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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharaud, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das König!. Gerichtsamt Wilsdruff und den S'tadtrath daselbst. Freitag, den 26. Mai 1865. 21. Verantwortlicher Nedactcur und Verleger: A. Lorenz. Von dieser Zeitschrift erscheint alle Freitage eine Nummer. Der Preis für den Vierteljahr gang beträgt 10 Ngr. und ist jedesmal vorauszubezahlen. Sämmtliche Königl. Postämter nehmen Bestellungen darauf an. Anzeigen, welche im nächsten Stück erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl im der Redaction), als auch tn ter Druckerei d. Bl. in Meißen bis längstens Donnerstag Vormittags 8 Uhr erbeten, Inserate nur gegen sofortige Bezahlung besorgt, etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. ^ie Redaktion u m sch a u. Nachdem man in Berlin eingesehen hatte, daß das Verspeisen der Herzogtümer doch nicht so leicht sei, als man geglaubt, wurden die bekannten Forderungen aufgestellt, vor deren Erfüllung an keine Selbstständigkeit zu denken sei, und diese Forderungen waren auch dem Herzog Friedrich mitgetheilt worden. Dieser hat nun jetzt darauf geantwortet, und seinem Schreiben nach müßte Preußen Vieles fallen lassen. Der Herzog ver wirft das geforderte Schutz- und Trutzbündniß und die Verschmelzung der Landstrcitkräste der Herzog- thümer mit der preußischen Armee, sowie auch die Verschmelzung des Post- und Lelegraphenwesens, und schlägt, waö die Armee betrifft, eine Conven tion nach Art der Coburg-Gothaischen vor. Da gegen acceptirt er die Forderungen, welche die Bun desfestung, die Gebietsabtretungen zum Zwecke preußischer Fcstungsbauten, den Canal, den Zoll verein, und im Wesentlichen, wiewohl mit Vorbe halt, auch die, welche das Marinewesen betreffen, wünscht aber als Entgelt dieser Zugeständnisse einen Nachlaß von der preußischen Kriegskostenforderung. — Was nun? Wahrscheinlich wird Preußen bei seinen Forderungen stehen bleiben und dieselben den Ständen der Hcrzogthümer verlegen. Diese bestehen zum größten Theile aus Edelleuten, denen das Bismarck'sche Regiment ausnehmend zusagt, und man würde den Herzog nicht eher einsetzen, als bis er alle Forderungen unterschrieben hat. Aber Oesterreich will wieder nicht, ist auch auf den preußischen Wunsch, daß der Herzog während der Verhandlungen mit den Ständen aus dem Lande entfernt werde, nicht eingegangen. Wollt ihr nicht, wie ich will — nun so bleibt Alles, wie es ist! sagt Bismarck. Der Bundestag rührt sich nicht mehr. — Der preußische Richterstand hat bisher in ganz Europa in hohem Ansehen gestanden, weil er ohne Ansehen der Person nur nach dem Gesetz urtheilte. In neuester Zeit soll das anders geworden sein. Im Abgeordnelenhause wurde dem Minister der Justiz vorgeworfen, daß die unfähigsten Menschen zu den höchsten Richterstellen berufen würden, wenn sie nur immer in das Horn des Ministeriums stie ßen. Man lege die Gesetze nicht mehr aus, son dern verdrehe sie. Die liberalen Zeitungen würden unaufhörlich verfolgt, dagegen könnten die reactionä« ren sagen, wa» sie wollten, da gebe es keinen Staats anwalt. Ein Redner schließt: „Wir können das Wort Vincke'S in diesem Hause wiederholen: „DaS Unrecht hat alle Schum verloren." Als der König Ernst August von Hannover im Jahre 1837 das Staatsgrundgesetz seines Landes kasstrte und eine zustimmende Erklärung seiner Beamten, der „könig lechen Diener," wie man sie im Welfenlande nennt, verlangte, da erklärte ein hannoverscher Beamter: „Ich unterschreibe Alles, Hunde find wir ja doch." ES wird Ihnen vielleicht gelingen, mit Ihren Stra fen und Belohnungen den preußischen Beamtenstand in seinem Durchschnitt zu einem ähnlichen erheben den Bewußtsein herabzudrücken: Hunde find wir ja doch! Aber wenn Sie es erreicht haben, werden Sie vielleicht nicht, aber Andere anerkennen, daß die alten Fundamente deS preußischen StaateS aus einandergewichen find." Stürmischer lang anhal tender Beifall, gegen welchen das Zischen der Rech ten nicht aufzukommen vermochte, folgte der Rede. Als ein conservatives Mitglied gegen den Redner, weil er die Gerichtshöfe beleidigt habe, den Ord nungsruf begehrte, weigerte sich der Präfident den-