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Die „VttenLorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »an Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit io Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 74. Sonntag, den 21. Juni 1903. 2. Jahrgang. Orrtliches und Sächsisches. Dttendorf-Vkrilla, 20. Juni 1903. — Der Bezirksausschuß der königlichen Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt hielt gestern unter dem Vorsitze des Herrn Amts- hauptmanns Geheimen Regierungsrates von Craushaar eine Sitzung ab. In derselben er teilte der Bezirksausschuß Genehmigung zur Einführung der Oeffentlichkeit der Gemeinderats sitzungen in der Gemeinde Ottendorf-Montzdorf. — Das 2. Bataillon des 177. Infanterie regiments aus Königstein postierte gestern mittels Sonderzuges durch unseren Ort. Der Sonder zug hatte Königstein früh 5 Uhr 31 Minuten verlassen und langte kurz nach 9 Uhr in Königs brück an; dort wird das Bataillon in den Nächsten Tagen Übungen abhalten. Hermsdorf. Als Gemeindcältester ist Herr Johann Hermann Großmann gewählt und von der Königlichen AmlShauptmannschaft in Pflicht genommen worden. — Waldspaziergänger teilen mit, daß die Aussichten sür eine gute Heidelbeerernte die besten sind. Die Sträucher hätten sehr gut angesetzt. Das ist mit Freuden zu begrüßen, schon im Interests der unbemittelteren Klassen, die sich durch den Verkauf der Früchte einen hübschen Verdienst verschaffen können. — In der Heide wurden an sonnigen Stellen bereits reife Heidelbeeren gepflückt. Die Ernte dieser gesunden Frucht verspricht erfreulicherweise Heuer eine sehr gute zu werden. Von Pilzen hat man noch wenige finden können. — Die Sonne erreicht bald wieder ihren höchsten Stand im Jahre. Sie steigt bis zum 22. Juni auf 62^/, Grad über den Horizont Und wendet sich dann wieder rückwärts. Der Wendepunkt wird nachmittags 3 Uhr 50 Min. von der Sonne aus scheinbar passiert, und der Eintritt dieser Zeit bezeichnet astronomisch den Anfang des Sommers. Wir haben dann den längsten Tag und die kürzeste Nacht. Dieser jüngste Tag am 22. Juni dauert 16 Stunden 82 Minuten 50« Sekunden. Der folgende Dag ist schon um 42 Sekunden kürzer, und gegen Ende des Monats verkürzt sich jeder Tag um "ft Minute. — Die langanhaltende trockene Witterung hat die gegenwärtig anstehenden Heuernten ganz besonders günstig beeinflußt. Das Heu ist in den meisten Fällen sehr gut eingebracht worden, teilweise liegt es jedoch noch auf Wiesen. Qualitativ und quantitativ soll der erste Heu schnitt fast überall dieses Jahr befriedigt haben. — Der Bau der neuen Lungenheilanst alt, welche von der Landesversicherungsanstalt Sachsen im Neustädter Slaatsforstreoier bei Stolpen, nahe der böhmischen Grenze, errichtet wird, hat bereits bedeutende Fortschritte ge wacht, Die ausgedehnten Anlagen der Anstalt erhalten in jeder Hinsicht eine zeitgemäße und dem zu beobachtenden Heilverfahren in bester Weise angepaßte Einrichtung und Ausstattung. Gleichzeitig ist auch die Frage dr Wasser versorgung usw. in der günstigsten Weise ge regelt. Den besonderen Anforderungen einer derartigen Heilstätte entspricht nicht minder die Lage derselben inmitten großer Waldungen. — Der Vorsitzende der Deutschen Turner- schafl, Dr. Götz-Leipzig, erwidert auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wegen Einladung ' ungarischer Turnvereine zum Nürnberger Turn fest, der Leipziger Festausschuß habe, wie seit Jahren, so auch diesmal nur in höflicher Weise die Einladung beantwortet, die ungarische Turner regelmäßig bei größeren Veransta.t- Ungen an die deutschen Turner richten. Außer dem seien die Ungarn meist Turnlehrer und sehr bescheidene Herren, die sich von Politik fernhalten. Dresden. Ein