Volltext Seite (XML)
WMIt für N4mff / Erscheint Wöchentlich zweimal u.zwarDienstagS ; und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post " bezogen l Mk. 25 Pf. — Einzelne s Nummem 10 Pf. Wraubt, Uchen, Kebenlehn md die Umgegenden. ImtsblM Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. JnsertionspreiS 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. No. 29. Dienstag, den 19. April 1894. Beim unterzeichneten Amtsgerichte sind in Pflicht genommen worden Herr Bäckermeister Moritz Hermann Ositz in Rothschönberg als Gerichtsschöppe für Rothschönberg und Herr Gutsbesitzer Ernst Otto Bretschneider in Limbach als Gerichtsschöppe für Limbach. Königliches Amtsgericht Wilsdruff, den 5. April 1894. Vr OsnAlaN. Tagesgeschichte. Das Programm für den bevorstehenden Gegenbesuch Kaiser Wilhelms beim Kaiser Franz Josef ist jetzt ver öffentlicht worden. Der deutsche Kaiser trifft am 13. April Vormittags 11 Uhr auf dem Südbahnhofe in Wien ein, wo selbst ihn Kaiser Franz Josef und sämmtliche Erzherzöge em pfangen, dann begrüßt Kaiser Wilhelm die kaiserlichen Damen in der Hofburg. Im Verlaufe des Nachmittags unternimmt Kaiser Wilhelm mehrere Besichtigungen in der Stadt, tauscht Besuche aus u. s. w. Abends 6 Uhr findet in Schloß Schön brunn große Prunktafel zu Ehren des hohen Gastes statt, worauf Fcstoorstellung in der Wiener Hofoper folgen soll. Am 14. April Mittags verläßt Kaiser Wilhelm die österreichische Hauptstadt wieder, um sich zunächst auf die Auerhahn-Jagd in Süddeutschland zu begeben und dann den Hochzeitsfeierlichkeiten am Coburger Hofe beizuwohnen. In Bezug auf das in Aussicht genommene neue Ver fahren, durch welches das Einklebcn von Marken auf die für die Abrechnung der Reichsinvalidenrente nöthigen Quittungs- karten aufhören würde, wird weiter folgendes mitgetheilt: Der Direktor des Reichstagsbureaus hat den Erfinder des Systems, Dr. E. Lehmann, im Auftrage des Reichstagspräsidenten ge beten, die Automaten, die künftig anstatt der Stempelmarken die Abstempelung der Quittungen übernehmen sollen, probeweise im Reichstage aufzustellen. Auch der Vertrieb der Marken durch die Postanstallen werde erspart. Der Automat ist so konstru- irt, daß nach Einwurf von 20 Pfg. ein Gummistempel die Abstempelung der Quittungskarte für die Jnvaliditätsvcrsicherung übernimmt. Röthig seien 10000 Apparate zum Preise von je 100 M. Es würden dadurch nach den im Reichsversicherungs amt aufgestellten Berechnungen etwa 1'/, Millionen pro Jahr erspart werden. Die Anschaffungskosten der Automaten be tragen etwa 1 Mill. M. unter Anrechnung der Zinsen und der Abnutzung im Betrage von 70000 M. Wie verlautet, suchen die preußischen Staatsbehörden dem Kontraktbruch ländlicher Arbeiter, über den seit Jahren im landwirthschaftlichen Kreisen Klage geführt wird, dadurch zu steuern, daß sie kontraktbrüchig gewordene ländliche Arbeiter nicht mehr beschäftigen. So haben die Eisenbahndirektionen die An ordnungen getroffen, daß keine Arbeiter mehr angenommen werden, die nicht durch ein Zeugniß nachweisen können, daßste im Wege gesetzlicher Kündigung ihr früheres Arbeitsverhältniß aufgegeben haben. Dies ist auf eine Anweisung des Ministers der öffent lichen Arbeiten zurückzuführen, da schon häufig die bei Eisen bahnbauten beschäftigten Unternehmer kontraktbrüchig gewordene ländliche Arbeiter angenommen und trotz Einspruchs nicht so fort entlassen haben. Am Morgen des 4. April wurde die westliche Außenstadt von Frankfurt a. M. von einem Brandunglück schwerster Art hcimgesucht, wie sich ein solches seit dem 1867er Dom- brarde oder