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Pulsnitzer Anzeiger Ohorner Anzeiger Haupt- und Tageszeitung für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz und die Gemeinde Ohorn und Zwangsvergleich wird der für Aufträge etwa schon bewilligte Nachlaß hklfüw» Anzeigen sind an den ErschetnungStagen bis vormittags 10 Uhr Verlag: Mohr 5 Hoffmann. Druck: Karl Hoffmann und <S. L. Förster'» Erbe«. Verantwortlich für Oertliche» u. Sächsisches, Unterhaltungsteil. Sport u. Anzeigenteil Karl Hoffmann, Pulsnitz, für Politik und den übrigen Teil Walter Mohr, PulSnch. D. A.II.: 2250. Geschäftsstellen: Albertstr. 2 u. Adolf-Httler-Str. 4. Fernruf 518 u. 550. Das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft und des Finanzamtes zu Kanten des Stadtrates zu Pulsnitz und des Gemeinderates zu Ohorn behördlicherseits bestimmte Blatt Diete Zeitung erscheint täglich mt, Ausnahme der gesetzlichen Sonn- und Feiertage, i Der Bezugspreis beträgt bei Abholung wöchentlich -15 Rpf., bei Lieferung frei HauS K 50 Np,. 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Unter großer Span nung wurde die öffentliche Sitzung des Völkerbundsrates am Donnerstagvormittag kurz nach ^11 Uhr englischer Zeit im St. James-Palast eröffnet. Der deutsche Vertreter nahm seinen Platz am rechten Ende des hufeisenförmigen Rats tisches ein. Hinter ihm Ministerialdirektor Dieckhoff und die übrigen Mitglieder der deutschen Abordnung. Der Rats präsident erteilte sofort dem deutschen Vertreter das Wort. Botschafter von Ribbentrop legte in eineinhalbstündiger Rede den deutschen Standpunkt dar und führte hierzu u. a. folgendes aus: Herr Präsident! Die deutsche Reichsregierung ist der Einladung des Völ kerbundsrates zu seiner heutigen Tagung gefolgt, in dem Bestreben, auch ihrerseits einen Beitrag zu leisten zur Klä rung der bestehenden politischen Situation. Sie hat mich be auftragt, zu diesem Zweck vor den hier anwesenden Staats männern ihren Standpunkt zu den auf der Tagesordnung stehenden Anträgen der französischen und belgischen Regie rung betreffend den Rheinpakt von Locarno darzulegen. Sie hat sich hierbei nach langen inneren Erwägungen entschlossen, ihre verständlichen formalen Bedenken hintan zu setzen, die sich aus der Tatsache ergeben könnten, daß Deutschland zur Zeit nicht Mitglied des Völkerbundes ist, sowie daß der heu tigen Tagesordnung die Bestimmungen eines Vertrages zu grunde liegen, den Deutschland als nicht durch seine Schuld erloschen ansehen muß. Ich persönlich habe mit wirklicher Befriedigung diese Mission übernommen. Durchdrungen von der Ueberzeugung, daß eine in höherem Sinne gerechtere Sache eines Volkes in diesem Rat von Nationen noch nie vertreten wurde, und ferner in der aufrichtigen Hoffnung, daß diese erste Wieder aufnahme der Beziehungen meines Landes zu dem Völker bund einen Wendepunkt in der Geschichte Europas nach den vielfältigen Verwirrungen der unseligen Kriegs- und Nachkriegsjahre bedeuten möge. Der Sinn des Rhein paktes von Locarno war es, die Anwendung von Gewalt zwischen Frankreich und Belgien einerseits und Deutschland andererseits für ewige Zeiten auszuschließen. Diese Ab machung wurde garantiert durch England und Italien. Es wurde bestätigt, daß bei einer Verletzung dieses Vertrages der Völkerbund zwecks Feststellung des Angreifers angerufen werden sollte. Es ist bekannt, daß sich schon damals gewisse Schwierig keiten ergaben durch die bereits