brannte hier die Scheune des Gutsbesitzers Zickler nieder. Der Besitzer war im Gasthofe, als der Brand entdeckt wurde. Die Scheune war nicht massiv und fand infolgedessen das Feuer sehr reiche Nahrung. Die gesamte Ernte ist ein Raub der Flammen geworden. Ortrand. Mit einem Motorzweirad ver unglückte am Sonntag unweit Elsterwerda ein Reisender aus Dresden. Er stürzte von seiner Maschine und brach sich einen Arm. Döbeln. In einer hiesigen Fabrik sind von einem dort beschäftigten Arbeiter umfang reiche Diebstähle verübt worden. Derselbe soll im Laufe dieses Jahres gegen 30 Zentner Metallabfälle aus der Fabrik mit fortgenommen haben, 15 Zentner allein seit Monat Septem ber. Nachdem es gelungen war, den Dieb zu überführen, wurde derselbe am Sonnabend ver haftet. Am Sonntag abend gegen 9 Uhr gelang es ihm auf wagehalsige Weise aus dem Polizeiarresthause auszubrechen. Er wuchtete die Eisenstäbe am Fenster aus und entfloh durch das Fenster. Da der Vorgang beobachtet wurde, konnte die Polizei alsbald den Ausreißer verfolgen und in seiner Wohnung von neuem verhaften. Frankenberg. Bei Ausführen eines dreijährigen Pferdes wurde in Garnsdorf der bei dem dortigen Gutsbesitzer Metzler bedienstete Pferdejunge Müller infolge Ausschlagens des Tieres so unglücklich an den Hinterkopf ge troffen, daß der Knabe nach wenigen Stunden verstarb. Freiberg. Hier soll eins Sektion Frei berg des deutsch - österreichischen Alpenvereins gegründet werden.' Penig. Bei den Stadtverordnetencuahlen wurden die vier sozialdemokratischen Kandidaten (zwei ansässige und zwei unansässige) giwählt. Die Sozialdemokraten haben nunmehr die Majorität im Kollegium. Penig ist derzeitig die einzige Stadt Sachsens, die sich „rühmen" kann, eine sozialdemokratische Mehrheit im Kollegium zu haben. Chemnitz. Die Handelskammer und der Rat zu Chemnitz haben die Kosten zur An fertigung von Plänen für eine Verbindung von Chemnitz mit der Elbe oder für den An schluß von Chemnitz an die geplante Wasser straße Leipzig —Riesa bewilligt. Die Pläne sollen dem Königlichen Ministerium überreicht werden. Zittau. Ein größeres Schadenfeuer ent stand hier Dienstag vormittag in der Waren niederlage des Kaufmanns Karl Schaffhirt in der inneren Weberstraße. Die in der Nieder lage befindlichen Waren sind vernichtet worden, wie auch der Laden durch das Feuer und die Löscharbeiten zerstört wurde. Leipzig. Das „Leipz. Tagebl." schreibt: Unter dem Verdachte, an der Ermordung des Trödlers Cohn beteiligt gewesen zu sein, ist gestern abend ein hiesiger Handwerker gefäng lich eingezogen worden. — Dienstag und Mittwoch tagten hier die deutschen Friedhofsbeamten, um dem „längst gefühlten Bedürfnis" die Begründung eines Verbandes zu entsprechen. — Die Bäcker-Innung hat die Forderung der Gehilfen auf Gewähr von 40 Psg pro Ueberstunde in der Zeit der Weihnachtsbäckerei mit dem Hinweise abgelehnt, daß die Pleister nicht die Verdienenden seien, wenn die Haus frauen in die Backstuben kämen. Hoffentlich geht die Sache ohne Streik ab; es wäre fürchterlich, wenn die Leipziger Hausfrauen auf ihre berühmten Christstollen verzichten müßten. — Die Maschinenfabrik Karl Krause, welche durch den großen Brand heimgesucht wurde, hat za. 250 unverheiratete Arbeiter entlassen müssen, bis in den ermieteten Räumen der Betrieb ausgenommen werden kann. Werdau. Die hiesigen Textilfabrikanten haben eine wegen der Crimmitschauer Vorgänge beabsichtigte Aussperrung der Werdauer Textil arbeiterschaft mit zirka 75 gegen 30 Stimmen abg lehnt. Crimmitschau. Der Ausschuß der Berliner Gewerkschaftskommission quittiert im „Vorwärts" über Berliner Beiträge in Summe von 5309,51 Mark für die ausständigen Weber in Crimmitschau. Bereits quittiert wurden 35,663,01 Mark. Die Gcsammtsumme der Berliner Beiträge macht daher 40,972,52 Mark