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Pulsnitzer Anzeiger Ohorner Anzeiger Haupt- und Tageszeitung für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz und die Gemeinde Ohorn «»i» Zeitung erschein, täglich mit Ausnahme der gesetzliche« Sonn- und Feiertage. Der Bezugspreis beträgt bet Abholung wöchentlich 46 Rps., bei Lieferung frei HauS « Rps.. Postbezug monatlich 2.SV RM. Im Falle höherer Gewalt »der sonstige, VetriebSstörnugen hat der Bezieher keinen Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder RLkbahlung b«S Bezugspreise. - Anzeigenpreise und Nachlabsätze bet Wieder- jungen nach Preisliste Nr. « stn unseren Geschäftsstellen erhältlich). Bei Konkurs und Zwangsoergleich wird der für Aufträge etwa schon bewilligte Nachlaß hinfällig. Anzeigen sind an den ErschetnungStagen bis vormittag» 10 Uhr aufzugebm. Verlag: Mohr k Hoffmann. Druck: Karl Hoffmann und Gebrüder Mohr. Verantwortlich für den Heimatteil, Sport und Anzeigen Walter duwnitz, für Politik und den übrigen Tetl Walter Mohr, PuISnitz. D. «.V- 22S0. Geschäftsstellen: Wertste atze 2 und Adolf-Hitler-Straße 4. Fernruf S18 und SSO Der Pulsnitzer Anzeiger ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft zu Kamenz, des Stadtrates zu Pulsnitz und des Gemeinderates zu Ohorn behördlicherseits bestimmte Blatt und enthält Bekanntmachungen des Amts ¬ gerichts Pulsnitz, sowie des Finanzamtes zu Kamenz 88. Jahrgang Nr. 146 Donnerstag, den 2Z. Juni 1936 Die politische Lage in Belgien In der belgischen Kammer verlas Ministerpräsident van Zeeland am Mittwoch die Regierungserklärung. Gleich zu Beginn forderten die Mitglieder des Nationalflämischen Blocks mit heftigen Zurufen den Ministerpräsidenten auf, seine Erklärung nicht in französischer sondern in flämischer Sprache vorzutragen. Der Tumult war so groß, daß van Zeeland zunächst nicht mehr zu Worte kommen konnte. Mehrere flämische Abgeordnete standen auf und erhoben Einspruch dagegen, daß heute noch im Parlament der französischen Sprache offiziell der Vorzug gegeben werde, obwohl die Mehrheit sich aus Flamen zusammensetze. van Zeeland wollte beschwichtigend wirken, indem er .erklärte, daß zum Ausgleich im Senat die Regierungserklä rung zuerst in flämischer Sprache verlesen und ins Franzis fische übersetzt werde. Diese Erklärung van Zeelands hatte jedoch nicht die erhoffte Wirkung. Verschiedene National flamen entgegneten, für sie sei es «ine grundsätzliche For- Äerung, daß künftig Flämisch die offizielle Sprache sei, die mit Rücksicht auf die flämische Mehrheft Belgiens den Vor zug vor dem Französischen verdiene. Kammerpräsident Huysmans, ein Flame, konnte in dem allgemeinen Lärm weder sich noch dem Ministerpräsidenten Gehör verschaffen. Schließlich legte sich der Sturm und van Zeeland konnte seine Erklärung in französischer Sprache fort setzen. Am Schluß kam es zu neuen Zwischenfällen, als Fi'nanzminister de Man (flämischer Sozialist) aus die Red nertribüne trat, um die Regierungserklärung ins Flämische zu übersetzen. Zusammenarbeit Deutschland Die große Unterhausaussprache über die grundlegende Umstellung der englischen Sanktionspolitik brachte zum Schluß noch eine Rede des Ministerpräsidenten Baldwin, der diesmal mit seinen Ausführungen einen viel besseren Eindruck erzielen konnte als am ersten Tag der Aussprache und damit zu der Ablehnung des arbeiterparteilichen Mißtrauensantrages — mit 384 gegen l70 Stimmen — wesentlich beigetragen hat. Es sei ganz klar, so erklärte Baldwin, daß die Sanktionen nicht für alle Zeiten hätten fortgesetzt werden können. Die Antwort auf die Frage des Oppositionsfüh rers Attlee, ob die Regierung die Angriffshandlung Italien verzeihen wolle, laute: „Nein!" Er wolle es betonen, daß die britische Regierung nicht die Absicht habe, auf der be vorstehenden Völkerbundstagung eine Anerkennung der italienischen Annektierung Abessiniens vorzuschlagen oder ihr zuzustimmen. Der Ministerpräsident ging dann noch einmal auf die bekannten Beweggründe für die Aufhebung der Sank tionen ein und legte dann die zukünftige Politik der eng lischen Negierung dar. Man müsse nun versuchen, wie weit die kollektive Sicherheit verwirklicht werden könne. Die englische Politik stütze sich immer noch auf den