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WMIt für W dmsf Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis - vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne f Nummem 10 Pf. TharM N^en, Likbenkhn md die AmMÄen. Imlsblult Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. ' für die Agl. Amtshauptmannschast Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. ««. Freitag, Seu 17. August 1894. Bekanntmachung. rNassenschiittungen unter Benutzung der Dampfwalze werden in nächster Zeit stattfinden: 1 auf Lev Aefselsdsrf-Neffsnev Straszer vom 16. bis 17. August zwischen Limbach und Neutanneberg; vom 18. bis 21. August zwischen der ehemaligen Chausseegelder-Einnahme zu Birkenhain und dem Orte Limbach; vom 22. bis 24. August zwischen Kesselsdorf und Wilsdruff; 2 . auf -er Meiszen-rvils-vuffev Stvafze r vom 27. bis 28. August zwischen Grumbach und Kesselsdorf; vom 28. bis 30. August zwischen dem Lindenschlößchen bei Wilsdruff und der Bahnstation Grumbach; vom 30. August bis 1. September zwischen dem Klipphausener Busche und der Stadt Wilsdruff; < vom 3. bis 6. September zwischen Ullendorf und Sora. Meißen, den 26. Juli 1894. Königliche Amtshauptmannschaft. vsu Schvseter. Zwangsversteigerung. Das im Grundbuche auf den Namen Johann Lvszer eingetragene Grundstück, Wohnhaus, Scheune, Hofraum und Garten, No. 6 des Brand-Catastrrs, No. 16 des Flur buchs für Groitzsch und Folium 2 des Grundbuchs für denselben Ort, vormals Groitzscher Antheils, nach dem Flurbuche 9,2 s groß mit 99,73 Steuereinheiten belegt, geschätzt aus 3800,00 M. soll an hiesiger Gerichtsstelle zwangsweise versteigert werden und es ist der 23. August 1894, Bormittags 10 Uhr, als versteige» ungstermin, sowie der 31. August 1894, Bormittags 10 Uhr, als Levwin zn Verkündung -es Vertheilnngsplnns anberaumt worden. » Eine Uebersicht der auf dem Grundstück lastenden Ansprüche und ihres Rangverhältnisses kann in der Gerichtsschreiberei des unterzeichneten Amtsgerichts eingesehen werden. Wilsdruff, am 13. Juli 1894. Königliches Amtsgericht. vr. tSniiKloN. Das Reichstagswahlrecht. Es ist ein charakteristisches Zeichen der Zeit, daß das all gemeine, gleiche, direkte und geheime Reichstagswahlrecht von verschiedenen Seiten bald offenen, bald geheimen Angriffen unter liegt. Man muß ja zugestehen, daß sowohl das starke Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen als auch die Gleichgiltigkeit und Wankelmüthigkeit vieler Wähler bei den Reichstagswahlen das bestehende Wahlgesetz als nicht vollkommen erscheinen lassen, auch geht es nahezu gegen die politische Bernunft, daß der unerfahrene junge Arbeiter genau dasselbe Wahlrecht besitzt als der oft Hunderte von Arbeitern beschäftigende, in seiner Erfahr ung und in seinem Urtheil gereifte Großindustrielle, und daß sogar der Minister vor der Reichstagswahlurne kein anderes Recht besitzt als sein geringster Bureaudiener. Trotz dieser Widersprüche und Ungleichheiten möchten wir aber dennoch einer Beschränkung des Wahlrechtes nicht das Wort reden, denn jede Aufhebung oder Beschneidung eines bestehenden allgemeinen Rechtes wirkt außerordentlich schädlich in der öffentlichen Volks meinung und erweckt die gefährlichste oppositionelle Unterström ung. Wollte man zum Beispiel nach der Höhe der Steuerab gaben eine große Menge der jetzt wahlberechtigten Reichöbürger vom Wahlrechte ausschließen, so würde diese Forderung darauf hinauslaufen, die große Anzahl von Reichsbürgern einfach po litisch für todt zu erklären, denn die Betreffenden könnten doch dann einfach ein politisches Recht im Reiche