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Ottendorfer Zeitung. Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag io Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 81. Mittwoch- den 8. Juli 1903. 2. Jahrgang. Bekanntmachung. Zwecks Aufstellung des Lesehosiverjejchnisses 1903/4 wird den Interessenten anheim ge geben, bis 11. Ault 1903 sich in der Registratur des hiesigen Gemeindeamtes persönlich zu Melden. Später eingehende Meldungen bleiben unberücksichtigt. Ottendorf-Moritzdorf, am 29. Juni. 1903. Der Gemeinckevorltanck. Lincke. Oertliches und Sächsisches. Ottendorf-Okrilla, 7. Juli 1903. Am vergangenen Sonnabend beging, wie schon in vorletzter Nummer erwähnt, Herr Fabrikbesitzer Julius Werthschütz in Cunners dorf das Fest seines 25jährigen Ehe- und Ge schäftsjubiläums. In aller Morgenfrühe brachte dem Jubelpaar der Männergesangverein Cunners dorf unter Leitung des Herrn Lehrer Franke ein Ständchen dar. Im Laufe des Vormittags stellten sich vom Fabrikpersonal, der Feuerwehr und den Gesangverein Deputationen ein, welche das Jubelpaar durch Darbringung der Glück wünsche und Überreichung wertvoller Geschenke erfreute. Am Spätnachmittag brachten dem Jubelpaar die Lausaer Lehrerschaft sowie die Radeburger Stadtkapelle ein Ständchen dar. Eine am Abend im GastWf zu Cunnersdorf veranstaltete größere Festlichkeit für sein Fabrik personal, bestehend in Tafel mit darauffolgenden Ball beschloß den Ehrentag in fröhlichster Stimmung. Möge es aber dem Jubelpaar vergönnt sein, in geistiger wie körperlicher Frische auch das goldene Doppeljubiläum zu begehen. — Das Freiberger Jägerbatarllon Nr. 12 passierte gestern auf der Fahrt nach Königsbrück, woselbst es größere Übungen abhallen wird, unseren Ort. — „Sankt Kilian stellt die Schnitter an", sogt der VolkSmund. Der nach dem heiligen Kilian, dem Apostel der Franken benannte Tag fällt auf den 8. Juli. Er bezeichnet ungefähr den Zeitpunkt, mit dem in Deutschlanb die Roggenernte beginnt. Während viele Städter ihren Behausungen entfliehen und aufs Lund, ins Gebirge, an die See fahren, haben die Landleule harte Arbeit Mehrere Wochen hin durch muß die Sense geschwungen werden, mag die Sonne so heiß brennen wie sie will. — Zur Vorbeugung gegen den Hitzschlag wende man öftere kalte Kopfwaschungen an, die das Blut zurückdrängen, und vermeide hitzige, schwere Getränke. Hat man lange Wanderungen, so ist es gut, sich mit einer Zi trone zu versehen. Einige Tropfen nur auf die Zunge geträufelt, genügen zur Belebung der von der Hitze erschlafften Lebensgeister und jur Beseitigung der Gefahr des Hltzschlages. Zitronensaft ist überhaupt in jeder Art der An wendung das Erfrischendste und Belebendste in der heißen Zeit. — Pflücket die Rose, eh' sie verblüht I singt Man nicht mit Unrecht, denn dadurch, daß man die Rosen bis zum Verblühen am Stock läßt, entzieht man dem Stock unrichtigerweise viel Kraft. Jemehr man dem Stock Rosen ent nimmt, desto schöner entwickeln sich die folgen den Blüten. — Bei Pilzvergiftungen läßt sich durch schnelle Gegenmaßregeln fast unfehlbar ein schlimmer Ausgang abwenden. Symptome der Vergiftung sind, so ist in den „Leipz. N. Nachr." zu lesen: Heftige Leib- und Magenschmerzen, unlöschbarer Durst, Erbrechen, Durchfall, Mattig keit, Schwindel, später Zuckungen, Bewußtlosig keit, selbst Starrkrampf. Manchmal fehlt das Erbrechen und ist selbst durch Brechmittel schwer hervorzurufen. Diese Symptome treten 1 bis 2 Stunden nach der Vergiftung auf und können schon nach 8 bis 10 Stunden zum Tode führen, manchmal tritt dieses Schlimmste auch erst nach 2 bis L Tagen ein. In