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Die „Vttcndorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Rloritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »on Inseraten bis vormittag za Uhr. Inserate werden mit >o Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 76. Freitag, den 26. Juni 1903. 2. Jahrgang. Oertliches nnd Sächsisches. Dttendorf-Vkrilla, 25. Juni 1903. — Daö Kultusministerium hat verordnet, daß die Micha eliöferien an den sächsischen Gymnasien und Realgymnasien in diesem Jahre um acht Tage später wie sonst, und zwar vom 2. Oktober vormittags II Uhr, bis Montag den 12. Oktober, ausschließlich, siatlfinden. Bestimmend hierfür ist ein Gesuch des Präsidiums der 47. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner gewesen, die vom 6 bis 10. Ok tober d. I- in Halle abgehalten werden soll. Möglichst zahlreichen sächsischen Lehrern soll Gelegenheit gegeben werden, an dieser Ver sammlung. die nicht nur Altphilologen, sondern auch den Vertretern anderer Fächer von Interesse und Wert ist, teilzunehmen. Aus gleichem An laß hat auch das Schulkollegium der Provinz Brandenburg die Michaelisferien an Gymnasien und Realgymnasien verlegt. — Die Gerichtsferien beginnen am 15. Juli und endigen am 15. September. Während dieser Zeit werden nur in Ferien- sachcn Termine abgehalten und Entscheidungen erlassen. Feriensachen sind: 1) Strafsachen, 2) Arrestsachen und die eine einstweilige Ver fügung betreffenden Sachen, 3) Meg- und Marklsachen, 4) Streitigkeiten zwischen Ver mietern und Mietern von Wohnungs- und anderen Räumen wegen Überlassung, Benutzung Und Räumung derselben, sowie wegen Zurück haltung der vom Mieter in die Mieträume eingebrachten Sachen, 5) Wechselsachen, 6) Bau sachen, wenn über Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird. Das Gericht kann auf Antrag auch andere Sachen als Feriensachen bezeichnen. Die gleiche Befugnis hat, vor behältlich der Entscheidung des Gerichts, der Vorsitzende. Zur Erledigung der Feriensachen können bei den Landgerichten Ferienkammern, bei den Oberlandcsgerichten und dem Reichs gerichte Feriensenate gebildet werden. Auf das Mahnverfahren, das Zwangsvollstreckungs- Verfahren und das Konkursverfahren sind die Ferien ohne Einfluß. Durch die GerichtSfcrien Wird der Lauf einer Frist gehemmt, der noch übrige Teil der Frist beginnt mit dem Ende der Ferien zu laufen. Fällt der Anfang der Frist in die Ferien, so beginnt der Lauf der Frist mit dem Ende derselben. Diese Be stimmungen finden auf Notfristen und Fristen in Feriensachen keine Anwendung. Notfristen sind nur diejenigen Fristen, die von dem Ge setze als solche bezeichnet werden. Diese Aus führungen gründen sich auf Z 201 des Gerichts- verfassungsgesetzcü vom 27. Januar 1877 und 8 201 der Zivilprozeßordnung. Wer daher noch einen rechtskräftigen Titel vor den Ferien erlangen will, mag sich mit Einreichung der Klage beeilen, noch ist cö Zeit, um den Schuldnern nicht zwei Monate unfreiwillige Frist gestatten zu müssen. Bei den Amts gerichten von größerem Umfange empfiehlt cs sich, mit Erreichung der Klage die Bitte um Verhandlung der Sache noch vor den Ferien ju verbinden. — Zur Warnung kann folgender Fall dienen, über den ein Leser des „Frankenberger Tageblattes" berichtet: Von den verschiedensten Seiten wird mitgeteilt, daß von Oesterreich aus Mit But'.er ein großer Schwindel betrieben würde. Auf eine Anzeig, worin von M. A. Koller, Buczaez Nr. 8. über Breslau „frische ff. Grasbulter", 6 Pfund für 3,60 M. fracht frei, angeboren wurde, ließ sich der oben Er wähnte eine Probesendung kommen. Zunächst erhielt er von dem Exporthaus M. A. Koller in Buczaez (Oesterreich) eine mit der Schreib maschine