nicht mehr geltend machen. Es geht daraus hervor, daß das allgemeine Wahlrecht offenbar in der Gegenwart zu den allgemeinen Menschenrechten gehört und nur noch Verbrechern und Almosenempsängeru ent zogen werden kann. Im beschränkenden Sinne darf also das Reiche tagswahlrecht unter keinen Umständen reformirt werden, denn dies wäre ein Verstoß gegen die modernen politischen Grundbegriffe, wonach jeder Bürger frei ist und als freier Bürger an den Lasten und Rechten des Staates theilzunehmen hat. Soll das Wahlrecht reformirt werden, so kann es daher nur in dem Sinne geschehen, um die Wahlen reifer uud ge wissenhafter sich vollziehen zu lassen. Es könnte da z. B. in Frage kommen, ob die Wahlen nicht besser statt geheim öffent lich stattzufinden haben. Denn, wenn der Wähler frei und offen vor die Wahlurne treten muß und lauter Stimme den Namen seines Kandidaten zu Protokollzu gebenchat, so wird er wohl in vielen Fällen gewissenhafter vor der Wahl prüfen, wie er seine Stimme abgiebt, als wenn er auf einem geschlossenen Zettel ge heim wählt. Das Bedenken der Wahlbeeinflussung vor der Wahlurne möchten wir nicht für gefährlich halten, denn wer eine wirkliche politische Meinung oder gar Ueberzeuguug hat, der mag auch offen und ehrlich für dieselbe eintreten. Ein gedanken loses und leichtfertiges Gebühren bei der Ausübung des Wahl rechtes würde aber durch die öffentliche Wahl wohl bedeutend bekämpft werden. Zunächst freilich liegen noch gar keine An zeichen vor, daß man in den Kreisen der Reichsregicrung über haupt eine Aenderung in dem bestehenden Reichstagswahlrechte plant, doch würde sich die Regierung einer dahin zielenden kräf tigen Strömung in der öffentlichen Meinung Deutschlands wohl schwerlich entziehen können. Tagesgeschichte. Kaiser Wilhelm hat seinen Besuch in England be endet, am heutigen Freitag erwartet man im Neuen Palais bei Potsdam die Heimkehr des Monarchen. Der deutsche Herrscher hat sich auch bei seinem diesjährigen Aufenthalte in England lebhafter Sympathie-Bekundungen seitens weiter Bevölkerungs kreise zu erfreuen gehabt, welche Kundgebungen sowohl dem kaiserlichen Enkel der Königin Viktoria, als auch dem mächtigen Schützer und Förderer des Völkerfriedens Europas galten. Die zwei letzten Tage des Aufenthaltes des kaiserlichen Herrn auf britischem Boden waren vorwiegend dem englischen Heere ge widmet. Am Montag nahm er über die Truppen im Lager von Aldershot eine sehr gelungen verlaufene Parade ab, am Dienstag wohnte er einem großen Scheingefecht von 12 000 Mann verschiedener Waffengattungen in Lang-Valley bei. Der Kaiser befehligte hierbei die „Nordarmee", mit welcher er die geg nerische „Südarmee" in die Flucht schlug. Sowohl bei dieser Gelegenheit als auch anläßlich der Parade vom Montag hat sich der erlauchte Monarch sehr anerkennend über die Haltung und die Leistungen der Truppen wie über ihre Führung aus gesprochen. Die Cholera, welche schon seit Wochen in allerdings nur sporadischer Weise in der Weichselniederung in Westpreußen sich bemerklich macht, ist nun auch in Ostpreußen aufge treten und zwar in bedenklichster Weise. In Johannisburg waren vergangener Woche 45 Personen — nach anderen Meldungen sogar 50 — angeblich infolge des Genusses verdorbener Heringe schwer erkrankt, von den Erkrankten starben alsbald 21 Personen. Die Untersuchung hat ergeben, daß es sich um die astatische Cholera handelt; es sind behördlicherseits die umfassendsten Maß- uahmen zur Absperrung des Seuchenherdes getroffen worden. Deutschland zieht anläßlich des japanisch-chinesischen Krieges eine stattliche