seit dem Unglück des Jahres 1857 bei dem Feuerwerker Schenck in der Kleinen Eschenheimergasse, wobei 14 Menschen getödtet wurden, nicht mehr ereignet hat. Das frühere „Hotel Britannia" wurde am Morgen des 4. April völlig zerstört, und nicht weniger als sieben Menschenleben sind dabei zu Grunde gegangen. Der Schauplatz des Unglücks liegt in der Nähe des Hauptbahnhofes. Das Hotel wurde 1889 von dem Architekten Eurich fertiggestellt und als Hotel ersten Ranges eröffnet, stellte aber nach Schluß der elektrischen Ausstellung im Jahre 1891 den Hotelbetrieb wieder ein und wurde durch den Besitzer Müller zum Wohnhaus umgewandelt. Aus bisher unaufgeklärter Ursache, vielleicht durch ausströmendes GaS, entstand früh halb fünf Uhr in dem Gebäude Feuer. Wenige Minuten nach Uhr nahm man im Erdgeschoß den ersten Feuerschein wahr, und mit rasender Plötzlichkeit stand auch schon das ganze aus Eichenholz gebaute, mit einem eisernen Geländer versehene Treppenhaus bis zum Dache hinauf in lichterlohen Flammen. Auf diese Weise war den zahlreichen Insassen deS brennenden Hauses der rettende Ausweg von den Flammen gänzlich versperrt. Im dritten Stock, wo die Familien Weck und Schlesicky wohnten, sprang das Feuer mit Blitzes schnelle in die Wohnungen über, besonders in die Weck'sche Wohnung, die nach der Gutleutstraße zu liegt. Hier waren nur die Frauen zu Hause. Franz Joseph Weck, Inhaber einer Käse- und Eierhandlung am ehemaligen Taunusthor, ist auf eitler Reise nach Zürich, wo er ebenfalls ein Geschäft hat, ab wesend. Der Heimkehrende wird fünf seiner Angehörigen nur mehr als verstümmelte Leichen wiedersehen. Im Schlaf über rascht von der Feuersbrunst wurde die ganze Weck'sche Familie, nämlich die 23 Jahre alte Ehefrau Weck mit ihrem wenige Monate alten Söhnchen, die Mutter Weck's und dre beiden Fräulein Pauline und Wilhelmine Weck. Die Flammen müssen hier mit solcher Gewalt in die Wohnung geschlagen sein, daß die Frauen an jeder Hoffnung auf Rettung ver zweifelten. Die Feuerwehr war zum Unglück irriger Weise zuerst nur auf „Kleinfeuer" alormirt, und bevor sie mit einem Personalwagen herbeikam, spielten sich auf dieser Seite des Hauses herzzerreißende Auftritte ab. Aus allen Stockwerken, von den Fenstern und Balkonen erschollen Hülfe- und Jammer rufe. Die junge Frau Weck sprang mit ihrem Kinde zum Fenster hinaus. Sie fiel hier gerade vor den Füßen des Revierkommissars Schloßhauer aufs Pflaster nieder und fand den sofortigen Tod. Schloßhauer hob das noch lebende Kind auf, das ihn freundlich anlächelte, und ließ es in seine neben an befindliche Wohnung tragen, wo es aber auch bald darauf an den Folgen der Erschütterung verschieden ist. Frau Weck hatte vor ihrem Sprung einen Zettel geschrieben, und zum Fenster hinausgeworfen, auf dem ein Scheidegruß für ihren Mann mit den Worten „Lebe wohl, lieber Mann!" stand. Doch das Unglück war noch nicht voll. Der Frau Weck sprang ein Fräulein nach. Auch sie gab alsbald den Geist auf. Es hat noch nicht festgestellt werden können, welches der beiden Mädchen die Todte ist, da das andere Fräulein mit der Mutter nicht einmal den Versuch, abzuspringen, machen konnte. Mutter und Tochter verbrannten. Ihre Leichen wurden später bis auf kleine Reste vollständig verkohlt aufgefunden. Aus den Man- jarden, wo die Dienstmädchen schliefen, versuchten zwei der weib lichen Insassen am Blitzableiter herunterzuklettern. Dabei stürzte das Dienstmädchen Marie Kullmann aus Niederwöll stadt ab und fiel sich zu Tode. Einem anderen Mädchen ge lang es dagegen, abgesehen von einer Brandwunde am Arm, mit diesem