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MsdmfferTaMatt Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 MochtNbl(l^ fÜs Ä^l^dsU^s UNd i^MgLgLNd Postscheckkonto Dresden 264« Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts za Wilsdruff, des Stadtrat» -u Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Noffen. Verleger m» Dnnter: «rthnr Zsch««»e i« Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Her«««« Lässig, für den Inserateateil: «rih«r Zschunke, beide i« WiledrnG. Nr. 287 Freitag den 9. Dezember 1921. 80. Jahrgang. Amtlicher Teil. Kesselsdorf. Der 14. Nachtrag zur Gemeindesteuerordnung für die Stadt Wilsdruff vom 5. März 1915, Erhebung einer Gewerbesteuer beir., hat die oberbehördiiche Ge nehmigung gefunden. Der Nachtrag liegt zu jedermanns Einsicht 14 Tage lang in der Ratskanzlei (Zimmer 14) zur Einsicht aus. Wilsdruff, am 7. Dezember 1921. »» dver Stadtrat. Für die vom Bezirksausschuß der Amtshauptmannschaft Meißen für Klein- und Sozialrentner bewilligten Mittel sind Anträge im hiesigen Gemeindeamt bis spätestens den 11. Dezember 1921 zu stellen. Nach dieser Fnst können keine Anträge mehr emgegengenommen werden. Kesselsdorf, am 3. Dezember 1921. io» Der Gemeindevorstand. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Vor dem Reichsgericht in Leipzig begann der Prozeß ge gen die Führer im Kapp-Putsch. * Die Beziehungen zwischen der Reichsbauk und der Bank von England sind wieder ausgenommen worden. * Der Dollar sank in Newyork und Berlin erheblich infolge umlaufender Gerüchte über Kredithilfe für Deutschland. Mitt woch notierte der Dollar in Berlin zuletzt 206 Mark. * DaS englisch-irische Abkommen gibt Irland unter dem Namen .Irischer Freistaat" die gleichen Rechte wie Australien und Kanada. * In Rom wurde der frühere türkische Großwesir Sai- Halim Pascha von einem unbekannten Täter erschossen. * Japan stimmte dem Vorschlag Hughes aus Herabsetzung der Schiffsbauten zu. Theaterdonner. über den Sitzungssaal des französischen Senats ist eine schwarze Gewitterwolke hingezogen. Es hat ge donnert und geblitzt, aber nachdem dann ein milder Regen von neunmal klugen Worten herabgerauscht war, wölbte sich alsbald der vielfarbige Bogen des Friedens in Ge stalt eines mit 249 gegen 12 Stimmen angenommenen Vertrauensvotums Uber dem Hause, und siehe da, man erkannte, daß die Wolken nur auf Leinewand gemalt und Blitz und Donner nur von einem geschickten Theater- inspizienten hervorgezaubert waren. Es liegt aber oft ein tiefer Sinn im kindlichen Spiel. So auch hier. Briand hatte dem französischen Senat vor seiner Abreise nach Washington versprochen, alsbald nach feiner Rückkehr ausführlich über die politische Weltlage (das heißt auf französisch .über das böse Deutschland") zu sprechen. Zwei Senatoren, Branguier und Lamarcelle, waren die wackeren Kämpen, die eine doppelt schneidige Attacke gegen den Ministerpräsidenten ritten, und ihm damit eine prachtvolle Gelegenheit gaben, aus der günstigsten Ver teidigungsstellung heraus recht kräftig um sich zu schlagen. Aber den Sack schlägt man und den Esel meint man, sagt das Sprichwort, und wenn Briand die Hiebe seiner An greifer kräftig erwiderte, fo traf er immer mit großer Ge schicklichkeit an ihnen vorbei auf den Rücken der — deut- fchen Negierung. Die beiden Senatoren entrüsteten sich über alle Maßen, daß Herr Briand fein Versprechen nicht gehalten habe, Frankreichs „Rechte" gegen Deutschland kräftig zu wahren. Sie nagelten ihn darauf fest, daß er selbst gesagt hatte, Deutschland könne jeden Tag 6 bis 7 Millionen Mann auf die Beine bringen, und sie wußten