vorher bestehenden Bündnis verträge Frankreichs mit Polen und der Tschechoslowakei, die an sich schon nicht in den Rahmen dieser scharf umgrenz ten westlichen Friedensabmachungen hineinzupassen schienen. Deutschland hat diese Bündnisse aber schließlich in Kauf ge nommen, weil sie sich in ihrer Struktur dem Locarnovertrag anpaßten. Dieser Locarnovertrag aber, der von der nationalsozia- Ustifchen neuen Regierung übernommen wurde, belastete Deutschland einseitig mit einer unendlich schweren Verpflich tung durch tüe Beibehaltung der im Versailler Vertrage dik tierten Demilitarisierung des Rheinlandes. Eins der wich- Mlen und volkreichsten Gebiete des Deutschen Reiches mit Millionen kerndeutschen Einwohnern sollte also ohne jeg- 'ichen militärischen Schuh bleiben. Ich glaube, daß vom Standpunkt einer höheren Gerech tigkeit aus eine solche Einschränkung primitivster Souveräni- wtsrechte an sich schon aus die Dauer für ein Volk eine fast unerträgliche Zumutung bedeutet. Wenn °as deutsche Volk trotzdem diesen Zustand so viele Jahre hin durch ertrua, so tat es dies in der Erwartung, daß dann aber auch die anderen Partner von Locarno ihre' wesentlich leich teren Verpflichtungen mindestens ebenso getreulich einhalten würden, wie Deutschland die seinen. Eowjetpakt ausschließlich gegen Deutschland Im Laufe des vergangenen Jahres begann der eine Vertragspartner dieses Paktes, Frankreich, seine Be ziehungen zur Sowjetunion immer enger zu gestalten. Es kamen ernste Nachrichten über ein französisch-sowjetrussisches Militärbündnis, gleichzeitig aber auch über ein gleiches zwi schen Rußland und der Tschechoslowakei. Lange Zeit hin durch waren diese Meldungen unklar. Sie wurden bald de mentiert, wurden dann zugegeben und wieder dementiert, bis eines Tages zur Ueberraschung der bis dahin zumindest offi ziell in Unkenntnis gehaltenen anderen Mächte das neue französisch-sowjetrussische Militärbündnis veröffentlicht wurde. Die beängstigende Bedeutung und damit Auswirkung dieses Bündnisses für Deutschland aber ergibt sich aus fol genden schwerwiegenden Feststellungen: 1. Dieses Bündnis bedeutet die Zufammensüaung zweier Staaten, die, eingerechnet der für militärische Hilfeleistung in Frage kommenden kolonialen Gebiete, etwa 275 Millionen Menschen umfassen. 2. Die beiden vertragschließenden Parteien gelten jede für sich zur Zeit als die stärksten Militärmächte der Welk. Z. Dieses Bündnis richtet sich ausschließlich gegen Deutsch land. 4. Sowjetrußland, das an sich durch weite Räume von Deutschland getrennt, von diesem gar nicht angreifbar wäre, Hal sich durch einen analogen militärischen Bundesvertrag mit der Tschechoslowakei indirekt an die deutsche Grenze vorgeschoben. 5. Frankreich und Ruhland erheben sich nach diesem Bündnis zum Richter in eigener Sache, indem sie gegebenen falls auch ohne einen Beschluß oder eine Empfehlung des Völkerbundes selbständig den Angreifer bestimmen und so- 3 Jahre Nationalsozialismus. 