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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt fÜs WMmff UNd ilNMgMd Postscheckkonto Leipzig 28614 ' Dieses Matt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Siadtrais zu Wilsdruff, -es Forstrentamts Tharandt Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 23 Freitag den 28. Januar 1921. 80. Jahrgang. Kleine Zeitung für eilige Leser. * In einer Unterredung sprach sich Außenminister Dr. Simons über die Maßnahmen der Reichsregierung und der Interalliierten Kommission zur Sicherung einer ruhigen Ab stimmung in Oberschlesien zuversichtlich aus. * Der Mecklenburg-Schwcrinsche Landtag beschloß gemäß dem Antrag der Deutschnationalen Auflösung des Hauses und Ausschreibung von Neuwahlen für den 13. März. * Das noch ausstehende Mandat zum lippischen Landtag haben die Mehrheitssozialisten bekommen, so daß diese Partei 8 Mandate gegen 11 im alten lippischen Landtag besitzt. * Der dritte Band von Bismarcks „Gedanken und Erinne rungen" soll in den nächsten Tagen im Ausland entgegen allen Abmachungen erscheinen. * In einem Bries an den Kardinal-Staatssekretär Gaspari fordert der Papst Hilfe für das bedrängte Österreich. * Nach einer Meldung aus Konstantinopel hat die Entente alle türkischen Zölle mit Beschlag belegt. * Zwischen Amerika und Japan ist über die kalifornischen Fremdenaesetze eine Verständigung erzielt worden. Reden, nichts als Reden... Am zweiten Tage der Pariser Konferenz schon hört man davon sprechen, daß im nächsten Monat aber mals eine Zusammenkunft der leitenden Staatsmänner der Entente nötig sein werde, um die Bearbeitung der orientalischen Frage nun endlich ernsthaft in Angriff zu nehmen. Für Beschäftigung und Unterhaltung der hohen Herren aus Paris und London und ihrer gesamten euro päischen und nichteuropäischen Schutzbefohlenen ist also ausreichend gesorgt, für dieses und wohl auch noch für viele folgende Jahre. Wie lange aber noch die allgemeine Öffentlichkeit an diesem ebenso geräuschvollen wie ergeb nislosen Getue lebhafteren Anteil nehmen wird, ist eine andere Frage. Verbirgt sich doch hinter ihm nichts anderes als die immer deutlicher hervortretende Ohnmacht der neuen Schicksalslenker der Völker, die sich vermessen, der Welt ein neues Gesicht geben zu wollen, als wäre sie so, wie sie bis zum Kriege war und wie sie im Grunde auch heute noch ist, das Produkt irgendwelcher Willkür und nicht das Kind einer naturnotwendigen Entwicklung gewesen. Im Willen zur Zerstörung waren die siegreichen Herr schaften noch einigermaßen einig, aber jetzt, wo die Folgen dieser Art von Kriegsbeendigung immer erschreckender zu tage kommen, gebärden sie sich wie hilflose Greise auf dem Dache. Sie reden, sie reden und sie reden immer wieder, aber keiner weiß im Grunde, was geschehen soll. Die Entwaffnung Deutschlands spielt auf der Pariser Konferenz bei weitem nicht die große Rolle, wie wir uns das hier vorgestellt haben, weil die Franzosen uns diese Einbildung durchaus beibringen wollten. Ihre Generäle marschierten freilich mit dem ganzen Rüstzeug ihrer Spionagetätigkeit auf, um den Eindruck zu erwecken, als wären sie tief innerlich davon überzeugt, daß man uns nun endlich gehörig aus den Leib rücken müsse. Wenn man dann aber liest, daß ganze 450 schwere Geschütze, die bei uns irgendwo vorhanden oder verborgen sein sollen, ihnen angeblich den Schlaf der Nächte störe, so läßt sich begreifen, daß Lloyd George über solche Albernheiten mit einer leichten Handbewegung hinweggeht. Man wird Herrn Briand mit neuen Fristsestsetzungen für die Entwaffnung beruhigen, und damit wird sich die liebe Seele hoffentlich bis auf weiteres zufrieden geben. Dafür war der britische Ministerpräsident um so ungnädiger, als am zweiten Ver handlungstage, bei der Behandlung der österreichischen Finanz- und Wirtschaftsnot, der Versuch gemacht wurde, den unglücklichen Kleinstaat an der Donau von der