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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nvffcn, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Dtadtrath daselbst. 8tz. Dienstag den 11. Malier 1870. Ueber die Lebensgefahr durch Kohlendämpft. In jedem Winter kommen Betäubungsfälle, nicht fetten mit tödtlichem Ausgange vor, welche durch gehörige Vorsicht bei der Be handlung der Stuben- und Backöfen hätten verhütet werden können und allein dadurch herbeigeführt werden, daß die bei dem Verglim men der Kohlen entstehenden schädlichen Dämpfe sich in die bewohn ten Räume verbreiten. Diese Dämpfe, Kohlendunst oder Kohlem dampf genannt, sind unsichtbar und meistens auch für den Geruch nicht bemerklich, aber eben deshalb um so gefährlicher, während der gewöhnliche Rauch sehr bald durch den Geruch und durch die beißende Empfindung in den Augen bemerkt wird. Der Kohlendunst oder Kohlendampf ist ein Gemenge sehr ver schiedener Luftarten und entsteht, wo Brennmaterialien unvollständig verbrennen (glimmen, schwülen), daher bei ungenügendem Luft zuge und bei zu geringer Erhitzung der Brennstoffe. Dies geschieht 1) bei Kohlenbecken, weil durch den langsamen Abzug des Rauches und durch die über den glimmenden Kohlen sich bildende Aschendecke der Zutritt von frischer Luft sehr erschwert wird; 2) in Stuben- und Backöfen, wenn durch das Schließen der Klappen oder durch Verstopfung der Züge mit Nuß das Abziehen der schädlichen Luft verhindert, oder durch festes Schließen der Einfeuer- ungsthüren und der Thüren des Aschenfallcs der Zutritt kalter Luft während des Brennens abgehalten wird; 3) bei Anwendung von Brennmaterial, welches feucht ist oder zu viel Asche hinterläßt, wie nasses Holz, Abgänge von Flachs, feuchte oder erdige Steinkohlen, wie Staubkohlen, Sandkohlen, Koh- lengruß oder dergleichen; 4) im Anfänge des Einfeuerns oder bei neuem Aufschüt ten der Brennstoffe, indem in beiden Fällen letztere noch nicht die erforderliche Hitze erreicht haben. Die von innen geheizten Stubenöfen, die eine Klappe im Rauchrohre haben, sind am sorgfältigsten zu überwachen, weil die Kohlendämpfe, welche sich nach dem Schließen der Klappe noch er zeugen, nicht abziehen können und so durch die Einfeuerungs- und Aschenfallöffnung in die Stube treten. Aber auch die von außen geheizten Stubenöfen bringen Gefahr, wenn alle Oeffmmgen gut geschlossen werden, während noch Kohlen darin glimmen, die einge- sperrten Kohlendämpfe treten dann durch die Fugen des Ofens in die Stube, wie namentlich bei sogenannten Berliner Oefen. Dasselbe findet bei den in bewohnte Räume eingebauten Backöfen statt. Man wird daher am Besten sich schützen, wenn man den Abzug auS dem Ofen nach außen so lange nicht hindert, als noch etwas im Ofen glimmt; daher schließe man die Klappe im Rauchrohre gar nicht und verhüte das Zufällen derselben. Die Wärme, die dadurch verloren gehen könnte, ist namentlich bei eisernen Oefen nicht so be trächtlich, als man zu glauben pflegt. Da überdieß ein guter Schluß der Einfeuerungs- und Aschenfallsthüren ebenso die Wärme in der Stube erhält, als die geschloffene Klappe des Rauchrohrs, so sorge man für ersteren und lasse letztere, die so gefährliche Klappe, ganz weg. Kohlenbecken sind in geschloffenen Räumen immer schädlich, da sich alle von ihnen aufsteigenden Dämpfe in die Stube oder Kam mer selbst verbreiten müssen; man vermeide sie daher gänzlich. Während der Rauch Husten und Augenbrennen erzeugt und den Athem beengt, bringt das Einathmen einer Luft, welche Kohlendunst oder Kohlendampf enthält, Eingenommenheit des Kopfes, Schwindel, Kopfweh, Umnebelung der Augen, Schlafsucht, ein Gefühl von Be ängstigung und allgemeinen Unwohlsein, wohl auch Uebelkeit und Erbrechen hervor. Bei längerem Verweilen in solcher Luft tritt Be täubung, Ohnmacht, Scheintod, auch der Tod selbst ein. Besonders gefährlich wird eine solche Luft dem Schlafenden. Fühlt man sich ohne sonstige Krankheit in einem geheizten Zim mer unwohl, so verlasse man es sogleich oder öffne die Fenster, un tersuche den Ofen, ob die Klappe geschloffen ist, ob noch glimmende Kohlen