1YZS: Y7S000 Geburten 1YZ5: 1S6500O Geburten Deine Stimme öem Führer! m» gegen Deutschland nach ihrem eigenen Ermessen zum Kriege schreiten können. Diese strikte Verpflichtung der beiden Staaten ergibt sich klar und eindeutig aus Ziffer 1 des Zeichnungsprotokolls zu dem Bündnisvertrag. Das heißt also: Frankreich kann in einem angezogenen Fall aus eigenem Ermessen entscheiden, ob Deutschland oder Sowzetrußland der Angreifer sei. Es macht dabei lediglich den Vorbehalt, daß es sich durch sein militärisches Vorgehen gemäß einer solchen eigenen Entscheidung nicht Sanktions maßnahmen seitens der Garantiemächte des Rheinpaktes, England und Italien, aussetze. Dieser Einwand ist, rechtlich und realpolitisch gesehen, belanglos. Rechtlich: Wie will Frankreich bei der eigenen Fest- stellung des Angreifers voraussehen wollen, welche Haltung zu dieser seiner Feststellung nachträglich die angezoyenen Garanten des Locarno-Paktes einzunehmen beabsichtigen? Die Antwort auf die Frage, ob Frankreich im gegebenen Falle derartige Sanktionsmahnahmen zu befürchten hätte, hängt praktisch nicht lediglich von der loyalen Vertragstreue der Garanten ab, die die deutsche Regierung in keiner Weise in Zweifel ziehen will, sondern auch von den verschiedensten Voraussetzungen rein faktischer Art, deren Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit im voraus in keiner Weise zu ü b e r s e h e n ist. Außerdem kann aber die Beurteilung des Verhältnisses des neuen Bündnisvertrages zum Rhein pakt unmöglich von dem Vertragsverhältnis zwischen Frank reich und Deutschland einerseits und den Garantiemächten andererseits abhängig gemacht werden, sondern allein von dem unmittelbaren Vertragsverhältnis zwischen Frankreich und Deutschland selbst. Sonst müßte man Deutschland an sinnen, jede mögliche Verletzung des Rheinpaktes durch Frankreich stillschweigend hinzunehmen im Vertrauen darauf, daß die Garanten für seine Sicherheit zu sorgen haben. Das ist sicherlich nicht der Sinn des Rheinpaktes gewesen. Realpolitisch: Es ist für einen Staat, der infolge einer unrichtigen, weil in eigener Sache vorweggenommenen Entscheidung von einer so übermächtigen Militärkoalition angegriffen wird, ein belangloser Trost, sein Recht in nachträglichen Sanktionen gegenüber den vom Völker bundsrat verurteilten Angreifern zu erhalten. Denn welche Sanktionen könnten überhaupt eine so gigantische, von Ost asien bis zum Kanal reichende Koalition treffen? Diese bei den Staaten sind so mächtige und ausschlaggebende Mitglie der und insonderheit militärisch starke Faktoren des Völker bundes, daß nach allen praktischen Erwägungen eine Sank tion dagegen von vornherein undenkbar wäre. Unerträgliche Zumutungen Deutschland und Frankreich haben durch den Rhein pakt in ihrem Verhältnis zueinander auf die Waffengewalt verzichtet. Deutschland seinerseits hat sich, wie schon gesagt, mit der Tatsache der bei Abschluß des Rheinpaktes bestehen den und in ihrem Inhalt diesem angepaßten Beistandsver trägen mit Polen und der Tschechoslowakei abgefunden. Den Rheinpakt aber nun nachträglich so zu interpretie ren, daß er eine Partei die Möglichkeit offen läßt, über die bei Abschluß bereits bestehenden Verpflichtungen hinaus in beliebigem Maße neue Beiftandspflichten militärischer Art gegen die andere Partei emzugehen, ist nach der sesten Ueberzeugung und Rechtsauffassung der deutschen Reichs regierung genau so wie nach ihren politischen Pflichte» gegenüber der deutschen Ration ein Ding der Unmöglichkeit. Denn diese liesen am Ende daraus hinaus, daß Frankreich in zedem beliebigen Konflikt Deutschlands mit dritten Staa ten berechtigt wäre, nach freiem Ermessen einzugreisen. Da- mit aber wurde Deutschland, das selbst keinerlei militärische Bündnisverträge mit anderen Staaten hat, ein so ungleiches Vertragsverhältnis zugemutet, wie es vernünftigerweise von reinem Staat eingegangen werden kann. Amtlicher Teil Seite b