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Wochenblatt für für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Erschein^ wöchentlich 2 Mol Dienstag und Freitag Abonnemenlspreis vierteljährlich 1 Mork Eine einzelne Nummer kostetet) Ps. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstag« bi» Mittag 12 Uhr. Erschein l wöchentlich S Ma! Dienstag und Freitag. ÄbonnementspreiS vierteljährlich I Mark. Eine einzelne Nmnmer kostet 10 Pi. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. für die Königs. AmtslMptmannschaft zu Meißen, das Königs. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Nr. 22. Freitag, den 14. März 1M4. Von dem unterzeichneten Königlicken Amtsgericht soll den 2Z März dieses Jahres das dem Bäcker Heinrich Julius Haupt in Möhrsdorf zugehörige Haus- und Gartengrundstück mit Bäckereieinrichtung Nr. 43 8 des Brandkatasters und Nr. 24 d des Flurbuchs, Fol. 69 des Grund- und Hhpvthekenbuchs für Röhrsdors, vormals Scharfenberger Antheils, welches Grundstück am 7. Januar 1884 ohne Berücksichtigung der Oblasten auf 4625 Mark —- gewürdert worden ist, nvthwendiger Weise versteigert werden, was unter Bezugnahme auf den an hiesiger Gerichtsstelle aushängenden An schlag hierdurch bekannt gemacht wird. Wilsdruff, am 11. Januar 1884. Königliches Amtsgericht. Gangloff. Bekanntmachung. Der diesjährige hiesige Früjahrsmarkt wird Donnerstaq den 20. und Freitag den 21. März abgehalten. Wilsdruff, am 7. März 1884. Der Stadtrath. Ficker, Brgmstr. In dem Concurse des Tischlers Carl Otto Franz früher in Burkhardswalde zur Zeit in Vorbrücke soll mit Genehmigung des Concursgerichts mit der Schlußvertheilung verfahren werden. Die Gesammtmaffe besteht in 484 Mnrli 25 I L und sind bei Vertheilung derselben neben den ge- und außergerichtlichen Concurskosten nach dem auf der Gerichtsschreiberei zu Wilsdruff niedergelegten Verzeichnisse 26SL M»i k 1« nicht bevorrechtigte Forderungen zu berücksichtigen. Wilsdruff, am 8. März 1884. Der Concursvenvalter: Rechtsanwalt Errafft Somme». Zum Bußtage. Wir lieben die Brüder, sagt der Apostel der Liebe. Das ist in eines Johannes Munde nicht fromme Redensart, sondern lauterste Wahrheit. Der große Maler Raphael hat ein Bild entworfen, auf dem er darstellt, wie die Christen zu der Apostel Zeit die Brüder ge liebt haben. Da sieht man auf der einen Seite die wohlhabenden Christen herbeieilen, wie sie ihre Habe herzutragcn und sie den Aposteln zu Füßen legen. Und auf der andern Seite sieht man, wie etliche Apostel die Habe unter die Armen Christen wieder austheilen. Diese Liebe, deren Grundsatz ist: Geben ist seliger denn nehmen, athmete man aus dem Herzen dessen, der sein Alles hingab, um denen, die Alles verloren hatten, Alles wiederzugeben. Der Liebesgianz von Golgatha leuchtete in Tausende und Abertausende von Menschenherzen. Nock ist dieses Licht nicht verloschen in den Herzen der Christen. Nein, es scheint, als ob es im Begriff wäre höher aufznleuchten in unserm Jahrhundert, als in früheren. Wohl nicht mit Unrecht hat man unser Jahrhundert das Jahrhundert der Liebe genannt. Wie ein Liebesnetz breiten sich die Anstalten der innern Mission durch ganz Deutschland aus, zu helfen den Armen, zu retten, was verloren war, zu bewahren, was in Gefahr ist, sich zu verirren. Wer hat nicht schon gehört von Kinderbewahranstalten, Rettungshäusern für ver wahrloste Kinder, Herbergen zur Heimath, Magdaleuenhänsern, Dia konissenanstalten, Mägdeherbergen, Asylen sür Obdachlose, Suppenan stalten, Volksbibliotheken, Vereinen für Entlassene und andern An stalten'mehr? — Aber vergessen wir nicht, daß wo viel Licht ist, auch viel Schatten zu sein pflegt. Und die Schatten unserer Tage fange» an recht tiefschwarz und unheimlich zu werden. Schweren Gewitter wolken gleich ballt sich die Unzufriedenheit derer, welche im Gegensatz zum sorgenlosen Reichthum mit schweren Seufzern und Sorgen um ihre Existenz ringen, zu einer immer drohenderen Masse zusammen, aus Welcker schon hier und da grelle Blitze aufgezuckt sind. Und leider fehlt es auch Solchen nicht, welche ein mächtiges Feuer an- schüren, um das Gewitter herabzubeschwören und zur Entladung zu bringen. Sollen diese drohenden Schatten verschwinden, da müssen olle Stände eingedenk sein des