erschreckliche neue Geschichten von den heimlichen deutschen Waffenfabriken zu erzählen. Dafür habe Deutschland Geld übrig, nicht aber für seine Schuldzahlungen. Es habe zu wenig Steuern eingeführt und unterstütze die Kapitalflucht ins Ausland, wo sich wohl an die 80 Mil liarden — es könnte vielleicht auch nur die Hälfte sein, so genau kommt es nicht darauf an — deutsches Vermögen befänden. Diese Milliarden soll Briand zurückbringen, und wenn er das nicht fertig bringt, fall er sich in seiner Ohnmacht vernichtendem Gefühl in seinen „Wigwam" zurückziehen. Das war deutlich, und es war nur noch eine kleine Variation dieses Themas von der absoluten Unzulänglichkeit der Briandschen Politik gegen Deutsch land, wenn der zweite Interpellant hinzufügte, die ganze traurige Lage sei nur dadurch verursacht, daß die Einig keit Deutschlands erhalten geblieben fei. Jetzt bleibe nur übrig, die Zahlungen mit allen Mitteln zu erzwingen, und wenn Deutschland nicht zahle, werde es auseinanderfallen. So spricht man im französischen Senat, während gleichzeitig der englische Schatzminister Horne erklärte, daß der Untergang Deutschlands eine Katastrophe für Europa bedeuten würde! Braucht man mehr Beweise da für, daß Herrn Briand nichts willkommener sein konnte, als diese maßlos heftigen Angriffe seiner eigenen Lands leute? Alles, was Briand gern sagen möchte, hatten seine famosen Angreifer trefflich für ihn besorgt, und er selbst konnte sich mit einer ganz kurzen Antwort begnügen, in der nnnmehr das, was er aus internationalen Rücksichten sagen mußte, sich als der Weisheit letzter Schluß und als eine wahre Himmelsbotschaft von Versöhnungswillen vom Hintergründe der vorhergegangenen Herzensergüsse abbeben mußte. Gr konnte «Iso mit wenig Worten die absolute Entschlossenheit bekunden, von Frankreichs Ansprüchen aeuen uns kein J-Biinktchen aufzugeben, und konnte dabei nach außen hin doch als die personifizierte Milde und Friedfertigkeit erscheinen. „Deutschland muß zahlen, und Deutschland kann zahlen." Das ist der ewige Kehrreim im politischen Liede der Pariser. Und wenn Briand mit den Worten: „Deutschland willja auch zahlen" ein wenig Sl auf die künstlich erregten Wogen gießt, so ist damit nicht uns und nicht der Welt geholfen. Mit solchem Ol schmiert Briand nur die etwas verrosteten Räder am Karren der franzö- fischen Revanchepolitik. —m. Hardings Botschaft. Eröffnung des nordamerikanischen Kongresses Ehe die Washingtoner Abrüstungskonferenz ihre bis her etwas unergiebigen Verhandlungen beendet hat, ist der Kongreß der Vereinigten Staaten zusammengetreten und Präsident Harding hat ihn mit einer Botschaft er öffnet. Der Präsident wirft einen Blick auf die langen Kriegsverwirrungcn, die nicht nationaler sondern inter- nationaler Natur gewesen seien. Er beabsichtige nicht, ein Programm für die Wiederher st ellung der Welt zu geben. Aber die Vereinigten Staaten könnten daran mithclfen. Sie hätten auch die Absicht, es mit Uneigen nützigkeit zu tun. Die Botschaft geht dann auf die inneren Verhältnisse Amerikas ein und sagt, die Hauptsache des internationalen Problems sei die Regelung der Schulden. Amerika müsse alle bestehenden Handels verträge aufküudigen, um die Einfuhrzölle für fremde Waren, die auf amerikanischen Schiffen nach Amerika ge bracht würden, herabsetzen zu können. Bei diesem Vor gehen müsse natürlich Rücksicht auf die Ausfuhrmöglichkeit genommen werden. Handel und Industrie kön nen nur aufrechterhalten werden durch Austausch. Harding wünscht von ganzem Herzen die Wiederherstellung der von dem Kriege so schwer betroffe nen Völker. Die Sowjetherrschaft