Schuld für die Katastrophe, in die er geraten ist, reinzuwaschen. Der italienische Delegierte, Graf Sforza, war es, der die Anschauung vertrat, die Alliierten hätten in der Hauptsache selber die gegenwärtige zerrüttete Lage des österreichischen Staates verschuldet. Ach nein, erwiderte darauf Lloyd George, nicht die Kugel, die einen Soldaten verletzte, sei schuld an dieser Gesundheitszerstörung, son dern der Soldat, der in den Krieg gezogen sei. Also was tun? Man will die Militärkommission, die in Wien doch auch wirklich nichts mehr zu suchen hat, „in einigen Wochen" auflöfen und den Umfang der Wiederhcrstellungskom- mission erheblich einschränken. Außerdem ist natürlich wieder eine Kommission eingesetzt worden, die weitere Vorschläge machen soll. Kann man für einen todfranken Patienten besser sorgen? Aber wie gesagt, kritisieren und zerstören, darauf versteht man sich allenfalls ganz gut; das Besser- und das Wiedergutmachen — damit aber hapert's gewaltig. Und was wird nun eigentlich aus der Entschädi- gungssrage? Um die Frage aller Fragen für die Fran zosen, die ja selber nicht mehr wissen, wie und woher sie ihre finanzielle Blöße noch decken sollen? Von der ersten ist sie vorläufig schon an die dritte Stelle gerückt. Tenn nach der Entwaffnung und der österreichischen Fmanznot soll erst noch die Koblenfrage behandelt werden, und Lloyd George will, wie feine Umgebung mit gar nicht mißzuvcr- stehender Betonung verbreitet, schon am Freitag wieder zu Hause fein. Er soll überdies die Absicht haben, die Ent schädigungsfrage mehr vom englischen, als vom franzö sischen Standpunkte aus zu behandeln. So soll sie ihm den Vorwand bieten, nach Beschäftigung für seine schon nach vielen Lunderttauscnden zählenden erwerbslosen Arbeiter beim Wiederaufbau der zerstörten Gebiete Um schau zu halten, was dieses schon an sich nicht gerade ein fache Problem noch weiterhin sehr erschweren muß. Aber warum sollen die Engländer nicht auch bei dieser Frage an sich selbst denken? Und wenn die Franzosen Schwierig keiten machen sollten, so werden sie eben auf andern Ge bieten — man braucht nur an die Interessengegensätze im nahen Orient zu denken — Zugeständnisse machen müssen, denn ohne Konzessionen auch den besten Freunden gegen über, sind heutzutage einträgliche Geschäfte nicht zu machen. Mit andern Worten also: der schöne Schwung französischer Kammerreden wird vor dem nüchternen Geschäftsgeist britischer Praktiker etwas zurückweichen müssen. Wie wett, das entscheidet sich nach dem größeren oder ge ringeren Verhandlungsgeschick, das man am grünen Konfe renztisch zu entfalten versteht. Das Ende aller Dinge ist mit der Pariser Konferenz noch lange nicht gekommen. Die Zeit ist der geduldigste aller Ärzte. Sie wird helfen auch manche deutsche Wunde zu heilen, an der wir uns schon zu verbluten glaubten. * Oie Stellung der deutschen Regierung. Zustimmung zu den 5 Jahreszahlunge«. Wie eine halbamtliche Veröffentlichung sagt, ließ sich der Reichskanzler vom Reichsminister des Äußern und vom Neichssinanzminister eingehend über die Frage der Wiedergutmachungsverhandlungen unterrichten. Es be stand Übereinstimmung in folgender Beurteilung des Sach verhältnisses und der Stellungnahme der deutschen Re gierung: Nach wie vor ist es ein dringendes Interesse Deutsch lands, die Höhe seiner Ncparationsschuld so bald als mög lich kennen zu lernen. Es hat ein vertragsmäßiges Recht daraus, daß ihm diese Kenntnis bis zum 1. Mai 1921 verschafft wird. Andererseits erkennt Deutschland au, daß zurzeit die Festsetzung der Schuldsumme technisch und eine Verständigung über die Festsetzung psychologisch schwierig wäre. Die deutsche Regierung würde daher bereit sein, auf die Einhaltung der Frist zu verzichten, wenn cs ihr gelänge, sich mit den Alliierten über Teilleistungen Deutschlands während der nach st en fünf Jahre zu verständigen. In diesem Sinne hat sie den Plan der fünf Jahreszahlungen