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UchM MMss WM, W«, Mcckhi M die UqWdkil. ' AmLsbtclLL für die Kgl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich I Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Rr! 3S. Freitag, den 17VMai 188S.' Bekanntmachung, trichinenhaltiges Fleisch betreffend. Wie das Königliche Ministerium des Innern aus einer bei ihm von der Direction eines Versicherungsinstsiutes gegen Trichinengefahr ange brachten Beschwerde zu entnehmen gehabt hat, haben bei vorgekommenen Fällen von Trichinosis bei Schweinen die Trichinenschauer der in der Nähe gelegenen Ortschaften an der betreffenden Stelle sich eingefunden, hier von dem trichinösen Schweine größere Stücke sich abgeschnittcn und angeblich zur Nachuntersuchung mit nach Hause genommen. Eine derartige Verzettelung trichinenhaltigen Fleisches erscheint, wie auch in einem von der Königlichen Commission für das Veterinärwesen erstatteten gutachtlichen Vortrage zugegeben worden ist, dazu angethan, die in jener Beschwerde als möglich hingestcllte absichtliche oder unabsichtliche Verbreitung der Trich'nose unter Menschen und Thieren zu erleichtern. Obgleich nun ein derartiges Gebühren mit dem Fleische trichinöser Thiere schon im Hinblicke auf den Schlußsatz von § 1 der Verordnung, die Beschränkung des Verkaufs von Fleisch kranker Thiere betreffend, vom 21. Mai 1887, als unstatthaft sich darstellt, so werden doch auf Anordnung des Königlichen Ministeriums des Innern die Polizeibehörden des hiesigen Verwaltungsbezirks unter Erinnerung an die angezogene Bestimmung hier mit noch ausdrücklich angewiesen, die Entnahme von Fleischtheilen von einem für trichinös erklärten Schweine nach Feststellung der Krankheit keines falls mehr, und zwar auch nicht dein hierbei betheiligt gewesenen Trichinenschauer, zu gestatten, wobei zu bemerken, daß nur der sofort nach der Er mittelung der Trichincnkrankheit bei einem Schweine in Kenntniß zu setzende Bezirksthierarzt zu dieser Entnahme berechtigt ist. Meißen, am 6. Mai 1889. Königliche Amtshauptmannschast. v Kirsbach. Bekanntmachung — Der Nenkirchener LommunicationStveg von Dittmannsdorf und Steinbach nach Deutschenbora wird wegen Schüttung für den Fährverkehr vom 20. bis 25. Mai gesperrt und derselbe über Reinsberg nach Deutschenbora verwiesen. Neukirchen, den 15. Mai 1889. Tagesgeschichte. Die Meldungen aus dem Gebiete des großen Bergbauarbeiter- StreikeS in Rheinland und Westfalen lassen die dortigeLage noch immer in einem bedenklichen Lickte erscheinen. Allerdings ist von den GrubeN- verwaltungen durch die Erklärung ihrer in Essen versammelt gewesenen Vertreter, wonach die einzelnen Zechen bereit sind, den feiernden Arbeitern eine Lohnerhöhung zu gewähren, während die weitere Forderung einer Ver kürzung der täglichen 8stündigen Arbeitsschicht entschieden zurückgcwiesen worden ist, ein erster entgegenkommender Schritt den streikenden Bergleuten gegenüber gethan worden, aber einen sonderlichen Erfolg vermag derselbe bis jetzt nicht aufzuweisen. Vielmehr haben, obwohl die Essener Erklärung noch am Sonntag in allen Zechen des OberbergamtsbezirkeS Dortmund angeschlagen worden war, am nächsten Morgen sämmtlichs Belegschaften auch der Zechen des Essener Reviers die Arbeit niedergelegt, so daß nun mehr die Zahl der Streikenden die