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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlelm und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Achtunddreißiqstcr Jahrgang. Dieses Blait erscheint wöchentlich zweimal (Dienstag u. Freitag) und kostet vierteljährlich 1 Mark. — Annoncen-Annahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 18 Uhr 42. Ireitag, den 24.Uai 1878. Bekauntmachuug, das Dbsr-ErsaH Geschäft im Anshebungsbezirk Rossen betreffend. Das diesjährige Ober - Ersatz - Geschäft im Aushebungsbczirk Nossen für die Mannschaften aus den Gerichtsamtsbezirken Nossen Lommatzsch und Wilsdruff wird am 21. und 22. Juni dieses Jahres von früh S'/s Uhr an im Gasthose zum deutschen Hanse in Nossen stattfinden. Zur Vorstellung kommen die zur Ersatz-Reserve I. und II. Classe, sowie sammtliche zur Aushebung in Vorschlag gebrachten Miki« tärpflichtigen. Den vorzustellenden Mannschaften werden von hier aus durch die Ortsbehörden besondere Ordres zugehen, es werden dieselben aber hierdurch noch besonders aufgefordert, sich bei Vermeidung der sie bei ihrem Nichterscheinen nach ß 24,und 65,z der Ersatz-Ordnung vom 28. Septeniber 1875 treffenden Strafen und Nachtheile zur bestimmten Zeit an dem angegebenen Orte pünktlich einzufinden und hier bei den KoosungHschein, sowie die Drdre mit zur Stelle zu bringen. Gleichzeitig werden gemäß der Bestimmung in Z 69, 2 in Verbindung mit 8 60, 3 gedachter Ersatz-Ordnung die Herrn Bürger meister resp. Gemeindevorstände der zum Nossener Aushebungsbezirk gehörigen Ortschaften aufgefordert, zu den anber'aumten Aushebungs terminen an Commissionsstelle sich etnzufinden. Ferner wird noch bekannt gemacht, daß am 17. Juni dieses Jahres von früh 8 Uhr an im Gasthofe zur Sonne in Meißen das Jnvaliditätsprüfungsverfahrcn stattsindet. Meißen, am 20. Mai 1878. Der Cwilvorsitzende der Königlichen Ersatz-Commission im Aushebnngsbezirk Nossen. von Woffe, Amtshauptmann. Tagesgcschichte. Berlin. Der Kaiser nahm am 17. Mai Abends gegen 10 11hr einen aus Anlaß des glücklichen Verlaufs des Attentates ihm seitens der Studirenden der Universität, der Bauakademie, der Ge- wcrbeakademie, der Bergakademie, der Kunstakademie und der Kunst schule dargebrachteu Fackelzug entgegen. Der Zug, der auf dem Pariser Platz zusammentrat und über 2500 Fackeln führte, bewegte sich die Südseite der Linden entlang nach den königlichen Palais, woselbst Se. Maj. eine Deputation der Studirenden empfing, in deren Namen der stuck, mack. Siegfried dem Kaiser den Ausdruck der Freude übermittelte, daß durch Gottes Fügung das theure Leben des Kaisers vor Mörderhand geschützt geblieben sei. Der Kaiser dankte hierauf der Deputation für die ihm erwiesene Theilnahme. Der Fackelzug setzte sich, nachdem die Studirenden das Lied „Deutschland. Deutschland über Alles" und die Volkshymne gesungen und ein drei faches begeistertes Hoch ausgcbracht hatten, wieder in Bewegung, um auf dem Dönhofsplatze unter dem Gesänge „Ouuäoamus iZitur" die Fackeln zusammenzuwerfen. Einer anderen Schilderung dieser Ovation entnehmen wir noch Folgendes: Die Deputation kehrte auf die Straße zurück, als die letzten Töne der Volkshymne verklangen. Unter einem erneuten Hoch auf den Kaiser fitzte sich nunmehr der Zug in Bewegung, um vor dem Palais zu defiliren. Wie fühlt' sich doch die Feder so schwach, die Szene zu schildern, die sich jetzt ereignete! Der Kaiser erschien auf dem Balkon in feinem historischen grauen Mantel und mit dem Jnfanteriehelm; kaum wurden die Studenten seiner ansichtig, als sich ein Jubel erhob, wie ihn stärker selbst Kaiser Wilhelm nie gehört Haden mag, und damit ist Alles gesagt. Mit immer erneuter Ge walt brach die Begeisterung los, die vorbeiziehcnden Musikeorps mußten ihre Märsche unterbrechen und die Volksymne spielen, das ganze Publikum sang mit, und kaum verhallte der Ton, so erklangen wieder ganze Salven von Hochs und Hurrahs; eine erhebende Erinnerung und ein unvergeßlicher Anblick für die Tausende von Jünglingen, den Hütern und Trägern unserer nationalen