als Ausgangspunkt der weiteren Verhandlungen angenommen. Die deutsche Regierung verlangt nun, daß bei den Verhandlungen über diesen Plan die zahlenmäßige Höhe der Jahresleistungen einstweilen Vorbehalten bleibt, und daß zunächst die Methode der Sachleistung, ihre Bewertung und die für die Bemessung von Deutschlands Leistungsfähigkeit maßgeben den, in Brüssel näher bezeichneten Umstände erörtert wer« den, und daß über die Höhe der Gesamtschuld auch beim Zustandekommen der Vereinbarung über die Jahrcs- zahlungen nicht etwa erst nach Ablauf der fünf Jahre, sondern sobald als möglich weiter verhandelt wird. Dieses Verlangen ist von dem französischen Botschafter in Berlin bei feiner entscheidenden Besprechung mit dem deutschen Außenminister als berechtigt anerkannt worden. Es bildet also die Grundlage der weiteren Verhandlungen. Ohne ein Entgegenkommen der Alliierten auf dem von der deutschen Delegation in Brüssel bezeichneten Ge biete könnte die deutsche Regierung die Annahme der fünf Jahresleistungen, die ein großes Entgegenkommen ihrer seits darsiellt, nicht verantworten. Die Brüsseler Sachver ständigenbesprechungen sind noch nicht zu Ende geführt. Erregung im Ruhrrevier. Drohende Lohnkämpfe. Unter der Mehrzahl der Bergarbeiter im Ruhrrevier herrscht augenblicklich eine große Erregung gegen den Reichsernährungsminister, da dieser die Preise für die den Bergarbeitern auf Grund des Spa-Abkommens zu stehenden Mehrmengen erhöht hat. Dies ist notwendig geworden, weil allein die erhöhte Brotmenge eine Mehr ausgabe von 400 Millionen Mark erforderthat. Die radi kalen Führer wollen die Leitung der Bergarbeiterorgani sation in die Hand nehmen und die Bergarbeiter dazu bringen, das überschichtenabkommen und die Tarife zum 1. März zu kündigen. Die angekündigten Lohnforde rungen sind derart beträchtlich, daß man sie voraussicht lich nicht wird bewilliaen können. politische Rundschau. Deutsches Reich. Neue ErnShrungsministerkonserenz. Am 22. Februar werden die Ernährungsminister der Einzelstaaten eine neue Konferenz über das künftige System der Getreideerfassung und über die Gestaltung des Ge treidepreises abhalten. Diese Konferenz wird nach Mün chen einberusen werden. Zurzeit schweben im Reichs ernährungsministerium noch Erwägungen über die der Konferenz zu erstattenden Vorschläge, in welcher Weise die nächste Ernte erfaßt werden soll. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor. Daher sind auch die von änderet Seite ver breiteten Meldungen, daß das Reichsernährungsministe rium sich entschlossen habe, eine Erhöhung der gegenwärtig acltenden Getreidemindestvreise um rund 600 bis 700 Mk. vorzuschlagen, unzutreffend. Die Konferenz der tsrnay- rungsminister der Länder- die vor kurzem in Dresden ab gehalten worden ist, hat ausdrücklich von der Festsetzung von Mindestpreisen für die nächste Ernte abgesehen, weil zuerst das System der Getreideerfassung im kommenden Erntejahr bestimmt werden soll. Das wird, wie gesagt, erst Ende Februar geschehen. Zerstörungen auf Befehl der Entente Die sächsische Landeswetterwarte, das aeronautische Institut zu Lindenberg und die geophysischen Anstalten in Leipzig und Frankfurt a. M. hatten die Interalliierte .Kommission gebeten, Entfernungsmesser aus den Kriegs, beständen ihnen für wissenschaftliche Zwecke zu überlassen. Die Interalliierte Kommission hat die Bitte abgeschlagen — und die Zerstörung der wertvollen Instrumente ange- ordnet. Bayern und die Reichsgründung Bei Wiedereröffnung des bayerischen Landtages hielt vor Eintritt in die Tagesordnung Präsident Königsbauer anläßlich des 50jährigen Bestehens des Deutschen Reiches eine Ansprache, während welcher die Kommunisten und die Abgeordneten der U. S. P. den Saal verließen. Der Präsident gedachte insbesondere der geknechteten Brüder im besetzten Gebiet und in Oderschlesien, die auf den Tag drängen, an welchem sie ihr Deutschtum bekunden können. Lenins