Flottenmacht in den asiatischen Gewässern zu sammen. Das bislang an der Küste Südamerikas stationirt gewesene Kreuzergeschwader, aus den Schiffen „Arcona", „Alexandrine" und „Marie" bestehend, befindet sich zur Zeit auf der Fahrt nach Ostasien, wo sich die deutschen Kanonen boote „Wolf" und „Iltis" bekanntlich bereits befinden. Ferner werden noch im Laufe des August die beiden Kreuzer „Condor" und „Cornioran" zur Verstärkung des deutschen Geschwaders in Ostasten von Kiel aus in See gehen und endlich soll zum gleichen Zweck noch die Panzerfregalte „Irene" schleunigst aus gerüstet werden. Industriearbeiter und Mittelstand. Die sozial demokratischen Versammlungen und „Feste" werden fast aus nahmslos von Industriearbeitern besucht, während die „reichs- treuen" oder „ordnungsparteilichen" Versammlungen meistens nur aus Theilnehmern aus dem Mittelstände zusammengesetzt sind. Der Mittelstand besteht aber nach der sozialdemokratischen Lehre aus „Ausbeutern", die „Proletarierpartet" dagegen aus „Geknechteten", „Nothleidenden". Dieses Verhältniß wird vom „Vorwärts" (No. 186) köstlich illustrirt. Einem Berliner Saalbesttzer giebt nämlich das sozialdemokratische Centralblatt in Sachen des Bierboykotts Folgendes zu bedenken: „Herr . . . ., bei dem natürlich gleichfalls sämmtliche Arbeiterfestlichkeiten ab bestellt sind, hofft, daß ihm im Winter einigermaßen ein Retter erstehe durch die reichstreuen Vereinigungen. Die Arbeiterfeste allerdings können diese niemals ersetzen, denn nur bei diesen ist erfahrungsgemäß etwas zu verdienen. Die Angehörigen der sogenannten „besseren Gesellschaft" machen wohl riesige An sprüche, begnügen sich aber mit einigen Schnitt Bier". Diese« unvorsichtige Eingeständniß ist recht werthvoll; es beweist, daß es mit der Nothlage der Arbeiter, von deren Festen die Be sitzer größerer Säle leben, doch nicht so schlimm bestellt sein kann, da die Arbeiter sich nicht, wie die „ausbeutenden" Mit telstände, mit „einigen Schnitt Bier" zu begnügen brauchen, sondern wacker darauf los zechen. Die zu der „besseren Ge sellschaft" gehörigen Mittelstände haben es so gut nicht, ihre „Ausbeutungsthätigkeit" gestattet ihnen vielfach nicht, Feste zu feiern und mehr als „einige Schnitt Bier" zu trinken. In einem Flugblatte, für das „Genosse" I. Fr. Schmidt, Stellingen bei Hamburg, verantwortlich zeichnet und das bei W. Werner Nachfolger (A. Grunau) in Berlin gedruckt ist, werden „alle Arbeiter der Porzellan-, Glas- und verwandten Branchen" in folgender Apostrophe über „unsere Autoritäten aufgeklärt: „Vernichtet alle Autorität und ihr werdet frei; auch die geringste und mildeste Autorität macht die wahre Freiheit unmöglich. Der althergebrachte Ausspruch „Herren müssen sein" hat sich heute so ziemlich überlebt. Das Volk, die Arbeiter, sehen immer mehr ein, daß alles viel besser seinen Gang gehen würde, wenn ohne jeden Befehlenden ein jeder nach seinem Ver stände und nach seiner Erkenntniß handelt. Noch steuert freilich eine große Menge aus der Knechtschaft der Monarchie gerade hinein in die Knechtschaft der Demokratie. Doch mehr und mehr wächst die Zahl derer, welche bereit sind, für die wahre, für die individuelle Freiheit zu kämpfen. Umsomehr ist es aber auch nöthig, wenn wir uns in einem freien Zustande glücklich fühlen wollen, alles, was in unseren Kräften steht, zu thun, um uns Arbeiter von jeglichem Autoritätsgefühl für immer frei zu machen. Nichts wirkt wohl hierbei mehr, als wenn man die Eigenschaften, Gewohnheiten und Begierden dieser Leutchen, welche sich einfach anmaßen, Herr über so und so viele zu sein,