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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Königl. Amtshauptmamlschast zu Meißen, das Königl. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Achtunddreißigster Jahrgang. Diese- Blatt erscheint wöchentlich zweimal (Dienstag u. Freitag) und kostet vierteljährlich 1 Mark. — Annoncen-Annahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 18 Uhr. K 38. Dienstag, den 14. Mai 1878. Bekanntmachung. Der Stadtgutsbesitzer Herr Moritz Richard Wätzel in Wilsdruff beabsichtigt auf der ihm gehörigen an die Klipphausener Ritter« gutsflur angrenzenden Pazelle Nr. 713 des Flurbuchs für Wilsdruff einen Ziegelofen zu errichten. In Gemäßheit Z 17 der Reichsgewerbeordnung vom 21. Juni 1869 wird dies mit der Aufforderung hierdurch bekannt gemacht, etwaige Einwendungen hiergegen, soweit sie nicht auf besonder» Privatrechtstiteln beruhen, bei deren Verlust binnen 14 Tagen, vom Er scheinen dieser Bekanntmachung angerechnet, allhier anzubringen. Meißen, am 8. Mai 1878. Königliche Amtshauptmannschast. von Bosse. Bekauntmachnng. Sonnabend, den 18. Mai 1878, Borm, v Uhr, findet im hiesigen Verhandlungssaale öffentliche Sitzung des Bezirksausschusses Statt. Die Tagesordnung ist aus dem Anschläge in hiesiger Hausflur zu ersehen. Meißen, am 10. Mai 1878. Königliche Amtshauptmannschast. von Bosse. Bekanntmachung. Geschehener Anzeige zufolge sind die bei der hiesigen Sparkasse auf die Namen Ernst Erept und Ida Georg in Grumbach ausgestellten Einlegebücher No. 21,189 und 22,739 abhanden gekommen. Mit Hinweisung auf § 18 des für genannte Sparkasse geltenden Regulativs werden die etwaigen Inhaber dieser Einlegebücher andurch aufgefordert, ihre Ansprüche an dieselben, wenn sie solche zu haben vermeinen, bei Verlust derselben binnen drei Monaten, vom Tage dieser Bekanntmachung an gerechnet, bei der hiesigen Sparcasseuverwaltung anzuzeigen. Wilsdruff, am l3. Mai 1878. Die Sparcaffendeputation daselbst. Ficker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Berlin, 11. Mai. Als Se. Majestät der Kaiser mit der Groß herzogin von Baden heute Nachmittag 3'/r Uhr von der Spazierfahrt uach dem Palais zurückfuhr, wurden unter den Linden mehrere Re volverschüsse auf den Kaiser abgefeuert. Der Kaiser ist unverletzt. Der Thater ist verhaftet, ein Anderer, der ihn befreien wollte, eben falls. Vor dem kaiserlichen Palais waren große Menschenmassen versammelt, welche enthusiastisch ihre Sympathien bekundeten, während die Botschafter, die Minister und die Generalität zur Gratulation vorfuhren. Der Kaiser zeigte sich wiederholt dem Publikum. — Der Attentäter soll der Klempnergeselle Emil Heinrich Max Hödel, genannt Lehmann, aus Leipzig sein. Derselbe wurde nach dem nächsten Polizeibureau, Mittelstraße, gebracht, wo die ersten Vernehmungen stattfinden. In der Stadt haben' zahlreiche Häuser geflaggt, vor dem Palais sind andauernd große Mcuschenmassen, welche Hochs auf den Kaiser ausbringen. — Das Attentat auf den Kaiser erfolgte, als der Kaiser Nach mittags gegen 3V« Uhr mit der Großherzogin von Baden, von dem Brandenburger Thor kommend, die Linden entlang nach dem Palais fuhr, ungefähr bei der kleinen Mauerstraße. Der Attentäter feuerte zwei Schüsse vom Trottoir in den Wagen, ohne zu treffen, und lief dann über den Reitweg in den Mittelweg der Linden, vom Publikum verfolgt. Als man ihn festhalten wollte, feuerte er noch drei Re- volverschüsse ab, warf dann den Revolver fort uud wurde festgehalten. Der kaiserliche Wagen hielt unmittelbar nach den Schüssen und blieb eine Zeit lang stehen. Der kaiserliche Jäger war gleich anfangs von dem Bock gesprungen und hatte sich an der Ergreifung des Attentäters betheiligt. Nach einigen Minuten wurde ein zweites Individuum in der Mitte der Linden ebenfalls von dem Publikum verhaftet, welches, wie man sagt, den Attentäter