deutsche Millionen. Der kommunistische Abgeordnete Düwell hat an die Reichsregierung die Anfrage gerichtet, was sie zur Nach prüfung der Behauptung Eduard Bernsteins zu tun ge denke, der erklärt hat, daß im Jahre 1917 Lenin und Ge nossen für ihre Aktion in Rußland große Summen aus Mitteln des kaiserlichen Deutschland empfangen hätten. Zn dieser Angelegenheit veröffentlicht der Vorwärts ein ihm aus Paris zugegangenes Telegramm Kerenskis, in dem dieser erklärt, er begrüße die mutige Darlegung Bern steins über die Beziehungen zwischen den Bolschewik! und dem kaiserlichen deutschen Generalstab, er unterstütze mit aller Energie das Verlangen nach einer unparteiischen Untersuchung und erkläre sich bereit, vor einem Organ dieser Untersuchung auszusagen. Kerenski schlägt vor, diesem Organ internationalen Charakter zu geben. Rußland. X Ermordung dc8 ukrainischen Ministerpräsidenten. Nachrichten aus der Ukraine zufolge ist der ukrainische Sozialrevolutionär Wsewolod Holubowitsch, der zur Zeit des Abschlusses des Brester Friede,lsvertrages zwischen Deutschland und der Ukraine ukrainischer Ministerpräsident gewesen war, in Winnitza von den Bolschewisten erschossen worden. X DaS sterbende Petersburg. Es wird berichtet, daß Petersburg jetzt nur noch 250 000 Einwohner habe. Der Mangel an Lebensmitteln ist viel größer als in Moskau. Von St. Petersburg abreisende Privatpersonen sind ver pflichtet, Geiseln als Sicherheit für ihre Rückkehr zu stellen. Aber nichtsdestoweniger nimmt die Zahl der Bevölkerung in St. Petersburg schnell ab. Amerika. X Verständigung mit Japan. Die Verhandlungen zwischen dem amerikanischen Botschafter Maurice und dem japanischen Botschafter Hidehara über die kalifornischen Frcmdengefetze und die Feststellung der japanischen Rechte in den Vereinigten Staaten sind zu einem erfolgreichen Abschluß gelangt. Die Abmachungen bedürfen jedoch noch der Ratifizierung durch die beiden Regierungen. Oeuischer Reichstag. (57. Sitzung.) eL Berlin, 26. Januar. Die Beratung des Haushalts des Reichsjusttz- ministeriums wurde heute fortgesetzt. Zuerst sprach der Abg. Graf zu Dohna (D. Volksp.). Er versicherte dem Justiz minister, bei der Durchführung seines Programmes der vollen Unterstützung der Deutschen Volkspartei und führte im An. schluß hieran aus: Auch wir würden es begrüßen, wenn in Bayern der Ausnahmezustand beseitigt werden könnte, aber es handelt sich um einen Rechtsnotstand, der außerordentliche Maßnahmen zum Schutze der Staatsautorität erfordert. Die schwierige Aufgabe der Verfolgung der Kriegsverbrecher wird vom Reichsgericht in vorbildlicher Weise gelöst. Wenn aber die Feinde trotzdem die Unparteilichkeit unseres höchsten Gerichtes mizweifeln sollten, dann können sie sich leider berufen aus die Reden, die hier von der linken Seite gehalten worden sind. An die Stelle eines geistig und sittlich so hochstehenden Richtcr- standes wollen die Sozialdemokraten eine Art gewähltes Par lament setzen. Das bedeutet die Polttflerung unserer Justiz. Das machen wir nicht mit. Wir lehnen es ab, den von den Sozialdemokraten konstruierten künstlichen Gegensatz zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft anzuerkennen. (Gelächter auf der Linken.) Der Abg. Dr. Moses (U-Soz.) rief dem Redner hier zu: „Spielen Sie doch nicht Komödie!" Die deutsche Arbeiterschaft, so sagte der Reduer weiter, will nicht in einen Topf geworfen werden mit den Arbeitern, die nur das Volk immer von neuem verhetzen. (Großer Lärm bei den Sozialdemokraten.) Wir bestreiten, daß die Arbeiter vom Gericht schlechter behandelt werden als andere Leute. Wir lehnen das Volksrichtertum ab. Die Zu lassung von Frauen zum Richteramt kann nicht unter Berufung apf die Neichsversassung gefordert werden, sonst muffen die Frauen auch in die Reichswehr.eingcreiht werden. Abg. Frau Dr. LüderS (Dem.) wandtt sich zuerst gegen die Beschwerden der äußersten Linken über fdeblurteile. Wn