furchtbarer Raubmord ist vahe der Vorstadt Plauen geschehen. Am Wehrrechen der Braunschen Mühle im benach barten Döltzschen wurde gestern vormittag in der 10. Stunde die Leiche des seit Sonnabend vermißten Lehrlings Schubarth, der mit einer Summe in Höhe von 850 M., der Baufirma Gebrüder Fichtner gehörig und zu Lohnzahl ungen in Coschütz bestimmt, verschwunden war, tot aufgefunden. Um den Hals des Leichnams war ein Strick befestigt, an dessen Enden Steine aus den benachbarten Steinbrüchen befestigt varen. Der Körper wies verschiedene Ver letzungen auf. Ein in Coschütz wohnhafter Kutscher Grellmann, der mit dem jungen Schubarth am Sonnabend noch in Plauen ge- ehen worden ist, wurde verhaftet. Da der Hut des ermordeten jungen Mannes in der Nähe des Hohen Steins gefunden worden ist, ist anzunehmen, daß der Lehrling nicht den bc- ebten Fahriveg, sondern den Fußsteig über den Hohen Stein nach Coschütz benutzt, hat. — Gestern vormittag in der zehnten Stunde verunglückte der Jockei Heinrich Oltge bei der Früharbeit auf der Seiduitzer Rennbahn. Er kürzte mit seinem Pferd an einer Hürde, wurde mehrere Meter geschleift, da er mit dem rechten Fuß im Steigbügel hängen blieb, und erlitt so eine Gehirnerschütterung, der er nach kurzer Zeit erlag. — Der auf seiner Wanderung durch Deutsch land auch nach hier gekommene „Naturmensch" Kurzrock ist in der Leipziger Straße zu Berlin verhaftet worden. Ein Vergehen liegt nicht vor, sein Erscheinen in den belebten Straßen Berlins hatte nur großen Auflauf zur Folge. — In der gestern abgehaltenen Aufsichtsrats sitzung der hiesigen Bank wurde das bisherige stellvertretende Vorstandsmitglied Henry Nathan in Berlin zum Direktor ernannt. Dresden. Dienstag abend- in der 11. Stunde, als Flugblätter die Wahlresultate ver kündeten, wogte vor dem Tivolv Etablissement eine nach vielen Hunderten zählende Volksmenge. Als der Oberkonsistorialrat Dr. Dibelius nack dem Tivolisaale, wo sich die Ordnungsparteien versammelt hatten, gehen wollte, wurde er seitens der Menge insultiert und verhöhnt, so daß er in eine Droschke seine Zuflucht nehmen mußte. Der Kandidat der Ordnungsparteien, Pastor Reichel, welchem ebenfalls eine große Menge vor dem Hause auflauerte, mußte sich gleichfalls, um nicht gleichen Insulten ausgesetzt m sein, mit Wagen nach Hause begeben. — Ein zur Zeit hier in Haft befindliche 52 Jahre alter auswärtiger Tapezierer hat vor einiger Zeit auf eine von ihm erlassene Heirats annonce hin die Bekanntschaft einer hier wohn haften Witwe gemacht, ihr die Ehe versprochen und sie schließlich unter unwahren Angaben über seine Vermögensverhältnisse mit Erfolg angeborgt. Ec hat sich dann aber nicht wieder sehen lasten. Möglicherweise hat dieser Schwindler auch andere Frauen betrogen. Großenhain. Ein beträchtlicher Schaden wurde am Mittwoch abend auf dem Neumarkte dadurch angerichtet, daß die Pferde eines Möbelwagens, in welchen dann das dort liegende Porzellan verladen werden sollte, mit dem Wagen zwischen das Porzellan fuhren Natür lich ging vieles von der leichtzerbrechlichen Ware in Trümmer. Großenhain. Der Urheber des Drebkauer Eisenbahnaltentats soll abermals ermittelt worden sein. Der „Spremberger Anzeiger" schreibt in einer der letzten Nummern: Unserer Polizei, und zwar dem Sergeanten Krocher, gelang es am Sonnabend, einen verdächtigen Menschen beim Betteln abzufassen, dessen Personalien auf den Gesuchten zu passen scheinen, welcher das Eisenbahnunglück bei Drebkau verursacht hat. Auch der Teerfleck an den Hosen, der von der imprägnierten Schwelle herrühren soll, ist vor handen. Der Betreffende heißt Hoffmann und stammt aus der Gegend von Ruhland; er ist in das Amtsgerichtsgefängnis zur weiteren Ver anlassung