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5. Jahrg Donnerstag, den 15. April I88V. Inserate werden bis spätesten- Mittags deS vorhergehenden Tages deS Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit lv Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). Abonnementspreis beträgt vierteljährlich l Mark 20 Pf. prösnamvranlio. dictator Nordamerika die Colonien Gnadaloupe und Martinique für eine genau angegebene Menge von Kriegsvorräthen und Munition angeboren haben. Diese ganze schmutzige Wäsche wird etwas spät gewaschen. Spanien. Der Ministerrath hat sich gegen eine Umwandlung der wider den Attentäter Ortero erkannten Todesstrafe ausgesprochen; die Hinrichtung des Verbrechers steht sonach uninittelbar bevor. Daß der Ministerrath noch besondere Sitzungen hält, um dem Rechte seinen Lauf zu lassen, ist wunderbar; ist das Leben eines Königs weniger heiliger und werthvoll, wie das eines anderen Menschen? Wäre das Verbrechen Ortero's weniger frech, hätte er gegen das Leben eines minder Hochgestellten gefrevelt, so würde er ohne alle Weiterungen der von Rechts wegen über ihn verhängten Strafe verfallen sein. Rußland. Fürst Gortschakoff ist sehr schwer erkrankt, so daß man stündlich seinem Ableben entgegensetzen darf. Derselbe ist jetzt 82 Jahre alt und seit 25 Jahren Leiter der auswärtigen Angelegen heiten seines Vaterlandes. Seit dem Berliner Congresse hat er sich fast vollständig von den Geschäften zurückgezogen, obwohl der Czar wiederholt sein Entlassungsgesuch abgeschlagen hat. Mit dem Dienst- geschäste hatte der Fürst schon seit einem Jahre keinen geregelten Zusammenhang; jedoch holte der Czar bei besonders wichtigen An lässen seinen Nath ein. Seit der Dictatorschaft Loris-Melikoffs ist auf Letzterem ein großer Theil des maßgebenden Einflusses auch auf die äußere Politik übergegangen. Petersburg. 12. April. Der Kaiser stattete dem Reichskanzler, Fürsten Gortschakoff, heute einen Besuch ab. Amerika. Vom südamerikanischen Kriegsschauplätze wird be richtet, daß die peruanische Armee von den Chilenen bei Sorata geschlagen wurde, und daß Callao de Lima blokirt oder bombardirt wird. In Volivia war in Folge der durch die Niederlassungen der bolivanischen Truppen entstandenen Unzufriedenheit unter Führung des Obersten Silva Machado eine Revolution ausgebrochen. Eine Gegen-Revolution führte aber zur Wiedereinsetzung des bisherigen Präsidenten Camperos in die Präsidentschaft. Nette Zustände. Asien. Steuere Depeschen aus Birma machen es wieder zweifel haft, ob König Thibau oder aber sein Sohn an den Pocken gestorben ist. Die Hofastrologen behaupten, es bedürfe zur Beseitigung gewisser schädlicher Einflüsse eines großen Sühneopfers: 400 Personen sollen verbrannt werden und zwar sollen die Opfer den verschiedensten Klassen der Bevölkerung angehören; auch die Priester sollen 100 Mann stellen. Es sind zu diesem Zwecke bereits eine große Menge von Verhaftungen vorgenommen worden und sieht man einen Bürger kriege entgegen. Sollte das nicht ein Wink für England sein, von Indien her die Kultur mittels Pulver rind Blei nach Birma zu bringen!! Lokales und Sächsisches. — Demnächst werden die Gerichtsdiener und Vollstreckungs beamten der Amts- und Landgerichte eine neue Uniformirung er halte». Vom königl. Justizministerium ist bereits eine Probe-Uniform genehmigt worden. — Da es während der jüngsten Zeit nicht selten vorgekommen ist, daß dem Arbeiterstunde angehörende augenscheinlich unbemittelte Personen durch Vorspiegelung ihrer in Amerika lebenden Angehö rigen zur Auswanderung vorthin verleitet wurden, ist für die zu die sem Zweck beantragte Ausfertigung von Reisepässen eine neue An ordnung getroffen worden. Um nämlich den nicht allein für die Be theiligten, sondern auch für die deutsche Neichsconsularbchörden beim Eintritte der Hilfsbedürftigkeit der ersteren in Amerika entstehenden Weitläufigkeiten entgegenzutreten, ist bestimmt morden, daß Anträge auf Ertheilung von Pässen zur Reise nach Amerika nur dann Be rücksichtigung finden sollen, wenn der den