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Zweites Blatt. WtMM für Wkuß Erscheint wöchentlich dreimal u. zwar DienS-' tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertelj. ( Mk. 20 Pf., durch die Post bezogen I Mk.55pf. Einzelne Nummern (0 Pf. WlM NEen. Mtnlehli und die Umgrgende«. Imtsblatt Inserate werden Montags, Mittwochs und freitags bis spätestens Mittags (2 Uhr angenommen. Insertionspreis ( 0 Pf. pro dreige spaltene Lorpuszeile. für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma L A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst No. 112 Dienstag, den 18. Dezember 18S4. Um mnd es war sogar Aussicht vorhanden, sein Leben zu retten. Wörnemann war in ein Krankenhaus geschafft worden, und durch ihn doch die Nemesis erreicht. Gottfried Schlöncrt wurde sofort verhaftet und gegen ihn die Untersuchung eingeleitel. Der alte Mann zeigte sich völlig g.brochen und erregte selbst das Mitleid derjenigen, die seine Thal noch so hart verurtheilten. Frau ihren Mann, und Karl entgegnete erleichterten Herzens: Vielleicht hast Du selbst nicht geahnt, an welchem Ab grund ich stand, aber Du bleibst doch zu allen Zeiten mein Gewissensqualen genießen. Siehst Du nicht ein, wie gut es war, daß ich Dich da mals warnte. Dich in die Sache zu mischen? fragte die kleine die Bemühungen der erfahrensten Aerzte wie durch die sorgsamste Pflege wurde er noch einmal dem Tobe entrissen. , Mit seiner allmählichen Genesung ging in dem Mann I eine seltsame Wandlung vor. den langen, dünnen Hals lag noch ein Strick. Der Leichnam war augenblicklich mil Kalk bedeckt worden, aber man hatte das Wasser vergessen und so hatte der Kalk, anstatt den Körper zu zerstören, wie die Mörder es beabsichtigt, ihn vor völliger Zerstörung bewahrt. So weit hatten sich also schon die Angaben Wörnemanns bewahrheitet, und nun galt es, noch schlagendere Beweise herbei zu schaffen, um den Schuldigen zu überführen. Durch das Gutachien der herbeigezogenen Aerzte mußren die letzten Zweifel beseitigt werden. Die Form des ganzen Knochenbaues bekundete, baß dies ausgegrabene Gerippe einer alten Frau angehörte, die kaum von Mittelgröße gewesen war. Das Haar war braun, aber schon stark mit Grau gemischt. Die noch vorhandenen wenigen Zähne waren ungewöhnlich lang und breit, und Zeugen, welche Frau Grunwald gekannt hatten, gaben an, daß die noch vorhandenen Kennzeichen genau mit dem Aeußern der Verschwundenen überemstimten. Im Inneren des golden Reifes befanden sich die Buchstaben /e. 6. und die Jahreszahl eingravirt. August Grunwald hatte der Mann der Er mied ängstlich alle geistigen Getränke, und sein besseres Selbst, besonders das alte Freundschaftsgefühl für Schlönert schien noch einmal in ihm zu erwachen. Nun nahm er seine erste Aussage, die dem Freunde alle Schuld allein zugeschoben, zurück und bekannte ehrlich, daß Schlönert in allen Stücken die Wahrheit gesagt und der größere Antheil der Mordthat auf seine Rechnung falle. Er bat um die härteste Verurtheilung, denn er habe die strengste Strafe wohl verdient. Auch gegen den Schankwirth wurde sofort die Untersuch ung eingeleitet und nach hartnäckigem Leugnen mußte er end lich seine Schuld eingestehen. Er bezichtigte geradezu seinen Schwiegervater, daß ihn dieser zur Vergiftung Wörnemann« an gestiftet und dafür bezahlt habe, und er wiederholte seine An gaben mit großer Bestimmtheit, als er dem alten Mann gegen über gestellt wurde. Auf Gottfried Schlönert machte die Anklage seines Schwie gersohnes den tiefsten Eindruck. Als dieser ihm keck ins Gesicht behauptete, daß er ihn auf gestachelt habe, Wörnemann bei Seite zu schaffen, wollte der alte Mann anfangs Wißler mit den bittersten Vorwürfen über häufen, aber er hielt plötzlich in seiner Rede inne, und während heiße Thränen aus seinen Augen stürzten, murmelte er: Ich ernte nur, was ich gesäet... ich war ein schlechter Schwiegervater nnd Gustav übt Vergeltung an mir. Schlönert gab es auf, sich gegen die Beschuldigungen Wiß- lers noch weiter zu oertheidigen, aber seitdem sein eigener Schwie gersohn so rücksichtslos gegen ihn auftrat, um ihm vollends zu verderben, war der alte Mann wie gebrochen. Gram und Reue mochten