günstig ver laufenen Fällen zieht sich die Genesung mehrere Tage, in ungünstigeren Wochen und selbst Mo nate hin. Selbstverständlich muß sofort ärzt- iche Hufe jn Anspruch genommen werden. Inzwischen aber flöße man dem Kranken ein Brechmittel ein (Brechweinstein 10—20 Zenti gramm auf 100 Gramm Wasser, alle 10 Minuten einen Eßlöffel voll). Ist kein Brech mittel zur Hand, gebe man ein Abführmittel (am besten nach Hufemann 30 Gramm Rizinusöl mit einem Tropfen Crotinöl, stündlich einen Eßlöffel voll). Tritt Mattigkeit oder Bewußt losigkeit ein, verabreiche man Wein, Rum oder Kognak. Am giftigsten ist der Fliegenpilz, der jedoch, infolge seines charakteristischen Äußeren, wohl kaum zu Verwechslungen Anlaß giebt. Im allgemeinen sind Todesfälle infolge von Pilzvergiftungen selten. Immerhin ist aber natürlich Vorsicht stets am Platze. — Die Obsternte in Böhmen verspricht in diesem Jahre außerordentlich ertragreich zu werden und es werden bereits jetzt große Vor bereitungen zum Massenexport nach Deutschland, besonders nach Berlin, gelroffen. Bei einer Fahrt auf der Elbe zwischen Leitmeritz und Bodenbach erblickt man auf jeder Schiffswerft einige fertige oder noch im Bau begriffene Obslzillen, die, da sie die Saale und Havel hinauffahren, sehr flach gebaut sind und an Raumgehalt den üblichen Elbzillen nachstehen. Der Hauptumschlagsplatz für Obst ist Aussig, wo sich am Elbkai zur Zeit der Ernte ein höchst interessantes Leben entwickelt. Voraus setzung der Schiffstransporte ist freilich ein besserer Wasserstand. Zur Zeit hat der Elb- spiegel ein Niveau erreicht, bei dem die Schiff fahrt nur mit Mühe aufrecht erhallen werden kann. Wenn nickt bald ergiebiger Regen ein- lritt, müssen die größeren Schiffe, die jetzt nur mühsam vorwärts kommen, den Verkehr ein stellen. Besonders unangenehm ist das niedrige Wasser für die Personendampfer, die nicht mehr mit voller Kraft fahren können. Das Fahr wasser hat stellenweise nur noch 80 Zentimeter, im Durchschnitt 120 Zentimeter Tiefe. Langeb rück. Die Gruppe Radeberg vom Sächsischen Eldgau-Sängerbunde beging am Sonntag ihr diesjähriges Gruppenfest hierselbst. Nach dem Empfange der fremden Vereine aus Radeberg (4), Pulsnitz (3) und Bretnig, Groß röhrsdorf, Klotzsche (je 1) fand im Gasthofe von Häse unter Leitung des Gruppendirigenten Herrn Oberlehrer Lübeck-Radeberg die Haupt probe der Massenchöre statt. Nach 3 Uhr durch zogen die 300 Sänger nn Festzuge den reich geschmückten Ort und um 4 Uhr begann im neuen Kurhause das Konzert, welches wohl- gelungene Massenchöre von Silcher» Julius Otto, Abt und anderen ohne und mit Occhester- begleitung (Radeberger Stadtkapelle) und treff liche Einzelgesänge bot. An das Konzert schloß sich Kommers und Ball. Dresden. Das erste Bataillon des hiesigen Schützenregiments Nr. 108 kehrte am Sonn abend nach beendeten Übungen von Königsbrück wieder nach seiner Garnison zurück. — Der Doppelmörder Speck von hier ist in Altona hmgerichtet worden. Speck tötete am 11. Juni v. I. den Kriminalgendarmen Marcus durch drei Reoolverschüsse, als ihn dieser wegen des von ihm an einer Frau in Altona be gangenen Raubmordes in einer Hausflur des Bischofsweges verhaften wollte. Ec wurde wegen Totschlages, begangen am Gendarmen Marcus, vom hiesigen Schwurgericht am 26. November v. I. zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, jedoch, da der Altonaer Raubmord noch nicht verhandelt worden war, an das dortige Landgericht übergeführt, wo das Todes urteil gegen ihn ausgesprochen und vollzogen wurde. Weißer Hirsch. Um recht schnell zu den militärischen Übungen nach Königsbrück zu kommen, benutzte Se. Königliche Hoheit Prinz Johann Georg sechs Tage lang das Beckesche Automobil. Tie Fahrten dauerten von der hiesigen Sommerwohnung ab bis an den Königs brücker Militärplatz 58 Minuten. Radeberg. Der Fabrikarbeiter frühere Schlosser Ewald Georg Hübner wurde wegen Brandstiftung und Gefährdung eines Eisenbahn transports dem Wahrspruche der Geschworenen gemäß zu 14 Jahren Zuchthaus, 10jährigen Ehrenrechtsverlust und Zulässigkeit der Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt. Königsbrück. Das König!. 