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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. 83. Freitag, den 23. October 1874. Verfügung an die Gemeindevorstände im Bezirke der Königlichen Amtshauptmannschaft Meissen. Das Königliche Ministerium des Innern hat der unterzeichneten Königlichen Amtshanptmannschaft eine Anzahl Exemplare des in Seinem Auftrage bearbeiteten Leitfaden für die Gemeindevorstände in Bezug auf die Verwaltung der Ortspolizei von von Bosse zur unent- geldlichen Aushändigung an dieselben zngchcn lassen. Diejenigen Gemeinde-Vorstände hiesigen amtshauptmannschastlichen Bezirks, welchen noch kein Exemplar davon zugegangen ist, können dasselbe in der Kanzlei hiesiger Königlichen Amtshauptmannschaft in Empfang nehmen. Es werden ihnen hierbei ferner einige Druckfvrmulare zur Benutzung für gcwisse Geschäfte eingchändigt werden. Ferner werden die genannten Vorstände angewiesen, ihren Bedarf bezüglich der Anzahl von Formularen zn Arbeitsbüchern für Bergarbeiter, jugendliche Fabrikarbeiter, zu Gesiudczeuguißbüchern uud Legitimationsscheiuen, zur Vermittelung hier auzuzeigeu. Königliche Amtshanptmannschaft Meißen, «m is. October 1874. Schmiedel. Tagesgeschichte. Durch eine Verordnung des Kaisers Wilhelm vom 20. d. M. wird der deutsche Reichstag zum 29. October einberufen. Wie von sozialdemokratischer, so scheint auch von klerikaler Seite der Reichstag mit Petitionen um ein neues Vereinsgesetz bestürmt werden zu sollen; eine vor einigen Tagen statlgchabte Versammlung katholischer Bürger Berlins beschäftigte sich neben Ertheilnng von Verhaltungsmassregeln gegenüber der Civilche hauptsächlich mit dem jüngsten Vorgehen gegen die katholischen Vereine und sprach die Ab sicht aus, die angeblichen Ungesetzlichkeiten vor dem Forum des Reichstags zur Sprache zu bringen. Aus der Feder eines spanischen Staatsmannes bringt die „Post" ein längeres Schreiben, welches mit folgenden Sätzen schließt: „Ach, wenn die naiven französischen Legitimisten, welche den Carlis- mus in gutem Glauben unterstützen, wenn die Damen von Metz und Nancy, die den Insurgenten Charpie, Bandagen und Geld zuwenden, wenn sie Alle wüßten, mit weich' eklen Banden sie es im Grunde zu thun haben. ... Ist cs doch ein öffentliches Gchcimniß, daß eine ganze Reihe der bekanntesten carlistischen Parteigänger sehr compro- miltirende Dossiers (Acten) in unsern Gerichtshöfen besitze». Um nur einen zu nennen,'so ist es der blutdürstige Saballs, der grausamste aller Condottiere des edlen Don Carlos, ehemals wegen Straßen raubes und Raubmordes zum Tode verurthcilt und flüchtig geworden und erst der Bürgerkrieg erschloß ihm die Thore seines Vaterlandes wieder. Jedenfalls aber, und dies kann man nicht genug betonen, der beste Beweis für die vollkommene Unpopularität, deren sich der Carlismns bei uns in allen Schichten erfreut, bleibt der Umstand, daß bisher keine Stadt sich durch eine Erhebung dieser Sache ange schlossen hat, daß kein irgend hervorragender Soldat in das Lager des Prätendenten überging, selbst daun nicht, als die schrecklichste Jn- disciplin in unserer Armee an der Tagesordnung war und daß nach so unendlich langer Zeit die Carlistcn sich noch nicht stark genug fühlen, um eine offene Feldschlacht zu wagen. Wenn Don Carlos für seine Banden den Anreiz der Plünderung unterdrückte, der auf so breiter Grundlage geübt wird, und wenn Frankreich ehrlich seine Grenze verschlösse, so wäre der Krieg gar bald erloschen. Aber das sind zwei Dinge, welche sich