hergestellte Postkarte, wonach infolge großer Bestellungen die Butter erst in einigen Wochcn geliefert werden könne. Endlich kam ein Kistchen, wofür 4,60 M-, d. h. also eine Mark mehr als offeriert, gezahlt werden mußten. Beim Nachwiegen stellte es sich heraus, daß das Bruttogewicht einschließlich Kiste 5*/, Pfund betrug. Die Kiste wog rund M/? Pfund, so daß knapp 4 Pfund statt der offerierten 6 Pfund Butter gesandt worden waren. Eine sofort an gestellte Probe ergab, daß die offerierte „frische und schmackhafte Kuh-Graöbutter" aus alter, total ranziger und versalzener Butter bestand, die anscheinend mit Margarine gemischt war. Nicht einmal zum Kochen war diese Butter zu verwenden. Da dieser Schwindel andauernd mit großem Erfolg in Szene gesetzt wird, so ei hiermit darauf hingewiesen. — Die „Germania" meldet aus Rom: Der bekannte, um die katholische Sache in Sachsen verdiente Großindustrielle Anton Lehrer in Zittau wurde am Montag vom Papst zum erblichen Freiherrn ernannt. Dresden. Der Töpferstreik ist noch immer nicht beendet und es hat von den Streikenden noch keiner die Arbeit wieder ausgenommen. Die Leipziger Ofensetzer haben sich mit ihren Dresdner Kollegen solidarisch erklärt. Der Stand der Lohnbewegung ist folgender: Bei Ausbruch des Streiks arbeiteten in 83 Be trieben 381 Ofensetzer (306 verheiratete und 75 ledige). Die Zahl der Kinder der Streiken den beträgt 472. Insgesamt arbeiteten zu Beginn der vorigen Woche in den gesperrten Betrieben 33 Verheiratete und 15 ledige. Aus Leipzig sind hier einige Ofensetzer in Arbeit getreten. Die Streikenden bekundeten in ihren Versammlungen den festen Willen, den Kampf fortzusetzen. — In der Lößnitz-Straße in Neustadt, so wie in der Mosen-Straße in Vorstadt Striesen versuchten streikende Ofensetzer Arbeitswillige zu bestimmen, sich dem Ofensetzerstreik anzuschlicßen Die Polizei mußte diese Straßen vorübergehend sperren und gegen einzelne Streikende einschreiten. Nach dem neuesten Berichte der Streikkommission sind jetzt 364 Mann in den Ausstand einge treten, von den bis jetzt 120 Mann in aus wärtigen Orten Arbeit erhielten. Bei hiesigen Unternehmern arbeiten etwa 40 Arbeitswillige- — Die Untersuchung gegen den des Raub mordes an dem 16 jährigen Maurerlehrling Fritz Schubarth in Plauen verdächtigen Kutscher Grellmann uuS Coschütz hat so belastende Mo mente zu tage gefördert, daß dieser trotz siines Leugnens als der abscheulichen Bluttat für überführt erachtet werden kann. Am Tage des Verbrechens, Sonnabend den 13. Juni, hat sich Grellmann, der früher bei der Bauficma Ge brüder Fichtner in Stellung gewesen ist, von seinem letzten Brotherrn Kleinert in der Zentral ziegelei mit dem Vorgeben Urlaub erteilen lassen, daß er in Dresden bei einer Versicherungs anstalt wichtige Verrichtungen zu erledigen habe. In Wirklichkeit ist aber nachgewiesenermahen Grellmann garnicht hierher gekommen, sondern hat sich stundenlang vormittags vor dem Kontor der Fichtnerschen Baufirma aufgehalten, um den Lehrling Schubarth, der ihm bekannt war und von dem er wußte, daß er Sonnabends Geld zu Lohnauszahlungen nach den Bauten zu bringen habe, abzupaffen. Ferner behauptet Grellmann, der dem Schubarth ganz zufällig begegnet sein will, mit diesem nur bis zum Königlichen Seminar in Pluuen gegangen zu sein. Durch glaubwürdige Zeugen wird aber bestimmt versichert, daß sie Grellmann und Schubarth noch kurz vor der Mordstelle nahe dem Wißeritzwehre zusammen gesehen haben. Schließlich wird von dem letzten Arbeitgeber Grellmanns ein Strick vermißt, der wohl identisch sein dürfte mit demjenigen, welcher bei Auffindung der Leiche um deren Hals und Leib geschlungen war. Grellmann ist ver heiratet und nicht arm. — Ans