Zukunft. Hödel ist die richtige Spottgeburt von Dreck und Feuer. Er ist hochmüthig bis zum Größenwahn, er ist über alles hinaus in seinem Sinn und doch feig, der Hochmuth hat ihn getrieben, Hand an den Kaiser zu legen und die Feigheit treibt ihn, seine That zu verläugnen, aber auch nur halb; denn es kitzelt ihn zu hören, was die Welt über ihn sagt, und ob ihr vor ihm gruselt, er will Zeitungen haben, um sich in den Augen der Welt zu spiegeln. Das alles quirlt durcheinander in dem Gespräch mit seinem Untersuchungsrichter Johl, welches das Berl. Tageblatt mittheilt. Hödel: „Sie behandeln mich ja hier wie einen Hund, habe ich dies etwa verdient? Sie wissen, wer ich bin, also verlange ich, daß mir eine Zeitung gegeben wird, denn in meiner Zelle bekommt man eine solche nicht zu sehen." Untersuchungsrichter: „Untersuchungsgefangene bekommen keine Zeitungen zu lesen." Hödel: „So, das weiß ich besser, fragen Sie nur, ob die sozialdemokratischen Redakteure nicht auch Zeitungen haben." ! Untersuchungsrichter: „Sie sind ja kein Redakteur, Sie sind wegen ! versuchten Mordes, verübt au Sr. Majestät dem Kaiser, hier in Haft und solche Personen werden einfach streng bewacht, bekommen i aber keine Zeitung." Hödel: Als politischer Verbrecher, zu welchem i ich gestempelt werden soll, verlange ich aber eine Zeitung. (Daß diesem Verlangen iudeß nicht entsprochen worden ist, versteht sich von selbst.) Graf Sch uw al off ist am 20. Mai früh in Gesellschaft des Generals Trepoff in Berlin eingetroffen und hat sich am selben Tage ! Nachmittags zum Fürsten Bismarck nach Friedrichsrnh begeben. Der i russische Staatsmann ist, wie die „Nordd. Allg. Ztg." hervorhebt, i bezüglich des Ergebnisses seiner Reise unbetheiligteu Personen gegen- - über begreiflicher Weise außerordentlich zurückhaltend, da die Natur i der schwebenden Verhandlungen eine voreilige öffentliche Erörterung ! wenig wünschenswerth erscheinen taffen kann. Diese natürliche und ! naturgemäße Reserve könne aber gewiß nicht sofort als schlimmes ! Symptom gedeutet werden, wie überhaupt nicht außer Acht gelassen werden dürfe, daß es sich ja in erster Linie nicht um die Erzielung eines Separatabkommcus zwischen Rußland und England oder Ruß land und Oesterreich, sondern um die Verständigung über die Vor bedingungen eines Kongresses handelt, der von allen Mächten als er- erstrebenswerth erachtet wird. Der russische Botschafter Schuwaloff hatte am 20. Mai Morgens im russischen Botschaftsgebäude eine Zusammenkunft mit dem Staatssekretär v. Bülow, welcher sich von dort aus in das Palais zum Vortrag begab. Um 10 Uhr wurde auch Graf Schuwaloff von Sr. Majestät dem Kaiser in Audienz empfangen. Die kriegerischen Vorbereitungen haben übrigens durch die seit herigen Verhandlungen noch keinerlei Abbruch erlitten: aus Kalkutta wird gemeldet, daß die „unverweilte" Errichtung von Küstenbe festigungen befohlen worden sei, andererseits fährt die russische Re gierung fort, Dampfschiffe anzukaufen. Ein guter Wegweiser zeigt Freund und Feind in Regen und Sonnenschein den rechten Weg an und ist auf verschlungenen Kreuz- und Querwegen am nöthigsten; denn manche Leute haben ein wahres ' Genie, den falschen Weg einzuschlagen. Ein solcher Wegweiser für ! Frankreich und Deutschland ist der Leitartikel, den dieser Tage „Das § 19. Jahrhundert" veröffentlicht hat, eine sehr gute, der gemäßigten ! republikanischen Partei angehörende Pariser Zeitung. Auf diesem i Wegweiser liest man: Frankreichs auswärtige Politik kann nur eine sein in allen wichtigen Fragen, wie jetzt in der orientalischen. Frank- ! reich muß ausschließlich Deutschland im Auge haben. Frankreich muß ' sich mit seinem Einfluß und mit seiner Diplomatie auf die Seite stellen, auf welcher Deutschland nicht steht, es muß Deutschland stets Gegner schaffen und Deutschlands Gegner stärken. Frankreichs Haß ist so wenig ewig wie die Verträge, die Franzosen werden Sedan vergessen, wie sie einst Waterloo vergessen haben, aber nur unter tzcr Bedingung, daß Deutschland den Franzosen Elsaß-Lothringen zurückgibt.