eingeliefert worden. — Ein betrübender Unglücksfall ereignete sich vor einigen Tagen in der Familie des Maurers B> im benachbarten Ruhland. Die Frau B. hatte in der Stube einen Zober mit kochendem Wasser stehen und entfernte sich, um draußen mit einer getreuen Nachbarin eine längere Unterhaltung anzuknüpfen. Während dessen machte sich das 2^/zjährige Töchterchen derselben an dem Zober zu schaffen, stürzte in denselben hinein und verbrühte sich dermaßen, daß es am nächsten Tage den erlittenen Ver letzungen erlegen ist. Kötitz bei Meißen. Den auf hiesiger Flur gelegenen Vereinigten Strohstoff-Fabriken ist am 20. Mai durch ein Schadenfeuer, dem mehrere Strohfeimen zum Opfer fielen, ein Verlust von etwa 10000 Mark erwachsen. Unter dem Verdachte, diesen Brand angestiftet zu haben, war ein 46 Jahre alter Handarbeiter aus Merbitz verhaftet worden, der sich zu der raglichen Zeit in der Nähe des Brandherdes zu schaffen gemacht hatte; er ist aber inzwischen reigelaffen worden, da sich die Verdachtsgründe nicht aufrecht erhalten ließen. Pirna. Als Wahlkuriosum wird von hier die Abgabe eines Stimmzettels mitgeteilt, welcher den nachfolgenden Vers enthielt: „Wähl ich Lotzen, — Tutö nichts notzen, — Wähl ich Beck, — Hats keinen Zweck, — Wenn mans noch zur Stichwahl bringst — Fraßdorf aus der Urne springt. — Doch gewählt muß heute ein — Einer von den hübschen Drei'n; — Ind ich nahm als Patriote — Einen Zettel in die Pf . , — Gebe meine wicht'ge Stimme, — Wenn auch mit verhalt'nem Grimme, — Unserm Kandidaten Lotzen, — Gebe Gott, es tat was notzen!" Bautzen. Der Hilfssörster Koschany im Danbaner Forst, nordöstlich von hier, entdeckte in entlegener Gegend an der sächsisch-preußischen Landesgrenze einen Landstreicher im tiefsten Schlafe liegend und daneben ein 13jähriges Mädchen, gebunden und geknebelt und vor Er schöpfung ebenfalls schlafend. Die Freude des Kindes beim Anblick des Retters war un beschreiblich; hatte es der Verbrecher doch nachts während eines Gewitters von Milkel durch dichten Wald bis zum Fundorte verschleppt und mehrmals mit einem Mester bedroht! Der Verbrecher war ein Mann von 50 bis 60 Jahren und recht sauber gekleidet, angeblich ein Breslauer. Das Kind soll eine kranke Mutter in Wersig bei Königswartha haben; es hat mit einem kleinen Bruder in der Gegend von Luttowitz und Merka gebettelt, wobei sich ihnen der Fremde angeschlosten hat. Dieser wurde dingfest gemacht. Mühlberg a. d. E- Ein mit 10000 Zentner Zucker nach Hamburg befrachteter, großer eiserner Deckkahn fuhr mit solcher Ge walt auf einen in der Fahrtrinne liegenden großen Stein auf, daß er im Boden ein starkes Leck bekam. Erst nach längerer angestrengter Tätigkeit gelang es, das Master wieder herauS- zupumpen und das Leck zu verstopfen. — Der Fleischer Kari Rülke aus Fichten berg, welcher wegen Vergehens gegen das Nahrungsmittelgesetz im hiesigen Gerichtsgefäng nis inhaftiert ist, machte einen verwegenen, aber vergeblichen Fluchtversuch. Hohenstein-Ernstthal. Das Schlachten größerer Tiere wird jetzt in unserer Stadt in der Fleischerei von Ewald Grabner nach einer neuen Methode besorgt: Die gemästeten Ochsen und Kühe werden erschossen. Der hierzu nötige Apparat zeichnet sich durch große Einfachheit aus. Er besteht aus einem zylinderförmigen Instrument mit trichterartigem Ausläufer, das mit scharfer Patrone geladen und dem Tier vor den Kopf gehalten wird. Ein leichter Schlag mittels Holzschlägels auf den Zünd bolzen, und unmittelbar nach dem dumpfen Knall bricht das Tier zusammen. Großhartmannsdorf. Hier wurde der im 25. Lebensjahre stehende Bergarbeiter Weiße aus Erbisdorf im unteren Grubenteiche tot aufgefunden. Er hat sich mit einem am Teich ufer am Sonntag vormittag