dem dritten Stockwerk eines Hauses in der Augsburger Straße ist am Sonntag früh in der sechsten Stunde ein 5 Jahre alter Knabe, der allein in der Wohnung anwesend war, durch ein Fenster auf die Dachrinne ge klettert und in den Garten gestürzt. Das Kind wurde in das Johannstädter Krankenhaus ge bracht. — Am Dienstag abend gegen 11 Uhr wurde ein Fahrrad gestohlen, welches ein Herr auf kurze Zeit geschloffen an den Eingang des Restaurants Ecke Pillnitzer- und Pestalozzi- Straße gestellt hatte. Der Dieb wurde be obachtet, wie er das Rad forttrug, konnte aber von dem höchst bestürzten Eigentümer, welcher nur kurze Zeit in genannter Restauration ver weilt hatte, nicht mehr ermittelt werden. Dresden. Der wegen Verdachts der Majestätsbeleidigung verhaftete Redakteur der „Dresdner Rundschau", Wilhelm Peters, früher in Görlitz, befindet sich noch in Untersuchungs haft. Ec kann jedoch gegen Hinterlegung einer Kaution von 10 000 Mark aus der Haft ent lassen werden. Diese recht erhebliche Summe ist jedoch noch nicht herbeigeschafft worden. — Gegen den Verleger und Herausgeber des eben- älls in Dresden erscheinenden „Beobachter", Albin Riffe in Dresden-Neustadt, war vor einiger Zeit Anklage wegen Beleidigung der Prinzessin Mathilde erhoben worden. Die Be leidigung wurde erblickt in einem Gedichte, das die Überschrift „Mathilde hat den Muff ver loren" trug. Jetzt ist auf Veranlassung der Prinzessin Mathilde das Strafverfahren gegen Risse eingestellt und der Strafantrag zurück gezogen worden. Wahnsdorf bei Reichenberg- Am vorigen Sonntag nachmittag wurde auf dem nun König- Albert-Platz genannten, mit Gartenanlagen ge schmückten Dorfplatze die Einweihung des von einem langjährigen Bewohner unserer Gemeinde, Herrn Hofsekretär Vogel, gestifteten und der Gemeinde geschenkten König-Albert-Denkmals vorgenommen. Radeburg. Dienstag früh erhängte sich der 70 Jahre alte Handarbeiter Gottlob Tr. von hier in dem rechts von der Meißner Straße gelegenen Walde. Das Motiv zu diesem Schritt ist nicht bekannt. Königsbrück. Das seit vorigem Freitag zur Abhaltung von Übungen hier weilende zweite Bataillon des Infanterieregiments Nr. 177 wurde gestern nach Dresden befördert. Hierzu diente ein Sonderzug, der gegen 4 Uhr 45 Minuten auf dem Neustädter Bahnhofe anlangte. Bühlau. Die auf dem Huscherschen Grnppen- WohnhauSneubau streikenden Maurer und Ar beiter haben Montag mittag die Arbeit wieder begonnen, nachdem den Arbeitern eine Lohn erhöhung bewilligt worden war. Weinböhla. Am Freitag wurde hier von einem 15 Jahre alten Maurerlehrling ein Sitt- lichkeitsverbrechen an einem fünfjährigen Mädchen verübt. Der Täter, der geständig ist, wurde verhaftet. Ortrand. Zwei Maurer aus Bockwitz unternahmen eine Radwettfahrt von dort nach Dresden. Einer derselbe erlitt in der Nähe von Radeburg einen Schwindelanfall; er mußte die Tour aufgeben und ärztliche Hilfe in Rade burg aufsuchen. Der andere erreichte sein Ziel in 1 Stunde 50 Minuten. Ortrand. Falsches Geld hat man dieser Tage hier mehrfach bemerkt. Hauptsächlich waren es Ein- und Zweimarkstücke; sie tragen die Jahreszahl 1901 und unterscheiden sich von echtem Gelds durch ihren Klang und ihr mattes Aussehen. Königstein. Einem alten schönen Brauch getreu vereinigten sich am Sonntag zahlreiche Bergsteiger und Bergsteigerinnen aus Dresden und Pirna nach Beendigung ihrer Kletterturen auf dem stolzen Felsenhaupte des Liliensteins, wo der Oesterreichische Turistenklub seine Sonnenwendfeier abhielt. Heiteres Treiben entwickelte sich gar bald im Kreise der allezeit lustigen Vergfahrergilde und in den Abend stunden loderten die mächtigen Flammen der Johannisfeuer von der einsamen Felsenwarte ins dunkle Elbtal