Völ- kerbund, und diese Angelegenheit müsse auf der Septem ber-Tagung aufgegriffen werden. Waterloo und die Gegenwart Baldwin knüpfte dann an eine Bemerkung des Führers der Arbeiter-Opposition, Attlee, über den kürzlichen Jah restag der Schlacht von Waterloo an und sagte dazu, er glaube, daß Attlee eine sehr merkwürdige Schlußfolgerung aus dieser Tatsache gezogen habe. Waterloo sei eine Schlacht gewesen, die eine lange Zeit von Kämpfen ab geschlossen und Europa den Frieden aus ein Menschenalter hinaus gegeben habe. Er entnehme den Worten Attlees, daß dieser den Jahrestag von Waterloo dadurch feiern wolle, daß er einen Krieg in Europa beginne. Bei Waterloo habe Wellington die Hilfe der Preußen erwartet, um seinen Erbfeind, die Franzosen, zu besiegen. Hundert Jahre später hätten Englands Erbfeinde, die Franzosen, Schulter an Schulter mit ihm gegen die jenigen gekämpft, die Englands Verbündete bei Waterloo Tumulte in der belgischen Kammer Unter lauten Protestrufen verließen die Mitglieder des Nationalflämischen Blocks geschlossen den Sitzungssaal mit der Erklärung, daß sie an der Uebersetzung einer französi schen Rede kein Interesse hätten. Zur Außenpolitik beschränkte sich die Regierungserklä rung auf die Feststellung, daß die bisherige Politik fortges^ werde. In der Frage der Landesverteidigung werde sich die Regierung mit den wirksamsten Mitteln die Unverletz lichkeit des Staatsaebietes sichern. Auf die Forderung der Flamen ging die Regierungs erklärung nur mit wenigen Sätzen ein. Die Regierung sei fest entschlossen, die vollständige und loyale Anwendung und Durchführung der Sprachengesetze zu gewährleisten. Die Regierung habe Verständnis für die autonomen Wünsche, die immer mehr bei den flämischen und wallonischen Volks teilen sich ausbreiteten. Die Rede van Zeelands wurde wiederholt von den Ra- tivnalflamen und den Resisten mit Zwischenrufen unterbrochen. Die Rexisten klatschten Beifall bei Stellen, die ihnen ein Ein gehen aus die Forderungen der Resisten zu verraten schienen. Bei den Ausführungen van Zeelands über die Landesvertei digung riefen einige nationalflämische Abgeordnete: „Los von Frankreich!" Keine Befriedigung fand bei den Flamen, wie aus den Zwischenrufen hervorging, die Erklärung der Regierung über das Kulturprogramm in der Flamenfrage. Die Ankündigung van Zeelands, daß die Regierung das parlamentarische System gegen alle Angriffe verteidigen werde, löste auf den Bänken der Sozialdemokraten tosenden Beifall aus. — England — Frankreich gewesen seien. Das lege ihm die Frage nahe, ob denn nicht die Zeit für diese drei großen Länder gekommen sei, sich zusammenzuschließen und eine Politik der Befrie dung Europas herauszufinden. „Wir sind", so erklärte Baldwin, „äußerst bemüht, mit diesen Verhandlungen voranzukommcn". Der Ministerpräsident wandte sich sodann nachdrücklich gegen eine Behauptung des Arbeiterabgeordneten Dalton, daß England angeblich die Absicht habe, ganz Europa sich selbst zu überlassen, wenn es sich selbst im Westen sichern könnte. Diese Behauptung sei völlig unbegründet, „Unsere eigene Sicherung fei von lebenswichtiger Bedeutung, und es mag dahin kommen, daß der Völkerbund letztlich zusammen bricht. Soweit sind wir aber noch nicht. Och habe alle Hoff nung, daß wir, wenn es zu Verhandlungen zwischen unseren drei großen Ländern kommt, für die Sicherheit der Länder in Mitteleuropa ebenso Vorsorge treffen, wie wir das für uns selbst erhoffen." „Das ist die Politik, die uns in Len kommenden Wochen beschäftigen wird. Wenn der September kommt, hoffe ich, daß Eden und seine Kollegen damit beginnen .die Grundlagen zu legen, auf denen ein großer Ueberbau, wie wir hoffen, ruhen Wird. Möge sich Las Haus keiner Unterschätzung der Schwierig keiten der Aufgabe hingeben! Das kann große Verpflichtungen für dieses Land oder für jedes andere Land bedeuten, bevor wir den Buchstaben und den Geist der Völkerbundssatzung ver wirklichen können." Das Unterhaus schritt darauf zur Abstimmung, bei der sämtliche Anhänger der Regierung bis auf einen für Lie Re gierung stimmten. Der Streit um die Meerenge« Englifch-fowjetrussische Auseinandersetzung Die Londoner Abendblätter berichten in großer Auf machung über Gegensätze zwischen England und Sowjet ruhland. die