Rettungsmittel heil zur Erde zu gelangen. Ein älteres Dienstmädchen wird noch vermißt, man befürchtet, daß es ebenfalls in den Flammen umgekommen und völlig verbrannt sei. Die inzwischen auf „Großfeuer" alarmirte Berufsfeuer wehr war gegenüber der Wuth des Elementes, das binnen kaum 15 Minuten auf alle Theile des Hauses sein Vernichtungs werk ausgedehnt hatte, mit den Löscharbeiten fast machtlos. Zudem versagte Anfangs die hydraulische Leiter. In einer knappen halben Stunde brannte das Haus vollständig aus. Die Bewohner des ersten Stocks, Privatier Müller und sein Sohn, konnten sich über eine an den Balkon angelegte Leiter retten. Seinen Sohn veranlaßte Müller, um den in den oberen Stockwerken janmernden Leuten Muth zu machen, zu erst auf das vor der Fassade an der Scharnhorststraße aus gebreitete Rettungsnetz zu springen. Der Sprung gelang, und nun folgten ihm die verschiedenen Personen aus den oberen Stockwerken, sechs an der Zahl. Sie führten den Sprung mit Glück aus, wenn sie auch einige mehr oder minder erheb liche Verletzungen dabei erhielten. So erlitt der im dritten Stock wohnende Schlesicky einen doppelten Rippenbruch, sein Sohn eine Rückgralverstauchung, während Ehr. Geyer und Frau, im zweiten Stock wohnend, glücklich davonkamen. Im zweiten Stock nach der Gutleutstraße wohnt das erst seit vier Wochen eingezogene Ehrhardt'sche Ehepaar. Ehrhardt erzählt, wie er durch das Klirren der herabfallenden Fensterscheiben ge weckt worden ist. Im Glauben, es handle sich um einen Dieb stahl, sprang er aus dem Bette und eilte an die Vorplatzthüre; hier schlug ihm bereits die Gluth entgegen und trieb ihn zu rück. Ehrhardt rettete sich durch einen Sprung auf das mitt lerweile unter seinen Fenstern ausgebreitete Rettungsnetz. Die junge Frau Ehrhardt schwang sich resolut durchs Fenster und kletterte auf dem Gesimse, das die Stockwerke trennt und ziem lich breit ist, dem Nachbarhause zu; einige Augenblicke schwebte sie bei dem Wagestück zwischen Tod und Leben. Da bemerkte Hauptmann v. Baumbach vom 81. Infanterieregiment, der im Hause nebenan in gleicher Stockwerkhöhe wohnt, die Kletternde, stieg zum Fenster hinaus, der Schwankenden entgegen, bot ihr die unterstützende Hand und brachte sie vollends in Sicherheit. Aus dem Mansardenstock waren die Dienstmädchen der Familien Weck und Ehrhardt aufs Dach geflüchtet und hielten sich am Schneefänger fest. Eines der Mädchen wollte in der Angst durchaus herabspringen, wurde aber von der Waschfrau Minna Dickhardt aus Vilbel davon abgehalten, bis die Feuerwehr die Frauen aus der gefählichen Lage erlöste. Dem Dienstmädchen Marie Schmidt, daß auf das nördliche Dach geklettert war, wurde der Sohn des im Nebenhause wohnenden Restaurateurs Knoblauch zum Lebensretter. Der wackere junge Mann war aus der Mansarde seines Hauses über die Brandmauer ge klettert und holte das Mädchen mitten aus den lodemden Flammen heraus. So kommen in das schreckenvolle Eretgniß einige Züge von Nächstenliebe und Hochherzigkeit. Der im sonst unbewohnten Erdgeschoß wohnende Hausmeister hat sich mit einer schweren Brandwunde retten können; noch ist er nicht vernehmungsfähig. Er und eine Anzahl der sonst Verletzten liegen im städtischen Krankenhaus. Das Dienstmädchen Echwöd aus Kindlich wurde in der Mansarde völlig verkohlt aufge funden. Gegen 8'/, Uhr wurden die sterblichen Ueberreste der Verbrannten, in Tücher gehüllt, aus den oberen Stockwerken von Feuerwehrleuten herabgelassen und in einem Sarge auf dem städtischen Krankenhauswagen zum Sachsenhäufer Friedhof gefahren. Die mit der Bergung der Leichen