in Rußland könne Amerika nicht anerkennen, ihre Propaganda nicht dulden. Aber ausreichende Kredite für die amerikanischen Hilfs organisationen müsse man bewilligen, nm den Hungernden und Leidenden in Rußland zu helfen. Zum Schluß seiner Rede sagte Harding über die Abrüstungskonfe renz, die Augen der ganzen Welt seien auf Washington gerichtet, und es sei wahrscheinlich, daß ein die gesamte Menschheit höchst ermutigender Erfolg herbeigeführt werden würde. Freistaat Irland. Gleiche Rechte wie Kanada, Australien, Südafrika. Nach Kämpfen, die nicht nach Jahrzehnten, sondern nach Jahrhunderten zu bemessen find, haben die Iren end lich ihre nationale Selbständigkeit errungen. Lloyd George führte iin Verein mit Chamberlain, Lord Birkenhead und Churchill die letzten Verhandlungen über die Einigung. Für Irland verhandelten die Sinnfeiner Collins und Bar tons. In einer Rede zu Birmingham gab Lord Birkenhead die Bedingungen bekannt, unter welchen die Verständigung mit Irland erfolgte. Im eigenen Hause. Mit einem einzigen Vorbehalt wird Irland in die- selbe Lage versetzt wie Kanada, Australien, Neuseeland und Südafrika. Es wird den Namen „Irischer Freistaat" er halten. Sttdirland ist darin im eigenen Hause. Man wird den Versuch in sehr weitherziger Weise auf derselben Grundlage machen, wie er in Südafrika mit Erfolg ange- wendet wurde. Die Vertreter Sinnfeins sind bereit, dem irischen Parlament zu empfehlen, daß der neugebildete irische Freistaat nicht einen Vertrag des Verbandes mit dem britischen Reiche abschließt, sondern in das britische Reich eintritt. Die Treue des irischen Freistaates zur bri tischen Reichsgcmeinschaft und zum König Georg wird in klarer und unzweideutiger Sprache in seiner Verfassung erklärt. In Finanzsragen hat das südirische Parlament die Führung. Irland übernimmt einen angemessenen Teil der nationalen Schulden und der Kriegsausgaben. Der Betrag wird durch Schiedsrichter festgestellt. Das Londoner Kabinett billigte einstimmig das Übereinkommen mit den Sinnfeinern und beglückwünschte Lloyd George zu dem Erfolg seiner Anstrengungen. Eben so sandte der König einen telegraphischen Glückwunsch an den Premierminister. Stimmt nun noch das stets etwas hartnäckige Ulster dem Abkommen zu, so kann Lloyd Ge orge , feinen früheren Lorbeeren einen imponierenden Zweig hinzufügen und ein alter Traum erfüllt sich — das grüne Erin wird frei sein! OerKapp-putschvo. oem Reichsgericht Angeklagt v. Jagow, v. Wangenheim und Dr. Schiele. '1. Verhandlungstag.) 8 Leipzig,?. Dezember. Fast ein und drei Viertel Jahre liegen zwischen dem am 13. März 1920 unternommenen Versuch Kapps und seiner Hel fer, die Regierungsgcwalt im Deutschen Reiche an sich zu reißen, und dem Beginn des Gerichtsverfahrens gegen diejenigen Füh rer beim Putsche, deren das Gericht sich bemächtigen konnte. Kapp selbst ist bekanntlich bald nach dem fehlgeschlagenen Staatsstreich nach Schweden geflohen und auch LüttwiH, der als der militärische Leiter det ganzen Aktion anzusehen ty, war bisher nicht aufzufinden. Für eine große Zahl anderer Teilnehmer ist inzwischen das Verfahren niedergeschlagen oder durch Amnestie erledigt und nur einigen wenigen Hauptbeteilig- ten kann jetzt das Urteil gesprochen werden, nachdem auch die Nachforschungen nach diesen durch zahlreiche Zwischenfälle immer wieder in die Länge gezogen wurden. Nunmehr erschei nen nnr drei Angeklagte, die in sührenden Stellungen an dem Kapp-Abenteuer teilnahmen, vor den Schranken des Reichsgerichts: der frühere Polizeipräsident von Berlin v'o n Jagow, der in der „Kapp-Regierung" Minister des Innern