Paß Nachsuchende die er- Organ für den Stadtgemeinderath, den Kirchen-- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. Tagesgeschichte. Deutschland. Die große Angelegenheit des Tages bleibt noch immer das Entlassungsgesuch des Kanzlers. In größerer Rathlosig- keit und Unkenntniß gegenüber einer so kritischen Frage waren die politischen Kreise noch niemals. Vergeblich strengen die politischen Geister ihre Köpfe an, um irgend eine plausible Ursache für diesen ganz unerklärlichen Schritt des Fürsten Bismarck zu finden. Viel leicht haben Diejenigen Recht, welche auf den neuerdings wieder recht leidenden Gesundheitszustand des Fürsten Bismarck Hinweisen lind daraus auf eine erregte und mißmuthige Gemüthsstimmung schließen, welche geneigt ist, allerlei kleine zusammentreffende Wider wärtigkeiten unnöthig schwer aufzunehmen. Näher liegt die Annahme, daß auch dieses Entlassungs-Intermezzo wie die früheren mit einer neuen Befestigung des Kanzlers in seiner Stellung endigen wird, daß ihm vielleicht einige Personen geopfert werden und er nach Wunsch über weitere Diensterleichterungen verfügen darf. Denn daß er nach allen Herkulesthaten im Guten und Schlimmen einen wohl berechtigten Anspruch auf Ruhe hat, wird Niemand bestreiten. — Der Reichstag ist am Freitag in die zweite Berathung des Militärgesetzes getreten, deren Ergebniß die mit großer Majorität erfolgte Annahme des Commissionsantrages war, wonach der Regier ung die gewünschte Friedenspräsenzstärke von 427,274 Mann auf 7 Jahre bewilligt wird. Damit ist das Gesetz selbst gesichert. Als hauptsächliche Gegner der Vorlage erwiesen sich die Abgg. Lasker und Eugen Richter, nur ist Letzterer seinein Collegen Lasker, der die Friedensstärke vorläufig nur auf 7 Jahre fixirt sehen will, noch in sofern „über", als er die Präsenzziffer jährlich durch den Reichstag festgesetzt zu sehen verlangt, außerdem aber die Forderung einer nur zweijährigen Dienstpflicht der Infanterie bei der Fahne erhebt. — Das Befinden Sr. Maj. des Kaisers ist ein so vortreffliches, daß der Monarch wenig Neigung verspürt, dem Rathe der Aerzte zu folgen, welche wünschen, daß er nach Wiesbaden zur Cur solle. Der Kaiser soll in dieser Beziehung geäußert haben, er fühle gar kein Bedürfniß zu einem Curgebrauch lind werde nur einer bestimmten Weisung der Aerzte Folge leisten. Berlin, 12. April. Sicherem Vernehmen nach ist die Ver längerung des deutsch-österreichischen Handelsvertrags bis zum 30. Juni 1881 gestern Abend hier unterzeichnet. Oesterreich-Ungarn. Hier faßt man den drohenden Rück tritt des deutschen Reichskanzlers sehr ernst auf. Es wäre ein Un glück für das deutsche Reich, wenn Fürst Bismarck von seinem Ent schluß sich nicht abbringen ließe, heißt es durchgehends in den Wiener Journalen. Frankreich. Die katholischen Journale vom Sonntag ver öffentlichen mehrere Schreiben, welche von den Bischöfen gegen die Decrete vom 29. v. M. erlassen worden sind. Die „France" will wissen, die Regierung beabsichtigte, Maßregeln zn ergreifen, um den Kundgebungen der Bischöfe Einhalt zu thun und sieht es als wahr scheinlich an, daß ein ministerielles Schreiben den Bischöfen die Vor schriften ocs Concordats in Erinnernng bringe und den festen Ent schluß der Regierung betone, den Gesetzen Achtung zu verschaffen. — Es scheint jetzt auch wieder eine „Enthüllungsära" anbrechen zu sollen. Die englischen Conservativen möchten ihren siegreichen Gegnern gern etwas am Zeuge flicken und verbreiten jetzt, Gladstone wäre 1871 bereit gewesen, Gibraltar an Spanien abzutreten. Dabei kommen denn allerdings schöne Dinge zum Vorschein. Gambetta soll damals von Spanien 50,000 Mann zu Polizeidiensten im südlichen Frankreich verlangt haben; Spanien hätte auch zugesagt, wenn ihm Gambetta Gibraltar verschaffte. Für die Abtretung dieser Festung an Spanien habe Gambetta England die Hälfte der französischen Flotte, die sich sowieso nur als Ballast erwiesen habe, sowie die Er klärung von Toulon zum Freihafen versprochen. Auch soll der Ex- Änreiger für Zwönitz und Umgegend