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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharaud, Rossen, Siebeulehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Aönigl. Gerichtsamt Witsdruss und den Stadtrath daselbst. «frettag, den 29.8eptem6er L865. Ag Verantwortlicher Redacteur und Verleger: A. Lorenz. Von dieser Zeitschrift erscheint alle Freitage eine Nummer. Der Preis für den Vierteljahrgang beträgt IO Ngr. und ist jedesmal vvrauszubezahlen. Sämmtliche König!. Postämter nehmen Bestellungen darauf an. Anzeigen, welche im nächsten Stück erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl (in der Redaclion», als auch in der Druckerei d. Bl. in Müße» dis längstens Donnerstag Vormittags 8 Uhr erbeten, Inserate nur gegen sofortige Bezahlung besorgt, etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, mit großem Danke angenommen, nach Befinden honortrt. Redaction. Umschau. Das Tagen der Vereine hat noch kein Ende. In Trier versammelten sich die Katholiken und be- riethen eifrig das Wohl ihrer Kirche. Ein Professor aus Tyrol, v. Moy, hat endlich herausgefunden, woher alles Unheil der heutigen Zeit: Unglaube und Sittenverderbniß kommt. Die Schule ist schuld! rief er aus und darum muß man sie abschaffen. Die Schule entfremdet die Kinder der Familie; die Schule bringt den Unterschied zwischen Gebil deten und Ungebildeten hervor; — eine allgemeine Gleichheit, eine wahre Verbrüderung würde das Paradies auf Erden schaffen, wenn — die Schule nicht mehr wäre. Das Schlimmste aber, was man der Schule nachsagen kann, hat der Herr Professor vergessen oder absichtlich verschwiegen: seit es Schu len giebt, wo die Menschen lesen lernen, lassen sie sich nicht mehr so blindlings führen, sie folgen nicht mehr so unbedingt ihrem Pater und das ist das Traurigste. Auf den Bischof von Trier war die Versamm lung nicht wokl zu sprechen, weil er den heiligen Rock, der einst so viel Aufsehen machte, nicht aus gehängt hat. Ein Redner ging in seinem Eifer für denselben soweit, daß er ihn für das einzig wahre Symbol der deutschen Einheit erklärte. Uebrigens beschloß man, an den Erzbischof von Freiburg eine Dankadresse dafür zu erlassen, daß er die Rechte der Katholiken im badischen Schulstreite so tapfer vertheidigt, mit andern Worten, daß er dem Ge setze Hohn spricht und dessen Ausführung hindert. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen! — Der General Manteuffel, der neue Gou verneur von Schleswig hielt in Kiel eine Rede an die preußischen und österreichischen .Offiziere, worin er die drei Farben (weiß, schwarz, gelb) der ver einigten preußisch-österreichischen Fahnen als die rich tige deutsche Tricolore hinstcllte. Die anderen drei Farben seien im Jahre 1848 besudelt und in den Schmuz getreten worden. Wahrscheinlich erinnerte sich der tapfere General nicht, daß er diese drei Farben damals selbst am Helme getragen hat, daß der König von Preußen mit einer deutschen Fahne in der Hand durch die Straßen von Berlin geritten ist. Die Kieler hatten nichts Eiligeres zu thun, als all ihre deutschen Fahnen herauszustecken, so daß der General durch einen ganzen Wald hindurch mußte. Die Geistlichen Schleswigs ermahnte der General in einer Anrede, ihren Pfarrkindern den Gehorsam gegen die von Gott eingesetzte Obrigkeit recht fleißig einzuschärfen. Die Pfarrkinder fragen aber naiv, ob denn die neue Obrigkeit wirklich vom lieben Gott und nicht vielleicht von Hrn. Bismarck oder Manteuffel eingesetzt sei. Wozu der liebe Gott nicht alles herhalten muß! —- In Wien ist man durch ein Manifest des Kaisers überrascht worden, das ganz einfach die seit vier Jahren geltende Verfassung aufhebt, oder wie es heißt, sistirt. Dagegen werden die einzel nen Landtage cinbcrusen und mit dieser soll eine Reichsverfassung vereinbart werden. Viele, halten den Lchritt des Kaisers für den Anfang zum Zer bröckeln des österreichischen Staates; Neigung zum Abfall ist überall vorbanden, in Böhmen, Italien und Ungarn. In den Geldkreisen hat das kaiser liche Schreiben einen bösen Eindruck gemacht; alle Papiere sind zurückgegangen. Schlauer Weise hat man kurz vorher noch eine Anleihe mit dem Hause Rothschild abgeschlossen, wie es heißt auf 200 Millionen zu 70. mit 8 Procent Zinsen. Ein herrliches Geschäft! —