aufgefundenen Re volver, der als sein Eigentum erkannt wurde, derart erschossen, daß seine Leichnam in dcu Master hat fallen müssen. Derselbe weist zwei Schüsse in der rechten Schläfe auf. Kirchberg. Klopfmeister Kramer stürzte in einer hiesigen Fabrik 3 Meter hoch herab, er litt Schädelbruch und dadurch den Tod. Olbernhau. Ein Schwindler ist in den letzten Tagen in der Gegend von Wolkenstein aufgetreten. Er hat eine ganze Anzahl alter Feldzugsteilnehmer aufgesucht und sie — teil weise unter Vorspiegelung von ihm angeblich bereits erzielter Erfolge — dazu gebracht, sich von ihm gegen Entschädigung Gesuche um Veteranenbeihilfen machen zu lassen, während diese Gesuch- doch nach Lage der Verhältnisse zweifellos ohne Erfolg bleiben mußten. Es sei vor diesem Schwindler, der wahrscheinlich sein Treiben nun nach anderen Plätzen verlegen wird, gewarnt. Schönheiderhammer. Aus Verzweiflung über ihre mißliche finanzielle Lage, in die sie geraten, sind am Mittwoch der Stellmacher E. Waßmann und seine Ehefrau hier freiwillig in den Tod gegangen. Waßmann, ein fleißiger, äußerst strebsamer Handwerker, verfügte nicht über allzuviel Geldmittel und sah sich gezwungen, Wechsel auszustellen. Als er dieselben zur -estgesetzten Zeit nicht einzulösen vermochte, ver- or er völlig den Kopf und beschloß, sich das Leben zu nehmen. Wie aus einem von der Ehefrau des Waßmann an ihre Mutter zurück gelassenen Briefe hervorgeht, hat sie sich frei willig entschlossen, mit ihrem Mann zu sterben, sie könne ohne ihren Mann nicht leben, schrieb re, und niemand wolle ihr aus der Not helfen. Die Mutter solle ihr die Tat vergeben. Man fand die beiden Eheleute, die erst dreiviertel Jahr verheiratet und kinderlos waren, noch lebend in ihrer Wohnung vor. Beide hatten Schwefelsäure genommen. Die Frau, die das Gift am Tage zuvor selbst aus einem Geschäft in Schönhaide besorgt hatte, ist bald nach der Auffindung gestorben, der Mann nachmittags 4 Uhr. Beide hatten furchtbare Schmerzen ausstehen müssen. Wildenfels. In Frankfurt a. M., wo er in einem Sanatorium Heilung von einem lang jährigen Leiden suchte, ist am Dienstag der Mitinhaber der Firma Gustav Toelle hier, Herr Theodor Toelle, im 39. Lebensjahre un erwartet gestorben. Die genannte Firma zählt schon seit einer längeren Reihe von Jahren zu den leistungsfähigsten Papierfabriken in Deutsch land, namentlich was die Produktion von Zeitungspapier anlangt, und der Verstorbene nahm im Kreise der deutschen Papier-Groß- industriellen eine geachtete, führende Stellung ein. Mit den Papierfabriken sind auch große Maschinenfabriken hier, Nieder- und Ober- schlema verbunden. Annaberg. Die infolge Todesfalls frei gewordene Stelle des Direktors der hiesigen Postanstalt ist Herrn Postdirektor Schubert in Blasewitz bei Dresden, vordem in Buchholz, übertragen worden. Derselbe wird am 1. Aug. sein neues Amt antreten. Johanngeorgenstadt. Der hiesige Stadt gemeinderat hatte beschlosten, den Rathaussaal zu Versammlungen aller Parteien, also auch zu sozialdemokratischen Versammlungen herzugeben. Die Ausführung dieses Beschlusses ist auf die Beanstandungsanzeige des Herrn Bürgermeisters hin vom Herrn Amtshauptmann untersagt worden. Willersdorf i. V. Das gesamte Anwesen des Herrn Conradi wurde durch eine Feuers brunst völlig vernichtet. Ein dreijähriges Kind hatte auf dem Oberboden mit Streichhölzchen gespielt und Feuer angezündet. Zwickau. Die Hauptverhandlung vor dem hiesigen Landgericht wegen Vergehens gegen das Handelsgesetz gegen die vormaligen Direk toren der in Insolvenz verfallenen Aktien- Spinnerei Werdau, Teichmann und Heimig, den Verwaltungsratsvorsitzenden Rechtsanwalt Dr. Vierling, sowie den Buchhalter Wilden hain hat am Mittwoch begonnen.