Betrauten sprachen mit Schaudern von dem Entsetzlichen, das sie gesehen haben. Die Brandstätte wurde noch im Laufe des Vormittags von Tausenden ausgesucht. Das vordem so stattliche Haus ist ein Bild wüster Vernichtung. Der materielle Schaden wird sehr hoch geschätzt. Venedig, 7. April. Se. Majestät der Kaiser Wilhelm traf heute Vormittag 10 Uhr an Bord der Jacht „Christabel* im Hafen Malamocco ein. Fünf Dampfer, auf welchen sich Mitglieder der hiesigen deutschen Kolonie, der Gemeinderath und eine große Anzahl geladener Personen befanden, waren der Jacht zur Begrüßung Sr. Majestät entgegengefahren. Um 11 Uhr 15 Minuten kündigten Salutschüsse die Ankunft der Kaiserlichen Jacht in Venedig an. Eine dichtgedrängte Menschen menge hielt die Riva Schiavoni besetzt. Sämmtliche Häuser und Gondeln hatten Flaggenschmuck angelegt. Das Wetter ist prächtig. Während der Fahrt vom Hafen Malamocco nach Venedig blieb Se. Majestät der Kaiser auf der Schiffsbrücke und dankte für die vom Ufer aus dargebrachten Kundgebungen mit militärischem Gruß. Der König und der Herzog der Abruzzen begaben sich sofort nach der Ankunft Sr. Majestät des Kaisers in einem Königlichen Boot an Bord der Jacht „Christabel", wo eine sehr herzliche Begrüßung zwischen beiden Monarchen stattfand. Nach einer längeren Unterhaltung kehrte der König in das Palais zurück, wohin sich Se. Majestät der Kaiser kurze Zeit darauf in einem Boot der Jacht gleichfalls begab. Die auf dem Markusplatz angesammelte Menschen menge brachte beiden Monarchen stürmische Kundgebungen dar, welche sich noch steigerten, als Ihre Majestäten Kaiser Wilhelm und König Humbert sich wiederholt auf dem Balkon des Palais zeigten. Venedig, 7. April. Heute Nacht wurden hier über 300 berüchtigte Individuen in Verwahrungshaft genommen. Zahlreiche Gendarmeriepatrouillen durchstreifen die Stadt. Den sämmtlichen Inhabern von Verkaufsläden, CafäS und Restaurants ist untersagt worden,'^Packele in Verwahrung zu nehmen. Die unheimliche Kette der anarchistischen Verbrechen in Paris ist soeben um ein neues Glied vermehrt worden. Am Mittwoch Abend fand im Restaurant Foyet in der RuheVau- girard, gegenüber dem Senatspalaste, eine furchtbare Bomben explosion statt. Durch dieselbe wurden arge Verwüstungen im Innern des Restaurants angerichtet, auch die anstoßenden Häuser erlitten Beschädigungen. Eine ganze Anzahl Personen erhielten mehr oder weniger schwere Verletzungen, besonders schwer wurden der sozialistische Schriftsteller Lausant Taillade, ein 26 jähriges Fräulein, welches mit Taillade dinirt hatte, und der Kellner Thomaz verwundet. Das Attentat im Restaurant Foyet hat in der französischen Hauptstadt erneut große Aufregung erzeugt; vielfach glaubt man, dasselbe habe eigentlich dem Senatsgebäude gegolten. Der noch nicht definitiv ermittelte Attentäter, angeb lich ein etwa 30jähriger Mann in ArbeitSkleidern, soll die Bombe in den Blumenbehälter eines Fensters des genannten Restaurants niedergelegt haben und dann entflohen sein; ein der That ver dächtiges Jndividum ist bereits verhaftet worden. Der Kreislauf der südamerikanischen Revo- lutiojn hat nunmehr auch den peruanischen-Staat in seine Wirbel gezogen, und niemand vermag zu sagen, ob damit die Wirren , die seit drei Jahren nacheinander.Argentinicn, Chile und Brasilien heimsuchen, ihrenZHöhepunttierreicht haben oder zu einem allgemeinen Chaos der ganzen Südhälfte des trans atlantischen Kontinents führen ^werden, wobei die Vereinigten Staaten von Nordamerika die Rolle des wohlwollenden Zu schauers spielen dürften. Einstweilen lassen sich die Dinge m