werden sollte, der als Politiker früher vielfach hervorgetretene Landivi rt von Wangenheim und der praktische Arzt und politische Schriftsteller Dr. Schiele, der erst kürzlich bei einem Versuch, die deutsche Grenze zu überschreiten, sepgenommen werden konnte. Die Anklageschrift geht davon aus, daß bereits im Sommer 1919 Bestrebungen im Gange waren, eine Diktatur in Deutschland zu errichten und die Republik zu beseitigen. Nach der Verkündigung der Verfassung im August 1919 war es eine Gruppe von Personen, die sich „Nationale Vereinigung" nannte und die planmäßig die Vorbereitungen für die Errichtung einer Diktatur fortsetzte. Dabei ging man von dem Gedanken aus, daß in Deutschland ein bolschewistischer Putsch bevorstche, daß diesem durch einen Gegenstoß von rechts her begegnet werden müsse und daß auf diese Art eine rechtsgerichtete Regierung ans Ruder kommen und allmählich die früheren Zustände wiederherstellen solle. Die Einzelheiten des Planes fand man bei einer Haussuchung in der Wohnung des Dr. Schiele. Das Aktionsprogramm sah vor: Einmarsch in Berlin, Besetzung der Ministerien, Fest nahme der Minister und jener höheren Beamten, die erst nach der Revolution ernannt wurden, Ausmerzung der nachrevolu tionären Ober-, Regierungs-, Polizeipräsidenten, Landräte usw. Den Präsidenten Ebert wollte man eventuell auf seinem Posten lassen, wenn er sich gefügt hätte. Die Anklage sieht Jagow des Hochverrates schuldig durch seine Teilnahme am Putsch, die sich in seinen Amtshandlungen bekundete: er setzte den Staatssekretär Freund, den Ministerialdirektor Mei ster ab, ernannte Doye zum Staatssekretär, entließ telegraphisch Ober« und Regierungspräsidenten usw. Herr vonWangen« heim erscheint weniger belastet. Er ließ sich zwar zum Land- wirtschastsminister ernennen, hat aber keinerlei Amtstätigkeit ausgeübt und sein Ministerium gar nickt betreten. übrigens soll auch Ludendorff in Beziehungen zu der erwähnten „nationalen Vereinigung" gestanden haben, doch ist ihm eine Beteiligung am Putsch selbst nicht nachzuweisen. Er ist nur beim Einzug der Truppen als Zuschauer am Branden burger Tor gewesen und hat den Beratungen der Kapp-Regie rung als Besucher beigewohnt. Er steht bekanntlich auch nicht unter Anklage. Die Vernehmung Iagows. Die Verhandlungen begannen früh 9 Uhr vor dem ver einigten 2. und 3. Strafsenat des Reichsgerichts unter Vorsitz des Senatspräsidenten Geheimrat Pelargus. Der Andrang der Zuhörer war nur mäßig, weil die Ausgabe von Karten der strengsten Prüfung unterlag. Besondere Absperrungen waren am Reichsgerichtsgebände ledoch nicht vorgeuommcn worden, auch waren keine Maflcnansammlungen wie mitunter bei ande ren Sensationsprozessen zu beobachten. Die Angeklagten befinden sich aufsreiemFuße und begeben sich von ihrem Hotel aus zu Len Verhandlungen. Sie erschienen mit ihren Verteidi gern, den Rechtsanwälten Fritz Grünspach, Justizrat Görres, Rechtsanwalt Böttger aus Berlin und den Rechtsanwälten Justizrat Geutebrück-Leipzig und Dr. Martin-Halle im Saale und nahmen aus der Anklagebank Platz. Nack der Verlesung des Eröffnungsbeschlusses, in welchem den Ange klagten vorgeworfen wird, Laß sie versucht haben, die Ver fassung des Deutschen Reiches im März v. I. gemeinsam zu stürzen und sich nach 8 81 und 82 und 8 47 des Str. G. B. schuldig gemacht zu haben, tritt Herr v. Jagow an den Ge- richtstis chund antwortet aus die Anklage in zusammenhängen der Rede. Er bestreitet, schuldig zu fein, und weist darauf hin, daß in der 140 Seiten langen Anklageschrift sein Nanie sehr selten vor« komme. Er habe vor allem nichts begangen, waö zu einer gc-