sich in Montreux herausgestellt hätten; sie seien so stark ausgeprägt, daß die britische Abordnung aus neue Anweisungen aus London warten müsse. Nach Reuter drehe sich die Meinungsverschiedenheit um die Durchfahrt für Kriegsschiffe durch die Dardanellen. Groß britannien sei nur dann bereit, sich mit Einschränkungen abzufinden, wenn sie allgemein und ohne Ausnahme gelten würden. Die Sowiet-Union dagegen wünsche, daß die Schwarz-Meer-Staaten so viel Schiffe, wie sie wollen, m das Mittelmeer senden dürfen, daß aber die anderen Machte nur eine begrenzte Tonnage aus dem Mittelmeer m das Schwarze Meer schicken dürfen und auch dies nur unter besonderen Bedingungen. Die britische Abordnung habe daher um weitere Anweisungen aus London gebeten. In unterrichteten Kreisen in London hält man es für möglich, daß sich die Sitzung des britischen Kabinetts am Donnerstag auch mit dieser Frage beschäftigen wird. Störkffer Ausbau der englischen Flotte Der Erste Lord der britischen Admiralität, Sir Samuel Hoare, sprach vor der Royal Empire Society über Eng lands Wiederaufrüstung. Vor allem tue, sagte er, Schnellig keit not. Wenn in unmittelbarer Zukunft wieder ein Krieg ausbreche, würde keinerlei Zeit übrig bleiben, wie das beim letzten Mal der Fall gewesen sei. Großbritannien müsse sein Haus in Ordnung bringen, bevor eine Krise Hereinbreche. Wenn die britische Armee, die britische Flotte und die britische Luftwaffe angemessen und rechtzeitig verstärkt wür den, werde es keinen Weltkrieg geben. Wenn es gelinge, eine gut ausbalanzierte Flotte zu haben, die in der Lags sei, den Feind zu schlagen und die Meere osfenzuhalten, und die so ausgerüstet sei, daß sie überall hingehen könne, werde es keinen Weltkrieg geben. Wenn gefragt werde, warum man trotz des Völker bundes eine starke Flötet bauen solle, so sei darauf hinzuwei sen, daß die kollektive Sicherheit ihre Ideale noch nicht er reicht habe. Aus den Erfahrungen der letzten Zeit hätten sich zwei Lehren herausgeschält. Die erste laute: „Kollek tive Sicherheit" heiße in der Praxis, daß die britische Flotte im Mittelmeer sein müsse. Wenn die Flotte zweimal so stark gewesen wäre, als sie es heute sei, würde die Krise niemals entstanden sein. Trotz aller Kritik der Ignoranten hohe die britische Flotte ihre Aufgabe erfüllt, indem sie eine Ausdehnung des Streites verhindert habe. Das Ausbleiben einer kollektiven militärischen Aktion im Herbst zeige, daß das Britische Reich sich immer noch auf seine Reichsverteidigung und besonders auf eine starke bri tische Flotte verlassen müsse. Die Tatsache bleibe bestehen. Laß das britische Reich von seinen Seeoerbindungen abhänge. Ehrendoktor von Oxford für Eden London, 25. Juni. Dem Außenminister Eden wurLe am Mittwoch von Ler Universität Oxford der Ehrendoktor verliehen. Befristetes Gastrecht Schweizer Wünsche an den NeguS. Zu den zahlreichen Gerüchten über einen Aufenthalt der Negus in der Schweiz wird von amtlicher schweize rischer Seite mitgeteilt: Der Bundesrat hat dem Negus nahegelegt, von einer Niederlassung in der Schweiz für so lange abzusehen, als der italienisch-abessinische Konflikt nicht endgültig beendet ist, denn die Einräumung eines dauernden Gastrechtes an ein fremdes Staatsoberhaupt, das sich selbst als im Kriege mit einem unserer Nachbar staaten betrachtet, mühte zu Unzuträglichkeiten führen. Der Bundesrat wird dagegen der Anwesenheit des Kaisers Haile Selassie in Genf keine Schwierigkeiten in den Weg legen, wenn dieser seinen Fall während der nächsten Sitzung des Völkerbundsrates und der Völkerbundsver sammlung vertreten möchte. Genf gegen 40-Giunden-Woche Annahme nur hinsichtlich subventionierter Arbeiten. Die Internationale Arbeitskonferenz nahm die end gültige Abstimmung vor über die internationale Konven tion betreffend Lie Einführung der 40-Stunden-Woche bei öffentlichen, von den Regierungen finanzierten oder sub ventionierten Arbeiten. Sie wurde mit 79 gegen 38 Stim men angenommen. Hingegen wurde die internationale Konvention über die 4N-Stunden-Woche beim Hoch- und Tiefbau in den endgültigen Abstimmungen nicht angenom men, da sie nur 71 gegen 42 Stimmen auf sich vereinigte und also die erforderliche Zweidrittelmehrheit zu Gunsten Baldwin vor dem Unterhaus