13. Infanterie- Regiment Nr. 178 hätt in der Zeit vom 14. bis mit 20. Juli täglich von früh 6 Uhr bis abends 6 Uhr auf hiesigem Gefechtsschießplatze Schießen in größeren Abteilungen ab. Großenhain. Eine giftige Flüssigkeit muß in den letzten Tagen hier wieder einmal in die Röder gelaffen worden sein. Unzählige tote Fische schwammen in der Röder, wodurch den Fischpächtern schwerer Schaoen zugefügt worden ist. Die toten Tiere waren zum Teil von be trächtlicher Größe. Wo die die Fische ver nichtende Flüssigkeit herrührt, ist unbekannt. — Am Freitag abend hatte sich ein Ein brecher die im Männerfreibade stehende Bitte des Bademeisters Frobenius als Einbruchsobjekt ausersehen. Der Einbrecher wurde ermittelt; doch entzog er sich seiner Festnahme. Sein Name ist bekannt, sodaß er seiner Strafe nicht entgehen dürfte. Die Beute, die er gemacht hat, ist nur gering: hauptsächlich hatte er es wohl auf die in der Bude befindlichen Eß waren abgesehen. — Jn Tiefe Trauer wurde die Familie T. in Zschieschen versetzt. Der einzige 22jährige Sohn der Familie ließ sich Sonnabend abend von dem Zuge 10 Uhr 30 Minuten zwischen Priestewitz und Medessen überfahren. Völlig zermalmt wurde derselbe aufgefunden. Seine Person konnte nur durch die Legitimalions- papiere festgestellt werden. Was den bedauerns werten jungen Mann in den Tod getrieben hat, ist unbekannl. Zeithain. Am Freitag entstand während des Schießens auf dem hiesigen Truppenübungs platz an den Zielen ein Brand, dem eine große Grasfläche und mehrere Ziele zum Opfer fielen. Deshalb wurde r/,10 Uhr das Schießen ab gebrochen und Soldaten wurden zum Dämpfen oes Feuers kommandiert. Bei der großen Dürre hatte die Wachmannschaft den ganzen Tag zu tun, um die immer wieder aufflackern den Flammen zu ersticken. Elsterwerda. Zum Schweinemarkte am Donnerstag waren ca. 500 Stück Ferkel und 25 Läufer angefahren; die ersteren wurden mit 12—18 M. pro Paar, die letzteren das Stück mit 25—35 M. bezahlt. Das Geschäft ging schlecht. — Seit Donnerstag sieht man aus hiesiger Feldflur bereits Korn in Puppen stehen. Dieser selten zeitige Roggenschnitt ist eine Folge der anhaltenden Hitze und Trockenheit. Mühlberg a. d. E. Diese Woche wird hier mit dem Roggenschnitt allgemein begonnen. Die Hackfrüchte stehen ganz welk da. Die Heu ernte ist beendet, der Ertrag war kein be friedigender. Meißen. Der Pfarrer an der hiesigen katholischen Kirche, Franz Zichornack, ist am 1. Juli in gleicher Eigenschaft nach Radeberg versetzt worden. Das hiesige Pfarramt wird einstweilen vom Kaplan Sarenk verwaltet. Löbau. Eine Gasexplosion richtete am Freitag abend in der elften Stunde im Keller des Restaurants „Zur Tonhalle" großen Schaden an, Starke Mauern, Türen und Fensterscheiben wurden zertrümmert. Die Explosion entstand, als der Besitzer Herr Schreiber den Keller mit Licht betrat. Schreiber erlitt schwere Verletz ungen. Geithain. Der 8jährige Sohn des Guts- besitzers Emil Beyer in Niedergräfenhain ver griff sich am Montag in der Küche am Teschin seines Vaters, welches dieser in der Absicht, nach Staren zu