aus. Crimmitschau. Während am ver gangenen Sonnabend Herr Kreishauptmann Dr. Forker-Schubauer hier weilte, um Kenntnis von dem Stand unserer Textilarbeiterbewegung und den hierzu getroffenen Maßnahmen zu nehmen, hatte am heutigen Vormittag Herr Geheimer Regierungsrat Dr. Seyfarth von der Amtshauptmannschaft Zwickau mit Herrn Bürgermeister Beckmann eine längere Beratung. Zwecks Information verweilte Dienstag auch Herr Geheimer Rat Merz aus dem Ministerium des Innern hierselbst. Planitz bei Zwickau. Der Kassierer der hiesigen Ortskrankenkaffe, Colditz, ist nach Unter schlagung von Kassengeldern flüchtig geworden. — Ueber die Defraudation des Kassierers der Planitzer Gemeindesparkaffe (nicht Orts krankenkasse) erfahren die „Dresdn. Nachr." noch folgendes: Colditz ist 29 Jahre alt und verheiratet, war seit drei Jahren im Amte. Colditz hatte sich bei einem Zwickauer Agenten des Norddeutschen Lloyd, dem er bekannt war, eine Ueberfahrtskarte nach New-Jork zu ver schaffen gesucht, angeblich für einen auswärts wohnenden Bekannten, dessen Adresse er dem Agenten angab. Auf das Ersuchen des Agenten an diesen Bekannten des Colditz, ihm die er forderlichen Ausweispapiere einzusenden, blieb er ohne Antwort. Dies kam ihm verdächtig vor und er machte sofort dem Planitzer Ge meindeamt Mitteilung von seiner Wahrnehmug. Er erfuhr dort, daß Colditz am Tage vorher, am Sonnabend, Urlaub genommen habe, unter dem Vorgeben, er wolle seine schwerkranke Mutter in Stollberg besuchen. Der durch die Mitteilung des Agenten überraschte Gemeinde- oorstand stellte sofort eine Untersuchung an, die zu dem betrübenden Ergebnisse führte, daß Colditz einen erheblichen Teil des Vermögens der Sparkaffe im Betrag von 28—30000 Mk-, der bei Zwickauer Banken deponiert war, ab gehoben hatte. Ob Colbitz noch andere Beträge veruntreut hat, muß erst noch festgestellt werden. Ec hatte bei der Sparkaffe eine Kaution von 2000 Mark hinterlegt, die natürlich verfallen ist. Es sind sofort die umfassendsten Maß nahmen getroffen worden, um ein Entkommen des Flüchtigen, der sich wahrscheinlich nach einer Hafenstadt gewandt hat, zu verhindern. Es ist bereits ein Steckbrief hinter ihm erlassen worden. Annaberg. Die Kabellegung zwischen Annaberg und Buchholz zur Verschmelzung der beiden Fernsprechämter, sowie die damit in Verbindung stehende Anbringung von Doppel leitungen an den Hausanschlüffen werden so emsig fortgeführt, daß gegen Beginn des nächsten Jahres die Fernsprechzentrale Annaberg in Betrieb genommen werden kann. Das Reichs postamt ist auf diese Neuerung unter Auf bietung großer Kosten zurückgekommen, zu denen die Stadt Annaberg gegen 25000 Mark zu steuerte, nachdem ein Angebot der Stadt Buchholz einen Bauplatz an den beiden Flurgrenzen kostenlos für einen Neubau zur Verfügung zu stellen, sich aus betriebstechnischen Gründen nicht hat realisieren lassen. Wallen grün. Der Straßenräuber, der in der Nacht zum Donnerstag den Gutsbesitzer Schreck von hier im sogenannten „Fuchsdick" überfallen und beraubt hat, ist, wie der „Grenz bote" mitteilt, verhaftet worden. Die Ver letzungen, die Herrn Schreck beigebracht wurden, sind schwerer Art. Tiefe Wunden am Auge und Mund, sowie der Bruch des Nasenbeins und ein nahezu abgerissenes Ohr zeigen, daß der Räuber unbarmherzig auf sein Opfer ein geschlagen hat- Plauen i. V. Seinen Tod hat der am Donnerstag verstorbene Regierungsbaumeister Johannes Scheele hier vorausgesehen. Er fragte am Donnerstag früh vor 7 Uhr einen ihn besuchenden Freund, ob es schon 7 Uhr sei. Die Antwort lautete, es sei erst ^/,7 Uhr. Darauf sagte Scheele: „Um 7 Uhr bin ich tot!" Fünf Minuten vor 7 Uhr schloß der Kranke seine Augen für immer. Reuth i. V. Zwei Schulkinder von hier, die Mittwoch abend nicht nach Hause kamen, wurden gestern am nahen Schneeberge erfroren aufgefunden.