schöne» herrliche» Wortes des Apostels der Liebe und mit aller Herzensenergie es zu erfüllen suchen: „Wir liebe» die Brüder." Ja herab aus der eisigen Lust der Selbstsucht in die warmen Gefilde der Liebe, wo die Bächlein des Wohlthuns und Mittheilens fließen, wo die Frühlingsblumen der Dankbarkeit und der Gegenliebe ihre duftigen Kelche öffnen. Solls Frühling werden im Leben der Völker, muß zuvor die Sonne der Liebe höher steigen. Tstgesgeschichte. Die meisten Zeitungen haben sich jetzt über die Verschmelzung der Fortschrittspartei mit den Sezessionisten zur „deutschen frei sinnigen Partei" geäußert. Die Stimmen aus Nordoeutschland find zustimmender als die aus Süddeutschland, doch giebts auch Aus nahmen. Fast alle stimmen dem ersten Punkt des Programms, „der Entwicklung eines wahrhaft konstitutionellen Verfassungslebens in ge sichertem Zusammenhänge zwischen Regierung und Volksvertretung" zu. Sie beklagen, daß zwischen Regierung und Volksvertretung bis her so wenig Fühlung vorhanden sei, daß zuweilen Vorlagen an die Parlamente gelangen, die bei keiner einzigen Partei Anklang finden. Freilich ist dieser Zustand nicht die Schuld der Regierung allein; denn eine parlamentarische Regierung ist unmöglich, weil es keine parla mentarische Mehrheit giebt. Diese wird durch die Existenz des Cen trums vereitelt, die sich bald rechts, bald links wendet. In Süddeutsch land nimmt man Anstoß, daß Stauffenberq an die Spitze der neuen Partei getreten ist. Allgemeiner und gewichtiger sind die Bedenken, daß die neue Partei sich als entschiedener Gegner der sozialen Pläne und Entwürfe Bismarcks bekennt. Die sozialen Fragen und Gedanken zur Hebung der Arbeiterklassen, sagt man, würden und müßten in Ge genwart und Zukunft eine Hauptrolle spielen und zeugten von dem großen staatsmännischen Blicke Bismarcks. — Die sozialdemokratischen Abge ordneten Kayser und Hasenclever haben sich jüngst in Plauen über die Sozialpolitik des Kanzlers entgegenkommend geäußert. Hasenclever sagte, er nehme das Gute und wenn es vom Teufel komme, mit Freu den, obgleich er an der Ausführung mancherlei auszusetzen habe. Die Idee des Reichskanzlers, sagte er, dem Arbeiterstande zu helfen, sei unter allen Umständen mit Freuden zu begrüßen. Mögen die Vor lagen kommen, von wem sie wollen, der Arbeiter sei stets verpflichtet, das Gute anzuerkennen. Später sagte er noch, die Reichsregierung habe eine bewunderungswerthe Vorlage geschaffen. Natürlich hängte er überall sein „Aber" daran, betonte aber ausdrücklich, daß dieses der Grundidee der neuen Gesetzgebung nichts nehmen solle. — Der „Hamb. Corresp." urtheilt: Ueber die Vereinigung beider Parteien könne man sich nicht wundern, sie habe einmal eintreten müssen; er stimmt vielen Punkten zu, ist aber der Ansicht, „daß man im besten Sinne des Wortes freisinnig sein und mit den Zielen der neuen Partei doch nicht einverstanden sein könne." In Berlin will man wissen, daß die Gründung der neuen par lamentarischen Partei auf de» Fürsten Bismarck großen Eindruck gemacht und seine Rückreise nach Berlin verzögert habe. Es kann jetzt mit Bestimmtheit versichert werden, daß die gesammte Rickert-Richter'sche Fraktion, die „deutsche freisinnige Partei", also auch sämmtliche frühere Mitglieder der Sezession, gegen die Verlänge rung des Sozialistengesetzes stimmen werden. Somit ist, wenn auch ein Theil des Centrums für das Gesetz stimmt, die Ablehnung desselben und infolge dessen auch die Reichstagsauflösung fast gewiß. Ein Bürger in Freiwaldau bei Sagan feiert am 22. März seinen 160. Geburtstag. Er gedenkt dem Kaiser Wilhelm persönlich zum 87. Geburtstage zu gratuliren. Die zwei Stunden von seinem Hei- mathsorte bis zur nächsten Bahnstation wird er zu Fuße zurücklegen. Wie die „Nordd. Allgem. Ztg." aus England erfährt, hat sich jüugst wieder die schützende Hand der Vorsehung, welche über dem deutschen Herrscherhause ruht, in nahezu wunderbarer Weise offenbart. — Zur selben Stunde nämlich, als auf der Viktoria-Bahnstation in London eine Höllenmaschine explodirte, eine andere auf der Padding ton-Station befindliche aber versagte, befand sich Prinz Heinrich in Begleitung des deutschen Botschafters auf dieser letzteren, und zwar in einem Zimmer gerade über dem Raum, wo jene Maschine lagerte.