zu heftig an seinem Herzen nagen, er erkrankte im Ge- fängwß, und nach wenigen Wochen war er eine Leiche. Der Unglückliche hatte seine Schuld spät aber schwer ge büßt. Gerade als ihm das Glück plötzlich seine reichsten Gaben in den Schooß geschüttelt, sollte er seines Lebens nicht mehr froh und beständig an sein Verbrechen erinnert werden, das er schon längst zu vergessen gesucht und für immer begraben und von der Welt verborgen wähnte. Wörnemann wurde zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe ver- urtheilt, aber der alte Mann sollte seine Strafe nicht antreten. Das genossene Gift mußte doch seine Gesundheit tief erschüttert Habens und er verschied schon nach wenigen Wochen, reumüthiger als man eS von dem leichtsinnigen Alten erwartet hatte. Auch den Schankwirth traf die rächende Nemesis. Wohl hatte er seinen Schwiegervater als den geistigen Urheber des Verbrechens bezichtigt, doch alle inneren und äußeren Gründe sprachen dafür, daß Wißler die Beseitigung des Wörnemann aus eigenem Antrieb übernommen und seinem Schwiegervater nicht eher Ruhe gelassen, als bis dieser sich damit einverstanden erklärt. Ihm hatte Alles daran gelegen, einen Menschen aus dem Wege zu räumen, der seinem Schwiegervater beständig Geld abzapste, uns zu einigen guten Freunden hatte er auch Aeußerungen fallen lassen, daß er der Geschichte schon ein Ende machen wolle. Wißler wurde zu mehrjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt, und seltsam genug hielt er sich wider Erwarten in der Strafanstalt musterhaft. Er ließ sich während seiner ganzen Haftzeit nicht die mindeste Uebertretung zu schulden kommen, und als er endlich seine Strafe abgebüßt, ging er mit dem Reste seines Vermögens nach Amerika. Da dort Niemand nach seiner düsteren Vergangenheit fragte, gelang es ihm wirklich, sich wieder zu einer geachteten Stellung emporzuarbciten. Seiner Trunksucht die ihn wohl am meisten auf den gefährlichen Abweg geführt, hatte er für immer entsagt. Friedlicher und glücklicher verlief das Leben der Söhne des alten Schlönert. Wohl wurden sie tief dadurch erschüttert, daß sich ihr Vater plötzlich als Verbrecher erwies, aber sie waren ja nicht mit in die Sache verstrickt und konnten das ihnen zu- Ermorbeten geheißen, und die Jahreszahl deö Trauringes stimmte ebenfalls, wie angestellte Forderungen erwiesen. Es konnte keinem Bedenken unterliegen, daß hier wirklich liebes kluges Weibchen. Und er umarmte zärtlich seine kleine Frau. Für Karl Schlönert war das traurige Schicksal seines Vaters und seines Schwagers eine sehr ernste Mahnung ge- l worden. Der Schwiegersohn. Erzählung von Ludwig Habicht. Nachdruck verboten. (Schluß). Ein Ring befand sich an einem fleischlosen Finger. ! nicht möglich, ihn auch hier zu einem offenen Geständniß zu , , . . . bewegen; aus seinem ganzen Auftreten ging deutlich hervor, daß' gefallene, freilich sehr geschmälerte Erbtheil in Ruhe und ohne >20 unrrrt.cjjc», vup ! er seinen Schwiegersohn schonen, ihn wenigstens durch ein unbe- ' die Schwiegermutter Schlönerts gefunden und damit ein Ver-'dachtes Wort nicht noch tiefer in die Sache verwickeln wollte.! brechen entdeckt worden, daß der schändliche Mörder so viele! Zum Glück stellte sich der Zustand Wörnemanns nicht so Jahre mit rasfinirter Schlauheit zu verbergen gewußt; ja, er; schlimm heraus, als der Arzt angenommen hatte, im Gegentheil hatte wohl dovon geträumt, daß seine That sich für immer der! nahm die Erkrankung des Alten eine Wendung zum Besseren, - rächenden irdischen Gerechtigkeit entziehen würde, und nun hatte ---- ...» Ich will Alles ehrlich bekennen, sagte Schlönert schon bei seiner ersten Vernehmung, und kein unwahres Wort soll über meine Lippen kommen. Mit meiner Schwiegermutter lebte ich in Unfrieden, weil sie mir zur Fortführung meines Geschäftes kein Geld gab. Da war es mein Jugendfreund Wörnemann, der mir beständig zuflüsterte, mit der Alten ein rasches Ende zu machen. Er entwarf den höllischen Plan. Er wollte meine Schwiegermutter in seinen Garten locken, und wir sollten sie dann gemeinschaftlich abthun. „Den Leichnam überschütten wir mit Kalk, dann ist von ihm in kurzer Zeit auch nicht die min deste Spur zu