ungeheure Höhe von 90 000 mit einer Tagesförderung von 93000 Tonnen erreicht hat. Auch berichten Nach richten aus Dortmund vom Montag, daß in dortiger Umgegend die Ar beiterbewegung eine immer bedrohlichere Gestalt annehme, indem es Arbeiter massen auf die Zerstörung der Wasserhaltungsmaschinen abgesehen hätten, um hierdurch die Gruben zum Ersaufen zu bringen; auch die Wasserwerke, welche den ganzen Jndustriebezirk an der Ruhr versorgen, sind ernstlich bedroht. Ferner verhindern die Streikenden diejenigen ihrer Kameraden, welche die Arbeit wieder aufnehmen möchten, unter Drohungen an diesem Vorhaben, und sehr bezeichnender Weise für die Lage ist cs bis jetzt noch nicht möglich gewesen, derartigen Gewaltthätizkeiten ein Ziel zu setzen. Es mag sein, daß die seitens der Unterzeichner der Essener Erklärung gestellte Bedingung, es möchten die streikenden Bergleute zunächst die Arbeit wieder aufnehmcn, ehe ihnen die im Prinzip zugestandene Lohnerhöhung auch wirklich zutheil wird, die Stimmung unter den Aufständischen nur noch mehr gereizt hat und es wäre darum zu wünschen, daß die Grubenverwal tungen diese Vorbedingung zu einer Verständigung wieder fallen ließen. Berlin, 14. Mai. Heute Nachmittag wurde die Deputation der Knappschaftsvereine des Ruhrlohlenreviers, die Bergleute Schröder, Bunte und Siegel, von Sr. Maj. dem Kaiser empfangen. Nachdem zunächst der Bergmann Schröder als Sprecher der Deputation Sr. Maj. den Dank für die Gewährung einer Audienz ausgesprochen und die Grüße der Knapp schaftsvereine überbracht, sowie das Wohlwollen Sr. Maj. des Kaisers für die Wünsche der Arbeiter erbeten batte, erklärte derselbe auf die Frage Seiner Majestät, was für Forderungen von den Arbeitern erhoben würden: „Wir fordern, was wir von unsern Vätern ererbt haben, nämlich acht stündige Schicht. Auf Lohnerhöhung legen wir nicht Werth. Die Ar beitgeber müssen mit uns in Unterhandlung treten. Wir sind nicht starr köpfig. Sprechen Eure Majestät nur ein Wort, so würde es sich gleich ändern, manche Thränc würde getrocknet sein." Hierauf erwiderte Seine Majestät ungefähr Folgendes: „Jeder Untcrthan, wenn er einen Wunsch oder eine Bitte vorbringt, hat selbstverständlich das Ohr seines Kaisers. Das habe Ich dadurch gezeigt, daß Ich der Deputation gestattet, hierher zukommen und ihre Wünsche persönlich vorzutragen. Ihr habt Euch aber m'S Unrecht gesetzt, denn die Bewegung ist eine ungesetzliche schon deshalb, weil die vierzehntägige Kündigungsfrist nicht eingehalten ist, nach deren Ablauf die Arbeiter gesetzlich berechtigt sein würden, die Arbeit einzustellen. In Folge dessen seid Ihr kontraktbrüchig. ES ist selbstverständlich, daß dieser Kontraktbruch die Arbeitgeber reizte und schädigte. Ferner sind Ar beiter, welche nicht streiken wollten, mit Gewalt oder durch Drohungen verhindert worden, die Arbeit fortzusetzen. Sodann haben sich einzelne § Der G e m e i n d e r a t h. rr»ft, G.