nicht ereignen werden.'" Nach Mittheilungen, welche der spanischen Regierung zugeganaen sind, überraschte, wie der Telegraph aus Madrid unterm 20. d. M. meldet, der Brigadegeneral Daban nach einem 14stündigen Marsche Nachts im Dorfe Bogarra die aus 800 Mann Infanterie und 200 Reitern bestehende Colonne des Carlistenführers Lozano, Es ent spann sich ein mehrstündiger Kampf, bei dem ca. 200 Carlisten, da runter 15 Offiziere, gefangen genommen wurden. Die aus Amerika kommenden Nachrichten sind sehr unerquicklich. Jedes neue Telegramm meldet von neuen blutigen Ausschreitungen politischer Leidenschaften. In Jackson, im nvrdamerikanischeu Bun desstaat Louisiana, wurde die Wahl zur förmlichen Wahlschlacht; einer der Kandidaten wurde getödtet. Außer ihm fielen noch 4 Neger in dem erbitterten Kampfe. — Auch die Naturgemalten thun das Ihrige. So fielen kürzlich in Guatemala nicht.weniger als zwei Hundert Menschen einem Erdbeben zum Opfer. Die Hungersnoth in Kleinasien hat entsetzliche Verhältnisse angenommen. Am schwersten litt der Landstrich, der im Westen von Angora bis Koma, im Süden von Koma bis Nigdch, im Osten von Nigdeh bis Tokat, im Norden von Tokat bis Angora sich erstreckt, ein Gebiet, welches an Flächcnraum zwei Dritthcilen von Frankre ch gleichkommt. Ein Engländer, der die so schwer heimgcsuchte Ge gend bereiste, fand dieselbe fast menschenleer. Die Bewohner der Dörfer sind entweder geflohen oder gestorben. Felder uud Weinberge liegen unbebaut, die Herden sind geschlachtet oder von Seuchen weg gerafft. Viele von den leerstehenden Häusern sind Ruinen, weil die Bewohner Holz und Eisen davon verkauften, um sich ein wenig Geld zu verschaffen. Würden die Ausgewanderten heimkehren, so fänden sie weder Obdach noch Nahrung, sie hätten auch kein Saatkorn und kein Vieh zur Bestellung der Felder. In ganz Anatolien wurde dies Jahr kaum der fünfte Theil der Aecker bestellt, die sonst unter den Pflug kamen, und das Wenige, was bebaut wurde, liefert nur ge ringen Ertrag. Die Wcinstöcke und Obstbäume hat der Hagel ge schädigt. Man schlägt die Zahl der Menschen, die bisher dem Hunger und den Seuchen zum Opfer fielen, auf 150,000 an, und unter den obwaltenden Umständen ist zu besorgen, daß im bevorstehenden Winter die Noth noch größere Verheerungen anrichten wird. Nicht mir sind weniger Vorräthe da, als zu Anfang des Winters 1873, sondern die durch die bisherige Noth schon geschwächte Bevölkerung besitzt jetzt auch weniger Widerstandskraft gegen das Uebel qls da mals. Zwei oder drei solcher Sckreckcnsjahre würden hinreichen, das früher so blühende Anatolien, sonst die Kornkammer und der Garte» des türkischen Reichs in eine Wüste umzuwandcln. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Die neueste Nummer des „Kathol. Volksblattes aus Sachsen" verzeichnet bereits einige der Redaction desselben für die „deutsche Wallfahrtsfahne in Lourdes" zugegangene Geldbeiträge. Baron und Baronin Ernst Schönberg in Rothschönberg bei Wilsdruff sandten 5 Thlr. Innerhalb eines jeden der 25 amtshauptmannschaftlichen Bezirke besteht seit dem 15. d. M. ein, dieselben Gerichtsamtsbezirke, welche zn der betreffenden Amtshauptmannschaft gehören, umfassender Me dizinalbezirk unter der Leitung eines besonderen Bezirksarztes, Die städtischen Medizinalbezirke von Dresden, Leipzig, Oschatz und Hainichen bestehen neben den 25 königl. Mediziualbezirken bis auf Weiteres fort. Auch bestehen für die Landes-Heil-, Straf- und Ver- sorguugsanstalten besondere Medizinalbezirke.