schießen, mit Schrot geladen hatte. Plötzlich entlud sich die Waffe und die Schrotladnng drang der in der Küche beschäf tigten Mutter des Knaben in den Hals. Die schwer verletzte Frau mußte sofort in ein Kranken haus nach Leipzig übergeführt werden. Langenhessen. Baumeister Dämmrich hier ist unter Hinterlassung von Wechselschulden in Höhe von 170 000 Mk. flüchtig geworden. Viele Privatleute sind schwer geschädigt. Von dem Flüchtigen hat man keine Spur. Chemnitz, Der seit Mitte vorigen Monats von Oberwiesenthal verschwundene Reisende Leopold Hörder aus Großheringen in Thüringen ist den „Chemn. N. Nachr." zufolge am Sonn lage auf dem Fichielberge inmitten des Walde» als Leiche aufgefunden worden. Anscheinend liegt Raubmord vor. Meerane. Die kaum glaubliche Nachricht der Wachtmeister unserer Polizei habe Selbst mord begangen, durchschwirrte am Sonntag vormittag unsere Stadt. Das Gerücht fand am Nachmittag seine Bestätigung, indem aus Klingenthal die Nachricht eingmg, daß dortselbst Herr Wachtmeister Ernst Rietzschel, früher Feld webel beim Zwickauer Infanterie-Regiment, Selbstmord begangen habe. Rietzschel, der seit 1896 in Meerane als Polizeiwachtmeister tätig ist, hat diesen bedauerlichen Schritt wegen ehe licher Zwistigkeiten begangen. Er hinterläßt eine Frau und ein 12jähriges Mädchen. Meerane. Der hiesige Rechtsanwalt HanS Otto Leonhardt, der aus der Anwaltsliste beim Königlichen Landgerichte in Zwickau gestrichen wurde, ist auch in der Anwatlsliste der Königl. Amtsgerichte Meerane und Glauchau gestrichen worden. Rentzschmühle i- V. Das Fischsterben in der Elster hat an Umfang bedeutend zugenommen. Von dem gewaltigen Fifchsterben kann man sich einen Begriff machen, wenn man an der Elster von der Rentzschmühle bis Elsterberg entlang geht. Zentnerweise bedecken die abgestorbenen Fische, darunter solche von vier, fünf und noch mehr Pfund, die dortigen Wehre und den Fluß selbst. Die verwesenden Fische verbreiten einen sehr schlechten Geruch, unter dem die An wohner empfindlich zu leiden haben. Plauen i. V. Der Kopist Leonhardt, der den Betrag einer Reisesparkaffe verschiedener hiesiger Ratsbeamten unterschlagen hatte und dann flüchtig geworden war, ist am Donners tag hier in der elterlichen Wohnung festgenommen worden. Er war auf seiner Flucht bis Zwickau gekommen, infolge mangels an Barmitteln zog er es aber vor, wieder zurückzukehren. Plauen i. V. Weil er bei der General musterung am Sonnabend wiederum zurück gestellt und zum Landsturm ausgehoben wurde, erschoß sich mittels Revolvers der 22jährige Sohn des Fabrikanten Naumann hier. Der Bedauernswerte litt an Krämpfen. Plauen i. V- Jn einer von über tausend Maurern (über 1000 mußten wegen Platz mangels wieder gehen) besuchten Streikoersamm lung wurde beschlossen, die am Freitag mit geleilte Aufforderung der Arbeitgeber, am Mon tag die Arbeit wieder aufzunehmen, abzulehnen und den Kampf bis aufs äußerste durchzuführen. Es wurde ausgeführt, daß man eine Aussperr ung sämtlicher Arbeiter nicht befürchte, da die Arbeitgeber dann die aus dieser Aussperrung entstehenden Folgen zu tragen haben und zu Zugeständnissen gezwungen werden würden. Die nicht reichsdeutschen Maurer, die sich Über schreitungen zu schulden kommen lassen, werden aus Sachsen ausgewiesen. Gestern sand die erste Zahlung einer Streikunterstützung statt. Jedenfalls wird gestern die Aussperrung sämt licher Arbeiter erfolgt sein. Auch am Freitag abend sind mehrere Ausschreitungen in den Straßen vorgekommen. Unter anderem haben mehrere versucht, eine Zimmerbude in Brand zu stecken, den Streikenden gelang es, zu entkommen.