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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Gievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für dos Königliche G-richtsmntWil^uff^md^enS^ ^'11 ' Dienstag, den 9. Februar 1875. Bekanntmachung. ^^>ulwesens notbwendig erscheint, daß die Amtsblätter wegen den darin erlassenen vielfachen, auf die Da es im Interesse des AI , ^..„am den Lehrern regelmäßig zugänglich gemacht werden, so erhalten die Schulvorstände Schulverhültnisse Bezug habenden B s. Jnsvection hierdurch Anweisung, soweit es nicht bereits geschieht, bis auf Weiteres je Königliche Bezirksschnlinspection. Schmiedel. Wangemann. In dem zu dem Vermögen des hiesigen Schneidermeisters Bernhard Lorenz eröffneten Creditwesen sollen Seiten d-s .m^nchn-,m G-achts-mt-s^n ,2 ,,.,d 13. Februar d. I. in dem Saale des Gasthofes zum weißen Adler hier von früh 9 Uhr an die vorgefundenen Vorräthe an fertigen neuen Kleidungsstücken und rohen Waaren, bestehend in circa 90 verschiedenen Röcken, Jaquets, Joppen und Jäckchen für- Erwachsene und Kinder ca 60 Paar Hosen, feinen und ordinären, und ca. 50 Stück Westen, verschiedenen Sommer- und Winterstoffen und Stoffrestern, sowie Futterzeugen, Borden, Knöpfen, Schlipsen, ingleichen einige Wäschstücke und Mobiliar meistbietend gegen sofortige Baarzahlung öffentlich versteigert werden. . Es wird dies mit dem Bemerken hiermit bekannt gemacht, daß die an einem jeden Tage zu versteigernden Gegen stände von früh 8—9 Uhr in dem erwähnten Saale in Augenschein genommen werden können. Königliches Genchtsamt Wilsdruff, am 27. Januar 1875. Leonhardi. Grund uud Stütze der Sittlichkeit. Die Klage über gesunkene Sittlichkeit ist eine uralte und in je dem Jahrhundert gehört worden. Mag sie nun auch mehr oder we niger ^begründet gewesen sein, erfreulich bleibt sie immer, inwiefern in ihr der Beruf des Menschen zum moralischen Fortschritt und immer höherer Bollcndung sich bekundet. — Ein nicht geringer Bruchtheil der Herren Geistlichen will diese Klagen in der zeitigen Ungläubig keit begründet finden. Aber angenommen auch, daß der orthodoxe Kirchenglaube stets in dem Maaße in engere Grenzen sich einschließt, in welchem Kenntnisse im Allgemeinen — namentlich aber natur wissenschaftliche — ihr Gebiet erweitern, so kann man dennoch nicht zugeben, daß — die Wahrheit der betr. Klage vorausgesetzt — ihr Gegenstand in dem geminderten Glaubensumfange seinen ausreichen den Grund habe. Denn wenn wir auch weit entfernt sind, dem srommen Kirchenglauben großen Einfluß auf eine rechtschaffene Lebens führung abzusprechcn, so stand doch im glaubensreichen Mittelalter die Sittlichkeit viel niedriger als gegenwärtig. Alle statistischen Nach richten liefern den unumstößlichen Beweis, daß verhältnißmäßig dort weit mehr und viel schwerere Verbrechen bestraft werden mußten und Folter, Galgen, Rad und Schwert in unausgesetzter Thüligkeit waren. — Es wolle nur nicht übersehen werden, daß nicht die Religion an sich, sondern nur die religiösen Anschauungen andere geworden sind! Die Sittlichkeit stammt ihrem Wesen nach aus anderen Quellen und wird — namentlich in unseren Tagen — von anderen Säulen getragen. Als erste natürliche Offenbarung bringt der Mensch den Beruf zum Gut- und Nechthandelu mit auf die Welt; mit der Ver- ""ust und der vernünftigen Phantasie sind ihm in vorschwebcnden Musterbildern die Gebote für Wahrheit, Recht und Schönheit in das Herz geschrieben, und dw Forderungen: „Du sollst uicht tödten, du sollst nicht stehlen, nicht sal>chrs Zeugniß reden, Vater und Mutter chren re " kannte und übte man, noch ehe ein Moses die steinerne,. Gesetztafel vom Sinai gebracht hatte. „Ein zarter Sinn hat vor dem Laster nch gesträubt, noch eh' ej„ Solon die Gesetze aab " Mit Entfaltung der menschlichen Vernunft und der vernünftigen Phantane bilden sich die Ideale aus, jene Vernunft-Musterbilder von vervollkommncleren achlichen lind persönlicben fluständen »d unser Thun und Handeln sich unmittelbar gebären. — Während die Triebe (erste Willeusstufe) nur Erhaltung und Beförderung des leib lichen Wohlseins suchen, der Verstand als Meister im Bereich von „Mein und Dein", ein geborner Egoist, überall nur seinen eigenen Vortheil begehrt, fordert die ideale Vernunft ein musterbildliches Handeln, durch welches in dem gemeinsamen Besten das eigene per sönliche Wohl mit gefordert wird, ein Handeln für Wahrheit und Gerechtigkeit und Schönheit. Natürlich verschieden auf verschiedenen Bildungsstufen — aber Ideale leben und weben stets im erwachten Menschengeist, sie bilden den Puls des menschlichen Seelenlebens. Freilich werden wir dies ideale Lebensziel niemals ganz erreichen, weil es — gleich dem örtlichen Horizont — in dem Maaße unserer Annäherung stets weiter rückt. Allein gerade im ernsten Ringen da nach, im stetigen sittlichen Fortschritt und einer (freilich scheinbaren) Annäherung finden sich Werth und Bestimmung unseres Daseins, deren Glück durch äußere Anerkennung und eigenes Bewußtsein zur persönlichen Empfindung gelangt. Daher sind denn auch Ehre bei der Welt, die bezeigte Achtung Anderer vor unserem persönlichen Werth, und Selbstehre, Selbstachtung, — diese beiden sind für die meisten Menschen Hauptstützen der Sittlichkeit, sie sind ein starker Stab für Rechtschaffenheit im Denken und Wollen, Fühlen und Thun, ein kräftiger Anker in Noth und Versuchung. Selbstverständlich muß die äußere Ehre nicht eine erschlichene, sondern eine verdiente und daher mit Selbstachtung verbunden sein. Aber — es braucht, nährt, begehrt und sucht dieselbe ein Jeder vom Geringsten bis zum Höch sten, vom Blvusenmanne bis zu dem, dessen Herz unter einem Pur pur schlägt. Die Ehre ist ein Gut, bei dessen wirklichen oder auch nur vermeintlichen Verlust schon Mancher das Leben wie eine hohle nutzlose Schale, etwas Lästiges von sich warf. „Das Leben ist der Güter Höchstes nicht." Um sich die öffentliche Ehre zu bewahren, scheuen die Leute Un gerechtigkeiten und Lieblosigkeiten, beben vor Handlungen zurück, welche die Welt mit Verachtung brandmarkt, deren Thäter sie aus ihrer Milte stößt. Und der Mann von feinerem Gefühl — was thut, was unterläßt er nicht, um sich die Selbstachtung zu bewahren! — Das Ehrgefühl ist namentlich in unserer Zeit für die meisten Menschen der wirksamste Beweggrund der Rechtschaffenheit und mit dessen Verlust ist der Tugendstäb für sehr Viele zerbrochen. — Da-