befreien wollte. — Der Kaiser begab sich Abends von dem Kronprinzen und her Großherzogin von Baden begleitet nach dem Opernhaus und von da später in das Schauspielhaus, in beiden Häusern erhob sich beim Eintritt des Kaisers das gesammte Publikum, begrüßte denselben mit stürmischen Hochrufen uud stimmte unter Musikbegleitung die National hymne an. Auf der Rückfahrt wurde der Kaiser von der in den Straßen angesammelten Volksmenge mit stürmischen Zurufen begrüßt. Viele Straßen sind illuminirt und häufig durch bengalische Flammen beleuchtet. Im deutschen Reichstage sind 49 Petitionen mit mehr als 20,000 Unterschriften in Sachen der Jmpffragen eingelaufen und in dem Petitionsausschuß einer gründlichen Untersuchung unterworfen worden. Die in Lebus mittelst des Impfens auf 26 Schulmädchen übertragene Syphilis und zwei ähnliche Fälle in Tschetschno und Buckau machten vor allen andern Aufsehen. Der Regierungs-Commissar Weymann bestätigte amtlich die Richtigkeit des Lebuser Vorfalls, der um so schrecklicher sei, weil den Jmpfarzt keine Schuld treffe, da der Stamm- Impfling sogar jetzt noch gesund sei. Er sprach im Namen der Regierung die Ansicht aus, daß die Nothwendigkeit der Impfung fortbestehe, daß aber der Impfzwang mit den nöthigen Schutz maß regeln zu umgeben sei. Der Impfzwang lege dem Staate die Ver pflichtung auf, das Impfen gefahrlos zu machen. Nur eine Methode gebe unbedingten Schutz, die Impfung mit thierischer (Kuh)- Lymphe, und diese sei durchführbar, wie die in Hamburg, Berlin u. a. Städten bestehenden Anstalten, die nur mit thierischer Lymphe impfen, beweisen. Der Vertreter des Reichsgcsundheitsamtes, Geh.-Rath Finklenburg, schloß sich dieser Erklärung an, neue Schutzmaßregeln seien durchaus nothwendig. Seit 50—60 Jahren seien ungefähr 26 Fälle der Ueber- tragung von Krankheiten durch Impfung festgestcUt, nie aber so un zweifelhaft, wie in dem Lebuser Falle, obgleich den Arzt keinerlei Vorwurf treffe. Die Zwangs-Impfung könne trotzdem nicht aufge hoben werden, da die großartigen Erfolge der Impfung in der Ver hütung der Ausbreitung der Pockenepidemien statistisch und wissen schaftlich nachgewiesen seien. Wie die„Correspondenceuniverselle" mittheilt, hat der deutsche Kaiser an den Marschall-Präsidenten von Frankreich ein Schreiben gerichtet, in welchem der Monarch seine Genugthuung über den Erfolg der Weltausstellung und den glänzenden Sieg, den Frank reich erlangt hat, zum Ausdruck bringt. In Paris tagt der Weltpostcongreß zur Anbahnung eines Weltpostvereins. Man sieht, daß die Post die civilisirte Welt erobert mit einheitlichen Grundsätzen und Taxen. Der deutsche Ge neralpostmeister Stephan ist es, der den Gedanken eines Weltpost vereins zuerst angeregt und zur Anerkennung gebracht hat, und ihm hat auch der Vorsitzende des Weltpostcongresses, der französische Finanz minister Leo Say, in seiner Eröffnungsrede das gebührende Lob ge spendet. Vor einem Jahrzehnt noch wurde bei dem Widerstreit der Interessen und der Völker der Gedanke eines Weltpostvereins nicht viel besser behandelt als der Gedanke eines Schiedsgerichtes, das die Streitigkeiten der Staaten unter einander friedlich schlichtet. Das ist sehr tröstlich; denn am Ende erleben wenigstens unsere Enkel auch dieses ersehnte Weltschiedsgericht, das 'dann das höchste aller irdischen Gerichte ist und nur noch das jüngste Gericht über sich hat. Alle Kriegsminister sind dann a. D. und es bleibt nur die eine Frage und Sorge, was wir, d. h. unsere Enkel, mit dem vielen, ersparten Gelbe anfangen. Graf Schuwaloff, der russische Botschafter iu London, über bringt das letzte Wort Englands in Petersburg. Er trägt Frieden in seiner Toga, wenn Rußland annimmt, Krieg, wenn es ablehnt. Die englischen Bedingungen sollen sein: 1) Batum, der wichtige Kriegs hafen, bleibt türkisch; 2) das neue Fürstenthum Bulgarien muß kleiner