hinab. Leipzig. Seit einigen Tagen ist der Buch händler Arthur Schneider, Inhaber der Firma „Leipziger Veüagöhandlung", Johannisallee 4, spurlos verschwunden. Große geschäftliche Un ¬ regelmäßigkeiten liegen vor. Die Kleider des Flüchtigen sollen bei Wittenberg an der Elbe gefunden worden sein. Erörterungen sind im Gange. — Der flüchtig gewordene Verlags ruchhändler Arthur Schneider hat Wechsel- älschungen in Höhe von über 50000 Mark ausgefühlt. Ob er wirklich den Tod in der Elbe gesucht und gefunden hat, steht noch da hin; vielleicht sollte die Ablegung der Kleider am Elbufer beim Eilenburger Brückenkopf die behördlichen Maßnahmen nur irritieren. Leipzig. Der 58 Jahre alte Nachtfeuer mann Kutter wurde auf dem Dresdner Bahn- ;ofe vor dem Heizhause von einer Maschine er faßt und überfahren. Er erlitt außer anderen mehrfachen Verletzungen einen Wirbelbruch, der einen Tod herbeiführte. Sachsenburg. Manche Kinder können be kanntlich nicht d.r Begierde widerstehen, noch unreife Früchte zu verzehren. So wurden am Mittwoch hier nach dem Genüsse unreifen Obstes die beiden Kinder des Slraßcnarbeiters Meier — ein Mädchen im 5. und ein Knabe im 4. Lebensjahre — von Brechdurchfall befallen und nach wenigen Stunden qualvollen Leidens waren beide Kinder eine Beute des Todes. Eibenstock. Zwei um das Gemeinwohl verdiente Bürger hiesiger Stadt, die Herren Kaufleute Hertel und Ludwig, haben mit rück sicht auf die Parteileidenschaft der sozialistischen Arbeiter bei der Reichstagswahl erklärt, daß sie das Vorsteheramt in hiesigen Krankenkassen nicht mehr verwalten werden. Herr Hertel hat die Ortskrankenkasse für die Textilindustrie seit fast 18 Jahren geleitet. Waldenburg. Der Ausstand der Hand schuhwirker ist Ende voriger Woche beigelegt worden. Man einigte sich, vorläufig um 10 Pfennige unter dem Tarif zu arbeiten. So bald der Geschäftsgang aber ein besserer werden wird, soll nichts versäumt werden, dem Lohn- tarif volle Geltung zu verschaffen. Meerane. Am vergangenen Sonnabend explodierte im benachbarten Waldsachsen auf unerklärliche Weise in der Wohnstube des Kleider reinigers Klotzsche ein Btechgefäß mit Benzin, in welchem ein Kleid zur Reinigung lag. Klotzsche und dessen Ehefrau erlitten an Armen und Beinen sowie auch im Gesicht Brand wunden, die bei der Frau derart schwer sind, daß sie ins hiesige Krankenhaus gebracht werden mußte. Erlbach i. V. Am Sonntag fand hier eine außerordentliche Hauptversammlung des Verbandes vogtländischer Gewerbevereine statt. An die Königliche Generaldirektion der sächs- Staatseisenbahnen beschloß man Petitionen ab zusenden zur Herbeiführung besserer ZugSverbind- ungen auf der Linie Plauen-Eger, auf der Hauptlinie Reichenbach-Plauen-Eger, zwischen Leipzig und dem Vogtland usw. Sodann soll auf der am 5. und 6. Juli in Dresden statt- findenden Hauptversammlung des Deutschen Bundes für Handel und Gewerbe eingetreten werden für Bekämpfung des sogenannten Doppel- rcchnungsschwindels und für eine Reform der Gewerbegesetzgebung und Gewerbegerichte. Auch sprach man sich kräftig gegen das jetzige sächsische Landtagswahlrecht auS- Die nächste ordentliche Hauptversammlung des Verbandes vogtländischer Gewerbevereine findet im Sep tember in Klingenthal statt. Lengenfeld i- V- Zwischen Waldkirchen und Lengenfeld wurde Anfang voriger Woche ein auf einem Felde am Waldrande Futter schneidendes 15 jähriges Mädchen von einem Insekt in die Wade gestochen. Die anfangs unbedeutend erscheinende Verletzung artete in eine gefährliche Blutvergiftung aus, der das Mädchen am Sonnabend unter großen Schmerzen erlag. Plauen i. V. Der hiesige Tischlerstreit währt nunmehr die achte Woche und noch immer ist keine Aussicht auf Einigung vorhanden.