bemerken," redete er in mich hinein. „Auf Dich kann kein Verdacht fallen, und ich schweige wie das Grab. Wir sind und bleiben geschworene Freunde ..." Ich wußte freilich nicht, wie ich mit dieser Freundschaft bestellt war und daß mir Wörnemann nur zu diesem schändlichen Verbrechen zuredete, weil er sich schon in schlechten Verhältnissen befand und nun hoffen durfte, daß ich ihm wieder aushelfen würde. Der alte Mann mußte tief Athem holen, ehe er in seinem Bekenntniß fortfuhr: Es ging Alles so, wie Wörnemann gesagt. Er lud meine Schwiegermutter ein, sich einmal sein Gewächshaus anzusehen, und als sie in die Thür trat, warf er ihr gleich einen Strick um den Hals und rief: „Nun zieh zu!" Ich that mechanisch, wie er geheißen hatte. Unter dem Apfelbaum fand ich schon die Grube, die mein Freund vorher gegraben hatte, und wir schafften jetzt den Leichnam sogleich hinein. Auch für den Kalk hatte August schon gesorgt. Ob er nun in der Hast vergessen, den Kalk durch Wasser zu löschen oder ob er dies gern unter lassen ... das weiß ich nicht. Ich hatte in meiner fürchter lichen Aufregung gar keine Gedanken und stürzte fort, um so rasch wie möglich nach Hause zu kommen. Viele Jahre* sind darüber hingegangen; ich bin ein reicher Mann geworden, aber Rube und Glück habe ich von meiner Unthat nicht gehabt. Und der alte Mann ließ müde und gebrochen das Haupt auf die Brust sinken und in seinen gramverzehrtcn Zügen prägte sich all das Elend aus, das seine Brust die vielen Jahre über still getragen hatte. Als dem Drechslermeister die Aussage Wörnemanns vor gelesen wurde, schüttelte er traurig den Kopf: August hat noch im Sterben schändlich gelogen und über haupt niederträchtig an mir gehandelt. Er hat es überhaupt niemals mit der Wahrheit ernst genommen und seine Lügen so lange erzählt, bis er selbst daran geglaubt. Da mag er sich wohl auch eingebildet haben, es sei wirklich damals so zugegan gen, wie er im Sterben ausgesagt. Durch das viele Trinken hat er sich vollends um den Verstand und das Gedächtniß ge bracht. Wenn er jetzt meine Aussage hörte, würde er sich viel leicht noch erinnern, daß sie allein auf voller Wahrheit beruht. Der alte Schlönert blickte dabei traurig vor sich hin und erst nach einer Weile fuhr er langsam fort: So lange es ihm gut ging, war er mein Freund und ließ mich in Ruh, aber als er durch seine Trunksucht immer mehr herunter kam und ich plötzlich durch den guten Verkauf meines Grundstückes ein großes Vermögen erhielt, war er ein ganz Anderer. Nun quälte er mich beständig um Geld, und ich! mußte ihm jeden Wunsch erfüllen, denn er drohte mir, mich zu! verrathen. Er mochte noch so oft sich einfinden, ich gab ihm' so viel wie er verlangte, aber zuletzt kamen die Meinigen da hinter, nun durfte ich ihm nichts mehr schenken, und deshalb hat er mich verrathen. Und Ihr Schwiegersohn hat Wörnemann durch Gift bei Seite geschafft, um Sie von Ihrem Blutsauger zu befreien? bemerkte dann der Beamte und richtete seine Augen scharf auf den Angeklagten. Der alte Schlönert senkte die Blicke und schwieg. Es war Lutherbilder, s. Luthers letztes Ja. MEs liegt auf seinem Sterbebette Der müde Held im letzten Schweißt Und stille wie an beil'ger Stätte Betrachtet ihn der Freunde Kreis. Den halbverllärten Himmelserben Weckt noch einmal der Freunde Wort: „Ehrwürd'ger Vater, ist im Sterben Noch Jesus Christus Euer Hort?" Und: „Fa", mit Hellem, festem Tone Betheuert er's und legt sich drauf; Erstritten hat er sich die Krone, Vollendet seinen Heldenlauf. Es war fein letztes Wort, sein Amen, Dies glaubensvolle sel'ge „Ja". So stand er fest auf Jesu Namen Im Tode wie im Leben da. Wobl hat er oft auch „Nein!" gerufen Mit Donnermacht in's Land hinaus; Dies klang bis an der Throne Stufen, Bis in des Papstes zitternd Haus. Mit seinem „Nein" hat er gespalten Die Christenheit in Licht und Nacht, Mit seinem „Nein" gesprengt die alten Bollwerke finstrer Lügenmacht. Doch hing mit festem Ja und Amen Sein Herz am Evangelium; Der Name über alle Namen War ihm das höchste Heiligthum. O hört von seinem Tod die Kunde, Schon halberstorben liegt er da; Doch seinem Heiland gilt zur Stunde Sein letzter Hauch — ein heilig „Ja!"