-D. Arbeiter an obrigkeitlichen Organen und fremdem Eigenthum vergriffen, sogar der zu deren Sicherheit herbeigerufenen militärischen Macht in ein zelnen Fällen thatsächlichen Widerstand entgegengesetzt. Endlich wollt Ihr, daß die Arbeit erst dann wieder gleichmäßig ausgenommen werde, wenn auf allen Gruben Eure sämmtlichen Forderungen erfüllt sind. Was die Forderungen selbst betriff», so werde Ich diese durch meine Negierung ge nau prüfen und Euch das Ergebniß der Untersuchung durch die dazu be stimmten Behörden zuzehen lassen. Sollten aber Ausschreitungen gegen die öffentliche Ordnung und Ruhe vorkommen, sollte sich ein Zusammen hang der Bewegung mit sozialdemokratischen Kreisen Herausstellen, so würde Ich nicht im Stande sein, Eure Wünsche mit Meinem königlichen Wohl wollen zu erwägen, denn für Mich ist jeder Sozialdemokrat gleichbedeu tend mit einem Reichs- und Vaterlandsfeind. Merke Ich daher, daß sich sozialdemokratische Tendenzen in die Bewegung mischen, zu ungesetzlichem Widerstande anreizen, so würde Ich mit unnachsichtlicher Strenge einschrei ten und die volle Gewalt, die mir zusteht — und dieselbe ist eine große — zur Anwendung bringen. Fahret nun nach Hause, überlegt, was Ich ge sagt, sucht auf Eure Kameraden einzuwirken, daß dieselben zur Ueberlegung zurückkehren. Vor allem aber dürft Ihr unter keinen Umständen solche von Euren Kameraden, welche die Arbeit wieder aufnehmen wollen, daran hindern." Bergmann Schröder sprach nochmals seinen Dank für die ge währte Audienz aus. Die „Post" schreibt zum Ausstand der Bergarbeiter: Die Erklärung der Grubenverwaltungen hat nicht nur keine Wirkung in der Richtung der Wiederaufnahme der Arbeit gehabt, sondern die Einstellung der Arbeit in 40 Zechen des Essener Reviers nach sich gezogen. Gegen 100000 Bergarbeiter feiern. Der Schaden, welchen der Nationalwohlstand durch den Streik erleidet, wird auf 1 Million Mark, der Ausfall an Arbeits lohn aus etwa Million berechnet. Dabei sind diejenigen Schädigungen, welche anderen Industriezweigen, der Verkehrsanstalten rc. erwachsen, noch nicht mit eingerechnet. Wie groß diese bei längerer Dauer des Ausstandes werden können, läßt sich gar nicht abschen. Daß die Streikenden durch Mangel an Mitteln in nächster Zeit zum Nachgeben gebracht werden könnten, ist nicht anznnehmen, da sie am 7. und 10. d. M. einen 14tägigen Lohn empfingen. Auf diesen Umstand gründen sich anscheinend die Schätzungen, nach welchen dem Ausstande eine Dauer bis Ende dieses Monats beige- messen wird. Hierbei wird indessen wohl das Maß der Mittel unterschätzt, welche den Bergleuten durch Heranziehung aller Reserven rc. zugeführt werden können. Ist erst die Aussicht aus gütliche Verständigung ausge schlossen und die Sache ganz auf Kampf gestellt, so harren erfahrungs mäßig die Arbeiter bis zum Acußerstern selbst auf die Gefahr hin aus, ihre wirthschaftlichen Verhältnisse dauernd zu untergraben. Nichts berechtigt zu der Annahme, daß die westfälischen Bergleute eine Ausnahme von der Regel machen würden. Die Jndustriewerke der preußischen Westprovinzen haben unter dem Ausstande der Bergarbeiter wegen des dadurch verursachten Kohlenmangels sehr zu leiden. Die Inhaber der Werke machen die größten Anstrengungen, um den Ausfall anderweitig zu decken und ihre Arbeiter vor materiellen Nächtheilen zu schützen. So hat Freiherr v. Stumm für seine Werke im Auslande sehr bedeutende Kohlenbestellungcn machen lassen, ohne Rücksicht auf den Preis, nur um seine nach vielen Tausenden zählenden Arbeiter nicht der bei einer eventuellen Betriebseinstellung unausbleiblichen Noth preiszugeben. Se. Maj. der Kaiser wird am 18. Mai Abends in Braunschweig eintreffen uud sich 24 Stunden daselbst aushallen.