unter der Asche sind u. s. w. Erkrankte oder Scheintodte bringe man sogleich in die freie Luft oder wenigstens in ein anderes Zimmer, oder öffne, wenn dies nicht schnell genug geschehen kann, Fenster und Thüren, um einen Luftzug zu erzeugen; lüfte Halsbinde, Gürtel, Mieder und alle fest anliegende Kleidungsstücke, bringe den Körper wo möglich in eine sitzende Stellung mit herabhängenden Beinen, spritze kaltes Wasser auf Gesicht und Brust, bürste oder reibe Füße und Hände und rufe schleunigst einen Arzt herbei. Bis dieser ankommt, trinke der Erkrankte etwas starken schwarzen Kaffee; dem Ohnmächtigen oder Scheintodten lasse man den Dunst oder Brodem von heißem starken Kaffeeaufguß einathmen. Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 11. October 1870. Wir können nicht unterlassen, auf das morgen Abend im Löwen stattfindciide Concert (siehe Inserat) noch ganz besonders aufmerksam zu machen. Die Concertgeberin, Fräulein Marie Zedtler, Toch ter unseres seligen Cantors, ist dem Publikum durch ihre früheren hier gegebenen Concerte noch in frischem Gedächtniß. Vergangenen Freitag Vormittag in der zwölften Stunde ertönte abermals der Ruf „Feuer!" durch die Straßen unserer Stadt; es brannte eine Scheune im sogenannten Gründchen, von wo auS sich das Feuer mit so rapider Schnelligkeit nach den gegcnüberstehen- den Scheunen ausbreitete, daß in kurzer Zeit 4 Scheunen in Flam men standen. Obgleich die städtische Feuerwehr mit den Spritzen sehr schnell an Ort und Stelle war und nach allen Seiten hin die größte Thätigkeit entwickelte, war es doch nicht möglich, aus den brennenden Scheuen viel zu retten, sondern der größte Theil der Erntcvorräthe mußte den Flammen überlassen bleiben. Durch theil weises Einreißen einer Scheune und durch das Bespritzen derselben von zwei Seiten konnte erst dem Feuer Einhalt gcthan werden. Wie groß die Vorräthe in den cingcäschertcn Scheunen gewesen sind, beweist der Umstand, daß die städtischen Spritzen fast ununterbrochen bis Sonntag früh zur Tilgung der neu auflodernden Flammen in Thätigkeit bleiben mußten. Ueber die Entstehung drs Feuers ist auch diesmal etwas Bestimmtes noch nicht ermittelt. Gegend von Freiberg, 7. October. Einen kleinen Vorge schmack von den Folgen der Sicherheitsmaßregeln gegen die Ein schleppung der Rinderpest werden auch wir nun bald bekommen. Nach einer eben erschienenen Verordnung der königlichen Amtshaupt ¬ mannschaft zu Freiberg darf nämlich von jetzt an in den Gerichts- amtsbczirken Freiberg und Brand der Handel mit Rindvieh und aller Transport desselben von Ort zu Ort ohne besonderen, von der Polizeibehörde auszustcllenden Erlaubnißschein bei Vermeidung der in ß 8 des Gesetzes vom 30. April 1868 geordneten Strafen und Nachtheile bis auf weiteres nicht mehr statthaben. Das dürfte zu nächst wohl fühlbar werden inbetreff des Schlachtviehes. — Hinsicht lich des Gefammtverlustes, den Herr Höckner auf Langenrinne an Rind infolge der Pest gehabt hat, kann ergänzend zu dem letzten Berichte bemerkt werden, daß die Zahl der gefallenen und getödteten Stücke gerade 99 beträgt. Wie die „D. A. Z." mittheilt, hat der Rath der Stadt Leipzig am 5. d. beschlossen, unter zu erwartender Zustimmung der Stadt verordneten, 3000 Thlr. zur Unterstützung der so schwer heimge suchten Schwesterstadt Straßburg und 1000 Thlr. für das nicht minder bedürftige Kehl aus der Stadtkasse zu verwilligen. Aus Leipzig wird berichtet, daß der des versuchten Raubmordes an seinen beiden Schwestern angeklagte Correctionair Bruno Werner in der Geschwornengerichtssitzung für schuldig erklärt und demgemäß von dem Gerichtshöfe zu einer Zuchthausstrafe von 26 Jahren verur- theilt worden ist.' Aus Dresden berichten die „Dr. N.": Am 7. d. Nachmittag schoß ein größerer Schulknabc, welcher merkwürdigerweise ein geladenes > Pistol bei sich geführt halte, einen kleineren Knaben in den Unter- leib, so daß das arme Kind blutend auf einer Bank in dem , Promenadenviereck nahe am Pirnaischen Platze zusammensank. Der fugendkche Verbrecher hatte sich nach geschehener That, deren Vcr- I anlassung man nicht kennt, aus dem Staube gemacht.